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Entscheidung 3 K 468/22


Metadaten

Gericht VG Cottbus 3. Kammer Entscheidungsdatum 07.07.2022
Aktenzeichen 3 K 468/22 ECLI ECLI:DE:VGCOTTB:2022:0707.3K468.22.00
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Gewährung einer Zuwendung.

Sie produziert ein breites Spektrum von Verbindungselementen für Kunden aus der Automobilindustrie und ist als direkte Zulieferin verschiedener Automobilhersteller und für Automobilzulieferer tätig. Ausweislich ihrer Internetpräsenz produziert sie zudem „norm- und normähnliche Teile“, die im Stahl- und Anlagenbau, in der Windkraftindustrie oder im Industrie- und Maschinenbau eingesetzt werden (h..., abgerufen am 01. Juli 2022). Die von ihr hergestellten Verbindungselemente, insbesondere Bolzen und Schrauben, sind Kaltumformteile aus Stahl in einem Abmessungsbereich von 6 bis 24 mm Schaftdurchmesser. Alleingesellschafterin der Klägerin ist Frau B.... Im Jahr 2015 beschäftigte sie 187 Mitarbeitende, erzielte einen Jahresumsatz von gerundet 40 Mio. Euro und erreichte eine Bilanzsumme von gerundet 24 Mio. Euro.

Frau B... ist zugleich Alleingesellschafterin weiterer Firmen, unter anderem der F.... Die F... ist ebenso im Bereich der Verbindungstechnologie tätig und ist Zulieferin (vorrangig) für die Windkraftindustrie. Sie produziert Warm- und Kaltumformteile aus Stahl in einem Abmessungsbereich von 16 bis 72 mm. Ausweislich ihrer Internetpräsenz sind weitere Betätigungsfelder die Automobilindustrie sowie der Anlagen und Stahlbau (h... abgerufen am 01. Juli 2022). Im Jahr 2015 beschäftigte die F... 110 Mitarbeitende, erreichte eine Jahresbilanz von gerundet 29 Mio. Euro und erwirtschaftete einen Jahresumsatz von gerundet 69 Mio. Euro. Die A... ist im Bereich des Einkaufs und Vertriebs von Verbindungselementen zuständig und ist sowohl für die F... als auch für die Klägerin tätig. Im Jahr 2015 beschäftigte sie 52 Mitarbeitende, erreichte eine Jahresbilanzsumme von rund 9,5 Mio. Euro und einen Umsatz von etwa 5,5 Mio. Euro.

Unter dem 14./17. März beantragte die Klägerin die Gewährung einer Zuwendung zur Förderung einer Machbarkeitsstudie zu Umsetzung eines industrie4.0-fähigen Layouts nach der Richtlinie des Ministeriums für Wirtschaft und Energie des Landes Brandenburg für das Programm „Brandenburgischer Innovationsgutschein (BIG)“ zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit und Innovationskraft von kleinen und mittleren Unternehmen (im Folgenden: BIG-Richtlinie). Sie gab an, es handele sich bei ihr um ein kleines oder mittleres Unternehmen (im Folgenden: KMU).

Nach entsprechender Anhörung lehnte die Beklagte den Antrag mit Bescheid vom 15. Mai 2017 ab. Zur Begründung führt sie aus, ein Rechtsanspruch auf die Zuwendung bestehe nicht. Nach der BIG-Richtlinie seien nur KMU gemäß geltender EU-Definition zuwendungsberechtigt. Diese Voraussetzung erfülle die Klägerin nicht, weil sie und zumindest die F... teilweise auf benachbarten Märkten tätig seien. Die jeweilige Geschäftstätigkeit sei dem sachlich relevanten Markt der Stahl- und Metallumformindustrie mit den zugehörigen Produkten und Dienstleistungen zuzuordnen. Beide Unternehmen seien über Frau B... miteinander verbunden. Diese Wertung stehe auch im Einklang mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs. Dieser sehe Unternehmen grundsätzlich als verbunden an, wenn sie mittels einer natürlichen Person eine einzige wirtschaftliche Einheit bildeten. Dies sei hier der Fall. Bei gemeinsamer Betrachtung der Klägerin und der F... würden die nach der KMU-Definition für mittlere Unternehmen anzulegende Schwellenwerte im Jahr 2015 überschritten.

Hiergegen erhob die Klägerin unter dem 24. Mai 2017 Widerspruch. Sie und die F... seien nicht als verbundene Unternehmen zu betrachten. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshof sei die Betrachtung auf das unbedingt Notwendige zu beschränken. Zwingendes Erfordernis in diesen Fällen sei die Tätigkeit der betreffenden Unternehmen auf dem gleichen relevanten oder auf benachbarten Märkten. Daran fehle es hier. Zum relevanten Markt gehörten alle Erzeugnisse oder Dienstleistungen, die sich aufgrund ihrer Merkmale zur Befriedigung eines gleichbleibenden Bedarfs besonders eigneten und mit anderen Erzeugnissen oder Dienstleistungen nur in geringem Maße austauschbar seien. An einer Austauschbarkeit fehle es, wenn Produkte aufgrund ihrer besonderen Eigenschaften oder Merkmale nicht durch andere ersetzt werden könnten. Sie sei auf dem Automobilmarkt tätig, die F... agiere auf dem Markt der erneuerbaren Energien, insbesondere im Bereich von Windkraftanlagen. Die hergestellten Produkte würden nach ganz unterschiedlichen Vorgaben und Bedürfnissen produziert, für die unterschiedliche Anforderungen bezüglich der Zertifizierung gälten. Sie seien in keiner Weise substituierbar und stellten auch keine Ergänzungen zur jeweils anderen Produktpalette dar. Ihre Produkte bzw. Produktpaletten und die der F... stellten für den Kunden keine Güter dar, auf die bei Meidung der jeweils anderen Produktpalette ausgewichen werden könne. Sie seien auch nicht auf benachbarten Märkten tätig. Weder nehme sie für die Herstellung ihrer Produkte die Erzeugnisse der F... in Anspruch, noch sei dies umgekehrt der Fall.

Mit Widerspruchsbescheid vom 30. Juni 2017 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie ergänzend aus, die Zuwendungsvergabe stehe in ihrem pflichtgemäßen Ermessen, sei aber an bestimmte Voraussetzungen gebunden, die sich aus der Förderrichtlinie und ihrer Verwaltungspraxis ergäben. Die Klägerin könne problemlos auch die Erzeugnisse und/oder Dienstleistungen der F... herstellen und umgekehrt. Es sei bei beiden Unternehmen eine Angebotsumstellungsflexibilität und damit eine Angebotssubstituierbarkeit anzunehmen, auch wenn beide Unternehmen Erzeugnisse mit unterschiedlichen Verwendungszwecken herstellten. Es erscheine jedenfalls vor dem Hintergrund der Ausführungen der EU-Kommission zur Angebotssubstituierbarkeit nicht richtig, hier von zwei unterschiedlichen Märkten auszugehen.

Mit der am 31. Juli beim Verwaltungsgericht Potsdam erhobenen, an das hiesige Gericht verwiesenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Sie trägt ergänzend vor, sie und die F... könnten nicht ohne Weiteres wechselseitig in das jeweils andere Tätigkeitsfeld eintreten. Hierfür mangele es bereits an der entsprechenden Maschinenausstattung. Die F... verfüge weder über Maschinen für das Zerspanen noch über die im Bereich der Automobilindustrie notwendigen Kontrollmaschinen zur Überprüfung verschiedener Merkmale von Schrauben. Die von ihr, der Klägerin, genutzten Maschinen, beispielsweise Gewindewalzen für die Kaltumformung, seien ausschließlich für Kleinteile bis zu einem Abmessungsbereich von 24 mm ausgelegt. Sie verfüge nur über Maschinen für das Verfahren der Kaltfertigung, nicht aber über Anlagen für die Warmfertigung. Die Durchlauföfen dienten nur zur Härtung der zuvor in der Warm- oder Kaltfertigung hergestellten Metallprodukte. Ferner fehlten ihr Kammeröfen, die aber für die Wärmebehandlung im Bereich von Windenergieanlagen benötigt würden. Es seien daher Investitionen im zweistelligen Millionenbereich nötig, um jeweils Produkte der anderen zu fertigen. Auch seien die Mitarbeitenden nicht für die Art der Fertigung des jeweils anderen Unternehmens ausgebildet. Der sich überschneidende Bereich (Schrauben in den Abmessungen 16 bis 24 mm) sei derart klein, dass dies für das jeweils andere Unternehmen kein Geschäftsmodell sei. Eine echte Substituierbarkeit wäre nur dann gegeben, wenn das jeweilige Unternehmen insgesamt auf den jeweils anderen Bereich umstellen könne. Dies sei hier nicht der Fall, auch, weil sie Ringmaterial verarbeite, während die F... überwiegend gewalztes Stangenmaterial einsetze. Soweit auf ihrer Internetseite angegeben würde, sie fertige auch Teile für Windenergieanlagen, sei dies ein Irrtum. Sie fertige ausschließlich Teile für die Automobilindustrie.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 15. Mai 2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. Juni 2017 zu verpflichten, die unter dem 14. /17. März 2017 beantragte Zuwendung aus dem Förderprogramm „Brandenburgischer Innovationsgutschein“ zu gewähren,

hilfsweise unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts darüber neu zu entscheiden.

Die Beklagte beantragt.

die Klage abzuweisen.

Sie trägt ergänzend vor, die beiden zu betrachtenden Unternehmen bildeten auch über die A... eine einzige wirtschaftliche Einheit. Letztere vertreibe sowohl die Produkte der F... als die der Klägerin und biete alle zentralen Services gebündelt aus einer Hand an. Da die Klägerin und die F... im Verhältnis zur A... jeweils verbundene Unternehmen seien, seien sie auch miteinander verbunden. Selbst wenn eine Tätigkeit auf demselben oder auf benachbarten Märkten zusätzliche Voraussetzung sei, ändere sich die rechtliche Bewertung nicht. Bei der Klägerin kämen in Teilbereichen Einzweckmaschinen zum Einsatz. Sie könne damit möglicherweise nicht ad hoc erteilte Kundenaufträge der F... in vereinbartem Umfang erfüllen. Es reiche aber aus, dass sie grundsätzlich in der Lage sei, die Art der nachgefragten Waren zu produzieren. Schrauben in den Abmessungen 16 bis 24 mm würden von beiden Unternehmen hergestellt. Diese könnten sowohl im KfZ-Bereich, als auch für Windenergieanlagen Verwendung finden. Von einer Austauschbarkeit sei auch dann auszugehen, wenn sich diese nicht auf die komplette Angebotspalette beider Unternehmen erstrecke und die Kundenhauptzielgruppe aus unterschiedlichen Märkten stammten. Damit sei auch von einer Nachfragesubstituierbarkeit auszugehen. Auch seien die jeweiligen Mitarbeitenden mit Blick auf die erforderliche Ausbildung im jeweils anderen Unternehmen einsatzfähig, weil in beiden Unternehmen eine dreijährige Facharbeiterausbildung im Handwerk benötigt werde.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten (1 Hefter) verwiesen, die jeweils zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden sind.

Entscheidungsgründe

Die Klage bleibt ohne Erfolg.

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung der beantragten Zuwendung. Der Bescheid der Beklagten vom 15. Mai 2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. Juni 2017 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 5, Abs. 1 S. 1 VwGO.

Rechtsgrundlage der begehrten Zuwendung sind §§ 23,44 LHO, die dazu ergangenen Verwaltungsvorschriften und die BIG-Richtlinie vom 18. April 2017 (vgl. Ziffer 8.2). Die Vorschriften vermitteln der Klägerin grundsätzlich keinen Rechtsanspruch auf Förderung. Die Vergabe der begehrten Zuwendung liegt vielmehr im Rahmen der verfügbaren Haushaltsmittel im pflichtgemäßen Ermessen der Beklagten (vgl. auch Ziffer 1.3 BIG-Richtlinie). Förderrichtlinien stellen zwar keine Rechtsnormen dar, sondern sind lediglich verwaltungsinterne, das Ermessen der für die Verteilung der staatlichen Leistungen zuständigen Stellen steuern Weisungen und damit Verwaltungsvorschriften. Sie begründen jedoch mittels des Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 GG) und des im Rechtsstaatsprinzip verankerten Gebots des Vertrauensschutzes (Art. 20 und 28 GG) Außenwirkung (BVerwG, Urt. v. 14. März 2018 – 10 C 1.17 –, juris, Rn 15, m.w.N.). Entscheidend für die Außenwirkung ist, wie die zuständigen Behörden die Verwaltungsvorschrift im maßgeblichen Zeitpunkt in ständiger Praxis gehandhabt haben und in welchem Umfang sie infolgedessen durch den Gleichheitssatz gebunden sind (vgl. Bayerischer VGH, Beschl. v. 03. Mai 2021 – 6 ZB 21.301-, juris, Rn. 8). Ein Anspruch auf die Förderung besteht im Einzelfall über den Grundsatz der Selbstbindung der Verwaltung und den Gleichheitssatz dann, wenn die in den Richtlinien dargelegten Fördervoraussetzungen vorliegen und über vergleichbare Anträge in ständiger Förderpraxis der Behörde auch positiv entschieden wird (Bayerischer VGH, Urt. v. 11. Oktober 2019 – 22 B 19.840 –, juris, Rn. 26). Die gerichtliche Prüfung beschränkt sich darauf, ob bei der Anwendung einer solchen Richtlinie im Einzelfall der Gleichheitssatz verletzt worden ist oder gegebenenfalls ein sonstiger Verstoß gegen einschlägige materielle Rechtsvorschriften vorliegt. Ermessenslenkende Verwaltungsvorschriften unterliegen keiner eigenständigen Auslegung wie Rechtsnormen (BVerwG, Urt. v. 16. Juni 2015 – 10 C 15.14 –, juris, Rn. 24), sondern es kommt darauf an, welche Förderpraxis der Beklagten dem Zuwendungsbescheid zugrunde lag (Bayerischer VGH, Urt. v. 11. Oktober 2019, a.a.O.).

Gemessen an diesen Grundsätzen ist unter Heranziehung der für die Ermessensausübung maßgeblichen Begründung des Widerspruchsbescheides und den Ausführungen der Klageerwiderung die Versagung der begehrten Zuwendung ermessensfehlerfrei erfolgt.

Dem materiellen Recht folgend, das hier vor allem durch die Förderrichtlinien und deren Anwendung durch die Beklagte in ständiger Praxis vorgegeben wird, ist der maßgebliche Zeitpunkt für die Bewertung der Fördervoraussetzungen der Zeitpunkt der Entscheidung der Behörde (Bayerischer VGH, Besohl. v. 18. Mai 2020 - 6 ZB 20.438 -, juris, Rn. 15; OVG Berlin-Brandenbrg, Urt. v. 27. November 2013 - OVG 6 B 3.12 -, juris, Rn. 50; VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 19. März 2009 - 10 S 1578/08 -, juris, Rn. 32). Denn es entspricht der Verwaltungspraxis der Beklagten, die jeweils zum Entscheidungszeitpunkt geltende Förderrichtlinie anzuwenden (vgl. Ziffer 8.2 BIG-Richtlinie der jeweiligen Fassung).

Diese Fördervoraussetzungen erfüllt die Klägerin nicht. Nach Ziffer 1.1 i.V.m. Ziffer 3 S. 1 der BIG-Richtlinie vom 18. April 2017 gewährt das Land Brandenburg kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) gemäß geltender EU-Definitionen im Land Brandenburg projektbezogene Zuschüsse. Nach dieser ist die Klägerin kein KMU.

Nach der Fußnote 1 der BIG-Richtlinie sowie ausweislich des Merkblatts „KMU-Definition der EU“ der Beklagten ist für die Einstufung als KMU die Empfehlung der Kommission vom 06. Mai 2003 betreffend die Definition der Kleinunternehmen sowie der kleinen und mittleren Unternehmen (Abl. L 124/36 vom 05. Mai 2003, im Folgenden: KMU-Empfehlung) maßgeblich. Nach Art. 2 Abs. 1 des Anhangs der KMU-Empfehlung sind KMU im Sinne von Art. 1 Unternehmen, die weniger als 250 Personen beschäftigen und die entweder einen Jahresumsatz von höchstens 50 Mio. Euro erzielen oder deren Jahresbilanzsumme 10 Mio. Euro nicht übersteigt, vgl. Art. 2 Abs. 1 des Anhangs.

Die Klägerin wäre isoliert betrachtet – unstreitig – ein KMU. Sie übt eine wirtschaftliche Tätigkeit aus und übersteigt auch nicht die nach Art. 2 Abs.1 des Anhangs der KMU-Empfehlung zulässigen Schwellenwerte. Nach Art. 4 Abs. 1 KMU-Empfehlung sind die Mitarbeiterzahlen und finanziellen Schwellenwerte des letzten Rechnungsabschlusses zugrunde zu legen und werden auf Jahresbasis berechnet, wobei es gemäß der Fußnote 1 Satz 7 BIG-Richtlinie auf den Zeitpunkt der Antragstellung ankommt. Die Zahlen des zum Zeitpunkt der Beantragung zuletzt fertiggestellten Rechnungsabschlusses unterschreiten die festgelegten Grenzen hinsichtlich der Mitarbeitenden und der Bilanzsumme.

Allerdings sind bei der Berechnung der maßgeblichen Parameter auch die Daten der F... zu berücksichtigen, weil sie und die Klägerin als „verbundene Unternehmen“ im Sinne von Art. 3 Abs. 3 UAbs. 4 KMU-Empfehlung anzusehen sind. Danach gelten Unternehmen, die durch eine natürliche Person miteinander in einer der in Unterabsatz 1 genannten Beziehungen stehen, als verbunden, sofern diese Unternehmen ganz oder teilweise in demselben Markt oder in benachbarten Märkten tätig sind.

Es kann offen bleiben, ob die Klägerin und die F... zueinander in einer der in Absatz 1 beschriebenen Beziehungen stehen, denn nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs scheidet eine Einstufung als verbundenes Unternehmen nicht bereits deshalb aus, weil diese formalen Voraussetzungen nicht erfüllt sind. Die KMU-Empfehlung ist unter Berücksichtigung der Gründe auszulegen, die zu ihrem Erlass geführt haben. Die Definition der verbundenen Unternehmen dient dazu, aus der Kategorie der KMU die Unternehmensgruppen ausklammern, die über eine stärkere Wirtschaftskraft als ein KMU verfügen, damit nur solche Unternehmen von Förderungen für KMU profitieren, bei denen ein entsprechender Bedarf besteht (vgl. auch die Erwägungsgründe 9 und 12 der KMU-Empfehlung). Art. 3 Abs. 3 UAbs. 4 des Anhangs ist daher dahingehend auszulegen, dass Unternehmen, die zueinander in keiner der in Abs. 3 UAbs. 1 genannten Beziehungen stehen, aber wegen der Rolle, die eine natürliche Person spielt, gleichwohl eine einzige wirtschaftliche Einheit darstellen, als verbundene Unternehmen anzusehen sind, sofern sie ganz oder teilweise in demselben Markt oder in benachbarten Märkten tätig sind (vgl. zu alldem: EuGH, Urt. v. 10. März 2021 – C-572/19 –, juris, Rn. 87 ff.; Urt. v. 27. Februar 2014 – C-110/13 –, juris, Rn. 28 ff.). Bei einer solchen Verbindung hat die Kommissionspraxis entscheidend auf die Fähigkeit der betreffenden natürlichen Person abgestellt, die strategische Entwicklung der durch sie miteinander verbundenen Unternehmen zu bestimmen. Sofern eine natürliche Person einen entscheidenden Einfluss auf das Verhalten des verbundenen Unternehmens ausüben kann, wird sie diese Möglichkeit wahrscheinlich rational und kohärent nutzen, zum Beispiel durch eine Koordinierung der Strategien oder in Entwicklung gemeinsamer Tätigkeiten. Die KMU-Definition verfolgt das Ziel, die wirtschaftliche Realität zu erfassen. Nicht zu fördern sind nach Sinn und Zweck etwa Unternehmen, die – nach einer wertenden wirtschaftlichen Gesamtbetrachtung – eine wirtschaftliche Einheit bilden und deshalb über eine stärkere Wirtschaftskraft verfügen als ein KMU (vgl. OVG Schleswig-Holstein, Urt. v. 17. Mai 2018 – 3 LB 5/15 –, juris, Rn. 45 f.; VG Würzburg, Urt. v. 18. Oktober 2021 – W 8 K 21.716 –, juris, Rn. 53).

Danach sind die Klägerin und die F... über Frau B... , die jeweils Alleingesellschafterin beider Unternehmen ist, im Sinne von Art. 3 Abs. 3 UABs. 4 KMU-Empfehlung miteinander verbunden, weil sie jedenfalls teilweise auf demselben Markt tätig sind. Ausweislich des 12. Erwägungsgrundes der KMU-Empfehlung ist hinsichtlich der Auslegung des Marktbegriffs „erforderlichenfalls“ auf die Bekanntmachung der Kommission über die Definition des relevanten Marktes im Sinne des Wettbewerbsrechts der Gemeinschaft vom 09. Dezember 1997 (im Folgenden: KOM-Marktdefinition) abzustellen. Der rechtlich relevante Markt umfasst danach die Produkte und Dienstleistungen, die von den Verbrauchern hinsichtlich ihrer Eigenschaften, Preise und ihres Verwendungszwecks als austauschbar und substituierbar angesehen werden (Rn. 7 KOM-Marktdefinition). Hierbei ist allerdings zu beachten, dass es vorliegend nicht um das Wettbewerbsrecht, sondern um Beihilfenrecht geht. Um sicherzustellen, dass eine nötige Subvention ausschließlich ein Unternehmen erhält, das aufgrund der geringen Größe auch über eine geringere Wirtschaftskraft verfügt, verbietet es sich, einen übergeordneten Markt branchenspezifisch aufzuteilen (vgl. so im Ergebnis auch Sächsisches OVG, Beschl. v. 10. Juni 2020 – 6 A 1/19 –, juris, Rn. 10 f. zu verbundenen Unternehmen, die jeweils Kunststoff für unterschiedliche Branchen verarbeiten; VG Würzburg, a.a.O., Rn. 56 ff. zur Zugehörigkeit zum gemeinsamen bzw. benachbarten Markt „Kleidung und Schuhe“ bei Schuh- und Bekleidungsgeschäften). Auch die EU-Kommission geht bei der Herstellung von Biodiesel und Bioethanol durch unterschiedlichen Familienangehörigen zuzuordnenden Firmen von einem gemeinsamen Markt „Kraftstoffe für Fahrzeuge“ aus, auch wenn Biodiesel direkt von Lastkraftwagen und Bioethanol (gemischt mit mineralischem Öl) von Personenkraftwagen verbraucht werde, weil beide Produkte über ähnliche oder sogar dieselben Handels- und Vermarktungswege vertrieben und letztendlich durch Fahrzeuge verbraucht würden (Entscheidung der Kommission v. 07. Juni 2006 über die staatliche Beihilfe Nr. C 8/2005 [ex N 451/2004], die Deutschland zugunsten der Nordbrandenburger UmsteuerungsWerke gewähren will, 2006/904/EG; Abl. EU v. 13. Dezember 2006, L 353/06, Rn. 62). Danach ist auch hier von einem Markt der Verbindungselemente auszugehen, auf dem – jedenfalls im Bereich von 16 bis 24 mm und im Verfahren der Kaltfertigung – die Klägerin und die F... gleichermaßen tätig sind. Hierfür spricht insbesondere die Struktur der beiden Firmen, die jeweils von der A... den Einkauf, den Vertrieb und die Bewerbung ihrer Produkte vornehmen lassen. Insgesamt besteht die hinreichende Wahrscheinlichkeit der Abstimmung über die gemeinsame Alleingesellschafterin Frau B... . Es liegt nahe, dass die Unternehmen als Einheit über eine stärkere Wirtschaftskraft verfügen als ein KMU.

Selbst wenn der Klägerin dahingehend zu folgen wäre, dass ein gemeinsamer Markt nicht angenommen werden könne, wenn die Verbindungselemente für unterschiedliche Branchen und deren spezifischen Anforderungen gefertigt würden, ist von einer teilweisen Überschneidung auszugehen. Die Klägerin wirbt – bzw. warb zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung – auf ihrer Internetseite damit, kundenspezifische Verbindungselemente für die Automobilindustrie zu fertigen, daneben aber auch norm- und normähnliche Teile herzustellen, die im Stahl- und Anlagenbau, in der Windkraftindustrie oder Industrie- und Maschinenbau eingesetzt werden. Die F... gibt (bzw. gab) auf ihrer Internetseite an, Verbindungstechnologie für den Windenergiebereich zu produzieren, aber auch die Automobilindustrie und den Anlagen- und Stahlbau zu ihrem Produktportfolio zu zählen. Danach sind die Firmen – wenn auch mit unterschiedlichem Fokus – insgesamt in denselben Bereichen tätig. Unterstellt, der Einwand der Klägerin, es handele sich bei ihrem Internetauftritt um einen Irrtum, sie sei ausschließlich im Automobilbereich tätig, träfe zu, bliebe jedenfalls eine Überschneidung im Bereich der Produktion von Verbindungselementen für die Automobilindustrie, mit der auch die F... auf ihrer Internetseite wirbt (bzw. warb). Bedienen die beiden Unternehmen damit teilweise die gleichen Kundenkreise, ist davon auszugehen, dass beide Unternehmen gleichwertige (oder zumindest hinreichend ähnliche Produkte; vgl. Jung, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der europäischen Union, Stand: 75. EL Januar 2022, AEUV, Art. 102, Rn. 36) zu gleichen Verwendungszwecken anbieten und diese untereinander austauschbar bzw. substituierbar sind. Mithin kann offen bleiben, ob – worauf sich die Beklagte zuletzt hilfsweise berufen hat – die Klägerin und die F... darüber hinaus über die A... miteinander verbunden sind.

Nach Art. 3 des Anhangs sind verbundene Unternehmen bei der Berechnung der Mitarbeiterzahlen und der finanziellen Schwellenwerte zu berücksichtigen. Zusammen mit der F... überschreitet die Klägerin die Einordnung als KMU maßgeblichen Schwellenwerte. Gemeinsam betrachtet beschäftigten sie im Jahr 2015 297 Mitarbeitende, erreichten eine Jahresbilanzsumme von gerundet 69 Mio. und einen Jahresumsatz von rund 93 Mio. Euro.

Ist die Ablehnung des Antrags der Klägerin auf Gewährung der Zuwendung mithin ermessensfehlerfrei gewesen, besteht auch kein Raum für den hilfsweise geltend gemachten Antrag auf Neubescheidung (§ 113 Abs. 5 S. 2 VwGO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711, 709 S. 2 ZPO.