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Entscheidung 6 O 215/21


Metadaten

Gericht LG Cottbus 6. Zivilkammer Entscheidungsdatum 13.12.2021
Aktenzeichen 6 O 215/21 ECLI ECLI:DE:LGCOTTB:2021:1213.6O215.21.00
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen

Tenor

1. Der Antrag vom 29.10.2021 auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wird zurückgewiesen.

2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Der Streitwert wird auf 10.000,00 € festgesetzt.

Gründe

I.

Die Antragsstellerin, ein landwirtschaftliches Unternehmen, betreibt in ................................... eine Biogasanlage. Der Antragsgegner ist Stadtverordneter in der Stadtverordnetenversammlung der Stadt ................ und Mitglied des dortigen Bauausschusses.

Die Errichtung der Anlage der Antragsstellerin erfolgte mit Baugenehmigung vom 12.03.2014. Die Antragsstellerin ist ferner seit dem 08.02.2013 im Besitz einer immissionsschutzrechtlichen Betriebserlaubnis zur Erzeugung von Rohbiogas mit einer jährlichen Produktionskapazität von 2,3 Mio. Nm³/a.

Derzeit bemüht sich die Antragsstellerin um eine Erweiterung der vorgenannten immissonsschutzrechtlich jährlich zulässigen Produktionskapazität der von ihr betriebenen Biogasanlage. Hierzu läuft in der Stadt ................ ein Verfahren zur Aufstellung eines Bebauungsplans, der ein solches ermöglicht.

Der Antragsgegner erklärte anlässlich der Sitzung der Stadtverordnetenversammlung der Stadt ................ am 29.09.2021 auch vor der sich im Zuschauerraum befindlichen Öffentlichkeit sowie Vertretern der Presse:

„Die Art der Vorlage sei eine absolute Zumutung, die als Überrumpelungslösung gedacht sei. Die Anlage sei völlig überdimensioniert und ein Schwarzbau von A bis Z.“

Ein Bericht über die Geschehnisse in der Stadtverordnetenversammlung erschien am 01.10.2021 in der Tageszeitung .................

Im Rahmen der außergerichtlichen Korrespondenz erklärte der Bevollmächtigte des Antragsgegners mit Schreiben vom 29.10.2021, dass die Aussage eine Wertung darstelle und mit dieser Bezug auf einen konkreten Bescheid des Landesamtes für Umwelt aus dem März 2016 Bezug genommen wurde, in dem es heißen soll, dass durch die Antragsstellerin in erheblichem Umfang Anlagenteile errichtet wurden, die entweder nicht genehmigt waren oder die für eine andere als die vorgesehene Nutzung verwendet wurden.

Die Antragsstellerin behauptet, dass es sich bei dieser Aussage um eine nachweislich unwahre Tatsachenbehauptung handele, da die Antragsstellerin über sämtliche erforderlichen verwaltungsrechtlichen Genehmigungen verfüge.

Die Antragsstellerin behauptet, dass bei der streitbefangenen Äußerung kein Bezug zu einem Bescheid aus dem März 2016 hergestellt wurde.

II. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist zulässig, jedoch unbegründet. Bei Zugrundelegung des durch die Antragsstellerin vorgetragenen Sachverhalts ist bei summarischer Prüfung der Erfolgsaussichten ein Anordnungsanspruch nicht zu erkennen.

1. Kein Anordnungsanspruch nach §§ 823 Abs. 1, 1004 BGB

Der gemäß §§ 920 Abs. 2, 936 ZPO erforderliche Anordnungsanspruch besteht bei der Zugrundelegung des durch die Antragsstellerin behaupteten Sachverhalts nach summarischer Prüfung nicht. Eine Verletzung des als „sonstiges Recht“ in §§ 823, 1004 BGB geregelten Unternehmerpersönlichkeitsrechts oder des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb besteht nicht, ebenso liegt keine Verletzung des Allg. Persönlichkeitsrechts vor.

Eine Verletzung des Unternehmerpersönlichkeitsrechts ist nicht ersichtlich.

1.1. Kein rechtswidriges geschäftsschädigendes Werturteil

Nach diesem Unternehmerpersönlichkeitsrecht wird der soziale Geltungsanspruch eines Unternehmens im Sinne seiner wirtschaftlichen Betätigungsfreiheit im Grundsatz auch verfassungsrechtlich geschützt (BVerfG, Beschluss vom 03.05.1994 - 1 BvR 737/94). Danach wird ein Unternehmen gegen falsche Tatsachen sowie falsche Tatsachenbehauptungen geschützt. Die Rechtswidrigkeit eines Eingriffs in dieses Recht ist wegen seiner Eigenart als Rahmenrecht aufgrund einer Abwägung der widerstreitenden grundrechtlich geschützten Interessen unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls festzustellen (Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG vor § 1 Rn. 7.24a). Es muss aber auch Werturteile oder Meinungsäußerungen hinnehmen.

Nach Ansicht des Gerichts handelt es sich bei der angegriffenen Aussage

„Die Art der Vorlage sei eine absolute Zumutung, die als Überrumpelungslösung gedacht sei. Die Anlage sei völlig überdimensioniert und ein Schwarzbau von A bis Z.“

wohl bereits in seinem Gesamtzusammenhang um ein Werturteil.

Allein bezüglich des Wortes „Schwarzbau“ kommt es überhaupt in Betracht, eine dem Beweis zugängliche Behauptung und damit eine Tatsachenbehauptung zu erkennen. In ihrem Gesamtzusammenhang stellt dieser Teil jedoch nach Deutung durch das Gericht allein einen nicht abgrenzbaren oder isoliert zu betrachtenden Teil eines Gesamt-Werturteils dar.

Dieses Werturteil verletzt die Antragsstellerin jedoch nicht in ihren Rechten aus § 823 Abs. 1 BGB. Die Aussage ist während einer (erkennbar hitzigen) öffentlichen Sitzung der Stadtverordnetenversammlung ................ gefallen, bei der es gerade um die Aufstellung eines die Antragsstellerin begünstigenden Bebauungsplans ging. Die sachbezogene Auseinandersetzung stand dabei aus Sicht des Gerichts im Vordergrund. Eine von vornherein auf eine Geschäftsschädigung angelegte unlautere Auseinandersetzung mit der Antragsstellerin durch den Antragsgegner ist nach dem bisher vorgetragenen Sachverhalt nicht erkennbar.

Insbesondere ist bei der Abwägung der widerstreitenden Aussagen auch zu berücksichtigen, dass die Äußerung während einer öffentlichen Sitzung eines Kommunalparlamentes durch den Antragsgegner als Mandatsträger gefallen ist. Nur bei einer krassen Überschreitung der Grenzen der „Auseinandersetzung in der Sache“ geht das Gericht davon aus, dass bei Abwägung der widerstreitenden Interessen die Rechtswidrigkeit der Aussage angenommen werden könnte. Eine solch krasse Überschreitung kann bei einem einzigen problematischen Wort, dass dazu sachbezogen genutzt worden ist, nicht angenommen werden. Eine andere Bewertung würde aus Sicht des Gerichts zu einem Hineinregieren der Zivilgerichte in die Kommunalparlamente führen.

1.2. Keine nachweisbar unwahre Tatsachenbehauptung

Selbst wenn, entgegen der vom Gericht angenommenen Wertung der Gesamtaussage des Antragsgegners als Werturteil, das Wort „Schwarzbau“ isoliert zu betrachten wäre, liegt nach summarischer Prüfung auch diesbezüglich keine nachweisbar unwahre Tatsachenbehauptung zugrunde.

Selbst bei Unterstellung des durch die Antragsstellerin behaupteten Ablaufs der Sitzung der Stadtverordnetenversammlung der Stadt ................ vom 29.10.2021, nämlich, dass die Aussage des Antragsgegners ohne jeden Zusatz erfolgte, kann der verwendete Begriff des „Schwarzbaus“ nicht mit der Aussage gleichgesetzt werden, dass es um die „Errichtung einer Anlage ohne Baugenehmigung“ geht. Der Antragsstellerin ist zuzugestehen, dass diese Aussage gegebenenfalls als naheliegende Deutung mit heranzuziehen ist. Dies gilt jedoch für alle naheliegenden Deutungen. Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch bezeichnet der Begriff des „Schwarzbaus“ ein „Bauwerk, bei dessen Errichtung sich nicht an bestimmte Vorgaben gehalten wurde“ (www.wortbedeutung.info). Dabei kann es sich um formelle oder materielle Vorgaben handeln, die nicht beachtet wurden. Das Gericht entnimmt den beigefügten Anlagen, die mithin zum Vortrag der Antragsstellerin gehören, dass sowohl dem Autoren des beigefügten Artikels der ................ als auch zumindest einer Anzahl an Stadtverordneten der Inhalt eines durch den Bevollmächtigten des Antragsgegners in Bezug genommenen „Ablehnungsbescheids [...] aus dem März 2016“ bekannt ist. Des Weiteren schließt das Gericht aus dem bisherigen Vortrag, dass es in diesem Schreiben zumindest sinngemäß heißt, dass Anlagenteile errichtet wurden, die entweder nicht genehmigt waren oder die für eine andere als die vorhergesehene Nutzung verwendet wurden. Sofern ein solcher Bescheid mit diesem Inhalt existiert, und der Inhalt dieses Bescheids zumindest in groben Zügen zumindest einigen Stadtverordneten der Stadt ................ bekannt ist, so ist es nach Ansicht des Gerichts für den Antragsgegner nicht erforderlich, einen konkreten Bezug seiner Aussage zu diesem Ablehnungsbescheid aus dem März 2016 herzustellen, um die Deutung seiner Aussage zu konkretisieren. Dieser Bezug erscheint dem Gericht nach summarischer Auswertung des bisher behaupteten Sachverhalts dem vorliegenden Publikum, nämlich den Stadtverordneten der Stadt ................ sowie der interessierten Öffentlichkeit und der Presse gerade bekannt zu sein.

Insofern entspricht es für das Gericht der naheliegenden Deutung der angegriffenen Äußerung des Antragsgegners durch das angesprochene Publikum, dass damit auf eine Errichtung von Anlagen durch die Antragsstellerin Bezug genommen wird, die entweder nicht genehmigt waren oder die für eine andere als die vorgesehene Nutzung verwendet wurden. Zumindest Teile des angesprochenen Publikums verstanden die Aussagen demnach gerade in der Weise, dass es in der Vergangenheit zu baurechtlichen Verstößen gekommen ist.

Diese Aussage ist jedoch nach dem bisherigen Vortrag der Antragsstellerin nicht nachweislich unwahr.

Eine andere Deutung mag mithin in Betracht kommen, wenn der Antragsgegner den Begriff des „Schwarzbaus“ gegenüber Personen verwendet, die mit dem Themenkomplex nicht vertraut sind. Bei dem hier angesprochenen Publikum gilt dies jedoch nicht.

In dem hier vorliegenden Kontext fehlt es bereits an einer nachweislich unwahren Behauptung durch den Antragsgegner.

1.3. Auch kein Verstoß gegen Recht an eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb

Nach den oben beschriebenen Wertungen kommt auch keine Verletzung des Rechts der Antragsstellerin am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb in Betracht.

2. Kein Anordnungsanspruch aus §§ 823 Abs. 1, 1004 BGB

Demnach fehlt es an einem Anordnungsanspruch. Die Sache war demnach gemäß § 937 Abs. 2 ZPO ohne mündliche Verhandlung zurückzuweisen.

Im Übrigen sei angemerkt, dass ohne Vortrag zur besonderen Dringlichkeit eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung für das Gericht vorliegend nicht in Betracht gekommen wäre.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Die Festsetzung des Streitwertes folgt aus §§ 53 Abs. 1 Nr. 1 GKG, 3 ZPO.