Gericht | OVG Berlin-Brandenburg Senat für Personalvertretungssachen | Entscheidungsdatum | 07.07.2022 | |
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Aktenzeichen | OVG 62 PV 5/22 | ECLI | ECLI:DE:OVGBEBB:2022:0707.OVG62PV5.22.00 | |
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 78 ArbGG, § 83 Abs 3 ArbGG |
Wendet sich ein Personalrat in einer Mitbestimmungssache dagegen, dass die Leitung der übergeordneten Dienststelle die Angelegenheit nicht der Stufenvertretung vorlegt mit der Begründung, die Zustimmungsverweigerung sei unbeachtlich, ist auch die dem Personalrat gegenüberstehende Dienststellenleitung am Verfahren zu beteiligen.
Die Beschwerde der Beteiligten zu 2 gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 4. April 2022 wird zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Der Vorsitzende hat über die sofortige Beschwerde ohne Hinzuziehung der ehrenamtlichen Richter zu beschließen (§ 108 Abs. 2 BPersVG i.V.m. § 78 Satz 3, § 83 Abs. 5 ArbGG; Baden, in: Altvater/Baden/Baunack u.a., BPersVG, 10. Aufl. 2019, § 84 Rn. 25a). Dieses Rechtsmittel, dem das Verwaltungsgericht nicht abgeholfen hat (Beschluss vom 20. Juni 2022), ist auch im Beschlussverfahren nach dem Arbeitsgerichtsgesetz (§ 83 Abs. 5 ArbGG) statthaft (vgl. näher Schwab, in: Schwab/Weth, ArbGG, 6. Aufl. 2022, § 78 Rn. 8 ff.); der Beschluss, mit welchem das Verwaltungsgericht das Rubrum in der anhängigen Personalvertretungssache berichtigt hat, ist kein das Verfahren beendender Beschluss des Verwaltungsgerichts, gegen den die Beschwerde nach § 87 Abs. 1 ArbGG statthaft wäre, sondern eine Zwischenentscheidung des Vorsitzenden der Fachkammer im Sinn von § 78 Satz 1, § 83 Abs. 5 ArbGG.
Die Beschwerde ist auch in Ansehung der Auseinandersetzung der Beschwerdeführerin mit den Gründen des Nichtabhilfebeschlusses in ihrem Schriftsatz vom 30. Juni 2022 unbegründet.
Das personalvertretungsrechtliche Verfahren ist ein Innenrechtsstreit (vgl. BVerwG, Beschluss vom 28. Juni 2000 – 6 P 1.00 – juris Rn. 15; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 25. August 2016 – OVG 62 PV 3.16 – juris Rn. 16; Germelmann, in: Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht, Band 4, 5. Aufl. 2022, § 365 Rn. 2), auf den die Vertretungsanordnungen und -befugnisse für Streitigkeiten zwischen dem Staat und den Bürgern im Außenverhältnis keine Anwendung finden. Eine Innenrechtsstreit zeichnet sich durch Besonderheiten aus. Es fängt damit an, dass der Personalrat keine juristische Person ist (Widmaier, in: Ilbertz/Widmaier/Sommer, BPersVG, 14. Aufl. 2018, § 1 Rn. 35, 36, 39, 40; Altvater, in: Altvater/Baden/Baunack u.a., BPersVG, 10. Aufl. 2019, § 1 Rn. 13b), sondern als Innenrechtssubjekt Wahrnehmungszuständigkeiten nach § 108 BPersVG gerichtlich geltend machen kann. Es geht damit weiter, dass die Dienststelle gemäß § 8 BPersVG durch ihre Leiterin oder ihren Leiter handelt und insofern vor Gericht auftritt selbst dann, wenn im Außenverhältnis keine Vertretungsbefugnis bestehen sollte. Die im Stufenverfahren gemäß § 71 BPersVG zu befassende übergeordnete Dienststelle handelt ebenfalls durch ihre Leiterin oder ihren Leiter. Für einen Innenrechtsstreit gilt, dass im Rubrum nur die Innenrechtssubjekte angeführt werden, nicht aber der Rechtsträger, die juristische Person, hier die Bundesrepublik Deutschland. Das wäre in Anwendung der Verwaltungsgerichtsordnung so (OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 23. Februar 2022 – OVG 4 B 4/20 – Rn. 20) und gilt auch für das Beschlussverfahren nach dem Arbeitsgerichtsgesetz (vgl. zum Beispiel BVerwG, Beschluss vom 24. Februar 2022 – 5 A 7.20 – juris Rn. 2). Das hat der Antragsteller in seiner Antragsschrift vom 17. Dezember 2021 außer Acht gelassen und das verkennt auch die Beschwerdeführerin. Mit ihrem Einwand wäre nicht von einer Doppelvertretung der Bundesrepublik Deutschland, sondern von einer Dreifachvertretung auszugehen, weil die Personalvertretung ebenfalls ein Teil der öffentlichen Verwaltung ist (vgl. § 1 Abs. 1 BPersVG). Eine Ausnahme ist im personalvertretungsrechtlichen Verfahren vom Gesetzgeber ausdrücklich vorgesehen für einen Antrag auf Auflösung des Arbeitsverhältnisses mit einem Jugend- und Auszubildendenvertreter, den insoweit systemgerecht der Arbeitgeber stellen muss, die juristische Person des öffentlichen Rechts (§ 56 Abs. 4 BPersVG; vgl. dazu BVerwG, Beschluss vom 9. März 2017 – 5 P 5.15 – juris Rn. 11 ff.).
Ausgehend vom Gegenstand, den der Antragsteller im gerichtlichen Verfahren zur Klärung unterbreitet, sind die weiteren Beteiligten von Amts wegen zu ermitteln; die Antragsschrift braucht die weiteren Beteiligten nicht notwendig anzuführen (Treber, in: Richardi/Dörner/Weber, BPersVG, 5. Aufl. 2020, § 83 Rn. 48 und 83; Rehak, in: Lorenzen/Gerhold/Schlatmann, BPersVG, Stand Februar 2021, § 83 Rn. 67). Eine zu Unrecht in der Antragsschrift als beteiligt bezeichnete Stelle wäre von Amts wegen aus dem Verfahren zu entlassen und das Rubrum zu berichtigen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 22. September 2015 – 5 P 12.14 – juris Rn. 11; Rehak, in: Lorenzen/Gerhold/Schlatmann, BPersVG, Stand Februar 2021, § 83 Rn. 77). Beteiligt ist, wer durch die beantragte Entscheidung unmittelbar in der ihm vom Personalvertretungsrecht eingeräumten Rechtsposition betroffen wird oder werden kann (BVerwG, Beschluss vom 22. Januar 2016 – 5 PB 10.15 – juris Rn. 4; Treber, in: Richardi/Dörner/Weber, BPersVG, 5. Aufl. 2020, § 83 Rn. 87).
Die materiellrechtliche Definition der Beteiligung wird modifiziert durch § 83 Abs. 3 ArbGG. Danach ist im Beschlussverfahren stets der Arbeitgeber zu hören. Das meint im personalvertretungsrechtlichen Beschlussverfahren grundsätzlich die Dienststellenleitung, weil sie die Funktion der Dienststelle als Arbeitgeber repräsentiert (Treber, in: Richardi/Dörner/Weber, BPersVG, 5. Aufl. 2020, § 83 Rn. 85; Rehak, in: Lorenzen/Gerhold/Schlatmann, BPersVG, Stand Februar 2021, § 83 Rn. 69) und der Personalvertretung gegenübersteht (BVerwG, Beschluss vom 22. Januar 2016 – 5 PB 10.15 – juris Rn. 7). Sie ist auch dann zu beteiligen, wenn sie von der angestrebten Entscheidung, die beispielsweise einen Streit innerhalb eines Personalrats lösen soll, nicht unmittelbar betroffen ist (Rehak, in: Lorenzen/Gerhold/Schlatmann, BPersVG, Stand Februar 2021, § 83 Rn. 69). Indes kann, wie das Bundesverwaltungsgericht an der eben zitierten Stelle für das hamburgische Personalvertretungsrecht ausführt, die Dienststellenleitung durch eine andere Stelle der öffentlichen Verwaltung ersetzt werden und selbst nicht zu beteiligen sein. Mit Blick auf § 83 Abs. 3 ArbGG wäre dem Erfordernis, den „Arbeitgeber“ zu hören, nach hamburgischen Recht augenscheinlich mit der Beteiligung der Leitung einer anderen Verwaltungseinheit Genüge getan. Das wird in der Kommentierung des Bundespersonalvertretungsgesetzes anders gesehen. Danach ist die Dienststellenleitung, der der Personalrat gegenübersteht, in jedem Fall zu beteiligen (Widmaier, in: Ilbertz/Widmaier/Sommer, BPersVG, 14. Aufl. 2018, § 83 Rn. 34; Rehak, in: Lorenzen/Gerhold/Schlatmann, BPersVG, Stand Februar 2021, § 83 Rn. 69).
Der Senat braucht nicht zu entscheiden, ob es nach § 83 Abs. 3 ArbGG ausreicht, wenn die Leitung der übergeordneten Dienststelle den „Arbeitgeber“ repräsentiert. Denn es steht im vorliegenden Fall nicht fest, ist vielmehr eine Frage der Begründetheit des Feststellungsantrags, über die in diesem Rubrums- und Beteiligungsstreit nicht zu befinden ist, ob der Beteiligte zu 1 ebenso wie die Beteiligte zu 2 unmittelbar in der ihm vom Personalvertretungsrecht eingeräumten Rechtsposition betroffen wird oder werden kann. In diese Richtung geht die im Nichtabhilfebeschluss angedeutete Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts.
Die vorliegende Personalvertretungssache schließt an das Verfahren VG 20 K 774/20.PVB Potsdam – OVG 62 PV 7/20 an. Dort war in der mündlichen Anhörung zweiter Instanz der Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 7. April 2010 – 6 P 6.09 – Gegenstand der Erörterung. Dem Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts lag ein Fall zugrunde, in dem die Zustimmungsverweigerung des Personalrats von der Dienststellenleitung dem Leiter der übergeordneten Dienststelle zugeleitet wurde. Dieser brach das Mitbestimmungsverfahren mit der Begründung ab, die Zustimmungsverweigerung sei unbeachtlich, und legte die Angelegenheit erst gar nicht der Stufenvertretung vor. In dem anschließenden Verfahren vor dem Verwaltungsgericht wurden beide Dienststellenleitungen als beteiligt geführt, wiewohl der Antrag des Personalrats sich zuletzt nur noch gegen die Leitung der übergeordneten Dienststelle richtete. Beide Dienststellenleitungen wurden vom Bundesverwaltungsgericht als Beteiligte angesehen und die Rechtsbeschwerden beider Beteiligter wurden für zulässig gehalten, wenngleich im Ergebnis nicht mehr festgestellt wurde, als dass der Leiter der übergeordneten Dienststelle das Mitbestimmungsverfahren nicht hätte abbrechen dürfen (BVerwG, Beschluss vom 7. April 2010 – 6 P 6.09 – juris Rn. 9, 13, 17).
Vor diesem Hintergrund hat das Verwaltungsgericht zutreffend neben der Leitung der übergeordneten Dienststelle auch die Leitung der Dienststelle, zu der der antragstellende Personalrat gehört, als beteiligt angesehen.
Für die Zulassung der Rechtsbeschwerde (§ 83 Abs. 5, § 78 Satz 2, § 72 Abs. 2 ArbGG) ist kein Grund ersichtlich. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (vgl. Schwab, in: Schwab/Weth, ArbGG, 6. Aufl. 2022, § 78 Rn. 67).