Gericht | FG Berlin-Brandenburg 2. Senat | Entscheidungsdatum | 04.05.2022 | |
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Aktenzeichen | 2 K 2193/21 | ECLI | ECLI:DE:FGBEBB:2022:0504.2K2193.21.00 | |
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen |
Der Beklagte wird unter Aufhebung des Ablehnungsbescheids vom 1. November 2021 verpflichtet, die Umsatzsteuerfestsetzung für 2018 dahingehend zu ändern, dass Vorsteuern i.H.v. 912.082,07 € berücksichtigt werden.
Die Revision zum Bundesfinanzhof wird zugelassen.
Die Kosten des Verfahrens werden dem Beklagten auferlegt.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der Klägerin abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Streitig ist, ob die Klägerin einen Anspruch auf Änderung der Umsatzsteuerfestsetzung für 2018 dergestalt hat, dass ihr ein Anspruch auf Vorsteuererstattung in Höhe von 912.082,07 € zusteht.
Die Klägerin ist eine am 19. Oktober 2009 in I… gegründete und dort ansässige Gesellschaft mit beschränkter Haftung (Ltd.), deren Zweck der globale Handel mit Rohstoffprodukten und dazugehörigen Transportleistungen sowie das globale Marketing ist.
Nachdem die Klägerin zunächst überwiegend im asiatischen Raum tätig gewesen war, kam es im Jahr 2018 erstmals zu einem in Deutschland steuerbaren Geschäft. Im April/Juni 2018 schloss die Klägerin mit der Lieferantin B… Ltd. und mit der Abnehmerin C… (mittlerweile unter D… firmierend) jeweils einen Rahmenvertrag über den (globalen) Verkauf von Liquified Petroleum Gas (im Folgenden: LPG).
Auf der Grundlage des Rahmenvertrags kaufte die Klägerin am 14. September 2018 20.275,92 Metric Tonnes (im Folgenden: MT) LPG von B… Ltd.. Gleichzeitig verkaufte sie das LPG an D…. Das LPG wurde mit dem Tanker „E…“ von F… (Großbritannien) im September 2018 nach G… (Deutschland, 8.925,00 MT) und H… (Frankreich, 11.350,92 MT) geliefert. Weitere Inlandsumsätze erzielte die Klägerin weder im Streitjahr 2018 noch in den Folgejahren.
Die Klägerin stellte D… ihre Lieferung von 8.925,00 MT in G… am 11. Oktober 2018 mit Umsatzsteuer in Höhe von 1.037.841,30 US$ (entspricht 896.933,19 €) in Rechnung.
B… Ltd. rechnete die Gesamtlieferung von 20.275,92 MT an die Klägerin – ohne zwischen der Lieferung nach G… und nach H… zu differenzieren – mit einer Gesamtrechnung vom 12. Dezember 2018 ab. Diese Rechnung wies lediglich den Nettobetrag der Lieferung (12.449.921,78 US$) und somit keine Umsatzsteuer aus. Dies beruhte nach Auskunft der Klägerin darauf, dass beide Vertragsparteien irrtümlich zunächst davon ausgegangen waren, dass die Lieferung der Umsatzsteuerlagerregelung unterfallen würde.
Am 27. Dezember 2018 beantragte die Klägerin beim Beklagten die Registrierung als umsatzsteuerliche Unternehmerin. Sie teilte dem Beklagten mit, es sei 2018 erstmalig zu einer in Deutschland für umsatzsteuerliche Zwecke relevanten Transaktion gekommen. Im September 2018 habe sie von einem Lieferanten Propangas erworben und anschließend an einen Kunden weiterveräußert. Während des An- und Verkaufs habe sich das LPG in Deutschland befunden, sodass es sich jeweils um Inlandslieferungen handele. Die Bemessungsgrundlage der Lieferung an D… belaufe sich auf 4.685.070,01 € und die Umsatzsteuer auf 890.163,30 €. Die Bemessungsgrundlage des Eingangsumsatzes von B… Ltd. betrage 4.700.380,08 € und die Vorsteuer 893.072,21 €. Daraus ergebe sich ein Erstattungsbetrag von 2.908,91 €. Es liege jedoch noch keine zum Vorsteuerabzug berechtigende Rechnung von B… Ltd. vor. Den Gesamtumsatz für das Folgejahr 2019 schätzte die Klägerin mit 0,- €.
Der Beklagte erteilte der Klägerin am 22. Januar 2019 mit Wirkung zum 1. September 2018 eine Umsatzsteuernummer.
Am 23. Januar 2019 – ergänzt am 25. Januar 2019 – erstellte B… Ltd. eine korrigierte Rechnung an die Klägerin, die sich nur auf die in G… gelieferten 8.925,00 MT bezog und eine Umsatzsteuer (19 %) von 1.041.232,89 US$ auswies. Dies entsprach nach dem Umrechnungskurs von Januar 2019 912.082,07 €. Die Vorsteuerabzugsberechtigung aus dieser Rechnung ist Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits.
Die Klägerin übermittelte am 16. August 2019 die Umsatzsteuer-Jahreserklärung für 2018, mit der sie eine Umsatzsteuer in Höhe von 890.163,30 € erklärte. Den streitigen Vorsteuerbetrag i.H.v. 912.082,07 € berücksichtigte die Klägerin in der Erklärung nicht. Die Steuererklärung steht gem. § 168 Satz 1 Abgabenordnung -AO- einer Steuerfest-setzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gem. § 164 Abs. 1 AO gleich.
Zugleich übermittelte die Klägerin eine Umsatzsteuer-Voranmeldung für Januar 2019, mit der sie Vorsteuern und einen in der Höhe identischen Erstattungsbetrag in Höhe von 912.082,07 € erklärte, und beantragte die Verrechnung der Umsatzsteuer 2018 (890.163,30 €) mit dem zu erwartenden Erstattungsbetrag aus der Umsatzsteuer-Voranmeldung für Januar 2019 (912.082,07 €).
Der Beklagte lehnte die beantragte Verrechnung ab und erklärte, das allgemeine Besteuerungsverfahren gem. § 16 und § 18 Abs. 1 bis 4 Umsatzsteuergesetz -UStG- sei nur für das Jahr 2018 durchzuführen. Für den Veranlagungszeitraum 2019 habe die Klägerin keine inländischen Umsätze erzielt, sodass der Vorsteuerabzug im Jahr 2019 nicht im allgemeinen Besteuerungsverfahren geltend gemacht werden könne. Auch eine Erstattung im Vorsteuervergütungsverfahren gem. § 18 Abs. 9 UStG i.V.m. §§ 59 ff. Umsatzsteuerdurchführungsverordnung -UStDV- komme nicht in Betracht, da keine Gegenseitigkeit gegeben sei (Verweis auf Abschn. 18.11 Umsatzsteueranwendungserlass -UStAE-, BMF-Schreiben vom 17. Oktober 2014, BStBl I 2014, 1369).
Mit Bescheid vom 14. Februar 2020 lehnte der Beklagte auch die Bearbeitung der Umsatzsteuer-Voranmeldung für 2019 ab. Dagegen richtete sich der Einspruch der Klägerin, den der Beklagte mit einer Einspruchsentscheidung vom 30. April 2020 als unbegründet zurückwies. Mit der unter dem Az. 2 K 2107/20 geführten Klage begehrte die Klägerin weiterhin die Berücksichtigung der streitigen Vorsteuer im Rahmen der Umsatzsteuerfestsetzung für 2019. Der Senat hat die Klage mit Urteil vom 30. August 2021, auf das der Senat wegen der Einzelheiten verweist, abgewiesen und dies im Wesentlichen damit begründet, dass für den Veranlagungszeitraum 2019 die Voraussetzungen für die vorrangige Anwendung des Vergütungsverfahrens gem. § 18 Abs. 9 UStG i.V.m. §§ 59 ff. UStDV vorliegen, sodass das Regelbesteuerungsverfahren ausgeschlossen ist. Das Urteil ist nicht rechtskräftig, da die Klägerin Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt hat, die beim BFH unter dem Az. XI B 86/21 geführt wird.
Das Bundeszentralamt für Steuern -BZSt- hat bislang die Berücksichtigung des streitigen Vorsteuerbetrags im Vorsteuervergütungsverfahren gem. § 18 Abs. 9 UStG i.V.m. §§ 59 ff. UStDV unter Hinweis auf die fehlende Gegenseitigkeit versagt. Das Verfahren beim BZSt ist noch nicht abgeschlossen (Az. des BZSt: 7106009/SG – RBL 117588).
Bereits am 23. Juni 2021 hatte die Klägerin vorsorglich die Änderung der Umsatzsteuerfestsetzung für das Streitjahr 2018 beantragt und den Vorsteuerabzug aus der Lieferung von B… Ltd. geltend gemacht.
Der Beklagte lehnte den Änderungsantrag mit Bescheid vom 1. November 2021 ab und führte zur Begründung aus, der Besitz einer Rechnung mit offenem Steuerausweis sei nicht lediglich eine formelle Voraussetzung, sondern eine materielle Voraussetzung, um den Gleichlauf der Steuerbelastung des Leistenden mit dem Vorsteuerabzug des Leistungsempfängers sicher zu stellen. Dies setze einen offenen Steuerausweis voraus, weil sonst Zweifel bestünden, ob und in welcher Höhe die Steuer in dem Zahlbetrag enthalten sei und die materiellen Vorsteuerabzugsvoraussetzungen vorlägen. Eine rückwirkend berichtigungsfähige Rechnung liege nur dann vor, wenn das Dokument u.a. Angaben zur gesondert ausgewiesenen Umsatzsteuer enthalte. Ein bisher nicht ausgewiesener Rechnungsbetrag könne nicht rückwirkend berichtigt werden. Der erstmalige Steuerausweis in einer berichtigten Rechnung sei mit dem erstmaligen Erstellen einer Rechnung gleichzusetzen und entfalte keine Rückwirkung. Somit könne im Streitfall der Vorsteuerabzug erst zu dem Zeitpunkt in Anspruch genommen werden, in dem der Rechnungsaussteller die Rechnung berichtigt habe. Eine Änderung der Steuerfestsetzung für 2018 scheide aus.
Dagegen hat die Klägerin am 1. Dezember 2021 Sprungklage erhoben. Der Beklagte hat der Sprungklage innerhalb eines Monats nach Zustellung der Klageschrift i.S.v. § 45 Abs. 1 Satz 1 FGO zugestimmt.
Die Klägerin macht zur Begründung der Klage geltend, nach dem Prinzip der Neutralität der Mehrwertsteuer solle ein als solcher handelnder Unternehmer vollständig von der ihm in Rechnung gestellten Umsatzsteuer entlastet werden. Der Zweck des Vorsteuerabzugs liege darin, die Wettbewerbsneutralität sicherzustellen, indem der Unternehmer von der Umsatzsteuer, die auf den Bezügen für das Unternehmen ruhe, entlastet werde. Dieser Entlastungszweck sei bei der Auslegung des § 15 Abs. 1 UStG zu beachten. Die Versagung des Vorsteuerabzugs verletze vorliegend das Prinzip der Neutralität und führe zu einer rechtswidrigen Schädigung der Klägerin sowie zu einer rechtswidrigen Bereicherung des Fiskus.
Das Recht auf Abzug der Vorsteuer gem. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG sei unstreitig entstanden. Die Klägerin sei Unternehmerin. Sie habe das ihr von B… Ltd. gelieferte LPG zur Bewirkung einer steuerpflichtigen Lieferung im Rahmen ihres Unternehmens verwendet. Die materiellen Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG seien daher erfüllt.
Für den Vorsteuerabzug sei nach Art. 167 Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem -MwStSystRL- der Zeitpunkt des Leistungsbezugs maßgeblich. Lägen zu diesem Zeitpunkt die Voraussetzungen vor, entstehe der Vorsteuerabzug sofort und endgültig. Die Steuer für die Lieferung an die Klägerin sei nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a UStG mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem die Leistung ausgeführt worden sei, entstanden. Die den Vorsteuerabzug begründende Lieferung sei im Voranmeldungszeitraum September 2018 an die Klägerin bewirkt worden. Der materiell-rechtliche Anspruch auf Abzug der auf der Eingangsleistung lastenden Umsatzsteuer als Vorsteuer sei daher mit Ablauf dieses Voranmeldungszeitraums entstanden.
Sei das Recht auf den Vorsteuerabzug entstanden, dürfe es nicht beliebig durch Verfahrensvorschriften eingeschränkt oder gar versagt werden. Ein derartiges Vorgehen widerspreche dem Grundsatz der Neutralität der Mehrwertsteuer. Wäre die Rechnung vom 12. Dezember 2018 bereits vollständig gem. § 14 Abs. 4 UStG – also mit Umsatzsteuer – ausgestellt worden, hätte es weder am Recht zum Vorsteuerabzug noch an dessen Ausübung im allgemeinen Besteuerungsverfahren einen Zweifel gegeben. Auf die Erstellung der korrekten Rechnung durch B… Ltd. habe die Klägerin aber keinen Einfluss gehabt. Durch die Rechnungsstellung im Januar 2019 habe B… Ltd. innerhalb des von § 14 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Satz 2 UStG gesetzten zeitlichen Rahmens gehandelt, der den leistenden Unternehmer zu einer Rechnungsstellung innerhalb von sechs Monaten nach Ausführung der Leistung verpflichte. Einem im Ausland ansässigen Unternehmer den Vorsteuerabzug nur zu gestatten, wenn die Rechnung noch im selben Kalenderjahr ausgestellt werde, würde zu dem widersinnigen Ergebnis führen, dass im Ausland ansässige Unternehmer nur für bezogene Leistungen im ersten Kalenderhalbjahr berechtigt seien, oder weitere Umsätze im folgenden Kalenderjahr ausführen müssten. Die Versagung des Vorsteuerabzugs allein aus dem Grund, weil innerhalb der gesetzlichen Frist zur Rechnungsstellung kein weiterer Umsatz ausgeführt worden sei, widerspreche den Grundsätzen des Gesetzes. Allein die Tatsache des zeitlichen Auseinanderfallens von Leistungsbezug und Rechnungserteilung könne nicht dazu führen, dass die Klägerin auf ein Besteuerungsverfahren verwiesen werde, dessen Anwendung zur Versagung des bereits entstandenen Rechts zum Vorsteuerabzug führe.
Der Besitz einer Rechnung habe eine dienende Funktion und sei kein Selbstzweck. Es bedürfe der Rechnung nicht, wenn die Voraussetzungen für das Entstehen eines materiell-rechtlichen Anspruchs zur Gewissheit von Finanzbehörde und des Gerichts vorlägen. Mängel an dem Dokument dürften dann, zumal wenn sie beseitigt seien, nicht zum Zwecke der Vereitelung der gesetzlichen Rechtsfolge instrumentalisiert werden.
Der Beklagte verfüge über die Informationen, dass die Klägerin, an deren Unternehmereigenschaft keine Zweifel bestünden, die besteuerte Eingangsleistung der B… Ltd. für die besteuerte Ausgangsleistung an D… verwendet habe. Es könne dahinstehen, ob es sich bei der vorliegenden Konstellation um einen der ganz seltenen Ausnahmefälle handele, in denen der EuGH einen Vorsteuerabzug auch ohne Rechnung für möglich halte, da die Klägerin im Besitz einer ordnungsgemäßen Rechnung sei.
Nach der Rechtsprechung des EuGH komme ein Vorsteuerabzug ohne Rechnung grundsätzlich nicht in Betracht. Wenn über eine Leistung aber zunächst fehlerhaft abgerechnet worden sei, wirke die Berichtigung auf den Zeitpunkt der erstmaligen – fehlerhaften – Abrechnung zurück.
Der fehlende Steuerausweis in dem ursprünglich fehlerhaften Dokument stelle keine Angabe dar, die in so hohem Maße unbestimmt, unvollständig oder offensichtlich unzutreffend sei, dass sie einer fehlenden Angabe gleichstehe. Die Parteien – insbesondere die Rechnungsausstellerin – seien davon ausgegangen, dass die abgerechnete Leistung nicht im Inland steuerbar sei. Es handele sich daher nicht um eine fehlende Angabe, sondern um beredtes Schweigen. Daher seien die von der Rechtsprechung aufgestellten Anforderungen an eine berichtigungsfähige Rechnung erfüllt. Der BFH habe keine Mindestanforderungen an Rechnungen für deren Berichtigungsfähigkeit gestellt. Eine berichtigungsfähige Rechnung setze nicht voraus, dass diese Angaben u.a. zur gesondert ausgewiesenen Umsatzsteuer enthalte. Dies folge aus der Formulierung des BFH „jedenfalls“. Der Beklagte gehe zu Unrecht davon aus, dass die Rechnung materielle Voraussetzung des Vorsteuerabzugs sei. Tatsächlich handele es sich nach der Rechtsprechung des EuGH, der sich der BFH und das BMF angeschlossen hätten, um eine formelle Voraussetzung. Dem Beklagten sei jedoch zuzustimmen, soweit dieser auf den Gleichlauf von Steuerbelastung des Leistenden und Vorsteuerabzug des Leistungsempfängers hinweise. Es bestünden auch ohne Steuerausweis keine ernstlichen Zweifel daran, ob und in welchem Umfang die Steuer in dem Zahlbetrag enthalten sei.
Die Klägerin beantragt,
den Beklagten unter Aufhebung des Ablehnungsbescheids vom 1. November 2021 zu verpflichten, die Umsatzsteuer für 2018 unter Berücksichtigung eines Vorsteuerbetrags i.H.v. 912.082,07 € festzusetzen,
hilfsweise, die Revision zuzulassen,
die Kosten des Verfahrens dem Beklagten aufzuerlegen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen und, hilfsweise, die Revision zuzulassen.
Er wiederholt zur Begründung seinen Vortrag aus dem Ablehnungsbescheid vom 1. November 2021, wonach die Rechnung vom 12. Dezember 2018 mangels Umsatzsteuerausweises keine berichtigungsfähige Rechnung sei. Ergänzend weist er darauf hin, dass es sich bei der Rechnung vom 12. Dezember 2018 um eine zusammengefasste Netto-Rechnung handele. Erst im Rahmen der Berichtigung im Jahr 2019 sei für das Finanzamt eindeutig nachvollziehbar geworden, welche Teilbeträge auf die umsatzsteuerpflichtige Lieferung nach Deutschland und auf die nicht steuerbare Lieferung nach Frankreich entfallen seien.
A. Die zulässige Sprungklage ist begründet. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Abzug der streitigen Vorsteuer i.H.v. 912.082,07 € im Streitjahr 2018 und damit auf eine entsprechende Änderung der Umsatzsteuerfestsetzung 2018 (§ 101 Finanzgerichtsordnung
-FGO-). Der Beklagte hat die beantragte Änderung der Umsatzsteuerfestsetzung 2018 zu Unrecht abgelehnt.
I. Die Klägerin ist – was zwischen den Beteiligten auch nicht im Streit steht – für das Streitjahr 2018 im Regelbesteuerungsverfahren gem. § 18 Abs. 3 UStG zu veranlagen. Das Vorsteuervergütungsverfahren gem. § 18 Abs. 9 UStG i.V.m. §§ 59 ff. UStDV findet keine Anwendung, da die Klägerin mit der Lieferung des LPG an D… im September 2018 eine im Inland steuerbare Lieferung i.S.v. § 1 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 3 Abs. 1 UStG ausgeführt hat.
II. Ein Anspruch der Klägerin auf Abzug der Vorsteuer i.H.v. 912.082,07 € aus der Lieferung von B… Ltd. setzt neben der – hier unstreitigen – Leistungserbringung durch B… Ltd. im Grundsatz voraus, dass sich die Klägerin bereits im Streitjahr 2018 im Besitz einer ordnungsgemäßen Rechnung befunden hat.
Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 UStG kann ein Unternehmer die gesetzlich geschuldete Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die von einem anderen Unternehmer für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuer abziehen. Die Ausübung des Vorsteuerabzugs setzt nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 2 UStG voraus, dass der Unternehmer eine nach den §§ 14, 14a UStG ausgestellte Rechnung besitzt.
Nach Unionsrecht entsteht das Recht auf Vorsteuerabzug zu dem Zeitpunkt, zu dem der Anspruch auf die abziehbare Steuer entsteht (Art. 167 MwStSystRL). Dies ist der Zeitpunkt, in dem die Lieferung von Gegenständen bewirkt oder die Dienstleistung erbracht wird (Art. 63 MwStSystRL). Nach Art. 178 Buchst. a MwStSystRL muss der Steuerpflichtige, um das Recht auf Vorsteuerabzug ausüben zu können, für den Vorsteuerabzug nach Art. 168 Buchst. a MwStSystRL in Bezug auf die Lieferung von Gegenständen oder das Erbringen von Dienstleistungen eine gemäß Titel XI Kapitel 3 Abschnitte 3 bis 6 MwStSystRL ausgestellte Rechnung besitzen. Somit kann ein Unternehmer den Vorsteuerabzug erst geltend machen, wenn er in Besitz einer ordnungsgemäßen Rechnung ist (vgl. EuGH-Urteil Terra Baubedarf-Handel vom 29. April 2004 – C-152/02, ECLI:EU:C:2004:268, Leitsatz sowie Rz 38; EuGH-Urteil Wilo Salmson France vom 21. Oktober 2021 – C-80/20, ECLI:EU:C:2021:870, Rz. 71; BFH-Urteil vom 12. März 2020 – V R 48/17, BFHE 268, 443, BStBl II 2020, 604, Rz. 37).
Der Senat braucht im Streitfall nicht zu entscheiden, ob die Rechnung eine materielle Voraussetzung (vgl. BFH-Urteil vom 20. Oktober 2016 – V R 26/15, BStBl II 2020, 593, Rn. 17) oder nur eine formelle Voraussetzung des Vorsteuerabzugs (so EuGH-Urteil Volkswagen vom 21. März 2018 – C-533/16, ECLI:EU:C:2018:204, Rz. 42) darstellt, weil sich aus der unterschiedlichen Qualifizierung vorliegend keine Unterschiede ergeben.
III. Die ursprünglich von B… Ltd. erstellte Rechnung vom 12. Dezember 2018 war nicht ordnungsgemäß und berechtigte die Klägerin nicht zum Vorsteuerabzug.
Eine ordnungsgemäße Rechnung setzt gem. § 14 Abs. 4 Nr. 8 UStG und Art. 226 Nr. 9 und Nr. 10 MwStSystRL u.a. die Angabe des anzuwendenden Steuersatzes sowie des auf das Entgelt entfallenden Steuerbetrages voraus.
Die Rechnung vom 12. Dezember 2018 unterschied jedoch nicht nur nicht zwischen der im Inland steuerbaren Lieferung nach G… und der nicht steuerbaren Lieferung nach H…, sodass schon die Bemessungsgrundlage der Umsatzsteuer nicht ersichtlich war. Sie wies außerdem weder den anzuwendenden Steuersatz noch den auf das Entgelt entfallenden Steuerbetrag aus. Eine zum Vorsteuerabzug berechtigende Rechnung muss jedoch alle von Art. 226 MwStSystRL aufgestellten Anforderungen erfüllen (EuGH-Urteil Pannon Gep Centrum vom 15. Juli 2010 – C-368/09, ECLI:EU:C:2010:441). Da dies zwischen den Beteiligten unstreitig ist, verzichtet der Senat auf weitere Ausführungen.
IV. Im Streitfall ist der Vorsteuerabzug aus der Lieferung der B… Ltd. ausnahmsweise auch ohne ordnungsgemäße Rechnung möglich.
1. Der Senat schließt sich allerdings der Rechtsprechung des BFH an, wonach das grundsätzliche Erfordernis einer Rechnung weder in dem EuGH-Urteil Vӑdan (Urteil vom 21. November 2018 – C-664/16, ECLI:EU:C:2018:933) noch in dem EuGH-Urteil Barlis 06 (Urteil vom 15. September 2016, C-516/14, ECLI:EU:C:2016:690) infrage gestellt wurde (BFH-Urteil vom 12. März 2020 – V R 48/17, BFHE 268, 443, BStBl II 2020, 604, Rz. 37 ff.; vgl. Niedersächsisches Finanzgericht, Urteil vom 17. September 2020 – 11 K 324/19, EFG 2021, 76, Rn. 24 ff. m.w.N.).
In seiner jüngsten Rechtsprechung bekräftigt der EuGH jedoch, dass das Grundprinzip der Neutralität der Mehrwertsteuer verlangt, den Vorsteuerabzug zu gewähren, wenn die materiellen Anforderungen erfüllt sind, selbst wenn der Steuerpflichtige bestimmten formellen Anforderungen nicht genügt hat. Anders verhält es sich nach der Rechtsprechung des EuGH, wenn der Verstoß gegen die formellen Anforderungen den sicheren Nachweis verhindert hat, dass die materiellen Anforderungen erfüllt wurden (EuGH-Urteil Wilo Salmson France vom 21. Oktober 2021 – C-80/20, ECLI:EU:C:2021:870, Rz. 76 f.). Daraus folgert der EuGH, dass nur dann, wenn ein Dokument so fehlerhaft ist, dass der nationalen Steuerverwaltung die zur Begründung eines Erstattungsantrags bzw. des Vorsteuerabzugs erforderlichen Angaben fehlen, davon ausgegangen werden kann, dass ein solches Dokument keine „Rechnung“ im Sinne der Mehrwertsteuerrichtlinie ist (a.a.O. Rz. 81).
2. Im Streitfall ist zu berücksichtigen, dass ein Vorsteuerabzug der Klägerin für 2019 ausgeschlossen sein dürfte. Da diese Frage allerdings nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist, weist der Senat ohne Bindungswirkung lediglich auf Folgendes hin:
a) Der Senat hat mit – nicht rechtskräftigem – Urteil vom 30. August 2021 zum Az.
2 K 2107/20 (Az. des BFH: XI B 86/21) entschieden, dass für den Veranlagungszeitraum 2019 die Voraussetzungen für die vorrangige Anwendung des Vergütungsverfahrens gem. § 18 Abs. 9 UStG i.V.m. §§ 59 ff. UStDV vorliegen, sodass das Regelbesteuerungsverfahren verdrängt ist.
b) Es kommt somit für 2019 nur eine Berücksichtigung der streitigen Vorsteuer im Rahmen des Vorsteuervergütungsverfahrens in Betracht. Vorbehaltlich einer abweichenden Entscheidung des BZSt bzw. des zuständigen FG Köln oder des BFH dürfte eine Berücksichtigung der streitigen Vorsteuer im Vorsteuervergütungsverfahren gem. § 18 Abs. 9 Satz 4 UStG in der im Streitjahr geltenden Fassung ausgeschlossen sein; denn die Klägerin ist in I… ansässig, und I… gehört – was zwischen den Beteiligten nicht streitig ist – zu den Staaten, bei denen die Gegenseitigkeit im Sinne des nicht gegeben ist (vgl. BMF-Schreiben vom 15. März 2021 - III C 3 - S 7359/19/10005:001).
c) Hingegen steht das Gegenseitigkeitserfordernis der Berücksichtigung im Regelbesteuerungsverfahren für den Besteuerungszeitraum 2018 nicht entgegen; denn das Gegenseitigkeitserfordernis gilt für das im Streitjahr 2018 anzuwendende Regelbesteuerungsverfahren gem. § 18 Abs. 3 UStG nicht. Dies folgt im Umkehrschluss aus § 15 Abs. 4b UStG in der im Streitjahr geltenden Fassung, wonach für Unternehmer, die nicht im Gemeinschaftsgebiet ansässig sind und die nur Steuer nach § 13b Abs. 5 UStG schulden, die Einschränkungen des § 18 Abs. 9 Sätze 4 und 5 UStG entsprechend gelten. Die Klägerin schuldet die Steuer für die Lieferung an D… nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG, sodass das Gegenseitigkeitserfordernis nicht gilt.
d) Im Ergebnis würde damit der Klägerin der Vorsteuerabzug versagt, weil sie die formellen Voraussetzungen im Besteuerungszeitraum nicht erfüllt hat, obwohl sie die mit Umsatzsteuer belasteten Eingangsleistungen für die Erbringung steuerbarer und steuerpflichtiger Ausgangsleistung – nämlich die Lieferung an D… – verwendet hat. Darin läge eine Verletzung des Neutralitätsgebotes der Umsatzsteuer. Durch den unmittelbaren Zusammenhang der vorsteuerbelasteten Eingangsleistung mit einer steuerbaren und steuerpflichtigen Ausgangsleistung kann die Versagung des Vorsteuerabzugs im Streitfalls nicht durch das Gegenseitigkeitserfordernis in § 18 Abs. 9 Satz 5 UStG legitimiert werden, weil ein solcher Zusammenhang im Vorsteuervergütungsverfahren typischerweise fehlt. Die Klägerin weist in diesem Zusammenhang außerdem zu Recht darauf hin, dass sie weder Einfluss auf den Zeitpunkt der Rechnungslegung noch auf den Inhalt der Rechnung der Lieferantin B… Ltd. hatte. Es ist auch zu berücksichtigen, dass die Rechnung durch B… Ltd. nicht verspätet, sondern innerhalb der Frist von sechs Monaten gem. § 14 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG ausgestellt worden ist.
e) Sollte der Vorsteuerabzug – entgegen der Rechtsauffassung des Senats – im Rahmen des Regelbesteuerungsverfahrens oder des Vorsteuervergütungsverfahrens für 2019 berücksichtigt werden, wäre die Umsatzsteuerfestsetzung für 2018 nach § 174 Abs. 2 AO zu ändern, um eine doppelte Berücksichtigung der Vorsteuer zu beseitigen.
3. Dem Finanzamt und auch dem Gericht ist es möglich, selbst ohne die erst im Januar 2019 korrigierten Rechnungen die materiellen Anforderungen des Vorsteuerabzugs zu überprüfen.
Der EuGH hat bislang nicht spezifiziert, zu welchem Zeitpunkt das Vorliegen der materiellen Voraussetzungen des Vorsteuerabzugs feststehen muss, um einen Vorsteuerabzug auch ohne Rechnung zu ermöglichen. Nach Auffassung des Senats ist dafür nicht erforderlich, dass diese Voraussetzungen bis zum Ablauf des Besteuerungszeitraums vorliegen, für den der Vorsteuerabzug geltend gemacht wird. Ausreichend ist es vielmehr, wenn bis zum Eintritt der Bestandskraft feststeht, dass der Vorsteuerabzug materiell gerechtfertigt ist und der Vorsteuerabzug – wie vorliegend – nicht in einem anderen Besteuerungszeitraum geltend gemacht werden kann.
Im Streitfall sind die materiellen Voraussetzungen des Vorsteuerabzugs unstreitig gegeben. Dies war für den Beklagten spätestens mit Vorliegen der berichtigten Rechnungen vom 23./25. Januar 2019 – und damit nicht nur vor Eintritt der Bestandskraft der Umsatzsteuerfestsetzung für 2018, sondern sogar schon vor Abgabe der Steueranmeldung und der damit einhergehenden Veranlagung (§ 168 AO) – auch erkennbar.
Darüber hinaus ließ sich der Umfang der Vorsteuerabzugsberechtigung der Klägerin bereits aufgrund der im Jahr 2018 vorliegenden Unterlagen ermitteln. Zwar weist die ursprüngliche Rechnung von B… Ltd. nur die Gesamtlieferung nach G… und H… aus. Die Liefermengen und sonstigen Konditionen der Lieferung in G… sind jedoch in den Ladepapieren des Tankers „E…“ sowie des Hafens G… hinreichend dokumentiert. Die Einzelheiten der in Deutschland steuerbaren Lieferung des LPG folgen zudem aus der Weiterlieferung von 8.925,00 MT LPG durch die Klägerin an D…, die die Klägerin am 11. Oktober 2018 mit Angabe der Menge abgerechnet hat.
V. Hilfsweise weist der Senat darauf hin, dass im Streitfall die zunächst fehlerhafte Rechnung zudem durch die berichtigten Rechnungen vom 23./25. Januar 2019 mit Rückwirkung geheilt worden ist, sodass die Klägerin auch deshalb im Streitjahr 2018 zum Vorsteuerabzug berechtigt ist.
1. Wird zunächst eine Rechnung ausgestellt, die den Anforderungen der §§ 14, 14a UStG nicht entspricht, und wird diese Rechnung später nach § 31 Abs. 5 UStDV berichtigt, ist das Recht auf Vorsteuerabzug gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG aufgrund der berichtigten Rechnung für den Besteuerungszeitraum auszuüben, in dem die Rechnung ursprünglich ausgestellt wurde.
Der EuGH hat mit Urteil Senatex GmbH vom 15. September 2016 (C-518/14, ECLI:EU:C:2016:691) entschieden, dass Art. 167, Art. 178 Buchst. a, Art. 179 und Art. 226 Nr. 3 MwStSystRL einer nationalen Regelung entgegenstehen, wonach der Berichtigung einer Rechnung in Bezug auf eine zwingende Angabe keine Rückwirkung zukommt, so dass das Recht auf Vorsteuerabzug in Bezug auf die berichtigte Rechnung nicht für das Jahr ausgeübt werden kann, in dem diese Rechnung ursprünglich ausgestellt wurde, sondern für das Jahr, in dem sie berichtigt wurde. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG ist deshalb ebenso wie § 31 Abs. 5 UStDV nach der Rechtsprechung des BFH, der sich der Senat anschließt, richtlinienkonform auszulegen. Eine Berichtigung nach dieser Vorschrift wirkt daher auf den Zeitpunkt zurück, in dem die Rechnung ursprünglich ausgestellt wurde (BFH-Urteil vom 12. März 2020 – V R 48/17 –, BFHE 268, 443, BStBl II 2020, 604, Rn. 23).
Eine Rechnung kann nach § 31 Abs. 5 Satz 1 UStDV berichtigt werden, wenn sie nicht alle Angaben nach § 14 Abs. 4 oder § 14a UStG enthält oder Angaben in der Rechnung unzutreffend sind. Ein Dokument ist nach der Rechtsprechung des BFH eine Rechnung und damit berichtigungsfähig, wenn es Angaben zum Rechnungsaussteller, zum Leistungsempfänger, zur Leistungsbeschreibung, zum Entgelt und zur gesondert ausgewiesenen Umsatzsteuer enthält (BFH-Urteil vom 12. März 2020 – V R 48/17 –, BFHE 268, 443, BStBl II 2020, 604, Rn. 23). Eine zum Vorsteuerabzug berechtigende Rechnung hat hinsichtlich der Leistungsbeschreibung nach § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 5 UStG Angaben über die Menge und die Art (handelsübliche Bezeichnung) der gelieferten Gegenstände oder den Umfang und die Art der sonstigen Leistung zu enthalten.
2. Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe wäre eine rückwirkende Berichtigung der Rechnung vom 12. Dezember 2018 allerdings nicht möglich, weil sie in einem so hohen Maße fehlerhaft ist, dass sie nicht als berichtigungsfähig angesehen werden kann, da die Rechnung weder die Umsatzsteuer gesondert ausgewiesen hat noch eine Leistungsbeschreibung enthielt, die es ermöglicht, die Bemessungsgrundlage des Vorsteuerabzugs zu bestimmen. Der Vorsteuerabzug könnte aufgrund der berichtigten Rechnungen vom 23./25. Januar 2019, die nach den genannten Kriterien des BFH aber umsatzsteuerlich als erstmalige Rechnungen zu qualifizieren sind, grundsätzlich im Jahr 2019 geltend gemacht werden, was im Streitfall aber aufgrund der bereits dargelegten Umstände ausscheidet.
3. Nach der Überzeugung des Senats kommt der von B… Ltd. am 23./25. Januar 2019 berichtigten Rechnung aber aufgrund der besonderen Konstellation des Streitfalls und abweichend von der Rechtsprechung des BFH eine Rückwirkung für den Besteuerungszeitraum 2018 zu; denn es ist nicht sachgerecht, im Streitfall die Rückwirkung zu verneinen, da dies zu einem endgültigen Versagen des Vorsteuerabzugs führen würde.
Auch das Niedersächsische Finanzgericht (Urteil vom 17. September 2020 – 11 K 324/19, EFG 2021, 76, Rn. 24 ff., Revision eingelegt, Az. des BFH: V R 33/20) hält eine rückwirkende Berichtigung trotz des fehlenden Ausweises von Umsatzsteuer für möglich, wenn Leistender und Leistungsempfänger irrtümlich von der Anwendung des Reverse-Charge-Verfahrens ausgegangen sind.
Dabei ist zu berücksichtigen, dass B… Ltd. die Rechnungen bereits im Januar 2019 berichtigt hat. Damit wurde die Korrektur zwar erst nach Ablauf des Besteuerungszeitraums vorgenommen, jedoch zu einem so frühen Zeitpunkt, dass bei Ablauf der Abgabefrist der Umsatzsteuererklärung für 2018 feststand, dass und in welchem Umfang die Klägerin zum Vorsteuerabzug berechtigt ist. Es wäre daher nicht gerechtfertigt, den Vorsteuerabzug endgültig allein an dem formellen Kriterium scheitern zu lassen, dass die Rechnung erst im Januar 2019 vorgelegen hat.
B. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Der Senat hat die Revision zugelassen, weil die Frage, unter welchen Voraussetzungen ein Vorsteuerabzug auch bei Vorliegen einer fehlerhaften Rechnung in Betracht kommt, höchstrichterlich nicht abschließend geklärt ist und grundsätzliche Bedeutung hat (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO). Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 151 FGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung - ZPO -.