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Entscheidung 12 W 23/22


Metadaten

Gericht OLG Brandenburg 12. Zivilsenat Entscheidungsdatum 01.08.2022
Aktenzeichen 12 W 23/22 ECLI ECLI:DE:OLGBB:2022:0801.12W23.22.00
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen

Tenor

Die Beschwerde des Prozessbevollmächtigten der Klägerin gegen den Streitwertbeschluss der 3. Zivilkammer des Landgerichts Cottbus, Az. 3 O 163 / 21, wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die Klägerin hat mit der Klage eine Verurteilung der Beklagten dahin begehrt, ihr eine unentgeltliche Auskunft gem. Art. 15 Abs. 3 DSGVO über die bei der Beklagten gespeicherten personenbezogenen Daten durch Übermittlung der vollständigen Behandlungsdokumentation im PDF-Format für den Behandlungszeitraum vom 14.12.2020 bis 19.02.2021 zu erteilen. Bereits in einem Karton übermittelte Krankenhausunterlagen seien unvollständig. Insbesondere fehlten Röntgenaufnahmen sowie MRT- und CT-Berichte. Der Streitwert wurde seitens der Klägerin mit vorläufig 6.000,00 € angegeben. Das Landgericht hat sich mit Beschluss vom 10.09.2021 für sachlich unzuständig erklärt und hat dabei das Auskunftsinteresse der Klägerin mit einem Wert von 1.000,00 € bemessen. Mit der noch beim Landgericht eingegangenen Klageerwiderung vom 14.09.2021 hat die Beklagte in Abrede gestellt, dass die bisher ausgehändigten Behandlungsunterlagen unvollständig seien. Am Tage ihrer Entlassung seien die im System vorliegenden bildgebenden Diagnostik-Aufnahmen auf eine CD aufgebracht und der Klägerin verbunden mit einem Arztbrief übergeben worden, wie es auch sonst der Üblichkeit entspreche. Ohne Anerkennung einer Rechtspflicht hat sie gleichwohl dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin eine CD mit in PDF-Form übertragenen Patientenunterlagen und eine CD mit der bildgebenden Diagnostik übersandt, woraufhin seitens der Klägerin die Klage mit Schriftsatz vom 21.09.2021 zurückgenommen wurde. Mit Schriftsatz vom 20.10.2021 hat der Prozessbevollmächtigte der Beklagten zum Zwecke der Berechnung der Rechtsanwaltsgebühren eine Streitwertfestsetzung beantragt. Mit Beschluss vom 19.11.2021 hat das Landgericht den Streitwert auf 1.000,00 € festgesetzt.

Gegen diesen Beschluss wurde mit Schriftsatz des Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 25.11.2021 Beschwerde eingelegt und beantragt, den Streitwert auf 6.000,00 € festzusetzen, wobei insoweit Bezug genommen wurde auf eine Entscheidung des Landgerichts Dresden vom 29.05.2020, Az. 6 O 76/20. Jedenfalls sei von einem Streitwert von mindestens 5.000,00 € auszugehen.

Das Landgericht hat der Beschwerde mit Beschluss vom 13.06.2022 nicht abgeholfen und die Sache dem Beschwerdegericht zur Entscheidung vorgelegt und hat zur Begründung ausgeführt, der Streitwert eines Begehrens auf Auskunft durch Übermittlung der Patientenakten im PDF-Format unter Berufung auf die DSGVO bemesse sich nach dem Interesse der Klägerpartei auf Auskunft. Für die Klage sei ein Bruchteil (1/10 - 1/4) vom Wert des Anspruchs in Ansatz zu bringen, dessen Geltendmachung er vorbereiten soll. Teilweise werde ein noch geringerer Wert veranschlagt. Bei der Streitwertfestsetzung sei berücksichtigt worden, dass es sich hinsichtlich des Auskunftsbegehrens um grundrechtlich geschützte Positionen handele und dass die Auskunft Grundlage für weitere Ansprüche sein könne.

II.

Die Beschwerde ist zulässig, wobei der Senat die Beschwerde als eine Beschwerde des Prozessbevollmächtigten der Klägerin aus eigenem Recht im Sinne von § 32 Abs. 2 RVG versteht. Die Klägerin würde durch eine Höherstufung des Streitwerts insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Klage zurückgenommen wurde, nicht besser, sondern schlechter gestellt, so dass es an einer Beschwer fehlt. Möglich ist daher nur eine Beschwerde des Prozessbevollmächtigten aus eigenem Recht. Da die Beschwerde nicht ausdrücklich im Namen der Klägerin, sondern letztlich nur allgemein Beschwerde gegen den Beschluss vom 19.11.2021 eingelegt wurde, versteht der Senat dieses Vorgehen dahin, dass es sich um eine Beschwerde des Prozessbevollmächtigten im eigenen Namen handelt. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass der Streitwertbeschluss des Landgerichts ohnehin nur der Berechnung der Rechtsanwaltsgebühren diente, denn allein darauf basierte der Antrag des Beklagtenvertreters im Schriftsatz vom 20.10.2021.

Die weiteren Zulässigkeitsvoraussetzungen orientieren sich an § 68 Abs. 1 GKG. Sie sind gegeben.

In der Sache hat die Beschwerde jedoch keinen Erfolg. Zwar überzeugt die vom Landgericht gegebene Begründung einer Streitwertfestsetzung mit einem Wert von 1.000,00 € nicht, denn dass der Streitwert bei einer begehrten Auskunft nach § 15 DSGVO nach einem Bruchteil vom Wert des Anspruchs, dessen Geltendmachung vorbereitet werden soll, zu bemessen ist, wird für diesen Anspruch, soweit ersichtlich, so in Rechtsprechung und Literatur nicht vertreten und ergibt sich auch nicht aus der vom Landgericht in Bezug genommenen Literaturstelle im ZPO-Kommentar von Zöller. Auf den Bruchteil eines etwaigen noch durchzusetzenden Leistungsanspruchs kann in erster Linie abgestellt werden, wenn der Auskunftsanspruch die Durchsetzung eines etwaigen Leistungsanspruchs vorbereiten soll. Diese Intention liegt aber nicht ohne weiteres dem Anspruch aus Art. 15 DSGVO zugrunde, dem Antragsteller die Wahrnehmung der weiteren Rechte aus der DSGVO zu ermöglichen, also insbesondere das Recht auf Berichtigung nach Art. 16, auf Löschung nach Art. 17 oder auf Einschränkung der Verarbeitung nach Art. 18. Es handelt sich also grundsätzlich nicht um einen vermögensrechtlichen Anspruch, auch wenn durch eine Auskunft über personenbezogene Daten im Sinne von Art. 15 DSGVO Erkenntnisse und Indizien hervorgebracht werden können, die geeignet sind, einen Schadensersatzanspruch zu rechtfertigen.

Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin beruft sich für seine Auffassung, der Wert des Auskunftsinteresses sei mit 6.000,00 € zu bemessen, ausschließlich auf eine Entscheidung des Landgerichts Dresden vom 29.05.2020 und beanstandet, dass das Landgericht eine Auseinandersetzung mit dieser wegweisenden Entscheidung nicht vorgenommen habe. Dies ist in keiner Weise nachvollziehbar. Inwieweit es sich hinsichtlich dieser Entscheidung um ein wegweisendes Urteil handeln soll, erschließt sich nicht. Außer der Feststellung in dem Urteil, dass der Streitwert auf 6.000,00 € festgesetzt wird, enthält die Entscheidung keine weitere Begründung. Diese liefert auch der Prozessbevollmächtigte der Klägerin nicht, so dass nicht nachvollziehbar ist, warum für derartige Klagen ein Wert von grundsätzlich 6.000,00 € festgesetzt werden sollte. Vereinzelt wird ein Wertinteresse von lediglich 500,00 € angenommen (LG Bonn, Urteil vom 01.07.2021, Az. 15 O 355/20; LAG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 18.03.2021, Az. 26 Ta (Kost) 6110/20). Einige Senate des OLG Köln (Beschlüsse vom 03.09.2019, Az. 20 W 10/18; vom 06.02.2020, Az. 20 W 9/19; vom 12.11.2020, Az. 9 W 34/20) und dem folgend auch einige andere Gerichte (vgl. z.B. LG München, Beschluss vom 22.01.2018, Az. 29 O 8286/17) setzen den Streitwert einer Datenauskunftsklage gemäß Art. 15 DSGVO mit 5.000,00 € an, und zwar zum Teil unter Heranziehung von § 48 Abs. 2 GKG, teilweise wird auch auf eine analoge Anwendung von § 23 Abs. 3 S. 2 RVG abgestellt. Dabei geht aus den Entscheidungen des OLG Köln auch hervor, dass im Rahmen der für die Streitwertfestsetzung vorzunehmenden Ermessensentscheidung auch das wirtschaftliche Interesse des Klägers zu berücksichtigen sein kann, wenn mit der Geltendmachung zumindest mittelbar auch ein wirtschaftliches Ziel, wie die Durchsetzung etwaiger Schadensersatzansprüche, im Raume steht. Sofern dies der Fall ist, bewertet das OLG Köln den Streitwert in der Regel mit 5.000,00 €. Ob dem in letzter Konsequenz uneingeschränkt gefolgt werden kann, sei an dieser Stelle dahingestellt. Für den vorliegenden Einzelfall ist jedenfalls zu berücksichtigen, dass der dem Auskunftsanspruch zugrunde liegende Schutz von immateriellen Grundrechtspositionen nur gering zu bewerten ist, da der Klägerin entsprechend ihrem eigenen Vorbringen die Behandlungsunterlagen bereits zuvor in einem Karton übermittelt wurden. Soweit behauptet wurde, dies sei nur unvollständig geschehen, wurde dies im Wesentlichen damit begründet, dass Röntgenaufnahmen und MRT- und CT-Berichte fehlen würden. Aus den Behandlungsunterlagen wurden seitens der Klägerin offenbar auch schon erste Erkenntnisse gewonnen, indem ausgeführt wird, es hätte hinsichtlich des operativen Eingriffs unterschiedliche Meinungen zwischen Anästhesie - und den den Eingriff durchführenden Ärzten gegeben, wobei völlig offen bleibt, was daraus konkret folgen soll. Jedenfalls aber hatte die Klägerin bereits einige aussagekräftige Unterlagen erhalten und soweit sie die Unvollständigkeit damit begründet hat, dass bildgebende Unterlagen nicht vorliegen würden, wurde seitens der Beklagten in der Klageerwiderung unwiderlegt vorgetragen, dass diese der Klägerin bereits bei ihrer Entlassung ausgehändigt wurden, wie dies der ständigen Praxis entspricht. Vor diesem Hintergrund kann dem Interesse der Klägerin, die Behandlungsdokumentation im PDF-Format noch zusätzlich zu erhalten, kein Wert von 5.000,00 € beigemessen werden, sondern deutlich darunter. Das OLG Stuttgart, Urteil vom 17.06.2021, Az. 7 U 325/20 hat den Streitwert für eine Auskunftsklage nach Art. 15 Abs. 1 DSGVO im Übrigen lediglich mit 2.000,00 € bemessen, und zwar insgesamt für drei voneinander unabhängige Auskunftsanträge und das OLG Dresden hat mit Urteil vom 31.08.2021, Az. 4 U 324/21 einen Streitwert von 3.000,00 € festgesetzt, ebenfalls für mehrere geltend gemachte Auskunftsansprüche zusammen. Da vorliegend nur ein Auskunftsanspruch geltend gemacht wird und das Auskunftsinteresse der Klägerin bereits im Vorfeld der Klage, wie ausgeführt, als ohnehin nicht mehr besonders werthaltig anzusehen ist, erscheint für den vorliegenden Fall die Streitwertbemessung mit 1.000,00 € angemessen. Dass hinter dem Schutz von immateriellen Grundrechtspositionen auch ein besonderes wirtschaftliches Interesse dem Auskunftsanspruch der Klägerin zugrunde lag, ist nicht dargetan. Die Klageschrift als solche verhält sich überhaupt nicht dazu, inwieweit der Auskunftsanspruch der Vorbereitung einer Schadensersatzklage in einem Arzthaftungsverfahren dient.

Nach alledem hat es bei der Streitwertfestsetzung des Landgerichts zu verbleiben.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; eine Kostenerstattung findet nicht statt (§ 68 Abs. 3 GKG).