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Erlöschen der Baugenehmigung - Hemmung des Ablaufs der Baugenehmigung - hoheitliches Handeln - öffentlich-rechtlicher Vertrag - städtebaulicher Vertrag - Investitionsvorrangbescheid - investiver Vertrag - gesetzliches Vorkaufsrecht -dingliches Vorkaufsrecht - Beginn der Bauausführung - Vorbereitungshandlungen - "erster Spatenstich" - Suchschachtungen


Metadaten

Gericht OVG Berlin-Brandenburg 2. Senat Entscheidungsdatum 31.05.2022
Aktenzeichen OVG 2 S 44/21 ECLI ECLI:DE:OVGBEBB:2022:0531.OVG2S44.21.00
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen § 146 Abs 4 VwGO, § 72 Abs 1 BauO BE, § 72 Abs 2 BauO BE, § 6 InVorG, § 23 Abs 1 InVorG, § 24ff BauGB, § 1094ff BGB

Leitsatz

Zur Frage der Hemmung des Erlöschens einer Baugenehmigung durch Geltendmachung eines der Gemeinde eingeräumten dinglichen Vorkaufsrechts

Tenor

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 16. November 2021 wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Beschwerde trägt die Antragstellerin.

Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 800.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

Die Antragsgegnerin ist Eigentümerin des Grundstücks B... in Berlin-Mitte. Sie begehrt im Wege der einstweiligen Anordnung verschiedene Feststellungen zu der Frage, ob eine ihr am 30. Juni 2014 erteilte und zweimal um jeweils ein Jahr, zuletzt bis zum 30. Juni 2019 verlängerte Baugenehmigung für den Neubau eines Hotels mit Tiefgarage erloschen ist. Das Verwaltungsgericht hat ihren Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes abgelehnt.

Die hiergegen eingelegt Beschwerde hat keinen Erfolg. Die dargelegten Gründe, die nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO den Umfang der Überprüfung im Beschwerdeverfahren bestimmen, rechtfertigen keine Änderung des erstinstanzlichen Beschlusses.

1. Ohne Erfolg wendet sich die Antragstellerin gegen den erstinstanzlichen Beschluss, soweit das Verwaltungsgericht ihren Antrag, im Wege der einstweiligen Anordnung festzustellen, dass die Baugenehmigung noch wirksam und nicht erloschen ist, als unbegründet abgelehnt hat.

Gemäß § 72 Abs. 1 BauO Bln in der bis zum 31. Dezember 2016 geltenden Fassung, die gemäß § 89 Abs. 2 BauO Bln Anwendung findet, erlischt eine Baugenehmigung, wenn innerhalb von drei Jahren nach ihrer Erteilung mit der Ausführung des Bauvorhabens nicht begonnen oder die Bauausführung ein Jahr unterbrochen worden ist. Die Frist kann gemäß Absatz 2 der Regelung auf schriftlichen Antrag, der vor Fristablauf bei der Bauaufsichtsbehörde eingegangen sein muss, jeweils um ein Jahr verlängert werden.

a) Soweit die Antragstellerin vorträgt, der Ablauf der Gültigkeit der Baugenehmigung sei gehemmt gewesen, weil der Antragsgegner im Juni 2017 zunächst sein Vorkaufsrecht ausgeübt und dies zu einer gerichtlichen Auseinandersetzung geführt habe, die erst durch einen im Juli 2020 geschlossenen gerichtlichen Vergleich beendet worden sei, rechtfertigt ihr Vorbringen keine Änderung der erstinstanzlichen Entscheidung.

aa) Das Verwaltungsgericht hat eine Hemmung durch das zivilgerichtliche Verfahren verneint. Zwar könnten außerhalb der Risikosphäre des Bauherrn liegende Ausführungshindernisse den Ablauf der Geltungsdauer hemmen. Darunter fielen u.a. hoheitliche Eingriffe, die den Bauherrn an der Ausnutzung der Genehmigung hinderten. Der Antragsgegner habe bei Ausübung des Vorkaufsrechts aber nicht hoheitlich, sondern zivilrechtlich gehandelt. Die Antragstellerin habe ein Grundstück erworben, das mit einem rechtsgeschäftlich eingeräumten und dinglich gesicherten Vorkaufsrecht belastet gewesen sei. Mit der Ausübung des Vorkaufsrechts habe sich eine in der Risikosphäre der Antragstellerin liegende Gefahr realisiert. Die zivilrechtliche Auseinandersetzung um das Vorkaufsrecht habe zudem keinen Einfluss auf die Rechtmäßigkeit der Baugenehmigung. Die Antragstellerin hätte überdies unmittelbar nach Rechtswirksamkeit des Kaufvertrages den Vorkaufsberechtigten von dem Vorkaufsfall informieren und sich zeitnah Klarheit über die Ausübung des Vorkaufsrechts verschaffen können.

bb) Mit ihrem hiergegen erhobenen Einwand, der Antragsgegner habe bei der Ausübung des Vorkaufsrechts hoheitlich gehandelt, dringt die Antragstellerin nicht durch.

Soweit sie vorträgt, die Vorkaufsrechtsausübung habe ihren „rechtlichen Ursprung“ in einem öffentlich-rechtlichen Vertrag, nämlich einem städtebaulichen Grundstückskaufvertrag, verkennt die Antragstellerin, dass Gegenstand des Vertrages vom 10. November 1995, in dem die damalige Käuferin dem Antragsgegner ein dinglich gesichertes Vorkaufsrecht an dem Grundstück eingeräumt hat (§ 7 des Vertrages), nicht die Übernahme einer Bauverpflichtung nach dem Baugesetzbuch ist. Der Vertrag regelt lediglich, dass der Verkäufer von dem Vertrag zurücktreten und eine Vertragsstrafe fordern kann, wenn das in dem Investitionsvorrangbescheid vom 7. Februar 1995, der dem Vertrag zu Grunde liegt, als Investitionszweck benannte Investitionsvorhaben „Errichtung eines Geschäfts- und Wohnhauses unter Einbeziehung der Altbausubstanz mit einem Investitionsvorhaben von 9,244 TDM zur Sicherung von 24 Arbeitsplätzen und Schaffung von 65 Arbeitsplätzen und 6 Wohnungen“ nicht fristgemäß durchgeführt oder das Grundstück bis zur gebrauchsfertigen Herstellung der baulichen Anlagen weiterveräußert wird (§ 5 des Vertrages vom 10. November 1995). Der Hinweis der Antragstellerin darauf, dass der Vertrag den inhaltlichen Vorgaben des § 8 InVorG nachgebildet sei und Bestimmungen entsprechend den Regelungen des Verwaltungsverfahrensgesetzes zum öffentlich-rechtlichen Vertrag sowie den unter dem 28. November 1991 vom Abgeordnetenhaus beschlossenen Vorgaben zur Verbesserung des Verfahrens bei Grundstücksgeschäften enthalte, rechtfertigt ebenfalls nicht die Annahme, dass dieser Vertrag zwingend als öffentlich-rechtlich einzustufen ist. Dagegen spricht etwa, dass gemäß § 23 Abs. 1 InVorG für Streitigkeiten aus dem investiven Vertrag der Zivilrechtsweg gegeben ist. Hiermit setzt sich die Beschwerde nicht auseinander.

Letztlich kann diese Frage aber offenbleiben, denn selbst wenn der investive Vertrag als öffentlich-rechtlich zu qualifizieren wäre, ist dem Beschwerdevorbringen nicht zu entnehmen, dass die Ausübung des Vorkaufsrechts als hoheitlicher Eingriff zu bewerten wäre. Hierbei kann dahinstehen, ob, wie die Antragstellerin vorträgt, eine Gemeinde über gesetzliche Vorkaufsrechte nach §§ 24 f. BauGB auch öffentlich-rechtliche Verträge abschließen kann und ob die Ausübung eines derartig vertraglich geregelten gesetzlichen Vorkaufsrechts als ein hoheitlicher Eingriff in die Rechte des Käufers zu bewerten wäre (vgl. Krautzberger in Ernst/Zinkahn/ Bielenberg/Krautzberger, Baugesetzbuch, Stand August 2012, § 11 BauGB Rn. 39), denn vorliegend hat der Antragsgegner kein gesetzliches Vorkaufsrecht nach §§ 24 f. BauGB ausgeübt. § 7 des Vertrages vom 10. November 1995 ist dahingehend auszulegen, dass damit dem Antragsgegner als Verkäufer rechtsgeschäftlich ein dingliches Vorkaufsrecht für alle Verkaufsfälle nach §§ 1094 ff. BGB eingeräumt wird. Diese vertragliche Bestimmung nimmt keinerlei Bezug auf die Regelungen der §§ 24, 25 BauGB und es fehlen Vereinbarungen im Sinne von § 27 BauGB über das Recht des Käufers, das Vorkaufsrecht abzuwenden. Gesetzliche Vorkaufsrechte werden zudem nicht – wie hier vereinbart und umgesetzt – durch Eintragung ins Grundbuch gesichert. Ein gesetzliches Vorkaufsrecht scheidet hier überdies, wie die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 27. Januar 2022 selbst vorträgt, auch deshalb aus, weil das Grundstück mit Vertrag vom 10. November 1995 nach dem Investitionsvorranggesetz verkauft wurde und in diesem Fall gemäß § 6 InVorG kein Vorkaufsrecht nach dem Baugesetzbuch besteht. Inwiefern diese Regelung, die gesetzliche Vorkaufsrechte nach §§ 24 f. BauGB gerade ausschließt, eine „Nähe“ zu diesen Vorschriften aufweisen soll, erschließt sich dem Senat nicht.

Der Antragsgegner hat auch lediglich das ihm rechtsgeschäftlich eingeräumte Vorkaufsrecht ausgeübt. Das ergibt sich sowohl aus der Mitteilung an die Antragstellerin vom 10. Juli 2017 über die Ausübung des Vorkaufsrechts als auch aus der an das Landgericht Berlin adressierten Klageschrift vom 20. Dezember 2017. Ein Vorkaufsrecht aus § 24 oder § 25 BauGB hätte der Antragsgegner zudem gemäß § 28 Abs. 2 Satz 1 BauGB durch Verwaltungsakt und nicht durch zivilrechtliche Klage geltend machen müssen. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin (vgl. S. 3 des Schriftsatzes vom 27. Januar 2022) ist es für die Beurteilung der Frage, ob die Ausübung des Vorkaufsrechts als hoheitlicher Eingriff zu bewerten ist, nicht von Belang, aus welchem Grund das Vorkaufsrecht ausgeübt wird.

cc) Ohne Erfolg trägt die Antragstellerin vor, die Ausübung des Vorkaufsrechts sei kein ihrer Risikosphäre zuzurechnendes Ausführungshindernis, da sie nicht damit habe rechnen müssen, dass der Antragsgegner das Vorkaufsrecht ausübe.

Der Antragsgegner hat mit Senatsbeschluss vom 3. September 2002 (Abgeordnetenhaus-Drs. 15/782) nicht auf sämtliche ihm in bereits abgeschlossenen Verträgen rechtsgeschäftlich eingeräumten Vorkaufsrechte verzichtet oder eine Vertrauenslage dahingehend geschaffen, diese künftig nicht mehr auszuüben. Es handelt sich, anders als die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 27. Januar 2022 vorträgt, nicht um einen Verzicht i.S.d. § 28 Abs. 5 Satz 1 BauGB, denn weder gilt diese Regelung für rechtsgeschäftlich vereinbarte Vorkaufsrechte noch nimmt der Senatsbeschluss Bezug auf diese Vorschrift. Demgemäß kann dem von der Antragstellerin zitierten Urteil des Verwaltungsgerichts Würzburg für den vorliegenden Fall nichts entnommen werden. Dieser Beschluss ist vielmehr dahingehend auszulegen, dass er ausschließlich künftig abzuschließende Verträge erfasst. Wie den Ausführungen in dem von der Antragstellerin nicht übersandten Vorblatt der Vorlage zur Beschlussfassung unter Punkt A. sowie der Vorlage unter Punkt A.II. zu entnehmen ist, sollte mit dem Beschluss auf die zum Zeitpunkt der Beschlussfassung geltende Situation am Grundstücksmarkt reagiert werden; es sollten die Voraussetzungen für schnelle und unkomplizierte, erleichterte Vertragsabschlüsse geschaffen werden. Hierfür ist eine Anpassung bestehender Verträge bzw. ein Verzicht auf in Altverträgen eingeräumte Rechte nicht erforderlich. Von einer solchen Anpassung bzw. einem solchen Verzicht ist in der Vorlage zudem an keiner Stelle die Rede. Unter Punkt A.IV der Vorlage wird vielmehr darauf verwiesen, dass die „dargestellten Änderungen … in den Verträgen der Liegenschaftsfonds Berlin GmbH & Co. KG und der Berliner Landesentwicklungsgesellschaft schon überwiegend umgesetzt worden“ seien; die „neuen Vertragsmuster“ sollten nicht nur vom Land Berlin, sondern auch von Treuhändern und städtebaulichen Entwicklungsträgern Berlin verwendet werden. Neue Vertragsmuster können aber lediglich bei Abschluss von Neuverträgen zur Anwendung kommen.

Der Antragsgegner hat zudem nicht mit Bescheid vom 30. August 2013 gegenüber der Antragstellerin bzw. einer Rechtsvorgängerin auf die Ausübung des rechtsgeschäftlich eingeräumten Vorkaufsrechts verzichtet. Der Notar, der den Kaufvertrag vom 13. August 2013 beurkundet hatte, hat zwar mit Schreiben an das Bezirksamt Mitte von Berlin vom 19. August 2013 beantragt, hinsichtlich des gesetzlichen Vorkaufsrechts ein Negativzeugnis zu erteilen und im Hinblick auf das rechtsgeschäftlich eingeräumte Vorkaufsrecht eine Verzichtserklärung abzugeben bzw. zu prüfen, ob dieses Vorkaufsrecht gelöscht werden kann. Mit Bescheid vom 30. August 2013 hat das Bezirksamt aber lediglich erklärt, dass das gesetzliche Vorkaufsrecht nach § 24 BauGB nicht ausgeübt wird. Ein weiteres Schreiben, in dem es sich zur Ausübung bzw. Löschung des rechtsgeschäftlich eingeräumten Vorkaufsrechts geäußert hätte, hat die Antragstellerin im Beschwerdeverfahren nicht vorgelegt.

dd) Da die Antragstellerin die Annahme des Verwaltungsgerichts nicht durchgreifend in Frage gestellt hat, dass die Ausübung des Vorkaufsrechts ein ihrer Risikosphäre zuzurechnendes Ausführungshindernis darstellt, erlaubt der Umstand, dass weitere Baumaßnahmen zu einer unzulässigen Veränderung des Vorkaufsgegenstandes geführt hätten und aus Sicht der Antragstellerin in dem Schwebezustand bis zu einer endgültigen Entscheidung über das Vorkaufsrecht finanzielle Aufwendungen zur Umsetzung des Bauvorhabens unsinnig gewesen wären, nicht den Schluss, dass der Ablauf der Baugenehmigung durch die zivilgerichtliche Auseinandersetzung gehemmt gewesen wäre.

ee) Soweit die Antragstellerin darauf verweist, dass der Ablauf der Geltungsdauer der Baugenehmigung auch dann gehemmt sei, wenn sich die Behörde gegenüber dem Bauherrn auf einen vermeintlichen Fristablauf berufe, rechtfertigt dies keine abweichende Beurteilung. Mit der Beschwerdebegründung wird insoweit vorgetragen, dass der Antragsgegner sich auf ein Erlöschen der Baugenehmigung erst nach dem 30. Juni 2019, mithin nach Auslaufen der letzten Verlängerung berufen habe. Wie oben dargelegt, hat die Beschwerde aber die Annahme des Verwaltungsgerichts, dass bis zu diesem Zeitpunkt keine Hemmung eingetreten sei, nicht mit Erfolg in Zweifel gezogen.

ff) Das Beschwerdevorbringen genügt nicht den Darlegungsanforderungen des § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO, soweit die Antragstellerin rügt, der Antragsgegner hätte den Sachverhalt umfassend untersuchen, sie vor der Mitteilung über das Erlöschen der Baugenehmigung anhören und sich mit dem Vorgang und den Auswirkungen der Ausübung des Vorkaufsrechts auf die Gültigkeitsdauer der Baugenehmigung auseinandersetzen müssen; der Anhörungsmangel sei im gerichtlichen Verfahren nicht heilbar. Das Verwaltungsgericht hat ausgeführt, der Antragsgegner sei seiner Verpflichtung zur Sachverhaltsermittlung nachgekommen, denn er habe nach Erlöschen der Baugenehmigung unter Berücksichtigung der von der Antragstellerin vorgebrachten Einwände überprüft, ob die Voraussetzungen hierfür tatsächlich vorlägen. Die Baugenehmigung erlösche nach Ablauf ihres Gültigkeitszeitraums unmittelbar kraft Gesetzes, eine vorherige Anhörung sowie eine Ermessensausübung kämen nicht in Betracht. Mit dieser Argumentation setzt sich die Antragstellerin in der Beschwerdebegründung nicht auseinander. Soweit der Schriftsatz vom 27. Januar 2022 erstmals Ausführungen zum Umfang der erforderlichen Sachverhaltsermittlungen und zu den insoweit hier vorliegenden Mängeln enthält, handelt es sich um neues Vorbringen, das nach Ablauf der einmonatigen Frist des § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO für die Begründung der Beschwerde eingegangen und damit unbeachtlich ist. Der Senat weist allerdings darauf hin, dass nicht nachvollziehbar ist, warum Baustellenbesichtigungen vor dem 30. Juni 2019 erforderlich gewesen sein sollen, um zu beurteilen, ob vor Ablauf der Baugenehmigung mit der Ausführung des Vorhabens begonnen wurde. Die hierfür erforderlichen Baumaßnahmen müssten einen Monat nach Erlöschen der Baugenehmigung noch erkennbar sein.

Die Einwände der Antragstellerin, sie habe auf Grund des vorangegangenen Verwaltungshandelns, insbesondere der nach dem 30. Juni 2019 erteilten Genehmigungen und der bei Ausnutzung dieser Genehmigungen angefallenen Kosten von einer Fortgeltung der Baugenehmigung ausgehen müssen bzw. es sei ein Vertrauenstatbestand geschaffen worden, dem Antragsgegner sei insoweit unklares und widersprüchliches Verhalten vorzuwerfen, verfangen ebenfalls nicht. Die Baugenehmigung erlischt, wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, kraft Gesetzes. Das Verhalten verschiedener Behörden des Antragsgegners hat hierauf keinen Einfluss.

b) Ohne Erfolg wendet sich die Antragstellerin ferner gegen die Feststellung des Verwaltungsgerichts, dass sie bis zum Ablauf der zweiten Verlängerung der Baugenehmigung nicht i.S.d. § 72 Abs. 1 BauO Bln a.F. mit der Bauausführung begonnen habe.

Ein Beginn der Ausführung im Sinne dieser Vorschrift setzt voraus, dass Bauarbeiten stattfinden, die zielgerichtet in Ausnutzung der erteilten Baugenehmigung erfolgen und der Errichtung des genehmigten Vorhabens dienen. Die Bauarbeiten müssen mit dem erkennbaren Ziel durchgeführt werden, das genehmigte Bauvorhaben zu verwirklichen, die Bautätigkeit muss in einem unmittelbaren und objektiv feststellbaren Zusammenhang mit dem genehmigten Vorhaben stehen. Nicht ausreichend sind Vorbereitungshandlungen bzw. symbolische Maßnahmen oder Scheinaktivitäten, die ohne den ernstlichen Willen aufgenommen werden, das genehmigte Bauvorhaben fertigzustellen (vgl. Kohl in: Meyer/Achelis/von Alven-Döring/Hellriegel/Kohl/Rau, Bauordnung für Berlin, 7. Aufl. 2021, § 73 Rn. 18 ff.).

aa) Das Verwaltungsgericht hat hierzu ausgeführt, es habe nicht die Überzeugung gewinnen können, dass die Antragstellerin bis zum 30. Juni 2019 im o.g. Sinne mit der Bauausführung begonnen habe. Bis zu diesem Zeitpunkt seien in der eingereichten Aufstellung der Bauaktivitäten ab dem 9. April 2018 nur Tätigkeiten aufgelistet, die bereits im Ansatz keine baulichen Tätigkeiten darstellten oder als Vorbereitungsmaßnahmen zu qualifizieren seien. Dass vor dem 30. Juni 2019 Aushubarbeiten stattgefunden hätten, sei nicht glaubhaft gemacht. Vielmehr ergebe sich aus den von der Antragstellerin eingereichten Unterlagen, dass die Baufirma Bautagesberichte nur für den Zeitraum 24. bis 28. Juni 2019 vorgelegt habe, in denen sie verschiedene Vorbereitungsleistungen benenne. Zudem sei davon auszugehen, dass die Aktivitäten der Antragstellerin nicht in dem ernstlichen Willen aufgenommen worden seien, das Vorhaben tatsächlich fertigzustellen.

bb) Soweit die Antragstellerin dem mit der Beschwerdebegründung eine Aufzählung der durchgeführten Arbeiten entgegenhält, zieht sie die Bewertung des Verwaltungsgerichts nicht durchgreifend in Zweifel.

Die Erstellung eines Berichts über die Beprobung von Rasterfeldern, die Bestätigung dieses Berichts durch die Abfallbehörde, eine statische Berechnung der Baugrube und deren Prüfung durch einen Prüfstatiker sowie die am 13. Juni 2019 beim Bezirksamt eingegangene Baubeginnanzeige stellen, wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, keine baulichen Tätigkeiten dar. Die nach Angaben der Antragstellerin unmittelbar nach der Anzeige des Baubeginns begonnenen Baumfäll- und Rodungsarbeiten hat das Verwaltungsgericht in nicht zu beanstandender Weise als reine Vorbereitungsmaßnahmen eingeordnet (vgl. Kohl a.a.O. Rn. 20).

Soweit die Antragstellerin darauf verweist, dass am 21. Juni 2018 Suchschachtungen und Aushubarbeiten durchgeführt worden seien, stellen diese Arbeiten entgegen der Auffassung der Antragstellerin ebenfalls reine Vorbereitungsmaßnahmen dar. Zwar kann bereits das Abschieben des Mutterbodens in einer Tiefe von 0,2 bis 0,3 m den einem Erlöschen der Baugenehmigung entgegenstehenden Baubeginn markieren. Dafür ist indes erforderlich, dass es sich um den „ersten Spatenstich“ handelt, mit dem die Bauausführung unmittelbar eingeleitet wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 9. Februar 2017 – 4 C 4.16 –, juris Rn. 8). Das Beschwerdevorbringen rechtfertigt vorliegend aber nicht die Annahme, dass diese Arbeiten die Bauausführung unmittelbar eingeleitet haben. Vielmehr ist der mit der Beschwerdebegründung vorgelegten eidesstattlichen Versicherung des Herrn L... vom 16. Dezember 2021 zu entnehmen, dass am 21. Juni 2018 ausschließlich Suchschachtungen durchgeführt wurden, um die Bodenstruktur zu erkunden und die Fundamente der benachbarten Gebäude festzustellen. Auch der Bericht des Ingenieurbüros für Grundbau und Bodenmechanik vom 6. August 2018 zur Rasterfeldbeprobung ergibt lediglich, dass die Schachtungen eine Untersuchung zur Frage der Wiederverwertung bzw. Verbringung des bei der Bauausführung anfallenden Bodenaushubs ermöglicht haben. Derartige Maßnahmen bereiten die Bauausführung lediglich vor. Weitere Aushubarbeiten bis zum 30. Juni 2019 sind mit der Beschwerde weder vorgetragen noch belegt.

Bei dieser Sachlage kann dahinstehen, ob die Antragstellerin sich erfolgreich gegen die weitere Feststellung des Verwaltungsgerichts wendet, es sei nicht davon auszugehen, dass ihre Aktivitäten mit dem ernsthaften Willen zur Fertigstellung des genehmigten Vorhabens aufgenommen wurden.

2. Soweit das Verwaltungsgericht einen weiteren Haupt- und zwei Hilfsanträge abgelehnt hat, ist die Antragstellerin dem mit der Beschwerde nicht entgegengetreten.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 1 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).