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Entscheidung 15 WF 78/20


Metadaten

Gericht OLG Brandenburg 3. Senat für Familiensachen Entscheidungsdatum 08.04.2020
Aktenzeichen 15 WF 78/20 ECLI ECLI:DE:OLGBB:2020:0408.15WF78.20.00
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen

Tenor

Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengerichts - Brandenburg an der Havel vom 23. Dezember 2019 - 42 F 1099/19 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens erster und zweiter Instanz werden gegeneinander aufgehoben.

Der Beschwerdewert wird auf 3.656 € festgesetzt.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe

Die gemäß §§ 256, 58 ff. FamFG zulässige Beschwerde (vgl. Keidel/Giers, FamFG, 19. Aufl., § 256 Rn. 1) ist unbegründet.

1.

Das Rechtsmittel ist zulässig. Insbesondere beruft sich der Antragsgegner, wie in § 256 S. 1 FamFG vorgeschrieben, auf die Zulässigkeit von Einwendungen nach § 252 Abs. 2 bis 4 FamFG. Denn er nimmt Bezug auf die insoweit in erster Instanz erhobenen Einwendungen.

2.

Die Beschwerde ist unbegründet. Denn der Antragsgegner hat den Einwand eingeschränkter oder fehlender Leistungsfähigkeit, auf den er sein Rechtsmittel stützt, in erster Instanz nicht gehörig erhoben.

Gemäß § 252 Abs. 2 FamFG sind andere als die in § 252 Abs. 1 S. 1 FamFG genannten Einwendungen (das sind solche gegen die Zulässigkeit des vereinfachten Verfahrens), insbesondere Einwendungen nach § 252 Abs. 3, 4 FamFG, nur zulässig, wenn der Antragsgegner zugleich erklärt, inwieweit er zur Unterhaltsleistung bereit ist und dass er sich insoweit zur Erfüllung des Unterhaltsanspruchs verpflichtet. Den Einwand eingeschränkter oder fehlender Leistungsfähigkeit kann der Antragsgegner nur erheben, wenn er zugleich Auskunft über seine Einkünfte und sein Vermögen erteilt und für die letzten zwölf Monate seine Einkünfte belegt, § 252 Abs. 4 Satz 1 FamFG. Ein Antragsgegner, der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II oder dem SGB XII bezieht, muss den aktuellen Bewilligungsbescheid darüber vorlegen, § 252 Abs. 4 S. 2 FamFG. Bei Leistungsempfängern nach SGB II und SGB XII wird davon ausgegangen, dass mangelnde Leistungsfähigkeit feststeht, da diese Leistungen existenzsichernden Charakter aufweisen und nur bei behördlich geprüftem Hilfebedarf des Empfängers gewährt werden. Es ist der vollständige Bewilligungsbescheid einschließlich des Berechnungsbogens vorzulegen (BT-Drs. 18/5918, S. 20). Bei Einkünften aus selbstständiger Arbeit, Gewerbebetrieb sowie Land- und Forstwirtschaft sind als Belege der letzte Einkommensteuerbescheid und für das letzte Wirtschaftsjahr die Gewinn-und-Verlust-Rechnung oder die Einnahmenüberschussrechnung vorzulegen, § 252 Abs. 4 S. 3 FamFG.

Dass der Antragsgegner nicht erklärt hat, inwieweit er zur Unterhaltsleistung bereit ist und dass er sich insoweit zur Erfüllung des Unterhaltsanspruchs verpflichtet, ist zwar noch unschädlich, weil sich aus dem Vorbringen im Schriftsatz vom 25.11.2019, in dem er den Einwand fehlender Leistungsfähigkeit erhoben hat, ergibt, dass er sich für überhaupt nicht leistungsfähig hält (Johannsen/Henrich/Maier, Familienrecht, 6. Aufl., § 252 FamFG Rn. 14; Keidel/Giers, FamFG, 19. Aufl., § 252 Rn. 5). Es fehlt aber an ausreichenden Angaben und Belegen im Sinne von § 252 Abs. 4 FamFG.

Insoweit hat der Antragsgegner nur der Vorschrift des § 252 Abs. 4 Satz 2 FamFG Genüge getan, indem er mit Schriftsatz vom 17.12.2019 einen aktuellen vollständigen Bescheid über den Bezug von Leistungen nach SGB II vorgelegt hat. Dass dieser Bescheid nicht zur Hauptakte, sondern zum Beiheft Verfahrenskostenhilfe genommen worden ist, kann dem Antragsgegner nicht zum Nachteil gereichen. Da der Antragsgegner aber auch Erwerbseinkünfte erzielt hat und offenbar weiterhin erzielt, war er gemäß § 252 Abs. 4 Satz 1 FamFG weiter verpflichtet, diese Einkünfte für die letzten zwölf Monate zu belegen. Dies ist nicht geschehen. Denn der Antragsgegner hat mit Schriftsatz vom 25.11.2019 nur die Verdienstbescheinigungen für die Monate Juni bis September 2019 vorgelegt und mit Schriftsatz vom 9.12.2019 die Verdienstbescheinigungen für die Monate Oktober und November nachgereicht. Es liegen somit Verdienstbescheinigungen nicht für zwölf, sondern nur für sechs Monate vor. Das reicht nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut nicht aus.

Der Antragsgegner beruft sich zu Unrecht darauf, es sei ausreichend gewesen, die Vorschrift des § 252 Abs. 4 Satz 2 FamFG zu beachten. Diese Bestimmung regelt ebenso wie § 252 Abs. 4 Satz 3 FamFG in Bezug auf Einkünfte aus selbstständiger Arbeit, Gewerbebetrieb sowie Land- und Forstwirtschaft nur, welche Belege für bestimmte Einkommensarten eingereicht werden müssen. Die Vorschrift des § 252 Abs. 4 Satz 1 FamFG bleibt hiervon unberührt. Das betrifft nicht nur die Verpflichtung, neben der Vorlage von Belegen auch Auskunft zu erteilen, sondern auch das Erfordernis, hinsichtlich der Einkünfte Belege für den Zeitraum von zwölf Monaten vorzulegen. Dies gilt auch dann, wenn der Unterhaltspflichtige - wie hier - neben Erwerbseinkünften in Bedarfsgemeinschaft zusammen mit einer Partnerin und (gemeinsamen) Kindern Leistungen nach dem SGB II bezieht.

Die Annahme des Gesetzgebers, bei Leistungsempfängern nach SGB II und SGB XII sei davon auszugehen, dass mangelnde Leistungsfähigkeit feststehe, da diese Leistungen existenzsichernden Charakter aufwiesen und nur bei behördlich geprüftem Hilfebedarf des Empfängers gewährt würden, trifft im Fall von aufstockenden Leistungen nach dem SGB II jedenfalls für den Unterhaltspflichtigen, der selbst Erwerbseinkünfte erzielt und nur als Mitglied einer Bedarfsgemeinschaft an Leistungen nach dem SGB II partizipiert, nicht zu. Denn dieser kann auf Grund seiner eigenen Einkünfte durchaus verpflichtet sein, seinem nicht der Bedarfsgemeinschaft angehörenden minderjährigen Kind Unterhalt zu zahlen, insbesondere wenn die Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft ihm gegenüber nicht unterhaltsberechtigt oder aber gegenüber dem nicht der Bedarfsgemeinschaft angehörenden minderjährigen Kind im Hinblick auf § 1609 BGB nachrangig sind. Dem trägt das Gesetz durch § 11b Abs. 1 S. 1 Nr. 7 SGB II Rechnung. Die Vorschrift regelt, dass vom Erwerbseinkommen eines Mitglieds der Bedarfsgemeinschaft Aufwendungen zur Erfüllung gesetzlicher Unterhaltsverpflichtungen bis zu dem in einem Unterhaltstitel oder in einer notariell beurkundeten Unterhaltsvereinbarung festgelegten Betrag abzusetzen sind, und erlangt gerade in den Fällen Bedeutung, in denen - wie hier - aufstockende Leistungen nach dem SGB II bezogen werden.

3.

Die Rechtsbeschwerde wird gemäß § 70 Abs. 2 Satz 1 FamFG zugelassen. Denn die Frage, welche Belege der erwerbstätige Unterhaltsschuldner vorzulegen hat, wenn er in Bedarfsgemeinschaft zusammen mit einer Partnerin und (gemeinsamen) Kindern auch Leistungen nach dem SGB II bezieht, hat grundsätzliche Bedeutung.

4.

Im Hinblick auf die nicht abschließend geklärte Rechtslage entspricht es der Billigkeit, die Kosten des Verfahrens erster und zweiter Instanz gegeneinander aufzuheben, § 243 FamFG.