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Entscheidung 3 K 143/19


Metadaten

Gericht VG Cottbus 3. Kammer Entscheidungsdatum 23.06.2022
Aktenzeichen 3 K 143/19 ECLI ECLI:DE:VGCOTTB:2022:0623.3K143.19.00
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen § 56 BBergG, § 58 BBergG, § 71 BBergG

Tenor

Der Bescheid des Beklagten vom 15. August 2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30. Oktober 2018 wird aufgehoben.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Dem Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des sich aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss ergebenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

Die Klägerin ist Eigentümerin landwirtschaftlich genutzter Flächen. Diese liegen im Geltungsbereich des Abschlussbetriebsplans S....

Unter dem 15. Oktober 2010 verfügte der Beklagte gegenüber der L... (nachfolgend L...) bezugnehmend auf Grundbruchereignisse unter anderem für den Bereich des Abschlussbetriebsplanes S.... unverzüglich alle Kippenbereiche auf ähnlich gelagerte geologische/hydrologische Verhältnisse zu prüfen. Nach der Textziffer 2 der Verfügung sind, wenn aufgrund aktueller Standsicherheitsuntersuchungen nicht ausgeschlossen werden kann, dass Tagesbruchgefährdungen vorliegen, die erforderlichen Sperrbereiche bzw. Nutzungseinschränkungen festzulegen und dem Beklagten unverzüglich anzuzeigen. Nach der Textziffer 3 der Anordnung sind die durch die aktualisierten Sperrbereiche betroffenen Grundstückseigentümer gegebenenfalls Pächter und Nutzer unverzüglich über die aktualisierten Sperrbereiche und Nutzungseinschränkungen zu informieren. Zur Begründung führte der Beklagte aus, in den Grenzen der Abschlussbetriebspläne würden sich ausgedehnte Kippenflächen befinden und die Gefahr von Geländeeinbrüchen bestehen. Die Standsicherheitsuntersuchungen müssten aktualisiert und überprüft werden. Gemäß § 56 Abs. 1 Bundesberggesetz (BBergG) könne die zuständige Behörde nachträgliche Auflagen anordnen, wenn diese für den Unternehmer und für Einrichtungen der von ihm betriebenen Art wirtschaftlich vertretbar und nach den allgemeinen anerkannten Regeln der Technik erfüllbar seien. Die nachträglichen Auflagen zu den Betriebsplänen seien zur Sicherstellung der Voraussetzungen nach § 55 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BBergG erforderlich. Der Unternehmer habe Vorsorge gegen Gefahren für Leben, Gesundheit und zum Schutz von Sachgütern, Beschäftigter und Dritter im Betrieb zu treffen. Die Gefahren resultierten aus den geotechnischen Verhältnissen im Bereich der wassergesättigten Kippenareale. Zur Abwehr betriebsbedingter nachteiliger Folgen des Grundwasserwiederanstiegs habe der Bergbautreibende die erforderliche Vorsorge zu treffen. Es sei erforderlich, dass der Unternehmer die Verhältnisse überwache beziehungsweise neue Erkenntnisse bewertet würden. Die angeordneten Maßnahmen seien wirtschaftlich vertretbar.

Infolge der Anordnung kam es zur Ausweisung von Sperrflächen seitens der L... auch auf Flächen im Eigentum der Klägerin.

Verhandlungen über die Zahlung von Entschädigungen scheiterten. Die Klägerin teilte gegenüber dem Beklagten mit, sie werde die Schilder entfernen und die gesperrten Flächen nutzen.

Nach Anhörung erlies der Beklagte gegenüber der Klägerin unter dem 15. August 2018 die Anordnung zur Duldung und Einhaltung der von der L... festgelegten Sperrbereiche im Bereich des Abschlussbetriebsplans S... . Danach wurde ihr auferlegt, die durch die L... auf der Grundlage der Anordnung vom 15. Oktober 2010 erfolgte Festlegung des nicht zu betretenden Sperrbereiches, die Absperrmaßnahmen und Beschilderung des Sperrbereiches sowie daraus resultierende Nutzungseinschränkungen bezüglich des Grundeigentums sowie der von ihr gepachteten bzw. genutzten Grundstücke im Bereich des Abschlussbetriebsplanes S... zu dulden und einzuhalten. Der Sperrbereich wurde in der Anlage 2 dargestellt. Zur Begründung führte der Beklagte aus, mit bestandskräftiger Anordnung sei die L... aufgefordert worden, eine Überprüfung der Sperrbereiche vorzunehmen sowie im Ergebnis der Prüfung diese erforderlichenfalls anzupassen und Nutzungseinschränkungen zu treffen. Die Klägerin sei nicht gewillt, die von der L... festgelegten und eingerichteten Sperrbereiche einzuhalten und habe gedroht, entsprechende Hinweise zu entfernen. Allerdings sei die von den Flächen ausgehende Gefahr derzeit nur durch die Absperrung für die Öffentlichkeit beseitigt. Die Einhaltung der Sperrbereiche sei zwingend erforderlich. Die Nichtbeachtung der Sperrbereiche durch die Klägerin würde deren Mitarbeiter und ein Rückbau der Beschilderung für die Absperrung auch Unbeteiligte in Lebensgefahr bringen. Rechtsgrundlage der auferlegten Duldung der Gefahrenabwehrmaßnahme sei die gleiche Rechtsgrundlage, mit der gegen den anderen Pflichtigen, hier die L..., vorgegangen worden sei. In Umsetzung der gegenüber der L... erfolgten Verfügung seien geotechnische Untersuchungen für die Innenkippe durchgeführt worden. Auch würde die Verflüssigungsbrüche die Richtigkeit der Sperrbereichsfestlegungen zeigen. Diese hätten in den festgelegten Sperrbereichen stattgefunden; die in jedem Einzelfall eine akute Lebensgefahr darstellten. Aufgrund der Vielzahl der stattgefundenen Ereignisse bis in die jüngste Vergangenheit könne die Gefahr nicht bestritten werden. Die von der L... festgelegten Sperrbereiche seien zwingend einzuhalten. Er – der Beklagte – als Bergbehörde sei dafür zuständig, die erforderlichen Maßnahmen im Betriebsplanverfahren und gegebenenfalls durch nachträgliche Auflagen beziehungsweise im Rahmen der allgemeinen Anordnungsbefugnis gemäß § 71 BBergG zu treffen. Die Anordnung sei erforderlich, um die der L... auferlegten Pflichten durchzusetzen. Ein Konsens habe zwischen der L... und der Klägerin nicht erzielt werden können. Damit die L... den auferlegten Pflichten nachkommen könne, bestehe die Notwendigkeit, die Klägerin mittels Anordnung zur Duldung der Maßnahmen zu verpflichten.

Den Widerspruch der Klägerin vom 21. August 2018 wies der Beklagte mit Bescheid vom 30. Oktober 2018 zurück.

Die Klägerin hat am 6. Februar 2019 Klage erhoben. Zur Begründung trägt sie vor, die rein faktischen Absperrungen durch die L... würden jeder Rechtsgrundlage entbehren. Die L... habe als GmbH keinerlei rechtlich Befugnis zur Besitzentziehung. Diese könne sich nicht auf die Verfügung des Beklagten vom 15. Oktober 2010 berufen. Dieser habe darin die Auswahl der zu sperrenden Grundstücke der L... als privatrechtlich organisierte Einrichtung überlassen. Die Entziehung des Eigentums oder Besitzes sei ein Hoheitsakt, der nur von einer Behörde ausgeübt werden könne. Die L... als GmbH habe gegenüber dem Bürger keinerlei Hoheitsbefugnisse. Darüber hinaus müsse dem betroffenen Bürger die Entziehung formell bekannt gegeben und ihm ein Rechtsweg dazu eröffnet werden. Daran habe es hier gefehlt. Die Entziehung des Eigentums bzw. des Besitzes hätte allenfalls von dem Beklagten selbst erfolgen können. Dies sei nicht geschehen. Insoweit sei die Verfügung des Beklagten vom 15. Oktober 2010 rechtswidrig bzw. nichtig und ihr gegenüber ohne Rechtswirkung. Diese stelle sich als Aufforderung an die L... dar, dem Betroffenen rechtswidriger Weise Eigentum bzw. Besitz zu entziehen. Dieser Mangel erfasse auch die darauf fußenden faktischen Flächensperrungen durch die L... . Der Beklagte habe diesen Weg in seiner Verfügung vom 15. Oktober 2010 gewählt, weil er sich als Landesbehörde den Konsequenzen einer eigenen Anordnung von Flächensperrungen entziehen habe wollen. Die rechtswidrige Verfügung des Beklagten infiziere auch die ihr gegenüber erlassene Verfügung. Sofern in der Verfügung vom 15. August 2018 eine eigenständige Anordnung zur Besitzentziehung zu sehen sei, fehle dem Beklagten hierfür eine Rechtsgrundlage. Soweit er auf § 56 Abs. 1 BBergG verweise, könne sie – die Klägerin – als Nutzerin gesperrter Flächen nicht zu den Pflichtigen nach dem Bundesberggesetz gerechnet werden. Mit der genannten Vorschrift würden allenfalls Pflichten des Bergunternehmers begründet. Sie sei jedenfalls nicht für die Sicherheit des Bergwerkbetriebes verantwortlich. Der Beklagte wolle mit seiner Duldungsverfügung die rechtswidrige Besitzeinziehung durch die L... legitimieren. Hätte er hierfür eine Rechtsgrundlage, läge in der Verfügung ein Enteignungstatbestand. Insoweit hätte der Beklagte sich aber bemühen müssen, den enteignungsgleichen Eingriff zum Beispiel durch eine Vereinbarung zu vermeiden. Einen solchen Versuch habe er nicht unternommen. Bei Unvermeidbarkeit des enteignungsgleichen Eingriffs hätte der Beklagte zumindest die Entschädigungsverpflichtung übernehmen müssen. Derartiges lehne der Beklagte jedoch ab. Vielmehr verweise er die Klägerin an die L... . Dabei verkenne er jedoch, dass er als Veranlasser der Besitzentziehung die Verantwortung nicht auf Dritte abschieben dürfe, sondern selbst in der Pflicht stehe. Bis zum Erlass der Duldungsverfügung sei die Besitzentziehung durch die L... rechtswidrig gewesen. Sie – die Klägerin – hätte wegen unerlaubter rechtswidriger Handlung die L... auf Schadenersatz verklagen können. Werde die Duldungsverfügung des Beklagten jedoch bestandskräftig, würde die Besitzentziehung durch die L... rechtmäßig. Dann würden Ansprüche gegen die L... aus unerlaubter Handlung ins Leere gehen. Daher müsse der Veranlasser der Legalisierung des Besitzentzuges die Haftung übernehmen. Jedoch fehle es an einer Regelung zur Haftungsübertragung. Auch könne der Beklagte sich nicht mit Erfolg auf § 71 BBergG berufen. Der Hilfsantrag sei zulässig. Es gehe nicht um die Geltendmachung zivilrechtlicher Forderungen. Inhalt sei die grundsätzliche Feststellung der Entschädigungspflicht als Folge der Verfügung vom 15. August 2018.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid des Beklagten vom 15. August 2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. Oktober 2018 aufzuheben, hilfsweise die Kostenentscheidung im Bescheid vom 15. August 2018 aufzuheben und festzustellen, dass durch die Duldungsverfügung vom 15. August 2018 das Land Brandenburg für den bei der Klägerin entstandene Schaden einzustehen hat.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung führt er aus, die Duldungsanordnung sei rechtmäßig. Einerseits sei die bergrechtliche Anordnung gemäß § 56 Abs. 1 BBergG in zulässiger Weise erfolgt. Der Hinweis der Klägerin auf die bergrechtliche Verpflichtung verkenne, dass durch die Duldungsanordnung die L... als bergrechtlich verantwortliche Unternehmerin in die Lage versetzt werden solle, die ihr durch die Anordnung vom 15. Oktober 2010 aufgegebenen Auflagen weiterhin zu erfüllen. Es gehe darum, nachträglich aufgetretene Umsetzungshindernisse zu beseitigen. Dies sei dadurch entstanden, dass die Klägerin erklärt habe, den festgelegten Sperrbereich nicht mehr zu akzeptieren und die Schilder zu entfernen. Rechtsgrundlage für die Duldungsanordnung sei grundsätzlich die auf der die Handlungspflicht beruhe. Der mit der Anordnung gegenüber der L... verfolgte Zweck des Drittschutzes gemäß § 55 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BBergG lasse sich nur erreichen, wenn auch gegen Dritte verwaltungsrechtliche Mittel ergriffen würden. Dies betreffe den Grundstückseigentümer, aber auch sonstige Dritte, die sich im Sperrbereich aufhalten würden. Eine andere Sicht der Dinge, die nur von der Pflichtigkeit des Bergbauunternehmers ausgehe, berücksichtige nicht die Spezifik der Gefahrenabwehrmaßnahmen, die unplanmäßig erfolgten aber konsequent und unmittelbar umgesetzt werden müssten. Derartige Maßnahmen könnten nicht davon abhängig gemacht werden, dass zwischen dem Bergbautreibenden und dem Dritten (Grundstückseigentümer) erst eine vertragliche Einigung herbeigeführt werde. Sofern im Widerspruchsbescheid § 71 BBergG keine Erwähnung finde, beruhe dies darauf, dass das Bergrecht ein gestuftes Anordnungsregime enthalte. Regelungen, die über das Betriebsplanverfahren getroffen werden könnten, hätten Vorrang vor allgemeinen Anordnungen gemäß § 71 BBergG. Im Übrigen habe die Klägerin nichts vorgetragen, was die Verpflichtung zur Duldung in Frage stellen könnte. Sie sei offensichtlich nicht bereit, trotz bestehender Gefahrenlage den gekennzeichneten Sperrbereich zu beachten. Es gehe ihr offensichtlich primär darum, Entschädigungsansprüche gegenüber der L... durchzusetzen. Derartige Leistungen seien auf zivilrechtlichem Wege zu klären. Dafür müsse er – der Beklagte – nicht wie die Klägerin meine, die L... in die Pflicht nehmen. Der hilfsweise Feststellungsantrag sei unzulässig. Ein besonderes Feststellungsinteresse habe die Klägerin nicht dargelegt. Auch sei nicht ersichtlich, aus welchen Gründen die Klägerin die von ihr geltend gemachten Ansprüche nicht im Wege einer Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolge.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und den der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten, die jeweils zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden sind, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage hat Erfolg.

Der Bescheid des Beklagten vom 15. August 2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. Oktober 2018 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO.

1. Der Beklagte geht – wie der geänderten Rechtsbehelfsbelehrung vom 10. Januar 2019 ohne weiteres entnommen werden kann – davon aus, dass Streitgegenstand eine „Duldungsanordnung“ vom 15. August 2018 ist. Es kann hier offen bleiben, ob eine Duldungsordnung nur zulässig und rechtmäßig ist, wenn auch der Ausgangsverwaltungsakt, dessen Befolgung oder Durchsetzung sie ermöglichen soll, rechtmäßig ist (vgl. Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 19. Februar 2021 – 2 S 42/20 – , Rn. 5 zitiert nach juris). Denn ein Duldungsverwaltungsakt, der auf der Grundlage der herangezogenen Ermächtigungsvorschrift erlassen werden kann, liegt nur dann vor, wenn es darum geht, die einem Dritten hoheitlich auferlegte Verpflichtung zu dulden, andernfalls ein Vollstreckungshindernis zu bejahen wäre. Vorliegend geht die Anordnung des Beklagten vom 15. August 2018 jedoch über die bloße Duldung der L... (L...) gegenüber auferlegten Anordnung vom 15. Oktober 2010 hinaus. Mit dieser wurde der L... aufgegeben, im Geltungsbereich der in der Anlage 1 aufgeführten Abschlussbetriebspläne alle Kippenbereiche auf geologisch/hydrologische Verhältnisse zu prüfen. Hintergrund waren Grundbruchereignisse in den Tagebauen der Lausitz. Nach der Textziffer 2 der Anordnung sind, wenn Tagesbruchgefährdungen auf der Grundlage aktueller Standsicherheitsuntersuchungen nicht ausgeschlossen werden können, die erforderlichen Sperrbereiche bzw. Nutzungseinschränkungen festzulegen. Nach der Textziffer 3 der Anordnung besteht eine Pflicht dahingehend, die von den aktualisierten Sperrbereichen betroffenen Grundstückseigentümer, ggf. Pächter und Nutzer zu informieren.

Dies eingestellt, geht die hier in Rede stehende Anordnung zur Duldung und Einhaltung der von der L... festgelegten Sperrbereiche vom 15. August 2018 über das der L... Vorgegebene hinaus. Die der L... auferlegte Verpflichtung geht dahin, eine Überprüfung der Standsicherheit vorzunehmen, Sperrbereiche bzw. Nutzungseinschränkungen festzulegen und die Betroffenen darüber in Kenntnis zu setzen. In diesem Zusammenhang wäre eine Duldungsanordnung allenfalls dahingehend denkbar, wenn es darum gehen sollte, die erforderlichen Überprüfungen vor Ort durchführen zu können, mithin ein Betreten von Grundstücken etwa zur Erkundung zu ermöglichen. Die hier in Rede stehende Anordnung vom 15. August 2018 dient – wie schon der Betreff selbst verdeutlich – nicht dazu eine von der Behörde, also dem Beklagte vorgegebene Verpflichtung zu dulden, sondern die von einem Dritten – der L... – festgelegten Sperrbereiche zu akzeptieren und sein Handeln danach auszurichten, de facto die Sperrbereiche nicht zu betreten und etwaige Kenntlichmachungen dieser zu dulden.

Danach handelt es sich bei der hier in Rede stehenden Verfügung gegenüber der Klägerin vom 15. August 2018 nicht um eine bloße Duldungsanordnung zur Erfüllung der einem anderen hoheitlich auferlegten Verpflichtung. Mit ihr werden vielmehr Dritte – hier die Klägerin – hoheitlich verpflichtet, die durch den Bergbauunternehmer – einem privatrechtlich organisierten Unternehmen – definierte Handlungspflichten/Verhaltensanforderungen zu erfüllen/einzuhalten. Hintergrund ist mithin nicht die Erfüllung der sich aus Betriebsplanpflicht für den Bergbauunternehmer ergebenden Anforderungen, sondern, dass den sich aus der wirtschaftliche Betätigung des Bergbauunternehmers herrührenden Gefahren begegnet wird. Hierzu ist der Bergbauunternehmer in erster Linie aber selbst verpflichtet. In diesem Zusammenhang ist die Klägerin auch nicht Störerin und kann schon deshalb nicht Adressatin einer Duldungsverfügung sein (vgl. hierzu: Decker in Bayerische Bauordnung, Kommentar, Stand Februar 2020, Rn. 406 zu Art. 76).

2. Handelt es sich bei der Verfügung vom 15. August 2018 folglich nicht um eine bloße Duldungsverfügung kann der Beklagte deren Erlass auch nicht auf § 56 Abs. 1 BBerGG stützen. Aber auch sonst fehlt ihm hierfür die erforderliche Ermächtigungsgrundlage. Der Beklagte benennt zwar in seiner Ausgangsverfügung § 71 BBergG und meint, entsprechende Anordnungen auf dieser Grundlage treffen zu können. Dieser Auffassung ist allerdings nicht zu folgen. § 71 BBergG rechtfertigt nicht eine Verfügung gegen Jedermann; einen Dritten oder die Heranziehung eines Störers nach ordnungsrechtlichen Grundsätzen. Adressat einer auf dieser Rechtsgrundlage ergehenden Verfügung kann (nur) eine nach § 58 BBergG verantwortliche Person sein (vgl. hierzu Keienburg in Boldt u.a., Bundesberggesetz, Kommentar, 2. Auflage, Rn. 13 zu § 71). Gemäß § 58 Abs. 1 BBergG sind verantwortlich für die Erfüllung der Pflichten, die sich aus dem Gesetz, den aufgrund der §§ 65 bis 67 erlassenen und nach § 176 Abs. 3 aufrechterhaltenen Bergverordnungen, aus Verwaltungsakten und aus zugelassenen Betriebsplänen für die ordnungsgemäße Errichtung, Führung und Einstellung eines Betriebes ergeben (verantwortliche Personen), soweit dieses Gesetz oder ein aufgrund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnung nicht anders bestimmt, 1. der Unternehmer, 2. die zur Leitung oder Beaufsichtigung des Betriebes oder eines Betriebstest bestellten Personen im Rahmen ihrer Aufgaben und Befugnisse. Ist der Betrieb eingestellt, so ist nach § 58 Abs. 2 S. 1 BBergG verantwortliche Person auch der Inhaber der Aufsuchungs- oder Gewinnungsberechtigung es sei denn, dass er zur Erfüllung der in Absatz 1 genannten Pflichten rechtlich nicht in der Lage ist. Zu diesem Personenkreis gehört die Klägerin erkennbar nicht (vgl. hierzu: Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen – Anhalt, Urteil vom 28. November 2013 – 2 L 222/11 –, Bayrischer Verwaltungsgerichtshof, Urteil vom 24. August 2010 – 8 BV 06.1795 –, nachfolgend BVerwG, Beschluss vom 14. April 2011 – 7 B 8/11 – jeweils zitiert nach Juris).

Freilich ist nicht zu verkennen, dass § 71 Abs. 1 S. 1 i.V.m. § 55 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 BBergG Regelungen, die die erforderliche Vorsorge gegen Gefahren für Leib, Gesundheit und zum Schutz von Sachgütern Dritter betreffen, ermöglicht bzw. nach § 71 Abs. 1 S. 2 BBergG Anordnungen getroffen werden können, die über die aufgrund einer Rechtsverordnung oder eines zugelassenen Betriebsplanes gestellten Anforderungen hinausgehen und Dritter hier auch solche sind, die außerhalb des Betriebes stehen (vgl. hierzu Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 29. April 2010 – 7 C 18/09 – Juris, Rn. 18). Gleichwohl verbleibt es dabei, dass die allgemeine Anordnungsbefugnis auch in diesem Fall nur den Unternehmer erfassen kann. Nicht nur hat dieser innerhalb des Betriebsplanverfahrens die entsprechenden Regelungen zur Vorsorge aufzunehmen. Auch zeigt der Bezug in § 71 Abs. 1 S. 2 BBerGG, dass es um diesen Zusammenhang geht, da über die in einem zugelassenen Betriebsplan gestellten Anforderungen hinausgegangen werden darf. Eine Regelungsbefugnis dahingehend, dass die zuständige (Berg-) Behörde aufgrund bergrechtlicher Vorschriften gegen außerhalb des Betriebes stehende Dritte vorgehen kann, folgt daraus nicht.

Eine derartige Betrachtung ist auch sachgerecht angesichts dessen, dass mit Blick auf das Betriebsplanverfahren (vgl. § 54 ff Bundesberggesetz) ein solcher nur zugelassen werden kann, wenn die im Einzelnen genannten Anforderungen erfüllt sind, wozu auch die erforderliche Vorsorge gegen Gefahren für Leben, Gesundheit und zum Schutz von Sachgütern Dritter gehört. Der Unternehmer muss in dem Betriebsplanverfahren den Nachweis für die entsprechende Vorsorge erbringen. Ihm obliegt wegen der von ihm in Angriff genommenen gefahrgeneigten Tätigkeit die Verpflichtung, Vorsorge für die sich aus der Tätigkeit ergebenen Gefahren zu leisten. Es stünde mit der primären Verantwortlichkeit des Unternehmers nicht in Einklang, wenn der Unternehmer nur die Gefahren benennen müsste bzw. entsprechende Bereiche zu definieren hätte, hingegen Dritte durch ihr Verhalten dafür Sorge tragen müssten, dass etwaige Gefahren sich tatsächlich nicht verwirklichen. Letztlich würde nicht der Unternehmer, der für die Kosten der Nachsorge grundsätzlich im vollen Umfang einzustehen hat (vgl. Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 18. Dezember 2014 – 7 C 22/12 –, Rn. 44, zitiert nach Juris) verpflichtet sein, der aus dem Bergbau herrührenden Gefahr zu begegnen, sondern der Dritten würde dies leisten, da er die gefährdeten Bereiche – letztlich über einen hier auch nicht näher bestimmten zeitlichen Umfang – nicht betreten darf. Eine solche Konstellation weitergedacht, führte im Ergebnis dazu, dass der Unternehmer – jedenfalls für einen nicht näher definierten Zeitraum – von seiner Nachsorgeverpflichtung zu Lasten eines Dritten, der sein Eigentum nicht oder jedenfalls nicht in vollen Umfang nutzen bzw. wirtschaftlich ausnutzen kann, entbunden wäre.

3. Das Bedürfnis des Beklagten, etwaigen aus dem Bergbau sich ergebenden Gefahren effizient begegnen zu können, ist nachvollziehbar. Insoweit ist anerkannt, dass dann, wenn ein kurzfristiges Handeln erforderlich und auf ein Verhalten Dritter einzuwirken ist, das Bundesberggesetz hierfür keine hinreichende Regelung beinhaltet, auf weitergehende Vorschriften zurückgegriffen werden kann, gegebenenfalls muss (vgl. Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 09. Mai 2012 – 2 M 13/12 – juris Rn. 37 unter Bezugnahme auf Bundesverwaltungsgericht Urteil vom 14. April 2007 – 7 C 26/03 –), mithin auch ordnungsrechtliche Vorschriften zur Anwendung gelangen können (vgl. Pienns/Schulte/Graf Vitzthum, Bundesberggesetz, Kommentar, 3. Auflage, Rn. 17 zu § 71). Für eine solche Sicht der Dinge spricht schon der Wortlaut der Regelung in § 71 Abs. 1 S. 1 BBergG, wonach es um Maßnahmen zur Durchführung der Vorschriften dieses Gesetzes, der aufgrund dieses Gesetzes erlassenen oder aber der aufrechterhaltenen Rechtsverordnungen geht (vgl. hierzu: Keilenburg, a.a.O., Rn. 3 zu § 71, wonach § 71 Abs. 1 S. 1 eine Befolgungskontrolle, beschränkt auf die Kontrolle der Befolgung von Verordnungen und Betriebsplanzulassungen beinhaltet und nur im Fall Gefahren für Leben, Gesundheit und Sachgüter Beschäftigter oder Dritter weitergehende Anordnungen getroffen und die Legalisierungswirkung einer Betriebsplanzulassung durchbrochen werden können bzw. kann). Auch wenn danach § 71 BBergG als sonderordnungsrechtliche Vorschrift die allgemeine Grundlage für ordnungsbehördliches Einschreiten verdrängt, ist ein solches letztlich nicht ausgeschlossen. Wäre damit der Weg eröffnet, nach allgemeinem Ordnungsrecht agieren zu können, wäre hier einerseits zu beachten, dass es sich – anders als bei der Regelung des § 71 BBergG – um eine selbstständige Ordnungsverfügung handeln würde, bei der es für den Erlass im Einzelfall des Nachweises einer konkreten Gefahr oder Anscheinsgefahr bedarf, während bei einer unselbstständigen Ordnungsverfügung der Nachweis einer konkreten Gefahr nicht erforderlich ist (vgl. hierzu Piens, a.a.O., Rn. 23 zu § 71; vgl. zu den Anforderungen für die Annahme einer Gefahr: Urteil der Kammer vom 27. März 2019 – VG 3 K 1451/17 – juris).

Ob der in der Anordnung vom 15. August 2018 aufgenommene Hinweis auf geotechnische Untersuchungen des geotechnischen Büros BIUG vom 20. September 2012 und der Verweis auf diverse Verflüssigungsgrundbrüche genügt, um eine konkrete Gefahr auch für die Grundstücke der Klägerin zu besetzen; dies eingedenk der Tatsache, dass die von dem Beklagten vorgelegten Karte vom 08. Juni 2022 geotechnischen Ereignisse insbesondere auf der Innenkippe dokumentiert und der hier in Rede stehende Bereich südlich des D... von derartigen Erscheinungen verschont geblieben ist; eine gesonderte Situation auch deshalb zu bejahen sein dürfte, da es sich um den Bereich einer gewachsenen Böschung handelt (vgl. S. 14 der Standsicherheitseinschätzung der BUIG GmbH vom 20. September 2012), bedarf letztlich keiner Entscheidung.

Der Beklagte wäre für den Erlass einer Verfügung aufgrund ordnungsrechtlicher Vorschriften nicht zuständig. Nach § 47 Abs. 4 Ordnungsbehördengesetz (OBG) ist das Landesamt für Bergbau, Geologie und Rohstoffe zuständig für Maßnahmen zur Abwehr von Gefahren aus früherer bergbaulicher Tätigkeit im Bereich stillgelegter bergbaulicher Anlagen, die nicht mehr der Bergaufsicht unterliegen. Vorliegend handelt es sich um Grundstücke, die im Abschlussbetriebsplan genannt sind, mithin nach wie vor der Bergaufsicht unterliegen, vgl. § 69 Abs. 2 BBergG. In einem solchen Fall würde sich die Zuständigkeit für ein Handeln nach ordnungsrechtlichen Vorschriften nach den allgemeinen Vorschriften, insbesondere der §§ 4 und 5 OBG richten. Zu den danach berufenen Behörden gehört der Beklagte allerdings nicht.

Fehlt es dem Beklagten nach alledem für den Erlass der angegriffenen Verfügung an einer hinreichenden Ermächtigungsgrundlage, bedarf es auch keiner Entscheidung dazu, ob für den Fall einer hinreichenden Ermächtigungsgrundlage, des Vorliegens einer Gefahr und der Möglichkeit, die Klägerin überhaupt als Störer in Anspruch nehmen zu können (vgl. hierzu: VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 25. Oktober 2012 – 1 S 1401/11 – Rn. 48, 49 zitiert nach juris), der Beklagte das ihm dann zukommende Ermessen ordnungsgemäß betätigt hat. Zweifel ergeben sich insbesondere daraus, dass der Klägerin eine letztlich zeitlich nicht begrenzten Verpflichtung auferlegt wurde, nämlich ihrer eigenes Grundstück nicht zu betreten, bzw. sich nach den durch einen Dritten verfügten Beschränkungen richten zu müssen, hingegen dem nach bergrechtlichen Vorschriften Verantwortlichen über Jahre keinerlei weitergehenden Verpflichtungen zum Handeln (Sicherung der Kippenbereiche) aufgegeben wurden, obwohl – hier für den Bereich der gewachsenen Böschung – Möglichkeiten bestanden und diese auch schon aufgezeigt wurden (vgl. etwa Textziffer 9.3. der o.g. Standsicherheitseinschätzung).

Die Kostenentscheidung ergeht nach § 154 Abs. 1 VwGO. Die vorläufige Vollstreckung richtet sich nach § 167 VwGO i.V.m. den §§ 708 ff ZPO.

Die Berufung ist gemäß § 124a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 124 Abs. 3 VwGO zuzulassen, da der Frage, ob und inwieweit nach bergrechtlichen Vorschriften Dritte in Anspruch genommen bzw. zur Duldung vom Bergbautreibenden festgelegter Sperrgebiete verpflichtet werden können, grundsätzliche Bedeutung zukommt.