Gericht | OLG Brandenburg 6. Zivilsenat | Entscheidungsdatum | 24.05.2022 | |
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Aktenzeichen | 6 U 65/21 | ECLI | ECLI:DE:OLGBB:2022:0524.6U65.21.00 | |
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen |
Auf die Berufung des Klägers wird das am 20.07.2021 verkündete Urteil des Landgerichts Potsdam - 52 O 100/20 - teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
1. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zur Höhe von EUR 250.000,00, ersatzweise von Ordnungshaft, oder von Ordnungshaft bis zur Dauer von 6 Monaten zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr gegenüber Verbrauchern auf der Internetplattform … für einen Likör auf …-Basis zu werben, ohne den Grundpreis anzugeben, wenn dieser in einer Fertigpackung nach Volumen angeboten wird, wie in der Anlage zu diesem Urteil abgebildet.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger EUR 116,97 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 16.12.2020 zu zahlen.
Die weitergehende Berufung des Klägers wird teilweise, soweit er die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung vorgerichtlicher Abmahnkosten nebst Rechtshängigkeitszinsen begehrt, als unzulässig verworfen und im Übrigen zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz hat die Beklagte zu tragen, die Kosten des Berufungsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
Dieses Urteil und - soweit es Bestand hat - das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.
I.
Der Kläger ist ein Verein, zu dessen Satzungszweck die Bekämpfung des unlauteren Geschäftsverkehrs gehört. Ihm gehören – unmittelbar oder mittelbar – zahlreiche Unternehmen der Lebensmittelbranche an, u.a. auch Getränkehersteller und -händler.
Die Beklagte betreibt u.a. über die Internetplattform … einen Onlinehandel mit Spirituosen.
Unter dem 22.10.2020 und unter dem 06.11.2020 mahnte der Kläger die Beklagte wegen einer wettbewerbswidrigen Werbung auf der Internet-Plattform ….de ab und machte dazu geltend, die Beklagte biete dort einen Likör auf …-Basis an, ohne, wie nach § 2 Abs. 1, 3 PAngV erforderlich, den Grundpreis anzugeben. Die Beklagte verweigerte die Abgabe der geforderten strafbewehrten Unterlassungserklärung. Dem Kläger entstanden durch die Abmahnung Kosten in Höhe von EUR 116,97 brutto.
Der Kläger hat erstinstanzlich behauptet, die Beklagte habe am 29.09.2020 den in der Abmahnung beschriebenen Wettbewerbsverstoß begangen und dadurch gegen §§ 3, 3a, 5 Abs. 2, 4 UWG in Verbindung mit RL 98/6/EG verstoßen.
Erstinstanzlich hat der Kläger beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zur Höhe von EUR 250.000,00, ersatzweise von Ordnungshaft, oder von Ordnungshaft bis zur Dauer von 6 Monaten zu unterlassen, wie nachstehend wiedergegeben gegenüber Verbrauchern unter Preisangabe zu werben, ohne den Grundpreis anzugeben
- es folgt der in der Anlage zu diesem Urteil abgebildete Ausdruck -;
2. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger EUR 116,97 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat den behaupteten Verstoß in Abrede gestellt und die Ansicht vertreten, ein eventuell kurzzeitig aufgetretener technischer Fehler im Internet begründe keinen spürbaren Wettbewerbsverstoß.
Das Landgericht hat die Beklagte mit am 20.07.2021 verkündetem Urteil unter Abweisung der Klage im Übrigen verurteilt, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zur Höhe von EUR 250.000,00, ersatzweise von Ordnungshaft, oder von Ordnungshaft bis zur Dauer von 6 Monaten zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr gegenüber Verbrauchern auf der Internetplattform … für einen Likör auf …-Basis zu werben, ohne den Grundpreis anzugeben, wenn dieser in einer Fertigpackung nach Volumen angeboten werde, wie in der Anlage 1 zu dem Urteil geschehen, wobei die Anlage 1 des landgerichtlichen Urteils dem der Klageschrift beigefügten 15-seitigen Ausdruck des Angebots der Beklagten auf ….de vom 29.09.2020 entsprach. Daneben hat es die Beklagte zur Zahlung von Abmahnkosten in Höhe von EUR 116,97 nebst Rechtshängigkeitszinsen verurteilt. Die Kosten des Rechtsstreits hat das Landgericht beiden Parteien je zur Hälfte auferlegt.
Zu Begründung hat es ausgeführt, dem Kläger stehe gegen die Beklagte ein Anspruch aus §§ 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 2, 3a UWG i.V.m. § 2 Abs. 1, Abs. 3 PAngV zu, die streitgegenständliche Werbung zu unterlassen, jedoch nur mit den tenorierten Einschränkungen „im geschäftlichen Verkehr“, „auf der Internetplattform … für einen Likör auf …-Basis“, „wenn dieser in einer Fertigpackung nach Volumen angeboten werde“. Der Kläger sei nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG klagebefugt. Aufgrund des als Anlage 5 auf CD gesicherten Angebots der Beklagten vom 29.09.2020 sei die Überzeugung davon zu gewinnen, dass die Beklagte den angebotenen Rum auf ….de ohne Grundpreisangabe angeboten habe. § 2 PAngV stelle eine Marktverhaltensregelung im Sinne des § 3a UWG dar. Der streitgegenständliche Verstoß sei auch geeignet, die Interessen von Verbrauchern und Marktteilnehmern spürbar im Sinne des § 3 UWG zu beeinträchtigen, zumal davon auszugehen sei, dass das streitgegenständliche Angebot zumindest in der Zeit vom 29.09.2020 bis zum 20.10.2020 für Verbraucher abrufbar gewesen sei. Allerdings müsse der Grundpreis nach § 2 Abs. 1 PAngV nur bei Angeboten im geschäftlichen Verkehr angegeben werden, und auch nur dann, wenn Waren in Fertigpackungen, offenen Packungen oder als Verkaufseinheiten ohne Umhüllung nach Gewicht, Volumen, Länge oder Fläche angeboten würden. Zudem sei der Klageantrag dahingehend auszulegen, dass er sich auf die beworbene Ware beschränke. Dem Kläger stehe schließlich nach § 12 Abs. 1 S. 2 UWG ein Anspruch auf Ersatz der in der Höhe unstreitigen Abmahnkosten zuzüglich Rechtshängigkeitszinsen nach § 291 BGB zu. Die Kostenentscheidung gründe sich auf § 92 Abs. 1 Satz 1 2. Alt. ZPO.
Gegen das ihm am 10.08.2021 zugestellte Urteil hat der Kläger mit am 13.08.2021 eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit am 08.10.2021 eingegangenem Schriftsatz begründet. Er ist der Ansicht, durch die Beschränkung des Unterlassungstenors auf die Internet-Handelsplattform ….de sowie den beworbenen …-Likör klammere das Landgericht kerngleiche Verstöße aus, auf die sich aber die Wiederholungsgefahr erstrecke. Zu diesen kerngleichen Verletzungshandlungen gehöre auch etwaiges Handeln der Beklagten auf e….de, kaufland.de oder im eigenen Onlineshop. Zudem sei für den vorliegenden Verstoß nicht die Werbung für …-Likör charakteristisch, sondern z.B. für alle Liköre. Die Einschränkungen „im geschäftlichen Verkehr“ und „wenn dies in einer Fertigpackung nach Volumen angegeben wird“ seien nicht erforderlich und stellten als Wiederholungen des Gesetzeswortlauts unschädliche Überbestimmungen dar. Der Unterlassungsantrag zu 1. sei auf die konkrete Verletzungsform gestützt worden, über die das Gericht nicht ohne Verstoß gegen § 308 ZPO hinausgehen könne. Die Beifügung unschädlicher Überbestimmungen könne keinen Einfluss auf die Kostenentscheidung haben.
Der Kläger beantragt,
unter Abänderung des am 20.07.2021 verkündeten Urteils des Landgerichts Potsdam (52 O 100/20) die Beklagte zu verurteilen,
1. es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zur Höhe von EUR 250.000,00, ersatzweise Ordnungshaft, oder von Ordnungshaft bis zur Dauer von 6 Monaten zu unterlassen,
wie nachstehend wiedergegeben unter Preisangabe gegenüber Verbrauchern zu werben, ohne den Grundpreis anzugeben,
- es folgt der in der Anlage zu diesem Urteil abgebildete Ausdruck -,
2. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger EUR 116,97 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,
3. der Beklagten die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen,
Sie ist der Ansicht, angesichts des vom Kläger in der Klageschrift angegebenen Streitwerts von EUR 1.000,00 sei der Kläger durch das überwiegend stattgebende landgerichtliche Urteil nicht im notwendigen Umfang beschwert, weshalb die Berufung unzulässig sei. Im Übrigen verteidigt sie das angegriffene Urteil.
Mit nicht nachgelassenem Schriftsatz vom 07.06.2022 hat sie geltend gemacht, der Kläger müsse überwiegend die Kosten der weitgehend erfolglosen Berufung tragen.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung sowie die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
II.
Die form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung (§§ 517, 519, 520 ZPO) ist teilweise unzulässig und, soweit zulässig, nur teilweise begründet.
Soweit der Kläger in der Berufung die Abänderung der landgerichtlichen Entscheidung im Hinblick auf eine Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von Abmahnkosten nebst Rechtshängigkeitszinsen verfolgt, ist das Rechtsmittel mangels Beschwer unzulässig. Die weitergehende, auf Abänderung des Unterlassungstenors zu 1. sowie der erstinstanzlich tenorierten teilweisen Klageabweisung nebst Kostenteilung gerichtete Berufung ist zulässig, aber nur teilweise begründet. Sie führt lediglich zur Aufhebung der landgerichtlich tenorierten Klageabweisung „im Übrigen“ sowie zur Abänderung der erstinstanzlichen Kostenentscheidung.
1.
Die Berufung des Klägers ist hinsichtlich des Antrags, die Beklagte unter Abänderung des landgerichtlichen Urteils zur Zahlung von Abmahnkosten in Höhe von EUR 116,97 nebst Rechtshängigkeitszinsen zu verurteilen, bereits nicht zulässig. Dem Kläger fehlt die nach § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO erforderliche Beschwer.
Die Zulässigkeit einer Berufung setzt voraus, dass der Berufungsführer durch die angefochtene Entscheidung beschwert ist und das Rechtsmittel dazu dient, diese Beschwer zumindest teilweise zu beseitigen (vgl. BGH, Urteil vom 24.03.2022 - I ZR 16/21, juris Rn. 13; Beschluss vom 12.03.2020 - IX ZB 68/18, juris Rn. 6; Urteil vom 10.01.2019 - I ZR 267/15, juris Rn. 97; Urteil vom 17.02.2017 - V ZR 147/16, juris Rn. 5; Beschluss vom 21.07.2005 - I ZR 172/04, juris Rn. 13). Soweit der Kläger mit seiner Berufung u.a. begehrt, die Beklagte unter Abänderung des landgerichtlichen Urteils zu verurteilen, an ihn vorgerichtliche Abmahnkosten von EUR 116,97 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen, fehlt es an einer solchen Beschwer, denn diesem, in erster Instanz als Klageantrag zu 2. verfolgten Begehren hat das Landgericht vollständig stattgegeben.
2.
Die weitere, auf die Abänderung des landgerichtlichen Unterlassungstenors zu 1. sowie der tenorierten teilweisen Klageabweisung nebst Kostenteilung gerichtete Berufung ist zulässig.
a)
Insbesondere ist der Kläger durch die angefochtene Entscheidung insoweit beschwert, als das Landgericht die Klage „im Übrigen“ abgewiesen und ihm einen Teil der erstinstanzlichen Kosten auferlegt hat.
Eine rechtsmittelführende Partei ist durch eine gerichtliche Entscheidung beschwert, wenn diese hinter dem in der unteren Instanz gestellten Antrag zurückbleibt, ihrem Begehren also nicht voll entsprochen worden ist (formelle Beschwer, vgl. nur BGH, Urteil vom 10.01.2019 - I ZR 267/15, juris Rn. 97; Urteil vom 17.02.2017 - V ZR 147/16, juris Rn. 6; Beschluss vom 18.01.2007 - IX ZB 170/06, juris Rn. 6). Das ist regelmäßig der Fall, wenn ein Vergleich des rechtskräftigen Inhalts des angefochtenen Urteils mit dem Klagebegehren ergibt, dass die Entscheidung für den Rechtsmittelkläger in irgendeiner Weise sachlich nachteilig ist, seinem Begehren also nicht voll entsprochen worden ist. Ist das nicht der Fall, fehlt dem Rechtsmittelführer die Beschwer auch dann, wenn die Entscheidung unerwünschte oder (grob) fehlerhafte Ausführungen enthält oder mit einer anderen als der gewünschten Begründung ergeht (BGH, Urteil vom 10.01.2019 – I ZR 267/15, juris Rn. 97). Formell beschwert ist danach auch diejenige klagende Partei, deren Klage in der Vorinstanz mit entsprechender Kostenfolge teilweise abgewiesen wurde, obwohl sie in der Sache vollumfänglich erfolgreich war, für eine teilweise Abweisung der Klage also eigentlich kein Platz war. Allein durch die Klageabweisung im Übrigen schafft die Vorinstanz den Anschein einer Beschwer, welche der mit dem insoweit unrichtigen Urteil belasteten klagenden Partei die Möglichkeit eröffnet, den Fehler zu beseitigen (vgl. BGH, Urteil vom 20.01.2004 – XI ZR 69/02, juris Rn. 12;Urteil vom 10.03.1993 – VIII ZR 85/92, juris Rn. 19; Urteil vom 09.10.1990 – VI ZR 89/90, juris Rn. 14 ff.). Soweit danach wegen der Klageabweisung im Übrigen von dem Vorliegen einer formellen Beschwer auszugehen ist, steht dem Rechtsschutzinteresse des Klägers trotz § 99 Abs. 1 ZPO auch nicht entgegen, dass ihm möglicherweise im wirtschaftlichen Ergebnis nur an einer Abänderung der Kostenentscheidung gelegen ist (so explizit BGH, Urteil vom 26.10.1990 – V ZR 122/89, juris Rn. 8; Urteil vom 10.03.1993 – VIII ZR 85/92, juris Rn. 19).
b)
Der Wert dieser formellen Beschwer überschreitet die Erwachsenheitssumme des § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Durch die der Klageabweisung „im Übrigen“ folgende Kostenteilung hat der Kläger auf der Grundlage des erstinstanzlich festgesetzten Streitwerts von EUR 10.000,00 Kosten in Höhe von EUR 2.249,00 zu tragen.
3.
Soweit die Berufung zulässig ist, ist sie nur zum Teil begründet, nämlich, soweit das Landgericht eine teilweise Klageabweisung ausgesprochen und die Kosten des Rechtsstreits anteilig auch dem Kläger auferlegt hat. Insoweit beruht das landgerichtliche Urteil auf einem Rechtsfehler, § 546 ZPO. Im Übrigen, d.h. soweit sich der Kläger gegen die seinem Klageantrag gegenüber einschränkende Formulierung des Unterlassungstenors wendet, bleibt die Berufung ohne Erfolg, denn insoweit hat das Landgericht dem zutreffend ausgelegten Unterlassungsklageantrag zu 1. vollständig stattgegeben.
a)
Dem nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG in der bis zum 30.11.2021 geltenden Fassung klagebefugten Kläger steht ein Anspruch gegen die Beklagte gemäß §§ 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 2, 3, 3a UWG i.V.m. § 2 Abs. 1, Abs. 3 PAngV in der bis zum 27.05.2022 geltenden Fassung („a.F.“) zu, es zu unterlassen, auf ….de für …-Likör zu werben, ohne den Grundpreis anzugeben. Zur Begründung wird insoweit auf die angefochtene Entscheidung Bezug genommen.
b)
Die durch das Landgericht ausgesprochene Verurteilung der Beklagten, es bei Meidung näher bezeichneter Ordnungsmittel zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr gegenüber Verbrauchern auf der Internetplattform … für einen Likör auf …-Basis zu werben, ohne den Grundpreis anzugeben, wenn dieser in einer Fertigpackung nach Volumen angeboten werde, wie in der Anlage 1 zu dem Urteil geschehen - also mit den über den vom Kläger formulierten Klageantrag zu 1. hinausgehenden Zusätzen („im geschäftlichen Verkehr“, „auf der Internetplattform … für einen Likör auf …-Basis“, „wenn dieser in einer Fertigpackung nach Volumen angeboten werde“) - weicht sachlich nicht zum Nachteil des Klägers vom Unterlassungsklageantrag zu 1. ab, sondern bildet verbal das durch Auslegung des Unterlassungsantrags unter Berücksichtigung des Klagevortrags sowie des beigefügten Ausdrucks zu bestimmende Begehren des Klägers vollständig ab. Soweit das landgerichtliche Urteil die Klage „im Übrigen“ abgewiesen hat, unterlag es deshalb der Abänderung.
aa)
Wie der Kläger selbst erkennt, stellen die am Wortlaut von § 2 Abs. 1 S. 1 PAngV a.F. angelehnten Zusätze (Verurteilung zur Unterlassung von Angeboten ohne Angabe des Grundpreises „im geschäftlichen Verkehr“ sowie „wenn dies in einer Fertigpackung nach Volumen angegeben wird“) im Unterlassungstenor lediglich unschädliche Überbestimmungen dar, die der Vorschrift des § 2 Abs. 1 S. 1 PAngV a.F. entnommen sind. Der Inhalt der angefochtenen Entscheidung bleibt deshalb aufgrund der Zusätze „im geschäftlichen Verkehr“ und „wenn dies in einer Fertigpackung nach Volumen angegeben wird“ nicht hinter dem Rechtsschutzbegehren des Klägers zurück.
bb)
Soweit das Landgericht den Unterlassungstenor auf Angebote auf der Internetplattform ….de sowie für einen Likör auf …-Basis beschränkt hat, gilt nichts anderes, auch insoweit entspricht der Inhalt der angefochtenen Entscheidung dem durch Auslegung ermittelten Rechtsschutzbegehren des Klägers.
(1)
Zutreffend hat das Landgericht den Unterlassungsklageantrag zu 1. unter Berücksichtigung von Klagevortrag und des beigefügten 15-seitigen Ausdrucks des Angebots der Beklagten auf ….de vom 29.09.2020 dahingehend ausgelegt, dass der Kläger kein Verbot im Umfang des Gesetzeswortlauts beansprucht, sondern sich mit seinem Unterlassungsbegehren an der konkreten Verletzungshandlung orientiert.
Der Gegenstand des Klagebegehrens ist im Wege der Auslegung zu bestimmen. Dabei ist nicht an dessen buchstäblichem Sinn des Klageantrags zu haften, sondern der wirkliche Wille der Partei zu erforschen. Im Grundsatz gilt, dass im Zweifel dasjenige gewollt ist, was nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und der recht verstandenen Interessenlage der erklärenden Partei entspricht (vgl. BGH, Urteil vom 17.09.2015 – I ZR 92/14 (Smartphone-Werbung), juris Rn. 40; Urteil vom 21.03.2018 - VIII ZR 68/17, juris Rn. 31).
Hier hat der Kläger im Klageantrag zu 1. ausdrücklich („wie nachstehend wiedergegeben“) Bezug auf den 15-seitigen Ausdruck des Angebots der Beklagten auf ….de vom 29.09.2020 für den …-Likör genommen und dadurch unmissverständlich erkennen lassen, dass er als konkreten Verstoß rügt, dass bei dem Angebot des …-Likörs auf ….de nur der Gesamtpreis, nicht aber der Grundpreis angegeben war. Dies kommt ergänzend zum Ausdruck in seinem Vortrag auf Seite 7 der Klageschrift (Bl. 48 d. A): „… bot die Beklagte dort, d.h. auf …, wie aus der im Sinne der konkreten streitgegenständlichen Verletzungsform im Klageantrag zu 1. ersichtlich, einen Likör an. […] Mit dem Klageantrag zu 1. wendet sich der Kläger gegen die fehlende Grundpreisangabe in dem im Klageantrag zu 1. im Sinne einer konkreten streitgegenständlichen Verletzungsform eingeblendeten Angebot der Beklagten auf der Internetplattform ….“.
(2)
Diesen Inhalt des klägerischen Unterlassungsbegehrens bildet der landgerichtliche Tenor vollständig ab. Die durch den abgebildeten Screenshot als maßgeblich vorgegebenen Merkmale - nämlich ein Angebot auf der Internetplattform ….de eines Likörs auf …-Basis, ohne Ausweisung des Grundpreises gemäß § 2 Abs. 1, 3 PAngV - hat das Landgericht in der Formulierung des Unterlassungstenors erfasst, mithin die durch den Screenshot beschriebenen inkriminierten Inhalte vollständig verbal umgesetzt.
cc)
Der die konkrete Verletzungshandlung verbal durch Zusätze beschreibende Unterlassungstenor zu 1. steht entgegen der Ansicht des Klägers der Durchsetzung des Unterlassungsanspruches auch gegenüber kerngleichen Verstößen im Wege der Zwangsvollstreckung nicht entgegen.
(1)
Die Formulierung von Unterlassungsanträgen im Wettbewerbsrecht erfolgt in einem Spannungsfeld: Einerseits muss der Unterlassungsantrag bestimmt genug sein, um den Anforderungen des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zu genügen. Dazu muss der Antrag die Unlauterkeit der inkriminierten geschäftlichen Handlung konkret erfassen. Zugleich müssen zur Wahrung effektiven Rechtsschutzes Verallgemeinerungen zulässig sein, jedenfalls soweit in diesen Verallgemeinerungen noch das Charakteristische der Verletzungshandlung zum Ausdruck kommt (vgl. nur BGH, Urteil vom 19.05.2010 – I ZR 177/07 (Folienrollos), juris Rn. 17; Urteil vom 23.02.2006 – I ZR 27/03 (Parfümtestkäufe), juris Rn. 37; Urteil vom 02.06.2005 - I ZR 252/02, juris Rn. 14; Urteil vom 23.06.1994 – I ZR 15/92 (Rotes Kreuz), juris Rn. 35). Um den aus diesem Spannungsfeld erwachsenen Anforderungen bei der Formulierung des Unterlassungsantrags zu entsprechen, kann der Unterlassungsantrag – wie hier – auf die konkrete Verletzungshandlung beschränkt werden.
(2)
Dies hindert eine Erstreckung des gerichtlichen Unterlassungsgebots auf kerngleiche Verstöße jedoch nicht.
Es entspricht ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung, dass der Unterlassungsanspruch regelmäßig nicht auf die konkrete Unterlassungshandlung beschränkt ist, sondern sich auf im Kern gleiche Verletzungshandlungen erstreckt, sofern aufgrund der konkreten Verletzungshandlung die Wiederholungsgefahr auch für solche Verletzungshandlungen vermutet werden kann (vgl. nur BGH, Urteil vom 19.05.2010 – I ZR 177/07 (Folienrollos), juris Rn. 17; Urteil vom 30.04.2008 – I ZR 73/05 (Internet-Versteigerung III), juris Rn. 55; Urteil vom 29.06.2000 – I ZR 29/98 (Filialleiterfehler), juris Rn. 41; Urteil vom 30.03.1989 – I ZR 85/87 (Bioäquivalenz-Werbung), juris Rn. 12). Ob ein Handeln eine Zuwiderhandlung gegen die Unterlassungspflicht darstellt, bestimmt sich nach der durch Auslegung zu ermittelnden Reichweite des Unterlassungstitels. Die Auslegung hat vom Tenor der zu vollstreckenden Entscheidung auszugehen; erforderlichenfalls sind ergänzend die Entscheidungsgründe und unter bestimmten Voraussetzungen auch die Antrags- oder Klagebegründung und der Parteivortrag heranzuziehen (vgl. nur BGH, Beschluss vom 29.09.2016 – I ZB 34/15, juris Rn. 22; Urteil vom 19.05.2010 – I ZR 177/07 (Folienrollos), juris Rn. 17). Die Zugehörigkeit zum Verbotsbereich ist insbesondere dann anzunehmen, wenn neben der in Bezug genommenen konkreten Verletzungshandlung zur Beschreibung abstrakt formulierte Merkmale verwendet werden. Sie haben dann die Funktion, den Kreis der Varianten näher zu bestimmen, die von dem Verbot als kerngleiche Handlungen erfasst sein sollen (BGH, Urteil vom 19.05.2010 – I ZR 177/07 (Folienrollos), juris Rn. 17). Aber auch dann, wenn solche abstrahierenden Merkmale nicht verwendet werden, ist der Verbotsumfang regelmäßig nicht auf die im Urteil beschriebene sog. konkrete Verletzungsform begrenzt, sondern gilt für alle im Kern gleichartigen Verletzungshandlungen, in denen das Charakteristische der konkreten Verletzungsform zum Ausdruck kommt (BGH, Urteil vom 17.09.2015 – I ZR 92/14 (Smartphone-Werbung), juris Rn. 38). Dies gilt unabhängig davon, ob die charakteristischen Merkmale verbal beschrieben oder non-verbal durch eine Abbildung definiert werden.
Etwas anderes gilt lediglich dann, wenn das Verbot ausnahmsweise allein auf die konkrete Verletzungshandlung beschränkt ist, wie z. B. bei einem Unterlassungsantrag betreffend einer konkret bezeichneten werblichen Aussage oder einer bestimmten wissenschaftlichen Studie (vgl. BGH, Urteil vom 22.10.2009 – I ZR 58/07 (Klassenlotterie), juris Rn. 12; Urteil vom 30.03.1989 – I ZR 85/87 (Bioäquivalenz-Werbung), juris Rn. 24; KG, Beschluss vom 29.01.2019 – 5 W 167/18, juris Rn. 6). Dieser Fall liegt allerdings nicht so. Hier ist streitgegenständlich ein Verkaufsangebot, das charakteristische, verallgemeinerungsfähige Merkmale aufweist, nämlich eine gegen § 2 Abs. 1 PAngV verstoßende Werbung im Online-Handel gegenüber Verbrauchern für Spirituosen in Fertigpackungen ohne Angabe des Grundpreises, obwohl der Gesamtpreis nicht dem Grundpreis entspricht. Dieses Charakteristikum wird durch den die konkrete Verletzungshandlung verbal beschreibenden Unterlassungstenor zu 1. nicht eingeschränkt.
c)
Weicht wie dargelegt der die konkrete Verletzungshandlung durch Zusätze verbal beschreibende landgerichtliche Unterlassungstenor zu 1. nicht vom Unterlassungsklageantrag zu 1. ab, bleibt die angefochtene Entscheidung nicht hinter dem Rechtsschutzbegehren des Klägers zurück und ist für eine – teilweise – Klageabweisung, wie vom Landgericht ausgesprochen, kein Raum. Der Kläger hat vielmehr vollständig obsiegt. Nach § 91 Abs. 1 ZPO hat deshalb allein die Beklagte die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz zu tragen.
d)
Der nicht nachgelassene Schriftsatz der Beklagten vom 07.06.2022, dessen Inhalt der Senat zur Kenntnis genommen hat, gab zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung nach §§ 296a S. 2, 156 ZPO keinen Anlass.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1 S. 1, 97 ZPO.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO i.V.m. § 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.
Die Revision war nicht zuzulassen, da weder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern, § 543 Abs. 2 ZPO.