Gericht | VG Cottbus 8. Kammer | Entscheidungsdatum | 25.07.2022 | |
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Aktenzeichen | 8 K 2631/17 | ECLI | ECLI:DE:VGCOTTB:2022:0725.8K2631.17.00 | |
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 64 S 1 WasG BB, § 9 Abs 1 S 1 GBBerG, § 9 Abs 4 S 1 GBBerG, § 1 S 1 SachenR-DV, § 7 SachenR-DV, § 75 S 1 VwGO, § 54 Abs 2 WHG, § 9 Abs 9 S 1 GBBerG, § 60 Abs 1 WHG |
Der Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 14. Oktober 2016 (Az. 6...) verpflichtet, der Klägerin für die Abwasserdruckleitung DN 250 Asbestzement, verlaufend auf den Flurstücken 3..., eine Leitungs- und Anlagenrechtsbescheinigung zu erteilen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens tragen die Klägerin und der Beklagte je zur Hälfte.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Den Beteiligten bleibt jeweils nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des nach diesem Urteil vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die bzw. der jeweils andere vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Klägerin begehrt von dem Beklagten die Erteilung von Leitungs- und Anlagenrechtsbescheinigungen nach dem Grundbuchbereinigungsgesetz für zwei Erdbecken und eine Abwasserdruckleitung.
Die Klägerin beantragte am 19. Juli 2016 bei dem Beklagten die Erteilung von zwei Leitungs- und Anlagenrechtsbescheinigungen:
Ein Antrag betraf zwei Erdbecken – ein Absetz- und ein Sickerbecken –, belegen am S... nordwestlich des Stadtgebietes, F..., und bezog sich auf eine belastete Gesamtfläche von 14.652 m². Nach den Angaben der Klägerin in ihrem Antrag handelt es sich um eine 1974 errichtete mechanische Abwasseranlage zur Versickerung von Mischabwasser, die ursprünglich aus drei am Boden unbefestigten Absetzbecken mit Begrenzungen aus Erdwällen bzw. Betonelementen an den Stirnwänden, einem Betonrinnensystem zur Verteilung der Abwässer und neun durch Erddämme abgegrenzten Versickerungsflächen bestanden habe. Das Gelände habe ursprünglich eine Fläche von ca. 100 ha aufgewiesen; der größte Teil der Anlage sei jedoch bereits zurückgebaut worden.
Der zweite Antrag betraf eine Abwasserdruckleitung DN 250 Asbestzement einschließlich Schieber und Be- und Entlüftungseinrichtungen, die vom Pumpwerk B... aus zu den Erdbecken verläuft, wobei der Antrag nur den im Gebiet des Beklagten, auf den Flurstücken 3... verlaufenden Schlussabschnitt der Leitung mit einer Länge von 17,8 m betraf und sich einschließlich eines Schutzstreifens von 6 m Breite auf eine belastete Gesamtfläche von 106 m² bezog.
Unter Ziffer 2. der Antragsformulare versicherte die Klägerin für beide Anlagen, dass diese am 3. Oktober 1990 für die öffentliche Ver- und Entsorgung genutzt worden seien bzw. öffentlichen Zwecken gedient hätten, und dass die Klägerin Rechtsnachfolgerin des Betreibers der Anlagen am 11. Januar 1995 sei.
Mit Schreiben vom 18. August 2016 wies der Beklagte die Klägerin darauf hin, dass die Anlagen nicht mehr in Betrieb sein dürften, da das gesamte anfallende Schmutzwasser der Klägerin über eine Abwasserdruckleitung zur Kläranlage G... gepumpt werde. Erforderliche wasserrechtliche Erlaubnisse für die Wiederaufnahme des Anlagenbetriebes lägen nicht vor. Hierzu erklärte die Klägerin mit Schreiben vom 7. September 2015, dass in der Stadt bis über die Wendezeit hinaus insgesamt drei – ein gemeindliches und zwei betriebliche – Mischwassernetze existiert hätten, wobei im Jahre 1956 nur 1.300 Einwohner:innen an die gemeindliche Kanalisation im nördlichen Teil der Stadt angeschlossen gewesen seien. Das Abwasser sei in dieser Zeit nicht geklärt worden, sondern lediglich versickert. 1970 seien drei Sickerbecken, 1971 zwei Absetzbecken als „Kläranlage“ am S... errichtet worden. Dies sei keine Anlage im heutigen Sinne gewesen, vielmehr habe es sich lediglich um Absetzbecken mit anschließender Versickerung gehandelt. Ab 1998 sei die Gründung eines Eigenbetriebes Abwasserentsorgung vorbereitet worden. Das im selben Jahr beschlossene Abwasserbeseitigungskonzept habe vorgesehen, bis zum Jahr 2012 ca. 90% der Einwohner:innen an eine neue Schmutzwasserkanalisation anzuschließen sowie eine Trennkanalisation und eine eigene Kläranlage zu errichten. Auf deren Bau sei verzichtet worden, nachdem 2005 die Abwasserdruckleitung W... zur Ableitung des Schmutzwassers zur Kläranlage G... in Betrieb genommen worden sei. 2013, nachdem die Aufspaltung der historischen Mischwasser- in eine Trennkanalisation mit separaten Schmutz- und Regenwasserkanälen abgeschlossen gewesen sei, sei am Standort B... ein neues Regenwasserversickerungsbecken mit einer vorgelagerten Sedimentationsanlage für die Straßenentwässerung errichtet worden. Zuvor sei mittels einer Drosselanlage im Regenwasserfall Mischwasser zu den Sickerflächen abgeleitet worden. Das neue Kanalnetz funktioniere bislang reibungslos. Der nunmehrige Antrag sei nicht auf die Wiederaufnahme des alten Anlagenbetriebes gerichtet, vielmehr sollten losgelöst von der wasserwirtschaftlichen Verwendung die zivilrechtlichen Eigentumsverhältnisse an den vorhandenen Anlagen klargestellt werden. Es sei davon auszugehen, dass zum Stichtag 11. Januar 1995 eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit zum Besitz und Betrieb sowie zur Unterhaltung der Anlage begründet worden sei. Dieser Sachverhalt solle durch die Anlagenbescheinigung unabhängig von der Außerbetriebnahme der Anlage gegenüber den Grundstückseigentümern dokumentiert werden.
Unter dem 14. Oktober 2016 lehnte der Beklagte die Erteilung einer Leitungs- und Anlagenrechtsbescheinigung sowohl für die zwei Erdbecken als auch für die Abwasserdruckleitung ab.
Hinsichtlich der Erdbecken wies er zur Begründung darauf hin, dass diese eine Abwasserbehandlungsanlage darstellten, die nicht von der Regelung des § 9 Abs. 1 bis 7 des Grundbuchbereinigungsgesetzes (GBBerG) und der darauf gestützten Sachenrechts-Durchführungsverordnung erfasst würden. Abwasserbehandlungsanlagen seien Einrichtungen, die dazu dienten, die Schadwirkungen des Abwassers durch Behandlung mit physikalischen, chemischen oder biologischen Verfahren zu vermindern oder zu beseitigen. Die Anlagen seien als Kläranlage errichtet worden. Es sei anzunehmen, dass im Absetzbecken eine Reduzierung der Feststofffracht im Abwasser durch die Absetzwirkung stattgefunden habe. Im Sickerbecken sollte sodann beim Durchsickern der Boden- und Gesteinsschichten eine Filterung stattfinden, um das Wasser von weiteren Schadstoffen zu reinigen. Anlagenrechtsbescheinigungen könnten nur für Anlagen erteilt werden, die der Fortleitung von Wasser und Abwasser dienten, Zweck der hier betroffenen Absetz- und Sickerbecken sei demgegenüber die finale Entsorgung von Abwässern.
Hinsichtlich der Abwasserdruckleitung hätten die Voraussetzungen für das Entstehen einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit zugunsten der Klägerin am 11. Januar 1995 dagegen vorgelegen. Da es sich hierbei aber um eine Anlage im Sinne von § 4 Abs. 1 Nr. 2 b) aa) der Sachenrechts-Durchführungsverordnung (SachenR-DV) handele, sei gemäß § 7 Abs. 3 SachenR-DV zu prüfen, ob die Anlagen und Leitungen öffentlichen Zwecken dienen. Diesbezüglich sei hier festzustellen, dass die Druckleitung längstens bis 2013 der öffentlichen Abwasserbeseitigung gedient habe. Einer derzeitigen Nutzung der Druckleitung stehe das Fehlen einer entsprechenden wasserrechtlichen Erlaubnis entgegen. Die am 15. Februar 1984 erteilte wasserrechtliche Nutzungsgenehmigung sei bis zum 31. Dezember 2010 befristet gewesen; eine neue Erlaubnis sei nicht beantragt worden. Vielmehr sei die Abwasserbehandlungsanlage bereits teilweise zurückgebaut worden. Insofern sei davon auszugehen, dass die Nutzung auch der Abwasserdruckleitung dauerhaft aufgegeben worden sei. Die Leitung diene folglich nicht mehr dem Zweck der Abwasserbeseitigung. Mit der Aufgabe der Nutzung der Anlage sei auch das Interesse an der Bestellung einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit endgültig entfallen. Damit erlösche die Dienstbarkeit auch als dingliches Recht. Die Erteilung einer Leitungs- und Anlagenrechtsbescheinigung widerspräche in diesem Fall den Grundmotiven des Grundbuchbereinigungsgesetzes, das nur Altrechte aufrechterhalten, jedoch keine neuen Rechte schaffen solle. Das hiesige Verfahren diene nicht dem von der Klägerin benannten Zweck, die zivilrechtlichen Eigentumsverhältnisse klarzustellen, sondern der Sicherstellung der Aufgabenerfüllung der Versorgungsunternehmen durch Beschränkung der Befugnisse der Grundstückseigentümer:innen. Einer grundbuchrechtlichen Sicherung bedürfe es jedoch nicht mehr, wenn die beschränkte persönliche Dienstbarkeit bereits erloschen sei, weil die Anlagen und Leitungen außer Betrieb genommen worden seien. Andernfalls würde ein Recht postuliert werden, das so nicht mehr bestehe. Die auf eine dementsprechend fehlerhaft erteilte Leitungs- und Anlagenrechtsbescheinigung gestützte Grundbucheintragung wäre unrechtmäßig und würde das Grundbuch unrichtig machen. Die Grundstückseigentümer:innen wären in der Folge gezwungen, eine Löschung auf dem Klageweg durchzusetzen, wenn das Versorgungsunternehmen keinen rechtsverbindlichen Verzicht auf die eingetragene Dienstbarkeit erkläre. Ein Verweis auf das Widerspruchsrecht der Grundstückseigentümer:innen im Bescheinigungsverfahren nach § 9 Abs. 4 Satz 5 GBBerG könne hier nicht greifen. Der unteren Wasserbehörde seien Umstände bekannt, die die Erteilung der Bescheinigung ohne Widersprüche fehlerhaft machen würde. Es wäre rechtsmissbräuchlich, darauf zu warten, dass die betroffenen Eigentümer:innen diese Umstände auch erkennen und ihr Widerspruchsrecht wahrnehmen. Vielmehr dürfe die Behörde ihre Augen nicht vor Rechtsfehlern verschließen.
Am 28. April 2017 erhob die Klägerin gegen diese Entscheidungen Widerspruch.
Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus, dass die zwei in Rede stehenden Erdbecken keine technisch entwickelte Abwasserbehandlungsanlage darstellten, sondern lediglich eine einfache Abwasserbeseitigungsanlage, in der Abwässer nicht behandelt würden. Abwasserbeseitigung umfasse das Sammeln, Fortleiten, Behandeln, Einleiten, Versickern, Verregnen und Verrieseln von Abwasser. Die davon zu unterscheidende Funktion der Abwasserbehandlung, bei der die Schädlichkeit des Abwassers vermindert oder beseitigt werde, komme den Absetz- und Sickerbecken nicht zu, die vielmehr eine rein mechanische Anlage zur Versickerung von Mischabwasser bildeten. Auch Anlagen, die nicht im technischen Sinne fortleitende Anlagen darstellten, weil sie das Ende der Leitung bilden, seien Anlagen der Abwasserbeseitigung, wobei es sich bei den Erdbecken um eine „ähnliche Sonder- und Nebenanlage“ im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 b) bb) SachenR-DV handele.
Ebenso wenig sei der öffentliche Zweck der Anlagen entfallen. Sie, die Klägerin, habe weiterhin ein Interesse an der Erhaltung sowohl der Erdbecken als auch der Abwasserdruckleitung als Notfallvariante für den Fall einer massiven Störung der neuen Schmutzwasserüberleitung zur Kläranlage G... . Die Anlage solle als Störreserve und damit als Teil der öffentlichen Anlage zur Schmutzwasserbeseitigung beibehalten werden. Eine aktive tagtägliche Nutzung sei dafür nicht erforderlich. Insofern sei das Interesse am Erhalt der Anlagen und deren (zumindest potentieller) Nutzung nicht endgültig weggefallen. Dem stehe auch das Fehlen einer Anlagengenehmigung bzw. wasserrechtlichen Erlaubnis für die Einleitung des Abwassers nicht entgegen. Diese könnten vielmehr jederzeit neu beantragt werden; der Fortbestand der Dienstbarkeiten sei hiervon nicht abhängig. Entgegen der Auffassung des Beklagten sollten keine neuen Rechte begründet, sondern Altrechte aufrechterhalten werden. Es liege allein in ihrem, also dem klägerischen Organisationsermessen, wann das öffentliche Interesse an der Abwasserdruckleitung entfalle. Nur sie selbst als Aufgabenträgerin könne wissen und wollen, ob und wie die Anlage zukünftig genutzt wird. Die Nutzung der Anlage sei nicht aufgegeben worden. Damit sei auch weder das Interesse an der Bestellung einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit endgültig weggefallen noch die Dienstbarkeit erloschen. Dies komme vielmehr nur dann in Betracht, wenn der Vorteil für das herrschende Grundstück infolge grundlegender Änderungen der tatsächlichen Verhältnisse oder der rechtlichen Grundlagen objektiv und endgültig weggefallen sei. Der Beklagte könne jedoch im Rahmen des vorliegenden Verfahrens nicht über einen etwaigen zukünftigen zivilrechtlichen Löschungsanspruch entscheiden. Im Übrigen reiche nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes selbst die Stilllegung eines Betriebes auf dem herrschenden Grundstück wegen Verlagerung in eine neue Betriebsstätte nicht aus, um eine Grunddienstbarkeit wegfallen zu lassen bzw. einen Anspruch auf deren Löschung zu begründen, wenn konkrete Planungen für die Errichtung einer neuen Betriebsstätte auf dem Grundstück bestehen, mit deren absehbarer Umsetzung zu rechnen sei. Insofern stehe hier nicht entgegen, dass die Erdbecken und die Abwasserdruckleitung vor deren tatsächlicher Nutzung noch instandgesetzt bzw. erneuert werden müssten. Da nach alledem die Leitungs- und Anlagendienstbarkeit am Stichtag 11. Januar 1995 bereits kraft Gesetzes begründet worden sei, bestehe auch Anspruch auf die entsprechenden Bescheinigungen.
Der Beklagte erwiderte hierauf jeweils mit Schreiben vom 12. Mai 2017, dass weder die Erteilung einer Leitungs- und Anlagenrechtsbescheinigung noch folglich deren Ablehnung Verwaltungsakte darstellten. Vielmehr unterfielen die Bescheinigungen, die zudem keine eigene Regelung enthielten, sondern lediglich die kraft Gesetzes entstandene Rechtslage dokumentierten, ebenso wie die rechtlich normierten Grundlagen dem Zivilrecht, so dass ein Widerspruch vorliegend nicht statthaft und nicht mittels Widerspruchsbescheid zu bescheiden sei.
Daraufhin forderte die Klägerin den Beklagten mit Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 31. Mai 2017 und 8. Juni 2017 auf, ihre Widersprüche förmlich zu bescheiden, was der Beklagte jedoch mit Schreiben vom 26. Juli 2017 nochmals ablehnte.
Am 17. Oktober 2017 hat die Klägerin sodann die vorliegende Klage erhoben.
Sie ist zum einen der Auffassung, dass es sich bei den verfahrensgegenständlichen Leitungs- und Anlagenrechtsbescheinigungen entgegen der Auffassung des Beklagten um Verwaltungsakte handele. Das amtliche Bescheinigungsverfahren diene dazu, die Eintragung der beschränkten persönlichen Dienstbarkeit im Grundbuch vorzubereiten. Dabei bestehe keine materielle Prüfungspflicht der Behörde, weshalb das dem Verwaltungsrecht zuzuordnende Verfahren auch gesondert von den (zivil)rechtlichen Möglichkeiten der betroffenen Grundstückseigentümer:innen zu betrachten sei, gegen die Eintragung der Dienstbarkeit vorzugehen oder deren Löschung zu betreiben.
In der Sache wiederholt und vertieft die Klägerin ihren Vortrag aus dem Verwaltungsverfahren, wonach sie im Hinblick auf ihr fortbestehendes Nutzungsinteresse an den in Rede stehenden Anlagen einen Anspruch auf Erteilung der Leitungs- und Anlagenrechtsbescheinigungen habe. Bei dem Absetz- und dem Sickerbecken handele es sich um eine rein mechanische Anlage zur Versickerung von Mischabwasser und damit nicht um eine Abwasserbehandlungsanlage. Dies werde auch durch die wasserrechtliche Nutzungsgenehmigung vom 15. Februar 1984 klargestellt, ausweislich derer es sich bei den Becken um eine Abwasserbeseitigungsanlage ohne Behandlung der Abwässer handele. Denn die Anlage werde dort ausdrücklich als „Anlage zur Versickerung und Versenkung in den Untergrund“ bezeichnet. Insofern habe hier die Versickerung des Abwassers ohne eine Reinigung im physikalischen oder chemischen Verfahren im Vordergrund gestanden. Die Becken seien auch eine für die „Fortleitung“ eingerichtete Anlage, zumal der weit zu verstehende Begriff der Fortleitung auch die Sammlung von Abwasser umfasse. Nach dem teilweisen Rückbau der Anlage existierten noch ein Absetz- und ein Sickerbecken sowie die Abwasserdruckleitung W..., für die der Beklagte mit Bescheid vom 14. Dezember 2004 und der Landkreis S... mit Bescheid vom 17. Dezember 2004 jeweils für ihr Gebiet eine wasserrechtliche Genehmigung erteilt hätten und die künftig als sog. Störreserve genutzt werden solle. Schon im Hinblick auf ihre, der Klägerin, Eigentumsrechte an den Anlagen bestehe ein Rechtschutzbedürfnis. Der Beklagte habe keine Befugnis, antragslos über einen etwaigen Löschungsanspruch zu entscheiden, zumal dessen Voraussetzungen nicht vorlägen. Vielmehr übe sie, die Klägerin, ihr Recht weiterhin aus; eine vollständige Nutzungsaufgabe liege nicht vor, wie schon das Vorhandensein der hier betroffenen Anlagen zeige. Auch mit der erst 2013 erfolgten technischen Außerbetriebnahme sei keine organisatorische Entscheidung zur völligen Nutzungsaufgabe verbunden gewesen, andernfalls ein vollständiger Rückbau erfolgt wäre. Dementsprechend sei für den auf dem Gebiet des Landkreises S... liegenden Teil der Anlage mit Bescheid vom 23. März 2017 eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit genehmigt worden. Der Beklagte verkenne, dass die beantragten Leitungs- und Anlagenrechtsbescheinigungen lediglich deklaratorischen Charakter hätten, und dass sie, die Klägerin, damit lediglich bezwecke, ihre bereits existierenden Rechte vor einem Verlust durch einen gutgläubigen lastenfreien Erwerb zu schützen.
Die Klägerin beantragt,
1. den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 14. Oktober 2016 (Az. 6...) zu verpflichten, ihr für die Abwasserdruckleitung DN 250 Asbestzement, verlaufend auf den Flurstücken 3..., eine Leitungs- und Anlagenrechtsbescheinigung zu erteilen,
2. den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 14. Oktober 2016 (Az. 6...) zu verpflichten, ihr für zwei Erdbecken Abwasserversickerung, belegen auf den Flurstücken 1..., eine Leitungs- und Anlagenrechtsbescheinigung zu erteilen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er trägt vor, dass der Wasserverband L... mit Schreiben vom 6. Juni 2017 die Auskunft erteilt habe, dass die Vorhaltung einer Reserve-Ableitung von Schmutzwasser aus W... aufgrund der vorhandenen Mechanismen im Störfall nicht notwendig sei. Im gesamten, relativ großen Verbandgebiet verfüge der Wasserverband nirgendwo über solche Ersatzleitungen. Der Beklagte ist der Auffassung, dass die Klage zwar statthaft sei, weil die Schreiben vom 14. Oktober 2016 entgegen seiner zunächst vertretenen Auffassung belastende Verwaltungsakte darstellten und deshalb auch der Verwaltungsrechtsweg eröffnet sei. Die Klägerin habe jedoch keinen Anspruch auf die Erteilung der begehrten Bescheinigungen. Hinsichtlich der Erdbecken fehle es an den Voraussetzungen für die Entstehung einer Grunddienstbarkeit, da sie - anders als die Abwasserdruckleitung - als Abwasserbehandlungsanlage schon nicht in den Anwendungsbereich des § 9 Abs. 1 GBBerG fielen. Der Begriff der Abwasseranlage, der alle öffentlichen und privaten Einrichtungen zur Beseitigung von Abwasser umfasse, sei der zentrale Begriff des auf dem System des Anlagenrechts beruhenden deutschen Wasserrechts. Abwasserbehandlungsanlagen bildeten eine Unterform der Abwasseranlage und dienten dem Zweck, verschmutztes Abwasser durch physikalische, chemische oder biologische Verfahren zu reinigen und hierdurch die Schädlichkeit des Abwassers zu verringern oder zu beseitigen sowie den auftretenden Klärschlamm für eine ordnungsgemäße Entsorgung aufzubereiten. Grundsätzlich seien also alle Anlagen, die die Schadwirkung von Abwasser minimierten, Abwasserbehandlungsanlagen; die intendierte Behandlung des Abwassers sei das wesentliche Unterscheidungskriterium zu den Abwasseranlagen im Sinne von § 60 Abs. 1 des Wasserhaushaltsgesetzes (WHG). Das hier in Rede stehende Absetzbecken diene der Reduzierung der Feststofffracht im Abwasser, im Sickerbecken finde sodann eine Filterung durch Boden und Gesteinsschichten statt. Bei beiden Becken stehe also die Minimierung der Schadwirkung des Abwassers im Vordergrund, sie seien zusammenhängender Bestandteil einer einheitlichen Kläranlage. Hinsichtlich der Abwasserdruckleitung fehle es der Klägerin an einem Rechtschutzbedürfnis hinsichtlich der Eintragung der zum Stichtag 11. Januar 1995 entstandenen beschränkten persönlichen Dienstbarkeit ins Grundbuch. Denn der Betrieb der gesamten Anlage sei spätestens 2013 vollständig aufgegeben worden, so dass Tatsachen vorlägen, die die Erteilung einer Bescheinigung zur Löschung der Dienstbarkeit rechtfertigten. Führe aber die Nichtausübung einer eingetragenen beschränkten persönlichen Dienstbarkeit zum Erlöschen des Rechts, könne für die Nichtausübung einer noch nicht eingetragenen Dienstbarkeit nichts Anderes gelten. Die Klägerin habe deshalb – vergleichbar der dolo-agit-Einrede (§ 242 BGB) – kein schützenswertes Interesse an der Erteilung der begehrten Leitungs- und Anlagenrechtsbescheinigung, weil sie ihre Rechtsposition durch die Eintragung einer bereits durch Nichtausübung erloschenen beschränkten persönlichen Dienstbarkeit nicht schützenswert verbessern könne. Nach den Erläuterungen der Klägerin im Antragsverfahren diene ihr Begehren vielmehr allein der Dokumentation der Besitzverhältnisse an den Anlagen gegenüber den Grundstückseigentümer:innen. Die beantragte Bescheinigung bezwecke jedoch die Sicherstellung des Betriebes von wasserwirtschaftlichen Anlagen, nicht die Aufrechterhaltung vermeintlicher Altrechte. Entscheidend sei, dass die Nutzung der Anlagen bereits aufgegeben worden sei, was durch deren Rückbau und die Errichtung einer Trennkanalisation manifestiert worden sei. Ohnehin sei fraglich, ob die Klägerin den Betrieb der Anlage wiederaufnehmen könnte, was nach den geltenden gesetzlichen Bestimmungen wesentliche bauliche Veränderungen erfordern würde, die von der beschränkten persönlichen Dienstbarkeit aber nicht umfasst seien. Er, der Beklagte, könne letztlich nicht verpflichtet sein, wider besseres Wissen ein nicht mehr bestehendes Mitbenutzungsrecht zu bescheinigen und damit eine Unrichtigkeit des Grundbuches zu veranlassen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten und des Vortrages der Beteiligten im Übrigen wird auf die Gerichtsakte sowie den Verwaltungsvorgang (1 Heft) ergänzend Bezug genommen.
Über die Klage kann die Kammer durch die Berichterstatterin ohne mündliche Verhandlung entscheiden, nachdem sich die Klägerin und der Beklagte hiermit einverstanden erklärt haben, §§ 87a Abs. 2 und 3, 101 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Die als Verpflichtungsklage in Form einer Versagungsgegenklage erhobene Klage ist gemäß § 42 Abs. 1 VwGO statthaft, da es sich – was mittlerweile auch zwischen den Beteiligten unstreitig ist – bei den von der Klägerin begehrten Leitungs- und Anlagenrechtsbescheinigungen nach § 9 Abs. 4 GBBerG i. V. m. § 1 Satz 1 SachenR-DV um – feststellende – Verwaltungsakte, nämlich Außenwirkung entfaltende Einzelfallregelungen auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts im Sinne von § 35 Satz 1 des Verwaltungsverfahrensgesetzes handelt. Die Bescheinigungen dienen gegenüber dem Grundbuchamt als öffentliche Urkunden zum Zweck der Grundbuchberichtigung (vgl. BR-Drs. 916/94, S. 13). Die Klage ist auch im Übrigen, und zwar insbesondere als Untätigkeitsklage gemäß § 75 Satz 1 VwGO zulässig, nachdem der Beklagte über die gegen die Ablehnungsbescheide vom 14. Oktober 2016 erhobenen Widersprüche der Klägerin ohne zureichenden Grund nicht entschieden hat.
Die Klage ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet. Der die Abwasserdruckleitung betreffende Ablehnungsbescheid vom 14. Oktober 2016 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, da sie diesbezüglich einen Anspruch auf Erteilung einer Leitungs- und Anlagenrechtsbescheinigung hat, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO (hierzu unter 1.). Hinsichtlich der zwei Erdbecken besteht ein solcher Anspruch dagegen nicht (hierzu unter 2.).
1. Die Klägerin hat gegenüber dem Beklagten Anspruch auf Erteilung einer Leitungs- und Anlagenrechtsbescheinigung für den auf dem Gebiet des Beklagten verlaufenden Teil der Abwasserdruckleitung DN 250 Asbestzement.
Anspruchsgrundlage ist § 9 Abs. 4 Satz 1 GBBerG i. V. m. § 1 Satz 1 SachenR-DV.
Gemäß § 9 Abs. 4 Satz 1 GBBerG bescheinigt die nach dem Energiewirtschaftsgesetz zuständige Landesbehörde einem Versorgungsunternehmen auf dessen Antrag hin, welches Grundstück in welchem Umfang mit einer Dienstbarkeit im Sinne von Absatz 1 Satz 1 der Regelung belastet ist. Nach § 9 Abs. 1 Satz 1 GBBerG wird zum Besitz und Betrieb sowie zur Unterhaltung und Erneuerung von Energieanlagen auf Leitungstrassen, die am 3. Oktober 1990 in dem in Art. 3 des Einigungsvertrages genannten Gebiet genutzt waren, zugunsten des Versorgungsunternehmens, das die jeweilige Anlage bei Inkrafttreten dieser Vorschrift betreibt, am Tage des Inkrafttretens dieser Vorschrift eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit an den Grundstücken begründet, die von der Energieanlage in Anspruch genommen werden. Diese Regelungen gelten gemäß § 1 Satz 1 der auf Grund der in § 9 Abs. 9 Satz 1 GBBerG enthaltenen Ermächtigung erlassenen Sachenrechtsdurchführungsverordnung u.a. auch für Anlagen der öffentlichen Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung, insbesondere Leitungen und Pumpstationen, mit Ausnahme jedoch von Wasserwerken und Abwasserbehandlungsanlagen. Gemäß § 3 SachenR-DV sind für die Durchführung des Bescheinigungsverfahrens für diese wasserwirtschaftlichen Anlagen die unteren Wasserbehörden – und damit vorliegend der Beklagte – zuständig.
Die Voraussetzungen für die Erteilung der Leitungs- und Anlagenrechtsbescheinigung für die Abwasserdruckleitung der Klägerin sind gegeben.
Bei dieser Leitung handelt es sich um eine wasserwirtschaftliche Anlage im Sinne von § 9 Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 GBBerG, nämlich eine der Abwasserbeseitigung dienende Leitung, die – das hat die Klägerin in ihrem Antrag unbeanstandet versichert – am 3. Oktober 1990 im Beitrittsgebiet genutzt wurde. Da die Klägerin zudem Rechtsnachfolgerin des Betreibers der Anlage im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Sachrechtsdurchführungsverordnung am 11. Januar 1995 ist, vgl. § 7 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4, Abs. 3 Satz 2 SachenR-DV, liegen – was zwischen den Beteiligten ebenfalls unstreitig ist – die Voraussetzungen für die Entstehung der beschränkten persönlichen Dienstbarkeit an den von der Leitung beanspruchten Grundstücken zu Gunsten der Klägerin vor. Die gemäß § 7 Abs. 2 SachenR-DV erforderlichen Unterlagen hat diese ausweislich des beigezogenen Verwaltungsvorganges ihrem Antrag beigefügt, so dass ihr die Leitungs- und Anlagenrechtsbescheinigung zu erteilen war.
Entgegen der Auffassung des Beklagten steht die Regelung des § 7 Abs. 3 Satz 1 SachenR-DV dem nicht entgegen. Hiernach darf die Bescheinigung bei den in § 4 Abs. 1 Nr. 2 lit. b bis d SachenR-DV genannten Anlagen und Einrichtungen – das sind die in § 9 Abs. 9 Satz 1 GBBerG aufgeführten wasserwirtschaftlichen Anlagen – nur erteilt werden, wenn die Anlagen und Einrichtungen öffentlichen Zwecken dienen.
Dies ist bei der hier betroffenen Abwasserdruckleitung, die als Teil des öffentlichen Abwasserbeseitigungssystems der Klägerin errichtet worden ist und am insoweit maßgeblichen Stichtag 3. Oktober 1990 zweckentsprechend genutzt wurde, der Fall.
Anders als der Beklagte offensichtlich meint, normiert die Regelung des § 7 Abs. 3 Satz 1 SachenR-DV diesbezüglich keine zusätzliche materielle Voraussetzung für die Erteilung der Leitungs- und Anlagenrechtsbescheinigung. Vielmehr werden schon nach § 9 Abs. 9 GBBerG i. V. m. § 1 SachenR-DV Dienstbarkeiten nur für solche Anlagen begründet, die im öffentlichen Interesse betrieben werden (vgl. BT-Drs. 12/6228, S. 79; BR-Drs. 916/94, S. 30). Mit anderen Worten enthält die Aufzählung des § 9 Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 bis 3 GBBerG nur öffentlichen Zwecken dienende wasserwirtschaftliche Anlagen. § 7 Abs. 3 Satz 1 SachenR-DV sieht deshalb (lediglich) eine Prüfung dieser Voraussetzung durch die Bescheinigungsbehörde vor (vgl. BR-Drs. 916/94, S. 30), was sich auch aus dem systematischen Normzusammenhang ergibt, da die Regelung des § 7 SachenR-DV das Bescheinigungsverfahren und den Prüfungsumfang der Bescheinigungsbehörde regelt.
Ob eine Anlage öffentlichen Zwecken dient, bestimmt sich nach ihrer Zweckbestimmung, also danach, ob sie öffentlichen – und nicht lediglich privaten – Interessen zu dienen bestimmt ist. Ob die Anlage (nach dem 3. Oktober 1990) auch tatsächlich genutzt wird, ist dagegen in diesem Zusammenhang entgegen der Auffassung des Beklagten ohne Bedeutung. Weder das Grundbuchbereinigungsgesetz noch die Sachenrechts-Durchführungsverordnung stellen für die Entstehung der Dienstbarkeit im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Vorschriften auf eine tatsächliche Nutzung der Anlagen und Einrichtungen ab (vgl. auch Bundesgerichtshof, Urteil vom 28. November 2003 – V ZR 129/03 –, juris Rn. 21), der zentrale Begriff ist insoweit vielmehr der des „Betreibens“ (vgl. § 9 Abs. 1 Satz 1 GBBerG, § 1 Satz 3 SachenR-DV).
Mit dem weiten Begriff des Betreibers (vgl. BR-Drs. 916/94, S. 16 f.) werden gemeinhin diejenigen bezeichnet, die Anlagen im eigenen Namen, auf eigene Rechnung und in eigener Verantwortung führen, also einen bestimmenden Einfluss auf die Einrichtung, Beschaffenheit und den Betrieb der Anlage ausüben. Betreiber:innen sind mithin derjenigen, die über die Benutzung der Anlage bestimmen; ob sie sie tatsächlich nutzen, ist dagegen unerheblich. Folglich hindert schon die Nichtnutzung einer von § 9 Abs. 1 Satz 1 GBBerG erfassten Leitung am maßgeblichen Stichtag das Entstehen einer Dienstbarkeit nicht (vgl. zum Ganzen: Bundesgerichtshof, Urteil vom 26. November 2021 – V ZR 273/20 –, juris Rn. 21 ff.); umso weniger vermag eine spätere Einstellung der tatsächlichen Nutzung als Argument dafür zu dienen, die Erteilung der Leitungs- und Anlagenrechtsbescheinigung, die das Entstehen der Dienstbarkeit am Stichtag dokumentiert, zu verweigern.
Soweit der Beklagte der Auffassung ist, er habe bei der Entscheidung über die Erteilung der Leitungs- und Anlagenrechtsbescheinigung zu berücksichtigen, ob die Dienstbarkeit aktuell noch besteht, damit die Erteilung der Bescheinigung nicht zur Eintragung einer schon im Zeitpunkt der Eintragung mit einem Löschungsanspruch belasteten Dienstbarkeit und damit zur Unrichtigkeit des Grundbuches führt, verkennt er den Inhalt sowohl der Bescheinigung als auch seiner Prüfungsbefugnisse.
Die Leitungs- und Anlagenrechte nach § 9 Abs. 1 und 9 GBBerG, § 1 Satz 1 SachenR-DV sind kraft Gesetzes entstanden. Ziel der Vorschriften ist es, Anlagen der öffentlichen Energie- und Wasserversorgung sowie der Abwasserentsorgung sachgerecht abzusichern (vgl. Bundesgerichtshof, Urteil vom 28. November 2003 – V ZR 129/03 –, juris Rn. 16). Die in § 9 Abs. 4 und 5 GBBerG, § 7 SachenR-DV normierte Ermächtigung zur Erteilung einer Leitungs- und Anlagenrechtsbescheinigung umfasst nicht die Befugnis, den Inhalt des Rechtes verbindlich festzulegen, zu verändern oder dessen Fortbestand zu hinterfragen. Die Behörde bescheinigt den Berechtigten vielmehr nur, welche Rechte sie kraft Gesetzes erworben haben (vgl. auch Bundesgerichtshof, Urteil vom 9. Mai 2014 – V ZR 176/13 –, juris Rn. 9 ff.). Dementsprechend ist es auch nicht Aufgabe der Behörde, bei der Erteilung der Leitungs- und Anlagenrechtsbescheinigung die Rechte der betroffenen Grundstücks- und Gebäudeeigentümer einzubeziehen. Diese werden vielmehr durch die Bescheinigung nicht abgeschnitten (vgl. BT-Drs. 12/6228, S. 78; BR-Drs. 916/94, S. 24), sondern können – nach dem Willen des Gesetzgebers zumutbar – gemäß § 9 Abs. 5 Satz 4 GBBerG auf dem ordentlichen Rechtsweg verfolgt werden (vgl. ebenso Bundesgerichtshof, Urteil vom 9. Mai 2014 – V ZR 176/13 –, a. a. O., Rn. 10 f.; Thüringer Oberlandesgericht, Beschluss vom 30. Mai 2012 – 9 W 240/12 –, juris Rn. 3). Darauf, ob die beschränkte persönliche Dienstbarkeit hier durch die Aufgabe der Nutzung der Abwasserdruckleitung im Jahre 2013 – wie der Beklagte meint – wegen Vorteilswegfalls erloschen ist, kommt es vorliegend nach alledem nicht an.
2. Hinsichtlich des Absetz- und des Sickerbeckens hat die Klägerin dagegen keinen Anspruch auf Erteilung einer Leitungs- und Anlagenrechtsbescheinigung. Der diesbezügliche Ablehnungsbescheid des Beklagten vom 14. Oktober 2016 ist vielmehr rechtmäßig und verletzt die Klägerin daher nicht in ihren Rechten.
Bei den beiden Erdbecken handelt es sich entgegen der Auffassung der Klägerin um eine Abwasserbehandlungsanlage, die der Gesetzgeber in § 9 Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 GBBerG ausdrücklich von der Erstreckungsermächtigung ausgenommen hat und die deshalb vom Anwendungsbereich der Sachenrechts-Durchführungsverordnung nicht erfasst wird.
Abwasserbehandlungsanlagen sind nach der Legaldefinition des § 64 Satz 1 des Brandenburgischen Wassergesetzes Einrichtungen, die dazu dienen, die Schädlichkeit des Abwassers zu vermindern oder zu beseitigen und den anfallenden Klärschlamm für eine ordnungsgemäße Entsorgung aufzubereiten. Umfasst sind alle physikalischen, biologischen und chemischen Verfahren der Abwasserbehandlung (vgl. BeckOK UmweltR/Schulz WHG, § 54 Rn. 20). Sie stellen, wie sich sowohl aus dem gesetzlichen Wortlaut als auch der Regelungssystematik der §§ 60 Abs. 1 Satz 1 und 2, 54 Abs. 2 WHG ergibt, Unterformen der der Abwasserbeseitigung dienenden Abwasseranlagen dar. Abwasserbeseitigung umfasst das Sammeln, Fortleiten, Behandeln, Einleiten, Versickern, Verregnen und Verrieseln von Abwasser sowie das Entwässern von Klärschlamm in Zusammenhang mit der Abwasserbeseitigung, § 54 Abs. 2 WHG. Das Behandeln von Abwasser ist also ein Verfahren der Beseitigung. Von diesem Verständnis ist ersichtlich auch der Gesetzgeber im Rahmen der Erstreckungsermächtigung des § 9 Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 GBBerG ausgegangen, wie der eindeutige Wortlaut („mit Ausnahme“) belegt.
Die hier betroffenen zwei Erdbecken wurden – so hat es die Klägerin in ihrer Stellungnahme vom 7. September 2016 erläutert – Anfang der 1970er Jahre als Bestandteile einer Kläranlage errichtet. Entsprechend enthält auch die wasserrechtliche Nutzungsgenehmigung der Staatlichen Gewässeraufsicht der DDR vom 15. Februar 1984 unter Ziffer 4.9 die Auflage, dass die „Anlage zur Versickerung und Versenkung in den Untergrund“ entsprechend der jeweiligen bautechnischen Anforderungen unter Einhaltung namentlich der Festlegungen der „Kleinkläranlagen“ betreffenden TGL-Norm auszuführen sei. Absetzbecken in Kläranlagen werden, hierauf hat der Beklagte zutreffend verwiesen, zur Reinigung von Abwässern verwendet, indem durch die Absetzwirkung dekantierbare Feststoffe, die schwerer als Waser sind, aus dem Abwasser entfernt werden. Beim anschließenden Versickern wird das Abwasser weiter gefiltert. Hierbei handelt sich um physikalisch-mechanische Reinigungsverfahren, die die Schädlichkeit des Abwassers zu vermindern bestimmt sind, bevor es dem Grundwasser zugeleitet wird (vgl. zur begrifflichen Gleichsetzung von Kläranlagen und Abwasserbehandlungsanlagen auch: BT-Drs. 12/6228, S. 79). Der Vortrag der Klägerin, bei den Becken handele es sich um eine „rein mechanische Anlage zur Versickerung von Mischabwasser“ vermag dem nicht wirkungsvoll entgegenzutreten, da es die mit der Versickerung einhergehenden mechanischen (sic!) Reinigungsvorgänge in Absetz- und Sickerbecken nicht in Frage stellt. Ob die Anlage heutigen Standards moderner Abwasserbehandlung entspricht, ist im hiesigen Zusammenhang ohne Bedeutung.
Ein Ausschluss der verfahrensgegenständlichen Erdbecken aus dem Anwendungsbereich der Sachenrechts-Durchführungsverordnung entspricht auch dem Sinn und Zweck der gesetzgeberischen Differenzierung. Ausweislich der Begründung des Gesetzentwurfes der Bundesregierung zu einem Registerverfahrensbeschleunigungsgesetz gehören zu den von der Erstreckungsermächtigung in § 9 Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 GBBerG erfassten Wasserversorgungs- und Abwasserbeseitigungsanlagen in erster Linie Leitungen und Pumpstationen, aber auch Versorgungswege und ähnliche Anlagen. Dass das Dienstbarkeitensystem auf Wasserwerke und Abwasserbehandlungsanlagen (= Kläranlagen) nicht erstreckt werden könne, wird damit begründet, dass diese Anlagen die betreffenden Grundstücke auf Dauer und vollständig in Anspruch nähmen. Hierfür sei die Dienstbarkeit nicht das geeignete rechtliche Instrumentarium, vielmehr müsse insoweit ein Ankauf oder eine Enteignung des Grundstückes zu den üblichen Bedingungen erfolgen (vgl. BT-Drs. 12/6228, S. 79). Der Grund für die Ausnahme liegt also im Umfang der Inanspruchnahme der betroffenen Grundstücke (vgl. ebenso Zimmermann, Rechtshandbuch Vermögen und Investitionen in der ehemaligen DDR, Band III, 73. EL, § 9 GBBerG Rn. 86), der eine Nutzung der Grundstücke durch die Grundstückseigentümer selbst gleichsam ausschließt bzw. marginalisiert. Dies trifft auch auf die ausweislich der vorgelegten Lagepläne räumlich weitflächigen, an der Oberfläche der Grundstücke belegenen und diese damit (nahezu) vollständig in Anspruch nehmenden Erdbecken zu.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO; § 161 Abs. 3 VwGO findet hier keine Anwendung. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung.