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Entscheidung 31 C 1/22


Metadaten

Gericht AG Potsdam Entscheidungsdatum 16.06.2022
Aktenzeichen 31 C 1/22 ECLI ECLI:DE:AGPOTSD:2022:0616.31C1.22.00
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags.

4. Der Streitwert wird auf 5.203,49 EUR festgesetzt.

Tatbestand

Die Klägerin ist Mitglied der Wohnungseigentümergemeinschaft

Nach § 14 Abs. 5 der Teilungserklärung ist vorgesehen, dass auf Wunsch einzelner Wohnungseigentümer der Verwalter eine Kopie des Protokolls innerhalb von drei Wochen nach dem Tag der Versammlung an diese zur Kenntnis zu übersenden hat. Dabei ist das Original des Protokolls von einem der Miteigentümer mit zu unterzeichnen - und, sofern ein Verwaltungsrat bestellt ist, auch von dessen Vorsitzenden oder seinem Vertreter.

Bei Baumaßnahmen soll nach § 14 Abs. 2 der Teilungserklärung die Beschlussvorlage mit einer Stellungnahme des Verwalters versehen sein. Hierin enthalten sein soll neben einer Schätzung der Gesamtkosten insbesondere eine Angabe zur voraussichtlichen Dauer der Arbeiten, zu arbeitsbedingten Störungen sowie ein Vorschlag zum konkreten Beginn der Maßnahmen.

… schlossen mit der Klägerin als Bauträgerin am 22. Dezember 2017 einen Wohnungseigentumskaufvertrag hinsichtlich 302/10.000 Miteigentumsanteilen. Mit Erklärung vom 21.09.2021 erklärte die Klägerin wegen ausstehender Zahlungen den Rücktritt.

Mit Wohnungseigentumskaufvertrag vom 30. Juli 2018 verkaufte die Klägerin ferner an ... Miteigentumsanteile. Mit Datum vom 07.04.2021 erklärte die Klägerin auch insoweit den Rücktritt. … zahlten nicht den gesamten Kaufpreis.

Zu Gunsten der Erwerber sind Auflassungsvormerkungen im Grundbuch eingetragen, Besitz wurde eingeräumt.

Am 3. Dezember 2021 fand die konstituierende Eigentümerversammlung der Gemeinschaft statt.

Zu Tagesordnungspunkt 4 beschlossen die Wohnungseigentümer die Bestellung von … und … sowie … zu Beiratsmitgliedern für die Dauer von drei Jahren.

Ferner beschlossen die Wohnungseigentümer zu Tagesordnungspunkt 13, die Angebote …, … der Firma … zu beauftragen und die „Erledigung der Restarbeiten“ durchführen zu lassen. Ausweislich des Beschlusses sollte im Zuge der Rechnungslegung eine Differenzierung zwischen Arbeiten am Sonder- und Gemeinschaftseigentum stattfinden. Die Kosten gemäß dem Angebot der … betragen 1.703,49 €, die über eine Sonderumlage finanziert werden sollten. Zuvor sollte die Verwaltung den Bauträger unter Setzung einer angemessenen Frist zur Beseitigung des Mangels auffordern, eine Nachfrist mit Einwurf/Einschreiben setzen und eine Vornahme von Ersatzmaßnahmen ankündigen.

Zu Tagesordnungspunkt 14, der vorsah, eine Regelung hinsichtlich offener Hausgelder der Klägerin zu treffen, fassten die Miteigentümer keinen Beschluss.

Die Klägerin meint, da ihr die Versammlungsniederschrift erst am 03.01.2022 übermittelt und nicht entsprechend der Teilungserklärung fristgerecht unterzeichnet worden sei, seien die Beschlüsse anfechtbar. Durch Übermittlung des Protokolls erst wenige Stunden vor Ablauf der Anfechtungsfrist und den Verstoß gegen Formvorschriften sei ihr Rechtsschutzinteresse nicht ausreichend gewürdigt worden.

Die Klägerin ist der Auffassung, es sei unzulässig zu Verwaltungsbeiräten zwei Personen zu bestellen, die Miteigentümer derselben Einheit seien.

Auch seien die bestellten Beiräte ungeeignet für das ihnen übertragene Amt, da sie aufgrund der unterlassenen Kaufpreiszahlungen dafür verantwortlich seien, dass sie, die Klägerin, ihre Hausgelder nicht zahlen könne, und damit massiv gegen das Interesse der Gemeinschaft verstießen.

Zudem seien sie nicht wählbar, weil sie aufgrund des Rücktritts von den Kaufverträgen keine Mitglieder der Wohnungseigentümergemeinschaft mehr seien.

Hinsichtlich der Baumaßnahmen (Tagesordnungspunkt 13) sei nicht ausreichend präzise dargelegt, welche Dauer der Werkarbeiten zu erwarten sei, welche Störungen von ihnen ausgingen, und wann die Arbeiten beginnen sollten. Auch habe … die übrigen Wohnungseigentümer vorsätzlich getäuscht, indem er angegeben habe, dass es sich bei den Restbauarbeiten zum Kaminbau nicht um Sondereigentum sondern um Gemeinschaftseigentum handele.

Im Übrigen sei … insoweit nicht stimmberechtigt gewesen, da die Beschlussfassung zu den Restarbeiten ein Rechtsgeschäft mit ihm selbst gemäß § 25 Abs.4 WEG darstelle.

Der Kläger beantragt,

die Beschlüsse der Eigentümerversammlung vom 3. Dezember 2021 zu den Tagesordnungspunkten 4 (Wahl des Verwaltungsbeirates), Tagesordnungspunkt 13 (Beauftragung der Angebote …, … der …), zu Tagesordnungspunkt 14 (Geltendmachung von Hausgeldern gegen die Klägerin) für ungültig zu erklären.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte behauptet, die Klägerin sei in ihrer Handlungsfähigkeit wegen fehlender Liquidität allenfalls beschränkt, weil sie ihre eigenen Verpflichtungen aus den Verträgen nicht erfüllt habe.

Er ist der Auffassung, als werdende Eigentümer seien … und … als Verwaltungsbeiräte wählbar gewesen, zumal die Rücktritte nicht wirksam erfolgt seien.

Hinsichtlich des Tagesordnungspunktes 13 ergebe sich bereits aus dem Beschlussvorschlag, dass Arbeiten an Sonder- und Gemeinschaftseigentum durchgeführt werden sollten.

Im Übrigen bestehe für eine Anfechtung von Tagesordnungspunkt 14 kein Rechtsschutzbedürfnis, da es insoweit bereits einem gefassten Beschluss fehle.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist teilweise unzulässig, im Übrigen unbegründet.

I.) Die Klage ist unzulässig, soweit die Klägerin den Beschluss zu Tagesordnungspunkt 14 anficht. Da kein Beschluss zur Abstimmung gelangt ist, besteht kein Anlass, ein Gericht auf Prüfung der Rechtmäßigkeit einer Beschlussfassung in Anspruch zu nehmen.

II.) Die weitergehende Klage ist unbegründet.

Denn die Beschlüsse entsprechen ordnungsgemäßer Verwaltung im Sinne von § 18 Abs. 2 WEG. Unter Berücksichtigung billigen Ermessens widersprechen sie nicht dem Interesse der Gesamtheit der Wohnungseigentümer, gesetzlichen Regelungen oder Vereinbarungen.

Die Beschlüsse leiden nicht schon an einem formellen Mangel, weil die Klägerin ein Protokoll über die Beschlussfassung nicht in der nach § 14 Abs. 5 der Teilungserklärung vorgesehenen Form und Frist erhalten hat. Dass ein solcher Verstoß zur Unwirksamkeit des Beschlusses führen solle, sieht die Teilungserklärung nicht vor.

Grundsätzlich ist für die Entscheidung, ob ein Beschluss wirksam zustande gekommen ist, darauf abzustellen, wie die Beschlussfassung selbst erfolgt ist. Nachfolgende Ereignisse sind grundsätzlich nicht entscheidend.

Da mittlerweile ein formgerechtes Protokoll zur Akte gelangt ist, und kein Zweifel daran besteht, was beschlossen wurde, liegt kein formeller Mangel vor (anders gelagert der Fall in der Entscheidung OLG München, Beschluss vom 07.08.2007, 34 Wx 3/05, recherchiert bei juris am 03.05.2022).

Auch ist das Rechtsschutzinteresse der Klägerin ausreichend gewahrt. Es war ihr möglich, innerhalb der Anfechtungsfrist ausreichend vorzutragen. Beeinträchtigungen insoweit behauptet sie bereits nicht mit der insoweit erforderlichen inhaltlichen Substanz nach § 138 Abs.1 ZPO.

1.) Der Beschluss zu Tagesordnungspunkt 4, demzufolge die … und … in den Beirat gewählt wurden, widerspricht nicht ordnungsgemäßer Verwaltung.

Nach § 29 Abs.1 WEG können Wohnungseigentümer durch Beschluss zum Mitglied des Verwaltungsbeirates bestellt werden.

Die gewählten Beiräte waren wählbar. Zwar waren die bestellten Beiratsmitglieder bei ihrer Wahl noch keine Wohnungseigentümer. Jedoch genügte es, dass zu ihren Gunsten bei der Bestellung eine Auflassungsvormerkung eingetragen war, sie Besitz erlangt hatten und ein nicht nichtiger Erwerbsvertrag zu ihren Gunsten bestand. Zugunsten werdender Wohnungseigentümer – wie der bestellten Beiratsmitglieder – ist allgemein anerkannt, dass ihnen ein vorgelagertes Stimmrecht zusteht (s. z.B. Urteil des BGH vom 14.02.2020 V ZR 159/19, recherchiert bei juris am 06.05.2022). Da ihnen in der konstitutiven Eigentümerversammlung ein aktives Stimmrecht zustand, bestand zu ihren Gunsten ebenso das Recht, gewählt zu werden.

Nicht streit entscheidend ist nach Auffassung des Gerichts, ob die Klägerin wirksam den Rücktritt von den Kaufverträgen erklärt hat. Denn maßgeblich in Wohnungseigentumssachen ist insbesondere die sachenrechtliche Lage und damit die Eintragung im Grundbuch samt Besitzübertragung (vgl. hierzu z.B. Niedenführ/Vandenhouten, WEG, 12. Auflage, § 10 Rn. 7ff). Ob der Rücktritt wirksam geworden ist, ist ungeklärt und nicht entscheidend. Zwar wird regelmäßig vertreten, dass es für die Eigenschaft als werdender Wohnungseigentümer darauf ankomme, dass ein wirksamer Erwerbsvertrag ohne Rücktritt vorliege. Dem folgt das Gericht nicht. Denn die Frage, ob ein wirksamer Rücktritt vorliegt, kann regelmäßig in Eigentümerversammlungen durch die Verwaltung nicht abschließend geklärt werden. Ggf. werden diesbezüglich – wie hier – Rechtsstreite geführt, deren Ausgang langwierig und ungewiss sein mag. Käme es auf die Frage an, ob ein Rücktritt wirksam ist, wären Eigentümergemeinschaften ggf. langfristig nicht entscheidungsfähig, weil unklar wäre, welche Wohnungserwerber stimmberechtigt sind. Aus diesem Grund ist allein auf äußere Umstände abzustellen wie die Eintragung der Auflassungsvormerkung, Übertragung des Besitzes und das Vorliegen eines Erwerbsvertrags, der jedenfalls nicht offensichtlich nichtig ist.

Mit der Bestellung der Beiräte haben die Wohnungseigentümer auch nicht das ihnen zustehende Ermessen bei der Auswahl der Beiratsmitglieder überschritten. Grundsätzlich besteht ein weiter Ermessensspielraum bei der Bestellung. Nur, wenn schwerwiegende Umstände bekannt sind, die gegen die Person des Gewählten sprechen, liegt ein Verstoß gegen die Grundsätze ordnungsgemäßer Verwaltung vor (vgl. z.B. Niedenführ/Kümmel/Vandenhouten, WEG, 11. Auflage, § 29 Rn. 3 m.w.N.). Dabei sind die Wohnungseigentümer nicht gezwungen, eine Entscheidung zu treffen, die ein außen stehender Dritter als die beste und ausgewogenste Entscheidung ansehen würde. Nicht ausreichend ist das Misstrauen einer überstimmten Minderheit oder die Verfolgung eigener Interessen (Niedenführ/Kümmel/Vandenhouten, a.a.O.).

Ob die Beiräte zurecht an die Klägerin nicht gezahlt haben, und ob die Klägerin ihretwegen zu Unrecht in Zahlungsschwierigkeiten und damit in Rückstand mit den Hausgeldern geraten ist, bedarf hier keiner Entscheidung. Denn, wenn die Mehrheit der Wohnungseigentümer dennoch für die Wahl der Beiräte stimmte, überschritten sie hiermit jedenfalls nicht den ihnen zustehenden weiten Ermessensspielraum.

Auch waren sowohl … als auch … wählbar. Voraussetzung für die Wählbarkeit ist nicht, dass Beiräte Miteigentümer unterschiedlicher Einheiten sind. Für diese Auffassung findet sich im Gesetz und auch in der Teilungserklärung kein Anhaltspunkt. Auch insoweit hielten sich die Wohnungseigentümer in dem ihnen zustehenden weiten Ermessensspielraum.

2.) Der Beschluss zu Tagesordnungspunkt 13 in Bezug auf Restarbeiten entspricht ebenso ordnungsgemäßer Verwaltung nach § 18 Abs. 2 WEG.

Nicht entscheidend ist, dass der Beschluss entgegen § 14 Abs.2 der Teilungserklärung keine Angaben dazu enthält, welche Störungen von den Bauarbeiten ausgehen würden und wann Baubeginn sein solle. Zunächst enthält die Teilungserklärung keine Angabe dazu, welche Folge ein Verstoß gegen diese Regelung hat. Der Verstoß führt jedenfalls nicht zur Anfechtbarkeit des Beschlusses. Bei Auslegung der Teilungserklärung nach §§ 133, 157 BGB sollten fehlende Angaben, wie hier, offensichtlich nicht eine Anfechtbarkeit der Beschlussfassung nach sich ziehen. Denn bei einer Baumaßnahme mit einem voraussichtlichen Preis in Höhe von rund 1.700,00 EUR handelt es sich um eine kleinere Maßnahme, die typischerweise weder langwierig noch wesentlich beeinträchtigend sein wird.

Auch liegt keine Täuschung der Miteigentümer vor. Soweit die Klägerin meint, es sei nicht darauf hingewiesen, dass sich die Restarbeiten auch auf Sondereigentum bzw. Sonderwünsche von … bezögen, ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des Beschlusses, dass insoweit eine Differenzierung vorgesehen war. Es fehlt bereits an einer Täuschung.

Ebenso wenig hat der Miteigentümer … in eigener Sache gemäß § 25 Abs. 4 WEG abgestimmt.

Nach § 25 Abs.4 WEG ist ein Wohnungseigentümer insbesondere nicht stimmberechtigt, wenn die Beschlussfassung die Vornahme eines auf die Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums gerichteten Rechtsgeschäfts mit ihm betrifft. Ein Rechtsgeschäft mit … wurde durch die Beschlussfassung nicht vorgenommen, so wurde kein Vertrag mit ihm geschlossen (vgl. hierzu Niedenführ/Kümmel/Vandenhouten, a.a.O., § 25 Rn. 28 m.w.N.), insbesondere kein Schuldanerkenntnis o.ä. erklärt (so aber in der klägerseits zitierten Entscheidung des KG Berlin, Beschluss vom 07.02.2005, 24 W 27/04, recherchiert bei juris am 02.05.2022).

III. Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91 Abs. 1, 709 Satz 2 ZPO.

IV. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 49 GKG. Hiernach ist zunächst das Gesamtinteresse zu ermitteln, sodann der Streitwert gegebenenfalls zu begrenzen gemäß § 49 S. 2 GKG (siehe insofern Skauradszun/Elzer/Hinz/Riecke, Die WEG-Reform 2020, § 10 Rn. 7, Rn.16 „Beschlussklagen(Anfechtungsklage)“. Hiernach ist der Wert hinsichtlich der Anfechtung der Verwaltungsbeiräte zu Tagesordnungspunkt 4 mit 2.000 € zu beziffern (vgl. insoweit Niedenführ/Vandenhouten, WEG, 12. Auflage, § 49a GKG, Rn. 16 m.w.N.). Dabei ist der Bedeutung der Angelegenheit für die Klägerin besondere Bedeutung beizumessen. 1.703,49 EUR hinsichtlich der Anfechtung zu Tagesordnungspunkt 13 in Bezug auf die Restarbeiten, und hinsichtlich Tagesordnungspunkt 14 (rückständige Hausgeldforderungen) 1.500 EUR (vgl. Niedenführ/Vandenhouten, a.a.O., § 49a Rn. 15) erscheinen diesbezüglich angemessen. Insoweit hat das Gericht ggf. anfallende, geschätzte Rechtsanwaltskosten als Grundlage der Streitwertfestsetzung herangezogen.