Gericht | OVG Berlin-Brandenburg 62. Fachsenat für Personalvertretungssachen (Bund) | Entscheidungsdatum | 22.06.2022 | |
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Aktenzeichen | OVG 62 PV 6/21 | ECLI | ECLI:DE:OVGBEBB:2022:0622.OVG62PV6.21.00 | |
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 46 Abs 1 BPersVG |
Ein Personalrat kann von der Dienststellenleitung nicht Kostenübernahme für eine rechtsanwaltliche Tätigkeit verlangen, wenn ein Beschäftigter Forderungen wegen angeblicher Verletzung seines Persönlichkeitsrechts erhebt, derer sich die Personalvertretung mit rechtsanwaltlicher Hilfe erwehrt.
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 24. September 2021 wird zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
I.
Im Streit ist die Erstattung von Anwaltskosten, die vom Antragsteller ausgelöst wurden, als er auf eine anwaltlich vorgebrachte Forderung eines Beschäftigten reagierte. |
Der Antragsteller ist der Meinung, der Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit ergebe hier nicht die Notwendigkeit, vor der Beauftragung der Rechtsanwaltskanzlei die Beteiligten zu konsultieren. Personalvertretung und Dienststellenleitung müssten aufeinander Rücksicht nehmen, gegenseitiges Vertrauen sei für ihr Verhältnis kennzeichnend, könne jedoch nicht erzwungen werden. Der Beteiligte habe sich nach dem Angriff des bisherigen Teamleiters nicht schützend vor den Antragsteller gestellt, sondern ihn seinerseits angegriffen und Partei für den Teamleiter ergriffen. Nach Prüfung aller einschlägigen Argumente und Kriterien sei der Antragsteller von einer weiteren Verpflichtung gegenüber dem Beteiligten bei der Beauftragung der Kanzlei befreit gewesen.
Der Antragsteller beantragt,
den Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 24. September 2021 abzuändern und festzustellen, dass der Beteiligte verpflichtet ist, ihn von den Kosten der Rechnung 2020 00653 der ... Rechtsanwälte in Höhe von 492,54 Euro freizustellen.
Der Beteiligte beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Der Beteiligte verteidigt in der mündlichen Anhörung den angegriffenen Beschluss und regt die Zulassung der Rechtsbeschwerde an.
II.
Die Beschwerde des Antragstellers ist zulässig. Der Antragsteller hat die Beschwerde aufgrund eines entsprechenden Personalratsbeschlusses mit rechtsanwaltlicher Vertretung sowie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und angesichts der Fristverlängerung rechtzeitig mit Gründen – unter Beifügung eines Antrags – versehen, wie es § 89 Abs. 2 ArbGG verlangt.
Die Beschwerde ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag zutreffend abgelehnt (ebenso Ilbertz, ZfPR online 2022, Nr. 2, 19 f. in einer Anmerkung zum verwaltungsgerichtlichen Beschluss). Der Beteiligte ist nicht verpflichtet, die – ordnungsgemäß im Sinne des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes erstellte – Kostenrechnung 2020 00653 des vom Antragsteller beauftragten Rechtsanwalts zu begleichen. Nach dem Bundespersonalvertretungsgesetz besteht keine Pflicht des Beteiligten zur Kostentragung. Insoweit kann der Senat offenlassen, ob § 46 Abs. 1 BPersVG n.F. oder § 44 Abs. 1 Satz 1 BPersVG a.F. auf die Beauftragung noch vor der Gesetzesänderung anzuwenden ist (vgl. dazu Beschluss des Senats vom 4. August 2021 – OVG 62 PV 5/20 – juris Rn. 16 und des BVerwG vom 24. Februar 2022 – 5 A 7.20 – juris Rn. 11), da die Pflicht zur Tragung der durch die Tätigkeit des Personalrats entstehenden Kosten im Kern gleichgeblieben ist.
Die Grundsätze der Kostentragungspflicht sind in der höchstgerichtlichen Rechtsprechung geklärt: Die Dienststelle (nach neuem Recht: der Bund) hat die Kosten nur zu tragen, wenn die kostenträchtige Handlung zum gesetzlich zugewiesenen Aufgabenbereich des Personalrats gehört und dieser nach pflichtgemäßer Beurteilung der objektiven Sachlage die entstehenden Kosten für erforderlich und vertretbar halten darf (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 15. April 2008 – 6 PB 4.08 – juris Rn. 4 und vom 29. April 2011 – 6 PB 21.10 – juris Rn. 3; Jacobs, in: Richardi/Dörner/Weber, Personalvertretungsrecht, 5. Aufl. 2020, BPersVG § 44 Rn. 11, 19; Ilbertz, in: Ilbertz/Widmaier/Sommer, BPersVG, 14. Aufl. 2018, § 44 Rn. 22). Dabei hat der Personalrat das Gebot der sparsamen Verwendung öffentlicher Mittel und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten (BVerwG, Beschlüsse vom 24. Februar 2016 – 5 P 2.15 – juris Rn. 16 und vom 29. April 2011 – 6 PB 21.10 – juris Rn. 3). In diesem Rahmen besteht ein begrenzter Beurteilungsspielraum des Personalrats (BVerwG, Beschluss vom 15. April 2008 – 6 PB 4.08 – juris Rn. 5). Ob hingegen eine Tätigkeit des Personalrats innerhalb des Rahmens seiner gesetzlichen Aufgaben bleibt, beurteilt sich nach objektiven, dem Gesetz zu entnehmenden Kriterien (BVerwG, Beschluss vom 27. April 1979 – 6 P 89.78 – juris Rn. 24; Jacobs, in: Richardi/Dörner/Weber, Personalvertretungsrecht, 5. Aufl. 2020, BPersVG § 44 Rn. 7). In Betracht kommen Kosten der sächlichen Ausstattung der Personalvertretung, aber auch etwa Kosten der Beratung durch Sachverständige im Allgemeinen und die Tätigkeit von Rechtsanwälten im Besonderen.
Beschließt eine Personalvertretung, ein gerichtliches Beschlussverfahren nach dem Bundespersonalvertretungsgesetz mit rechtsanwaltlicher Vertretung zu betreiben, gilt – gleichsam pauschal, ohne die Notwendigkeit individueller Würdigung – das Folgende: Die Dienststelle hat die außergerichtlichen Kosten, die dem Personalrat durch Beauftragung eines Rechtsanwalts entstanden sind, immer dann zu tragen, wenn die gerichtliche Rechtsverfolgung nicht von vornherein aussichtslos war oder mutwillig betrieben wurde. Das Begehren des Personalrats auf Feststellung eines Beteiligungsrechts ist nur dann von vornherein aussichtslos, wenn sich seine Abweisung nach Maßgabe der einschlägigen Rechtsvorschriften und dazu gegebenenfalls vorliegender Rechtsprechung geradezu aufdrängt; eine Rechtsverfolgung ist etwa mutwillig, wenn von zwei gleichwertigen prozessualen Wegen der kostspieligere beschritten wird oder wenn die Hinzuziehung des Rechtsanwalts rechtsmissbräuchlich erfolgt und deswegen das Interesse der Dienststelle an der Begrenzung ihrer Kostentragungspflicht missachtet wird (BVerwG, Beschluss vom 18. Dezember 2019 – 1 WRB 5.18 – juris Rn. 26; Beschluss vom 20. Februar 2014 – 6 PB 39.13 – juris Rn. 3; Beschluss vom 12. November 2012 – 6 P 1.12 – juris Rn. 10).
Diese pauschale Geltung der Pflicht zum Tragen der Rechtsanwaltskosten im gerichtlichen Verfahren erfasst nicht eine außergerichtliche Streitlage. Das sieht nur eine Minderheit der Kommentatoren anders (Gronimus, in: Fischer/Goeres, Personalvertretungsrecht, GKÖD Band V, BPersVG § 44 <Stand 03/21> Rn. 11; Noll, in: Altvater/Baden/Baunack u.a., BPersVG, 10. Aufl. 2019, § 44 Rn. 33). Bei ihnen schwingt die Erwägung mit, eine anwaltlich gut beratene vorgerichtliche Streitbeilegung könne personalvertretungsrechtliche Beschlussverfahren vermeiden. Der Stichhaltigkeit der Mindermeinung braucht hier nicht nachgegangen zu werden, denn der konkrete Konflikt zwischen dem ehemaligen Teamleiter und dem Personalrat könnte von vornherein nicht in ein personalvertretungsrechtliches Beschlussverfahren münden.
Kommt es bei dem außergerichtlichen Konflikt auf die individuelle Würdigung an, lässt sich die Kostentragungspflicht des Beteiligten nicht begründen. Es fehlt bereits an einer Berührung des gesetzlichen Aufgabenbereichs des Antragstellers. Der damalige Teamleiter rügte die angebliche Verletzung seiner Persönlichkeitsrechte sowie der Datenschutzgrundverordnung durch den Antragsteller. Das Schreiben der Rechtsanwältin endete mit der Wendung, es sollte Einigkeit dahingehend bestehen, dass die schutzwürdigen Interessen des Mandanten wiederhergestellt würden. Im Raum standen unausgesprochen Unterlassungs-, Schadensersatz- und Schmerzensgeldforderungen. Das Bundespersonalvertretungsgesetz weist dem Personalrat nicht die Aufgabe zu, derartige Forderungen zu bedienen oder abzuwehren. Der Personalrat ist nicht rechtsfähig, er besitzt keine eigene Rechtspersönlichkeit, ist auf den internen Bereich der eigenen Dienststelle beschränkt und haftet nicht gegenüber Beschäftigten (vgl. Widmaier, in: Ilbertz/Widmaier/Sommer, BPersVG, 14. Aufl. 2018, § 1 Rn. 35, 36, 39, 40; Altvater, in: Altvater/Baden/Baunack u.a., BPersVG, 10. Aufl. 2019, § 1 Rn. 13b). Die Forderung des Beschäftigten könnte sich mit Erfolg nur gegen den Rechtsträger richten, der gegebenenfalls für Verletzungen seitens des Personalrats einzustehen hätte. Denn der Personalrat ist Bestandteil der Dienststelle (Altvater, in: Altvater/Baden/Baunack u.a., BPersVG, 10. Aufl. 2019, § 1 Rn. 13d). Der Personalrat als solcher hätte nichts zu befürchten.
Das Verwaltungsgericht hat den gesetzlichen Aufgabenbereich des Antragstellers gleichwohl für noch berührt angesehen mit der Überlegung, die Verbesserung der Eingangszonen der Dienststelle sei in die Zuständigkeit des Personalrats gefallen; indem er diese Tätigkeit gegenüber dem damaligen Teamleiter verteidigt habe, habe er sie fortgesetzt. Der Teamleiter verlangte indes keine Erläuterung der Arbeit des Personalrats, sondern eine Wiederherstellung seiner schutzwürdigen Interessen. Geht es um Haftung, ist der Rubikon überschritten.
Im Schriftsatz des hiesigen Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers vom 4. März 2020 heißt es völlig abweichend vom Vorstehenden, der Personalrat betrachte das Schreiben der Rechtsanwältin des damaligen Teamleiters als Beschwerde im Sinn von § 68 Abs. 1 Nr. 3 BPersVG (a.F., jetzt § 62 Nr. 3 BPersVG) und wolle prüfen, ob der Beschwerde abgeholfen werden könne. Diese Bewertung trifft nicht zu, denn die von der Vorschrift alter wie neuer Fassung gemeinten „Beschwerden von Beschäftigten“ richten sich gegen die Dienststellenleitung und sind darauf angelegt, den Personalrat als Fürsprecher der Beschäftigten in der Verhandlung mit der Dienststellenleitung zu gewinnen (vgl. Ilbertz, in: Ilbertz/Widmaier/Sommer, BPersVG, 14. Aufl. 2018, § 44 Rn. 15, 21). Wäre die Regelung über die Entgegennahme von Beschwerden einschlägig, wäre nicht ohne Weiteres verständlich, warum der Antragsteller die Angelegenheit nicht selbst bearbeitete. Denn der Personalrat hat die ihm obliegenden Aufgaben grundsätzlich selbst zu erledigen und darf sie nicht generell auf externe Dienstleister übertragen (zu den Ausnahmen siehe BVerwG, Beschluss vom 24. Februar 2016 – 5 P 2.15 – juris Rn. 17). Soll der Personalrat bei berechtigten Beschwerden als Fürsprecher fungieren, ist nicht verständlich, warum der Fürsprecher seinerseits einen Rechtsanwalt als Fürsprecher benötigt. Der Personalrat wirkt bei der Dienststellenleitung lediglich mit den ihm eigenen Möglichkeiten durch Verhandlung auf die Erledigung der Beschwerde hin.
Ohnehin ist vom Personalrat zu erwarten, dass er nicht unbedacht auf die rechtliche Beratung eines Rechtsanwalts zurückgreift. Er hat vorher selbst Anstrengungen zu unternehmen, um sich ein klares Bild von der Rechtslage zu machen und muss Informations- und Beratungsmöglichkeiten ausgeschöpft haben (Ilbertz, in: Ilbertz/Widmaier/Sommer, BPersVG, 14. Aufl. 2018, § 44 Rn. 22 f.) und sich vor Beauftragung eines Rechtsanwalts, wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, an die Dienststellenleitung gewandt haben mit dem Ziel einer Klärung der Angelegenheit (Ilbertz, ZfPR online 2022, Nr. 2, 19 <20>).
Das gilt auch dann, wenn sich eine Rechtsanwältin mit einer Forderung an den Personalrat wendet. Die Einlassung des Antragstellers in der mündlichen Anhörung, seinerseits einen Rechtsanwalt genommen zu haben, weil andererseits eine Rechtsanwaltskanzlei geschrieben habe, läuft auf den Gedanken der „Waffengleichheit“ hinaus. Dieser Aspekt vermag jedoch das Gebot der sparsamen Verwendung öffentlicher Mittel und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht auszuhebeln. Das Setzen einer knappen Frist durch die Rechtsanwältin führt zu keinem anderen Ergebnis. Diese Frist sollte einen Druck aufbauen, den der Antragsteller nötigenfalls mit der Zwischennachricht hätte ablassen können, er brauche als Gremium wegen der Ladungsfristen etc. etwas mehr Zeit für die Erwiderung.
In der gewonnenen Zeit und nach sorgfältiger Prüfung müsste dem Antragsteller die Haltlosigkeit der Forderung des Teamleiters ihm gegenüber dem Personalrat zu erkennen gewesen sein. Es sollte ein Resultat der Grundschulung der Personalratsmitglieder sein zu lernen, dass der Personalrat nicht rechtsfähig ist, keine eigene Rechtspersönlichkeit besitzt, auf den internen Bereich der eigenen Dienststelle beschränkt ist und mangels eigener Rechtsfähigkeit gegenüber Beschäftigten nicht haftet. Bei einer entsprechenden Beratung des Vorgangs im Gremium wäre zu erwarten, dass zumindest ein Personalratsmitglied dieses Wissen einbringt. Das lässt sich auch der Kommentarliteratur entnehmen (siehe Widmaier, in: Ilbertz/Widmaier/Sommer, BPersVG, 14. Aufl. 2018, § 1 Rn. 35, 36, 39, 40; Altvater, in: Altvater/Baden/Baunack u.a., BPersVG, 10. Aufl. 2019, § 1 Rn. 13b). Ein Kommentar zum Bundespersonalvertretungsgesetz gehört zum unentbehrlichen Rüstzeug, über das der Personalrat jederzeit verfügen muss, wenn er seine Aufgaben ordnungs- und sachgemäß erfüllen will (vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. August 1994 – 6 P 25.92 – juris Rn. 10; Noll, in: Altvater/Baden/Baunack u.a., BPersVG, 10. Aufl. 2019, § 44 Rn. 58). Der Antragsteller hätte mithin bei sorgfältiger eigener Prüfung gelassen auf das Anwaltsschreiben des Beschäftigten reagieren können.
Das laut Antragsteller zerrüttete Verhältnis zwischen Personalvertretung und Dienststellenleitung entbindet die jeweilige Seite nicht von ihren Pflichten, hier den Antragsteller von der Obliegenheit zur sorgfältigen Prüfung.
Nach alldem hätte es genügt und zugleich dem Gebot vertrauensvoller Zusammenarbeit (§ 2 Abs. 1 BPersVG a.F. / n.F.) entsprochen, die Dienststellenleitung unverzüglich auf eine womöglich drohende Inanspruchnahme des Rechtsträgers durch den Beschäftigten hinzuweisen.
Die Rechtsbeschwerde ist in Ermangelung eines Zulassungsgrunds nicht zuzulassen (§ 92 Abs. 1 Satz 1, 2 i.V.m. § 72 Abs. 2 ArbGG). Die vom Beteiligten angenommene grundsätzliche Bedeutung ist nach Ansicht des Senats nicht gegeben. Die wesentlichen Grundsätze sind vom Bundesverwaltungsgericht geklärt. Ilbertz weist in seiner Anmerkung zum erstinstanzlichen Beschluss darauf hin, dass ein einheitlicher Maßstab für die Beurteilung der Erforderlichkeit von Kosten für alle (sehr unterschiedlichen) Fallgestaltungen nicht festgelegt werden könne, so dass es immer wieder um die „Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls“ gehe (ZfPR online 2022, Nr. 2, 19 <20>). Zweifel an der Würdigung im Einzelfall ergeben keinen Zulassungsgrund.