Gericht | OLG Brandenburg 4. Senat für Familiensachen | Entscheidungsdatum | 03.06.2022 | |
---|---|---|---|---|
Aktenzeichen | 13 WF 185/21 | ECLI | ECLI:DE:OLGBB:2022:0603.13WF185.21.00 | |
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen |
1. Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Amtsgerichts Strausberg vom 08.09.2021 - 29 F 129/19 - dahin abgeändert, dass ein Ordnungsgeld in Höhe von 750 € und ersatzweise, für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft von 8 Tagen angeordnet.
2. Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.
3. Von den Kosten des Beschwerdeverfahrens haben die Antragstellerin 3/4 und der Antragsgegner 1/4 zu tragen.
I.
Die Antragstellerin wendet sich gegen die Festsetzung eines Ordnungsgelds wegen Ausfalls der am 29.05.2021, 12.06.2021, 26.06.2021 und 24.07.2021 jeweils beginnenden Wochenendumgänge des in ihrem Haushalt lebenden minderjährigen Sohns mit seinem Vater, dem Antragsgegner.
Durch Beschluss des Amtsgerichts Strausberg vom 27.08.2020 – 29 F 203/18 – (Bl. 278 der dortigen Verfahrensakte) wurde der Umgang des Antragsgegners mit seinem Sohn als begleiteter Umgang geregelt und Frau S… zur Umgangspflegerin und - begleiterin bestellt. Durch Beschluss des Amtsgerichts Strausberg vom 04.06.2021 - 29 F 129/19 - (Bl. 191 Hauptakte, im Folgenden HA) wurde im Wege der einstweiligen Anordnung für den Zeitraum ab dem 24.07.2021 ein unbegleiteter Wochenendumgang im zweiwöchigen Rhythmus angeordnet.
Mit Schriftsatz vom 27.07.2021 (Bl. 1 Ordnungsgeldakte, im Folgenden: OH I) hat der Antragsgegner die Verhängung eines Ordnungsgelds gegen die Antragstellerin wegen Nichtherausgabe des Kindes an den o. g. Terminen beantragt.
Das Amtsgericht hat mit dem angefochtenen Beschluss vom 08.09.2021 (Bl. 6 OH) gegen die Antragstellerin ein Ordnungsgeld von 1.000 € wegen Verstoßes gegen die Umgangsregelungen vom 27.08.2020 und 04.06.2021 verhängt. Der hiergegen mit Schriftsatz vom 20.09.2021 (Bl. 13 OH) erhobene Beschwerde der Antragstellerin hat es nicht abgeholfen (Bl. 24 OH) und die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.
II.
1. Die gemäß §§ 87 Abs. 4 FamFG, 567 ff. ZPO zulässige Beschwerde ist überwiegend unbegründet. Für die Nichtermöglichung der Umgänge am 29.05.2021, 26.06.2021 und 24.07.2021 hat sich die Antragstellerin nicht erfolgreich zu entschuldigen vermocht.
Die allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen sind erfüllt. Vollstreckt wird aus einem in einer Kindschaftssache und damit einer Familiensache (§§ 151 Nr. 2, 111 Nr. 2 FamFG) ergangenen gerichtlichen Beschluss (§ 86 Abs. 1 Nr. 1 FamFG), nämlich den Beschlüssen des Amtsgerichts Strausberg vom 27.08.2020 und 04.06.2021, die den Umgang des Kindes mit seinem Vater verbindlich regeln. Auf die Möglichkeit der Festsetzung von Ordnungsmittelns ist die Antragstellerin mit Beschlüssen des Amtsgerichts Strausberg vom 17.03.2021 (Bl. 103 der Verfahrensakte 29 F 203/18) und 04.06.2021 (Bl. 191 HA) hingewiesen worden (§ 89 Abs. 2 FamFG). Die Titel sind der Antragstellerin persönlich zugestellt worden (Bl. 130 Verfahrensakte 29 F 203/18, Bl. 195 HA) und damit wirksam (§ 40 Abs. 1 FamFG) und vollstreckbar (§ 86 Abs. 2 FamFG).
2. Die Antragstellerin war aufgrund des Beschlusses des Amtsgerichts Strausberg vom 27.08.2020 zur Ermöglichung der Umgänge am 29.05.2021, 12.06.2021 und 26.06.2021 und aufgrund des Beschlusses des Amtsgerichts Strausberg vom 04.06.2021 zur Ermöglichung des Umgangs am 24.07.2021 verpflichtet.
Allerdings hat die amtswegige Ermittlung der das Vorliegen einer Umgangsvereitelung begründenden Tatsachen ergeben, dass die Antragstellerin den Umgangstermin am 12.06.2021 nicht vereitelt hat. Ihr Einwand, die Umgangsbegleiterin Frau S… sei am 12.06.2021 nicht zum vereinbarten Zeitpunkt vor ihrer Wohnungstür erschienen, um das Kind O… zum Umgang abzuholen, ist nicht zu widerlegen. Ausweislich der im Beschwerderechtszug amtswegig (§ 26 FamFG) eingeholten Mitteilung der Umgangsbegleiterin vom 20.05.2022 (Bl. 36 OH I) hat diese den Umgangstermin vom 12.06.2021 im voraus gegenüber der Antragstellerin wegen Krankheit abgesagt. Da ein Umgang, der nicht eingefordert wird, nicht vereitelt werden kann (OLG Nürnberg, FamRZ 2018, 595; BeckOK FamFG/Sieghörtner, 42. Ed. 1.4.2022, FamFG § 89 Rn. 7), kommt es nicht darauf an, ob die Antragstellerin zur Ermöglichung des Umgangs bereit gewesen wäre.
3. a) Die Antragstellerin hat gegen die Anordnung der durch Beschluss geregelten Umgangsanordnung schuldhaft verstoßen, indem sie Vater und Kind am 29.05.2021 und 26.06.2021 die Ausübung des Wochenendumgangs nicht ermöglicht hat.
Soweit sie mit Schriftsatz vom 01.06.2022 (Bl. 54 OH) nunmehr erstmals einwendet, am 29.05.2021 sei die Umgangsbegleiterin nicht zur Durchführung des Umgangs erschienen, steht dem die im Beschwerderechtszug eingeholte Auskunft der Umgangsbegleiterin vom 20.05.2022 entgegen, wonach sie und der Antragsgegner vor Ort gewesen seien, die Antragstellerin jedoch den Jungen nicht herausgegeben habe. Darüber hinaus hat die Antragstellerin in ihrem Beschwerdeschriftsatz vom 20.09.2021 (Bl. 18 OH) selbst vorgetragen, der an ihrer Wohnungstür erschienenen Umgangsbegleiterin erklärt zu haben, O… werde nicht mit ihr mitkommen, da er Angst habe.
Soweit sich die Antragstellerin zur Begründung ihrer Umgangsaussetzungen am 29.05.2021 und 26.06.2021 darauf beruft, die zwangsweise Durchsetzung des Umgangs verstoße gegen das Kindeswohl, entlastet sie dies nicht.
Die Behauptung, die Durchführung eines verbindlich angeordneten Umgangstermins verstoße gegen das Kindeswohl, vermag grundsätzlich kein Vollstreckungshindernis zu begründen. Eine Überprüfung der Rechtmäßigkeit der zu vollstreckenden Umgangsregelung findet im Zwangsmittelverfahren nicht statt (BGH FamRZ 2012, 533). Gerichtliche Entscheidungen zum Sorge- und Umgangsrecht haben stets das Kindeswohl zu berücksichtigen. Auf der bereits im Erkenntnisverfahren, hier also der verbindlichen Regelung des Umgangs durch Beschluss des Amtsgerichts Strausberg vom 27.08.2020, erfolgten Kindeswohlprüfung baut die Vollstreckung nach §§ 86, 89 FamFG auf. Auch wenn der Umgangstitel wegen seiner jederzeitigen Abänderbarkeit nicht in materieller Rechtskraft erwächst, bedarf ein nach § 86 Abs. 2 FamFG mit seiner Wirksamkeit vollstreckbarer Umgangstitel einer effektiven Durchsetzungsmöglichkeit (BT-Dr 16/6308, S. 218 und BT-Dr 16, 9733, S. 292).
Auch etwaige neu hinzutretende Umstände - die vorliegend schon angesichts der neuerlichen Einstellung nach § 170 Abs. 2 StPO des von der Antragstellerin gegen den Antragsgegner betriebenen Ermittlungsverfahrens durch Verfügung der Staatsanwaltschaft Neuruppin vom 12.03.2022 (379 Js 26722/18) nicht ersichtlich sind - können der Vollstreckung eines Umgangstitels nur dann zur Wahrung des Kindeswohls entgegen gesetzt werden, wenn - was vorliegend nicht der Fall ist - darauf auch ein zulässiger Antrag auf Abänderung des Ausgangstitels und auf Einstellung der Zwangsvollstreckung nach § 93 Abs. 1 Nr. 4 FamFG gestützt ist (BGH FamRZ 2012, 533).
b) Der Einwand der Antragsgegnerin, den Wunsch ihres Sohns, nicht das Haus seines Vaters aufzusuchen, respektieren zu müssen, verfängt nicht. Die Umgangsanordnung aufgrund des Beschlusses des Amtsgerichts Strausberg vom 27.08.2020 begründet für die Antragstellerin gegenüber dem Antragsgegner eine gesetzliche Sonderverbindung familienrechtlicher Art, die durch das Wohlverhaltensgebot gemäß § 1684 Abs. 2 BGB näher ausgestaltet ist und an der das Kind als Begünstigter teilhat. Die Umgangsregelung ist für beide Elternteile verbindlich. Nach § 1684 Abs. 2 BGB haben die Eltern alles zu unterlassen, was das Verhältnis des Kindes zum jeweils anderen Elternteil erschwert, um das Kind vor schweren Loyalitätskonflikten zu bewahren, die es nicht bewältigen kann und die daher seinem Wohl nachhaltig schaden können. Der betreuende Elternteil ist daher verpflichtet, eventuelle Widerstände des Kindes abzubauen und eine positive Einstellung zum Umgang zu fördern. Er darf die Umgangsregelung weder blockieren noch das Kind gegen den anderen Elternteil beeinflussen (Peschel-Gutzeit/Ebeling in Kaiser/Schnitzler/Schilling/Sanders, BGB, 4. Aufl. 2021, § 1684 Rn. 28).
Das Vertretenmüssen einer Pflichtverletzung durch denjenigen, der gegen die Umgangsregelung verstößt, wird dabei vermutet (OLG Saarbrücken, FamRZ 2015, 863; FamRZ 2013, 476). Der Entlastungsbeweis (§ 89 Abs. 4 FamFG) kann nur dadurch geführt werden, wenn der zur Umgangsgewährung Verpflichtete Gründe vorträgt, aus denen sich ergibt, dass er die Zuwiderhandlung nicht zu vertreten hat, indem er konkrete Umstände für das Scheitern des Umgangs vorträgt (OLG Saarbrücken FamRZ 2015, 863). Da diese Umstände regelmäßig in der Sphäre des zur Umgangsgewährung Verpflichteten liegen, sind sie im Nachhinein objektiven Feststellungen häufig nur eingeschränkt zugänglich. Erläutert der Verpflichtete nicht detailliert, warum er an der Befolgung der gerichtlichen Anordnung gehindert war, kommt ein Absehen von der Festsetzung eines Ordnungsgelds oder dessen nachträgliche Aufhebung nicht in Betracht. Beruft sich etwa ein Elternteil nach Zuwiderhandlung gegen eine gerichtliche Umgangsentscheidung auf den entgegenstehenden Willen des Kindes, wird ein fehlendes Vertretenmüssen nur dann anzunehmen sein, wenn er im Einzelfall darlegt, wie er auf das Kind eingewirkt hat, um es zum Umgang zu bewegen (BGH FamRZ 2012, 533).
Der Beschwerdevortrag genügt diesen Anforderungen nicht. Die Antragstellerin trägt nichts dazu vor, ob und auf welche Art und Weise sie den Jungen bis zum Erscheinen der Umgangspflegerin am 29.05.2021 und 26.06.2021 davon zu überzeugen versucht hat, den Wochenendumgang wahrzunehmen. Auch den Stellungnahmen der Kinderpsychotherapeutin vom 03.06.2021 (Bl. 82) und der Heilpädagogin (Bl. 83), die für O… Ablehnung des Umgangs im väterlichen Haus bestehende Ängste des Kindes anführen, ist nicht zu entnehmen, ob in welcher Weise die Antragsgegnerin die Umgangsbereitschaft ihres Sohns gefördert hat.
Auch unter Berücksichtigung möglicherweise bestehender Ängste des Kindes ist nicht davon auszugehen, dass O… sich bei entsprechendem erzieherischen Einwirken seitens der Mutter gleichwohl der Wahrnehmung des Umgangs im väterlichen Haushalt verweigert hätte. Ein Kind bis zu etwa 12 Jahren lässt erwarten, dass es sich von dem mit erzieherischen Mitteln den Umgang anregenden Elternteil entsprechend überzeugen und einen inneren Widerstand gegen den Umgang überwinden wird. Nur wenn nicht ersichtlich ist, dass der betreuende Elternteil mit erzieherischen Mitteln noch auf das Kind einwirken kann, um dessen ablehnende Haltung gegenüber den Umgangskontakten zu überwinden, ist die Verhängung eines Zwangsgelds unzulässig (OLG Karlsruhe, FamRZ 2005, 1698), was jedoch nur bei älteren Kindern in Betracht kommt, deren nachvollziehbarem Willen bei der Umgangsregelung eine erhebliche Bedeutung zukommt.
4. Die Antragstellerin hat weiter gegen die Anordnung der durch Beschluss geregelten Umgangsanordnung schuldhaft verstoßen, indem sie Vater und Kind am 24.07.2021 die Ausübung des Wochenendumgangs nicht ermöglicht hat.
Soweit sie sich zur Begründung ihrer Umgangsaussetzung darauf beruft, am 24.07.2021 mit O… aufgrund eines geplanten Urlaubs ortsabwesend gewesen zu sein, entlastet dies die Antragstellerin schon wegen der Verbindlichkeit der Umgangsregelung vom 04.06.2021, durch die der Wochenendumgang am 24.07.2021 angeordnet wurde, nicht. Die Antragstellerin trägt auch keine Gründe dafür vor, diese Zuwiderhandlung nicht verschuldet zu haben, § 89 Abs. 4 FamFG. Der Antragsgegner legt unwidersprochen dar, von der Urlaubsabwesenheit am 24.07.2021 nichts gewusst und deshalb seinen Sohn zum Umgangsbeginn bei der Mutter abzuholen versucht zu haben. Auch dass der Antragsgegner selbst, worauf die Antragstellerin hinweist, am 10.07.2021 urlaubsbedingt den Umgang ausfallen lassen hat, entlastet die Antragstellerin nicht von ihrer Verpflichtung, den Umgang am 24.07.2021 zu ermöglichen; dass etwa der Ausfall beider Umgangstermine vereinbart worden sei, trägt die Antragstellerin selbst nicht vor.
5. Die Höhe des festgesetzten Ordnungsgelds begegnet insoweit Bedenken, als nicht vier, sondern nur drei schuldhafte Umgangsverstöße der Antragstellerin zu sanktionieren sind. Art. 6 Abs. 1 EGBGB und § 89 Abs. 3 FamFG geben insoweit einen Rahmen von 5 € bis 25.000,- € vor (Keidel/Giers, FamFG, 20. Aufl. 2020 § 89 Rn. 14 a), innerhalb dessen das Ordungsgeld festgesetzt werden kann.
Die Ausübung des Ermessens, in welcher Höhe ein Ordnungsmittel festzusetzen ist, hat sich am Kindeswohl (vgl. Kroiß/Siede/Braun, FamFG, Kommentiertes Verfahrensformularbuch, 2. Aufl. § 89 FamFG Rn. 13) sowie am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (Rake in Johannsen/Henrich/Althammer, Familienrecht, 7. Aufl. 2020 § 89 Rn. 16) zu orientieren. Folglich ist stets zu prüfen, ob mildere Maßnahmen in Betracht kommen. Hinsichtlich der Höhe des Ordnungsgelds oder der Dauer der Ordnungshaft sind neben der Art, dem Umfang und der Dauer des Verstoßes, dem Verschuldensgrad, der Intensität des Verstoßes und dessen Auswirkungen, dem Vorteil des Verpflichteten aus der Verletzungshandlung, der Eingriffstiefe der begangenen und möglicher künftiger Verletzungshandlungen und gegebenenfalls des Verhaltens des Verpflichteten nach dem Verstoß, die individuelle Ordnungsmittelempfindlichkeit des Adressaten, also seine persönliche und wirtschaftliche Lage und die Auswirkung des Ordnungsmittels hierauf, sowie spezialpräventive Aspekte zu berücksichtigen (BGH, GRUR 2017, 308; NJW 2004, 506; OLG Saarbrücken, FamRZ 2015, 863; Senat, FamRZ 2020, 1673; Rake a. a. O. Rn. 17).
Hieran gemessen ist das erstinstanzlich festgesetzte Zwangsgeld auf 750 € herabzusetzen. Da gegen die Antragsgegnerin aufgrund eines gleichgelagerten, wiederholten Umgangsverstoßes am 15.05.2021 mit Beschluss vom 24.06.2021 ein Zwangsgeld von 500 € festgesetzt worden ist, ist die Heraufsetzung der Sanktion auf 750 € wegen eines nunmehr mehrfach wiederholten Verstoßes erforderlich.
Da die Antragsgegnerin im Übrigen zu ihren wirtschaftlichen Verhältnissen nichts weiter vorgetragen hat, ist von deren Durchschnittlichkeit auszugehen. Die Heraufsetzung des Ordnungsgelds von 500 € auf 750 € beim dritten Verstoß ist insoweit erforderlich, aber auch angemessen, um erfolgreich auf die Antragsgegnerin einzuwirken.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 87 Abs. 5, 81 Abs. 1 FamFG.
Eine Wertfestsetzung ist nicht veranlasst, § 55 Abs. 1 Satz 1 FamGKG, Nr. 1602, 1912 KV FamGKG.
Anlass, die Rechtsbeschwerde zuzulassen, besteht nicht, §§ 87 Abs. 4 FamFG, 574 Abs. 2, 3 ZPO.