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Entscheidung 14 L 306/21


Metadaten

Gericht VG Potsdam 14. Kammer Entscheidungsdatum 23.06.2022
Aktenzeichen 14 L 306/21 ECLI ECLI:DE:VGPOTSD:2022:0623.14L306.21.00
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen

Tenor

1. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin vom 15. Dezember 2020 gegen die Ordnungsverfügung des Antragsgegners vom 13. November 2020 wird hinsichtlich der Tenorpunkte 1 bis 3 wiederhergestellt und hinsichtlich der Tenorpunkte 4 und 5 angeordnet. Die Bescheide des Antragsgegners vom 22. März 2021 und vom 25. März 2021 werden aufgehoben.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.

2. Der Streitwert wird auf 7.500 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Die Antragstellerin wendet sich gegen eine immissionsschutzrechtliche Stilllegungs- und Beräumungsverfügung mit Anordnung der sofortigen Vollziehung und Androhung von Zwangsgeldern sowie deren Festsetzung.

Sie betreibt am Standort K...,  eine Annahmestelle für Boden, Gartenabfälle, Grünschnitt, Laub und Holz sowie eine Abgabestelle für Boden, Sand und Schüttgüter. Eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung ist hierfür nicht beantragt.

Bei einer Begehung am 8. September 2020 stellte der Antragsgegner im hinteren Bereich des Betriebsgrundstücks mehrere Haufwerke mit Betonrecycling (mit einem Gewicht von mehr als 100 t) fest; zudem wurden insbesondere innerhalb der Betriebshalle Haufwerke mit Gleisschotter und Asphaltfräsgut vorgefunden. Mit Schreiben vom 10. September 2020 wurde die Antragstellerin zum Erlass einer Ordnungsverfügung mit Androhung von Zwangsgeldern angehört. Mit Schreiben vom 15. September 2020 teilte diese daraufhin mit, Betonrecycling und Asphaltfräsgut „zur geplanten Errichtung eines technischen Bauwerkes (Platzbefestigung) in K...“ zu benötigen. Gleisschotter lagere sie nicht, jedoch Naturwasserbausteine für die Ausbesserung der Versickerungsmulden.

Am 13. November 2020 erließ der Antragsgegner eine Ordnungsverfügung, mit der der Antragstellerin aufgegeben wurde, die „auf dem Grundstück der B...in K..., Gemarkung K..., Flur , Flurstück , ohne die erforderliche immissionsschutzrechtliche Genehmigung errichtete und betriebene Anlage zur Lagerung von nicht gefährlichen Abfällen sofort“ – im Sinne der Untersagung einer weiteren Zufuhr von Abfällen – stillzulegen (Tenorpunkt 1), die in der stillzulegenden Anlage lagernden Abfälle bis zum 15. Januar 2021 vollständig zu beräumen (Tenorpunkt 2) und die ordnungsgemäße Entsorgung der Abfälle dem Antragsgegner bis zum 15. Februar 2021 nachzuweisen (Tenorpunkt 3). Weiterhin drohte er der Antragstellerin Zwangsgelder an (Tenorpunkt 4 und 5), ordnete die sofortige Vollziehbarkeit an (Tenorpunkt 6) und erhob eine Gebühr in Höhe von 4.004 Euro (Tenorpunkt 7).

Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus, dass auf dem Betriebsgrundstück „nicht gefährliche Abfälle (hier: Betonrecycling, Asphaltfräsgut und Gleisschotter)“ in einem die 100-Tonnen-Schwelle deutlich überschreitenden Umfang gelagert würden, ohne dass die dafür erforderliche immissionsschutzrechtliche Genehmigung vorliege.

Im Zuge einer weiteren Begehung am 4. Dezember 2020 wurden die Feststellungen aus der ersten Begehung im Wesentlichen bestätigt, wobei der Antragsgegner den Gleisschotter nunmehr als „Natursteinschottertragschicht (Gleisschotter)“ bezeichnet.

Die Antragstellerin erhob am 15. Dezember 2020 Widerspruch und beantragte zugleich die Aussetzung der Vollziehung. Zur Begründung trug sie vor, die lagernden Materialien – nach Aufmaß vom 9. Dezember 2020 „771 m³ Beton-RC 0-32/0-45 und circa 99 m³ Asphaltfräsgut teerfrei WVB 1“ – würden in Gänze für (im einzelnen dargestellte) Baumaßnahmen auf dem Betriebsgelände benötigt. Bei den vorgefundenen RC-Baustoffen handele es sich außerdem schon nicht um Abfall, sondern um Produkte, da gemäß § 5 Abs. 1 KrWG das Ende der Abfalleigenschaft erreicht sei. Der derzeit noch lagernde RC-Baustoff sei als zertifizierter Beton RCT von der Firma W... aus B... bezogen worden.

Bei einer weiteren Begehung unter dem 17. März 2021 stellte der Antragsgegner fest, dass das Asphaltfräsgut abgefahren worden ist; Veränderungen im Übrigen sind nicht festgestellt worden.

Am 22. März 2021 erließ der Antragsgegner eine Verfügung, in welcher, neben der Androhung weiterer Zwangsgelder, ein Zwangsgeld in Höhe von 15.000 Euro festgesetzt wurde; mit Bescheid vom 25. März 2021 wurde hierfür eine Gebühr in Höhe von 124,11 Euro erhoben.

Am 14. April 2021 hat die Antragstellerin um vorläufigen Eilrechtsschutz nachgesucht. Die Anordnung des Sofortvollzugs sei unzureichend begründet. Im Übrigen wiederholt und bekräftigt sie ihre Argumentation aus der Widerspruchsbegründung. Darüber hinaus ist sie der Auffassung, dass der Antragsgegner die materielle Beweislast für das Fortbestehen der Abfalleigenschaft trage; dass die Verwendung des Materials zu schädlichen Auswirkungen auf Mensch oder Umwelt führe, behaupte der Antragsgegner lediglich.

Sie beantragt,

die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs vom 15. Dezember 2020 gegen die Verfügung des Antragsgegners vom 13. November 2020 wiederherzustellen, sowie

die Aufhebung der Vollziehung der Ordnungsverfügung anzuordnen.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Es handele sich bei dem RC-Baustoff nach wie vor um Abfall; es könne insbesondere nicht ausgeschlossen werden, dass die Verwendung insgesamt zu schädlichen Auswirkungen auf Mensch oder Umwelt führe (§ 5 Abs. 1 Nr. 4 KrWG).

II.

Der Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes hat Erfolg.

Er ist zulässig, insbesondere statthaft. Das ergibt sich hinsichtlich Tenorpunkt 1, 2 und 3 der Ordnungsverfügung aus § 80 Abs. 5 Satz 1 Hs. 2 i. V. m. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO. Mit Blick auf die Zwangsgeldandrohungen in den Tenorpunkten 4 und 5 ist der Antrag der Antragstellerin, die aufschiebende Wirkung wiederherzustellen gemäß §§ 88, 122 Satz 1 VwGO als statthafter Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 Hs 1 i. V. m. § 16 VwVGBbg, § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO auszulegen. Anders als hinsichtlich der Zwangsgeldandrohungen ergibt eine Auslegung des Begehrens der Antragstellerin, wie es in der Antragsschrift zutage tritt, dass sich ihr Eilantrag nicht auch gegen die Gebührenfestsetzung im Tenorpunkt 7 richtet; sie ist daher nicht verfahrensgegenständlich.

Zulässig ist auch der weiter gestellte Antrag, die Aufhebung der Vollziehung der Ordnungsverfügung mit Blick auf die Zwangsgeldfestsetzung und den zugehörenden Gebührenbescheid anzuordnen; insbesondere ist er gemäß § 80 Abs. 5 Satz 3 VwGO statthaft (vgl. OVG MV, Beschluss vom 12. Oktober 2004 - 3 M 147/03 -, LKV 2005, 172, 174 (abrufbar über beck online); Sächs. OVG, Beschluss vom 29. November 2005 - 5 BS 4/04 -, juris, Rn. 19; Schoch, in: Schoch/Schneider, VwGO, Stand Juli 2021, § 80 Rn. 344a).

Sowohl der Antrag der Antragstellerin auf Wiederherstellung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung (unter 1.) als auch der Antrag auf Aufhebung der Vollziehung der Ordnungsverfügung (unter 2.) sind begründet.

1. Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs gegen einen für sofort vollziehbar erklärten bzw. kraft Gesetzes sofort vollziehbaren Verwaltungsakt ganz oder teilweise wiederherstellen bzw. anordnen. Im Rahmen einer Interessenabwägung ist zu prüfen, ob das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung oder das Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs überwiegt. Maßgebliches Kriterium für die Interessenabwägung sind die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache. Erweist sich der angefochtene Verwaltungsakt bei der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes allein möglichen und gebotenen summarischen Prüfung als offensichtlich rechtswidrig und verletzt den Betroffenen in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 S. 1 VwGO), so kann regelmäßig kein öffentliches Vollzugsinteresse bestehen. Stellt der Verwaltungsakt sich hingegen als offensichtlich rechtmäßig dar, überwiegt in der Regel das Vollzugsinteresse, wobei es in den Fällen des § 80 Abs. 1 Nr. 4 VwGO der Ausnahmecharakter der Regelung gebietet, ein besonderes Interesse an der Vollziehung zu fordern. Lässt sich bei summarischer Überprüfung die Frage nach der Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsakts nicht eindeutig beantworten, kommt es entscheidend auf eine umfassende Abwägung zwischen den für eine sofortige Vollziehung sprechenden Interessen einerseits und dem Interesse des Betroffenen an einer Aussetzung der Vollziehung bis zur rechtskräftigen Entscheidung im Hauptsacheverfahren andererseits an. Die Erfolgsaussichten des in der Hauptsache erhobenen Rechtsbehelfs sind dabei auch unabhängig von einer fehlenden Offensichtlichkeit einzubeziehen. Je größer diese sind, desto geringere Anforderungen sind an das Aussetzungsinteresse des Antragstellers zu stellen. Sind die Erfolgsaussichten demgegenüber gering, fällt das Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts stärker ins Gewicht und umso höher müssen die erfolgsunabhängigen Interessen des Antragstellers zu veranschlagen sein, um eine Aussetzungsentscheidung zu rechtfertigen.

Hieran gemessen überwiegt das private Aussetzungsinteresse der Antragstellerin, vom Vollzug verschont zu bleiben das öffentliche Interesse am Vollzug der Ordnungsverfügung, da diese hinsichtlich der Tenorpunkte 1 bis 3 mit hoher Wahrscheinlichkeit rechtswidrig ist (unter a)); gleichzeitig ist ein Suspensivinteresse der Antragstellerin anzuerkennen (unter b)). Deshalb ist die aufschiebende Wirkung auch hinsichtlich der Zwangsgeldandrohungen anzuordnen (unten c)).

a) Der Widerspruch der Antragstellerin gegen die Verfügung zur Stilllegung, Beräumung und Vorlage von Entsorgungsnachweisen wird aller Voraussicht nach erfolgreich sein; die Ordnungsverfügung wird sich insoweit als rechtswidrig und rechtsverletzend erweisen.

aa) Dies gilt bereits deshalb, weil ihr Regelungsinhalt nicht, auch nicht im Wege der Auslegung, hinreichend klar bestimmbar ist.

Das Bestimmtheitserfordernis des § 37 Abs. 1 VwVfG (i. V. m. § 1 Abs. 1 VwVfGBbg) erfordert es, dass insbesondere für den Adressaten des Verwaltungsakts die von der Behörde getroffene Regelung so vollständig, klar und unzweideutig erkennbar ist, dass er sein Verhalten danach richten kann. Dabei reicht es allerdings aus, wenn sich die Regelung aus dem gesamten Inhalt des Bescheides, insbesondere seiner Begründung, unzweifelhaft erkennen lässt (BVerwG, Urteil vom 03. Dezember 2003 - 6 C 20.02 -, juris Rn. 17, = BVerwGE 119, 282). Zugleich muss der Verwaltungsakt geeignete Grundlage für Maßnahmen zur zwangsweisen Durchsetzung (Verwaltungsvollstreckung) sein können (BVerwG, Urteil vom 15. Februar 1990 - 4 C 41.87 -, juris Rn. 29, = BVerwGE 84, 33). Im Einzelnen richten sich die Anforderungen an die notwendige Bestimmtheit nach den Besonderheiten des jeweils anzuwendenden und mit dem Verwaltungsakt umzusetzenden materiellen Rechts (BVerwG, Urteil vom 03. Dezember 2003 und vom 15. Februar 1990, jeweils a. a. O.). Bei abfallrechtlichen Beseitigungsanordnungen kann es geboten sein, die zu beseitigenden Gegenstände zumindest im groben Umriss zu beschreiben; ein in jede Einzelheit gehender Katalog der zu entsorgenden Stoffe und Gegenstände ist jedoch nicht zu erstellen und im Bescheid aufzuführen (vgl. OVG LSA, Beschluss vom 12. August 2016 - 2 M 24/16 -, juris Rn. 8).

Hieran gemessen ist die Ordnungsverfügung unbestimmt, weil die stillzulegende und zu beräumende Abfalllagerungsanlage sowohl nach der Art der Materialien als auch hinsichtlich des Standortes nicht hinreichend identifizierbar ist.

Das gilt zunächst wegen der zumindest unvollständigen (wenn nicht falschen) Flurstücksbezeichnung im Tenorpunkt 1. Der Antragsgegner benennt als örtlichen Bezugspunkt seiner Stilllegungsverfügung ausdrücklich das Flurstück , welches zwar Teil des Betriebsgrundstücks ist – ein kleiner Teil der Lagerhalle befindet sich ausweislich des über den Brandenburg Viewer verfügbaren Kartenmaterials auf diesem Flurstück. Allerdings macht dieses circa 70 m² große Flurstück nur einen geringfügigen Teil des nach Angaben der Antragstellerin 18.721 m² großen Betriebsgrundstücks aus; es ist unwahrscheinlich, dass auch nur eines der Haufwerke, für die gemäß der Ordnungsverfügung eine weitere Zufuhr von Abfällen untersagt wird und die beräumt werden sollen, sich auf diesem, im Tenor genannten Flurstück befindet. Vielmehr ist anhand der, auch von der Antragstellerin eingereichten Planunterlage, die allerdings Katasterangaben nicht enthält, davon auszugehen, dass sich die Haufwerke ganz überwiegend auf dem Flurstück , diejenigen innerhalb der Halle möglicherweise auch auf dem Flurstück  oder , befinden.

Die – zumindest irreführende – Katasterangabe im Bescheidtenor wird hinsichtlich des Standorts der Abfalllagerungsanlage auch nicht durch die Begründung zur Verfügung verklart. Da sich die Anlage aus diversen Haufwerken zusammensetzt bzw. von einer Mehrzahl an „Anlagen“ auszugehen sein könnte, wäre es erforderlich gewesen, den Standort der Haufwerke textlich zu beschreiben oder durch Beifügung eines entsprechenden Lageplans zum Bescheid erkennbar zu machen.

Anderes ergibt sich auch nicht deshalb, weil der Antragsgegner in der Begründung zur angegriffenen Verfügung eingangs die Stoffe, auf die die Verfügung bezogen sein soll mit „Betonrecycling, Asphaltfräsgut und Gleisschotter“ bezeichnet. Dabei ist zunächst zu berücksichtigen, dass die Antragstellerin am Standort in K... ein Schüttgutlager betreibt, weshalb von einer Vielzahl dort lagernder unterschiedlicher Materialien auszugehen ist. Da der Antragsgegner den Inhalt der Haufwerke, deren Standort er in der Verfügung nicht kennzeichnet, gleichzeitig selbst nicht eindeutig bestimmt hat – von seiner eigenen Einordnung zweier Haufwerke als „Gleisschotter“ scheint er inzwischen abgerückt zu sein (unter (2) (a)) – ist eine Identifikation des Regelungsinhalts der Verfügung nicht, auch nicht aufgrund der Aufzählung der Stoffe, möglich.

Das gilt ungeachtet der Tatsache, dass offenbar für die Antragstellerin – in Ermangelung entsprechender dies rügender Hinweise – Klarheit darüber besteht, auf welche Haufwerke die Verfügung bezogen ist. Einer zwangsweisen Durchsetzung ist die Ordnungsverfügung unter diesen Umständen nämlich nicht zugänglich und damit mit hoher Wahrscheinlichkeit wegen Unbestimmtheit rechtswidrig.

bb) Dessen ungeachtet liegen die Voraussetzungen von § 20 Abs. 2 Satz 1 BImSchG, auf den der Antragsgegner die Stilllegungs- und Beräumungsverfügung stützt, voraussichtlich nicht für sämtliche von der Verfügung umfassten Stoffe vor.

Nach § 20 Abs. 2 Satz 1 BImSchG soll die zuständige Behörde anordnen, dass eine Anlage, die ohne die erforderliche Genehmigung errichtet, betrieben oder wesentlich geändert wird, stillzulegen oder zu beseitigen ist. Die Bestimmung knüpft an die formelle Illegalität genehmigungsbedürftiger Anlagen an (vgl. BVerwG, Urteil vom 28. Januar 1992 - 7 C 22/91 -, juris Rn. 14) und setzt deshalb voraus, dass eine immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftige, aber nicht genehmigte Anlage errichtet und betrieben wird. Das Genehmigungserfordernis folgt aus § 4 Abs. 1 Satz 1 BImSchG i. V. m. § 1 Abs. 1 der Vierten Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (4. BImSchV) i. V. m. Nr. 8 des Anhangs 1 zur 4. BImSchV. Danach bedürfen Errichtung und Betrieb von ortsfesten Abfallentsorgungsanlagen zur Lagerung oder Behandlung von Abfällen einer Genehmigung; dazu gehören nach Nr. 8.12.2 des Anhangs 1 zur 4. BImSchV namentlich Anlagen zur zeitweiligen Lagerung von nicht gefährlichen Abfällen mit einer Gesamtlagerkapazität von 100 t oder mehr.

Ob es sich bei einem Teil der am Standort K... lagernden Stoffe – wie der Antragsgegner meint, ohne dies näher zu prüfen – um Abfall im Sinne des Kreislaufwirtschaftsgesetzes handelt, begegnet erheblichen Bedenken.

(1) Das gilt zunächst hinsichtlich der Stoffe, aus denen sich zwei der in der Halle vorgefundenen Haufwerke zusammensetzen und die der Antragsgegner in seiner Verfügung als (ausgebauten) Gleisschotter bezeichnet.

Die Antragstellerin ist dieser Einordnung stets – bereits mit der Stellungnahme zum Anhörungsschreiben mit E-Mail vom 16. Oktober 2020 – insofern entgegengetreten, als dass sie behauptet, Gleisschotter nicht zu lagern; es handele sich um „Naturwasserbausteine“ für die Ausbesserung der Versickerungsmulden. Der Antragsgegner scheint dem (nach Erlass der angegriffenen Ordnungsverfügung) nunmehr zu folgen. In der Fotodokumentation von der unter dem 4. Dezember 2020 durchgeführten Begehung ist das Foto der beiden Haufwerke mit der Kennzeichnung „Natursteinschottertragschicht (Gleisschotter)“ versehen, ohne dass aber – anders als bei den aus Asphaltfräsgut und Betonrecycling bestehenden Haufwerken – die Bemerkung „Abfall“ handschriftlich hinzugesetzt worden wäre. In der Begründung zum Zwangsgeldfestsetzungsbescheid vom 22. März 2021 ist, hiermit in Einklang, nur noch von „Abfälle[n] (hier: Betonrecycling und Asphaltfräsgut)“ die Rede.

Soweit die Verfügung insofern ohne hinreichende Faktenlage auf Vermutungen gestützt ist, muss das Gericht im Verfahren einstweiligen Rechtsschutzes den entgegen § 24 VwVfG vom Antragsgegner unzureichend geklärten Sachverhalt nicht nach § 86 VwGO – mit der Folge eines möglichen Rechtsschutzverlustes für den Antrag-steller – „nachbessern“ (vgl. Schoch, in: Schoch/Schneider, VwGO, Stand Juli 2021, § 80 Rn. 407). Insoweit ist zugunsten der Antragstellerin im Rahmen des Verfahren einstweiligen Rechtsschutzes davon auszugehen, dass es sich bei den entsprechenden Haufwerken nicht um Abfall handelt.

(2) Es spricht einiges dafür, dass die rechtliche Einordnung des in zwei Haufwerken im hinteren Grundstücksbereich lagernden RC-Baustoffs als Abfall sich als unzutreffend erweisen wird.

Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 KrWG sind Abfälle im Sinne des Kreislaufwirtschaftsgesetzes alle Stoffe oder Gegenstände, derer sich ihr Besitzer entledigt, entledigen will oder entledigen muss. § 5 Abs. 1 KrWG bestimmt, unter welchen Voraussetzungen Abfälle ihre Abfalleigenschaft verlieren. Danach endet die Abfalleigenschaft eines Stoffes oder Gegenstandes, wenn dieser ein Verwertungsverfahren durchlaufen hat und so beschaffen ist, dass er üblicherweise für bestimmte Zwecke verwendet wird (Nr. 1), ein Markt für ihn oder eine Nachfrage nach ihm besteht (Nr. 2), er alle für seine jeweilige Zweckbestimmung geltenden technischen Anforderungen sowie alle Rechtsvorschriften und anwendbaren Normen für Erzeugnisse erfüllt (Nr. 3) sowie seine Verwendung insgesamt nicht zu schädlichen Auswirkungen auf Mensch oder Umwelt führt (Nr. 4).

Dass die von der Ordnungsverfügung umfassten RC-Baustoffe die letztgenannte Voraussetzung nicht erfüllen, das heißt, dass ihre Verwendung im Umkehrschluss (insgesamt) zu schädlichen Auswirkungen auf Mensch oder Umwelt führt, hat der Antragsgegner weder dargelegt noch ist es ersichtlich.

Die materielle Beweislast für die Tatsachen, die nach der zugrundeliegenden Norm (§ 20 Abs. 2 Satz 1 BImSchG i. V. m. §§ 3 Abs. 1 Satz 1, 5 Abs. 1 KrWG) Voraussetzung für die durch den Verwaltungsakt angeordnete Rechtsfolge sind, trägt im Rahmen der Eingriffsverwaltung stets die Behörde (vgl. BayVGH Beschluss vom 17. Februar 2020 - 12 CS 19.2505, juris Rn. 42 f. m. w. N.; Beckmann, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand Dezember 2021, § 5 KrWG Rn. 21). Demnach obliegt es dem Antragsgegner, die Schädlichkeit der Verwendung – und damit das Nicht-Erreichen des Endes der Abfalleigenschaft – im Rahmen einer Prognose darzulegen. In der angegriffenen Ordnungsverfügung setzt der Antragsgegner aber lediglich voraus, dass es sich bei den von ihm vorgefundenen Haufwerken um Abfall handelt, ohne dies für die einzelnen Materialien auch nur im Ansatz zu prüfen. In der Antragserwiderung wiederum stellt er – mit Hinweis darauf, dass „ein Nachweis zum Ende der Abfalleigenschaft seitens der Antragstellerin“ nicht vorliege – selbst nur fest, dass „nicht ausgeschlossen werden“ könne, dass im Sinne von § 3 Abs. 1 Nr. 4 KrWG die Verwendung insgesamt zu schädlichen Auswirkungen auf Menschen oder Umwelt führt.

Es ist gleichzeitig im Rahmen der hier allein möglichen und gebotenen summarischen Prüfung nicht ersichtlich, dass die Verwendung der streitbetroffenen RC-Baustoffe zu schädlichen Auswirkungen auf Mensch oder Umwelt im Sinne von § 5 Abs. 1 Nr. 4 KrWG führt.

Hinsichtlich der Verwendung von Recycling-Baustoffen im Tiefbau existieren für das Land Brandenburg die Brandenburgischen Technischen Richtlinien für Recycling-Baustoffe im Straßenbau, Ausgabe 2014 (BTR RC-StB 14), welche mit Runderlass des Ministeriums für Infrastruktur und Landesplanung vom 20. Januar 2015 verbindlich eingeführt wurden (siehe Amtsblatt für Brandenburg – Nr. 4 vom 4. Februar 2015, S. 94). Diese sind als Verwaltungsvorschriften für das Gericht zwar nicht unmittelbar bindend. Sie sind aber von den Behörden zur Auslegung und Konkretisierung der vorgenannten abfallrechtlichen Bestimmungen heranzuziehen und dienen damit einem gleichmäßigen und sachkundigen Verwaltungsvollzug. Darüber hinaus existieren die „Mitteilungen der Länderarbeitsgemeinschaft Abfall (LAGA) 20, Anforderungen an die stoffliche Verwertung von mineralischen Reststoffen/Abfällen – Technische Regeln – vom 6. November 2003“ (LAGA M20). Diese Ausführungen sind als Empfehlung einer sachkundigen Arbeitsgemeinschaft zwar keine normkonkretisierenden Verwaltungsvorschriften und damit weder für Gerichte noch für Behörden verbindlich. Gleichwohl spiegeln sie einen allgemein anerkannten Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis wider und können als Orientierungshilfe in Ermangelung neuerer Erkenntnisse herangezogen werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 9. November 2017 - 3 A 4.15 -, juris Rn. 83).

Es ist nicht ersichtlich, dass das auf dem Grundstück der Antragstellerin lagernde Material nicht die Anforderungen an die Aufbereitung und Herstellung von RC-Baustoffen für den Einsatz im Tiefbau im Sinne der Technischen Richtlinien bzw. der Technischen Regeln der LAGA erfüllt.

Die circa 771 m³ streitbetroffener Betonrecycling hat die Antragstellerin eigenen Angaben zufolge als zertifizierten RC-Beton von der Firma W... aus B... bezogen; dies hat sie belegt durch Vorlage eines Lieferprotokolls demzufolge zwischen dem 12. Mai 2020 und dem 10. Juni 2020 insgesamt 1.167,05 t RCT 0-45 mm von der Firma Wagner auf ihr Betriebsgrundstück geliefert worden sind. Ausweislich des vorgelegten Untersuchungsberichts des Ingenieurbüros für Umweltschutztechnik vom 1. Juli 2019, welches die Prüfung im Auftrag der „“ durchgeführt hat, ist auf dem Recyclingplatz der Firma Wagner ein Haufwerk von Betonrecycling – bezeichnet als Haufwerk Nr. 2 – beprobt und auf Grundlage der Brandenburgischen Technischen Richtlinien für Recycling-Baustoffe im Straßenbau, Ausgabe 2014 (BTR RC-StB 14) i. V. m. den Technischen Regeln der LAGA beurteilt worden. Der Bericht kommt zu dem Ergebnis, dass der Recyclingbaustoff gemäß BTR RC-StB 14 der Einbauklasse 1 entspricht. Nach den LAGA-Richtlinien sei der RC-Baustoff als Z1.1 – Material zu bewerten. Mit Schreiben vom 26. Februar 2020 – das heißt kurze Zeit vor der Lieferung an die Antragstellerin – hat das Ingenieurbüro der Firma Wagner mitgeteilt, dass das nach wie vor in Haufwerk 2 lagernde Material dasjenige sei, das mit Befund vom 1. Juli 2019 beprobt worden ist.

Aufgrund der übereinstimmenden Liefermengen und des Lieferprotokolls bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass es sich bei dem streitbetroffenen Betonrecycling in den beiden Haufwerken auf dem Betriebsgrundstück der Antragstellerin nicht um Material aus dem „Haufwerk 2“ vom Recyclinghof der Firma W... handeln könnte. Zum anderen erfüllt dieses Material dem Prüfbericht zufolge die für die Nutzung von Recyclingbeton nach den rechtlichen Vorgaben bestehenden Anforderungen – er ist für einen „eingeschränkt offenen Einbau“ freigegeben –, weshalb keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Verwendung im Sinne von § 5 Abs. 1 Nr. 4 KrWG insgesamt zu schädlichen Auswirkung auf Mensch oder Umwelt führt (vgl. zum „zertifizierten Recyclingprodukt“, VG München, Urteil vom 21. Januar 2016 - M 17 K 14.5755 -, juris Rn. 29 ff.; zur Gütesicherung und Beprobung, VG Frankfurt (Oder), Beschluss vom 19. Oktober 2021 - 5 L 295/21 -, Rn. 49; vgl. auch § 20 des Entwurfs einer Ersatzbaustoffverordnung vom 3. Mai 2017 [BT-Drs. 18/12213, S. 32], wonach für Recycling-Baustoff der Klasse – RC-1 –, vorbehaltlich der Erfüllung der weiteren Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 KrWG die Abfalleigenschaft endet; die Vorschrift ist allerdings in der nunmehr erlassenen Ersatzbaustoffverordnung [vom 9. Juli 2021, BGBl. 2021, Teil I, Nr. 43 vom 16. Juli 2021], die zum 1. August 2023 in Kraft treten wird, nicht enthalten).

(3) Allein hinsichtlich der beiden – inzwischen von der Antragstellerin abtransportierten – Haufwerke mit Asphaltfräsgut könnte die Stilllegungsverfügung von § 20 Abs. 2 Satz 1 BImSchG gedeckt sein. Insofern ist nicht auszuschließen, dass es sich um Abfall im Sinne des Kreislaufwirtschaftsgesetzes handelt; zum anderen dürfte davon auszugehen sein, dass die knapp 100 m³ Asphaltfräsgut die 100-Tonnen-Vorgabe, mit der die Genehmigungsbedürftigkeit ausgelöst wird (vgl. Nr. 8.12.2 des Anhangs 1 zur 4. BImSchV) überschreiten, jedenfalls in Summe mit anderen, von der Antragstellerin auf dem Betriebsgrundstück lagernden Abfällen, wie beispielsweise Boden und Grünschnitt.

b) Angesichts der deutlich überwiegenden Erfolgsaussichten des Widerspruchs der Antragstellerin insgesamt sind an deren Suspensivinteresse geringe Anforderungen zu stellen. Es genügt das Interesse der Antragstellerin, das streitbetroffene Material zugunsten eines ungehinderten Betriebs ihres Schüttgutlagers am Standort K... bereits vor Abschluss des Hauptsacheverfahrens für die Befestigungsarbeiten auf dem Grundstück zu verwenden. Ein dies überragendes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung der Ordnungsverfügung ist dem gegenüber, insbesondere auch mit Blick auf deren voraussichtliche Rechtswidrigkeit, nicht ersichtlich. Dessen ungeachtet ist es dem Antragsgegner, insbesondere auch mit Blick auf das momentan abtransportierte Asphaltfräsgut, unbenommen, den Sachverhalt hinsichtlich der lagernden Materialien sowie deren Standort umfassend aufzuklären und ggf. erneut ordnungsrechtlich einzuschreiten.

c) Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin ist auch gegen die unter Tenorpunkt 4 und 5 der Ordnungsverfügung verfügten Zwangsgeldandrohungen anzuordnen, da die Voraussetzungen für die Anwendung von Zwangsmitteln nach der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen die Verfügungen in den Tenorpunkten 1 bis 3 nicht mehr vorliegen. Es fehlt an einem sofort vollziehbaren Verwaltungsakt.

2. Auch der Antrag der Antragstellerin auf Aufhebung der Vollziehung der Ordnungsverfügung vom 13. November 2020, der sich, das ergibt die Auslegung, auf den Zwangsgeldfestsetzungs- und zugehörenden Gebührenbescheid bezieht, nicht aber auf etwaige, durch die Abfuhr des Asphaltfräsguts entstandene Kosten, ist begründet. Nach Wiederherstellung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs steht der Antragstellerin ein materiell-rechtlicher Vollzugsfolgenbeseitigungsanspruch zur Seite. In den Fällen sofortiger Vollziehbarkeit vollstreckt die Behörde auf eigenes Risiko; sie muss damit rechnen, dass das Gericht die Vollziehung nicht nur aussetzt, sondern aufhebt, d. h. einen Vollstreckungsverwaltungsakt kassiert und nicht nur suspendiert, wobei sich Beschränkungen der Aufhebungskompetenz nur aus Gründen der Verhältnismäßigkeit ergeben können (vgl. Sächs. OVG, Beschluss vom 29. November 2005 - 5 BS 4/04 -, juris, Rn. 19). Dass die Aufhebung des Zwangsgeldfestsetzungsbescheides vom 22. März 2021 und des zugehörenden Gebührenbescheides vom 25. März 2021 den Antragsgegner übermäßig beschweren könnte, ist indes nicht erkennbar.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Entscheidung über den Wert des Verfahrensgegenstandes beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 2 GKG. Da ausreichende tatsächliche Anhaltspunkte für die Bemessung der wirtschaftlichen Bedeutung der Sache für die Antragstellerin fehlen – etwa zu (potentiellen) Beräumungs- und Entsorgungskosten – legt die Kammer für die Wertermittlung den Auffangstreitwert in Höhe von 5.000 Euro zugrunde, der jeweils gesondert für die Stilllegungs-, Beräumungsverfügung und Nachweisverfügung (Tenorpunkte 1 bis 3), in Ansatz gebracht wird (vgl. § 39 Abs. 1 GKG). Die Zwangsgeldandrohungen in den Tenorpunkten 4 und 5 bleiben in Anlehnung an Ziffer 1.7.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (online abrufbar unter: https://www.bverwg.de/rechtsprechung/streitwertkatalog) bei der Streitwertfestsetzung außer Betracht. Bei dem Antrag auf Aufhebung der Vollziehung gemäß § 80 Abs. 5 Satz 3 VwGO handelt es sich um ein unselbständiges Annexverfahren, das den Streitwert nicht erhöht (vgl. OVG Lüneburg, Beschluss vom 7. Mai 2015 - 7 OA 20/15 -, juris Rn. 4). Der Wert des Verfahrensgegenstandes beträgt daher, in Anlehnung an die Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes betreffende Ziffer 1.5 des Streitwertkatalogs, 7.500 Euro.