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Entscheidung DG 3/21


Metadaten

Gericht Dienstgericht Cottbus Entscheidungsdatum 22.04.2022
Aktenzeichen DG 3/21 ECLI ECLI:DE:LGCOTTB:2022:0422.DG3.21.00
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen

Tenor

Gegen die Beklagte wird ein Verweis verhängt.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Die am ..... geborene Beklagte trat am ..... als Richterin auf Probe in den Dienst des Landes Brandenburg ein. Am ... wurde sie zur Richterin am Landgericht auf Lebenszeit mit einer Planstelle bei dem Landgericht .... ernannt. Die Beklagte ist in der Besoldungsgruppe … des Brandenburgischen Besoldungsgesetzes eingestuft.

Die Beklagte bearbeitet seit ..... nahezu ausschließlich zivilrechtliche Streitsachen des ersten Rechtszuges und ist als stellvertretende Vorsitzende mit voller Arbeitskraft der ... Zivilkammer des Landgerichts zugewiesen. Diese Zivilkammer wies im verfahrensrelevanten Zeitraum eine durchschnittliche Belastung pro Kammermitglied zwischen 0,63 bis 0,92 Pensen (PEBB§Y) auf. Die Erledigungszahlen aller Kammermitglieder liegen über dem Durchschnitt des Landgerichts.

Für den Zeitraum vom .... bis zum .... beurteilte die Präsidentin des Landgerichts die Beklagte mit „übertrifft die Anforderungen“. In dieser Beurteilung wurde jedoch zudem darauf hingewiesen, dass die Aktenbewegungen in ihrem Dezernat „schwer zu kontrollieren“ gewesen seien und bereits mehrfach „Akten vorübergehend außer Kontrolle oder gänzlich in Verlust geraten“ seien. Die Beklagte zeige „Phasen größerer organisatorischer Schwierigkeiten“. Diese Beurteilung ging ihr am .... zu.

Mit einer bestandskräftigen Ermahnung vom .... hielt die Präsidentin des Landgerichts der Beklagten die Ausführung ihrer Amtsgeschäfte vor, nachdem die Akten in zwei Zivilverfahren über mehrere Monate trotz Verlegung von Verkündungsterminen und Aktenanforderungen nach Dienstaufsichtsbeschwerden nicht zur Geschäftsstelle gelangten. Arbeitsunfähig erkrankt war die Beklagte in der Zeit vom .... bis zum .... In den Jahren …. bis ... nahm sie Erholungsurlaub vom .... bis zum .... (15 Arbeitstage), vom .... bis zum ..... (15 Arbeitstage) und vom ... bis zum ..... (10 Arbeitstage).

Auf der Grundlage weiterer Dienstaufsichtsbeschwerden leitete die Präsidentin des Landgerichts am ... gegen die Beklagte ein Disziplinarverfahren ein, das sie am .... um weitere Vorwürfe ergänzte und nunmehr in die anhängige Disziplinarklage vom ..... mündete.

Hierbei wird der Beklagten für den Zeitraum von .... bis .... Folgendes zur Last gelegt:

1. In dem Verfahren ... hat die Beklagte nach Verkündung des Urteils am .... die Verfahrensakte erst am ..... der Geschäftsstelle übermittelt, so dass die Entscheidung erst mehr als sieben Wochen nach dem Verkündungstermin bekannt gegeben werden konnte (1.1. der Disziplinarklage).

2. In dem Verfahren ... hat die Beklagte nach Verkündung der Entscheidung am ..... die Verfahrensakte erst über vier Monate später am ... der Geschäftsstelle zugeleitet (1.2. der Disziplinarklage).

3. Ebenfalls in dem Verfahren ... verkündete die Beklagte am ... eine erneute Entscheidung, die sie zunächst nicht zur Geschäftsstelle reichte. Die Akte wurde im Rahmen der Dienstaufsicht zunächst am .... im Dienstzimmer der Beklagten aufgefunden und nach Rückgabe von dieser erst am ..... an die Geschäftsstelle übermittelt (1.3. der Disziplinarklage).

4. Auch in dem Verfahren ... verkündete die Beklagte am .... eine Entscheidung, die zunächst nicht zur Geschäftsstelle gelangte. Die Akte wurde ebenfalls am ..... im Dienstzimmer der Beklagten aufgefunden und im Anschluss erst am ..... an die Geschäftsstelle übermittelt (1.4. der Disziplinarklage).

5. In dem Verfahren ... verlegte die Beklagte am ..... mit einem nicht verkündeten Beschluss den Verkündungstermin auf den ..., ohne die Akte der Geschäftsstelle zuzuleiten und die Verlegung den Parteien mitzuteilen. Die Parteien konnten daher auch nicht zum neuen Verkündungstermin geladen werden (2.1. der Disziplinarklage).

6. In dem Verfahren ... verlegte die Beklagte mit nicht verkündetem Beschluss vom ..... den Verkündungstermin auf den .... und leitete dies erst am ... in die Geschäftsstelle. Eine Ladung konnte nicht mehr veranlasst werden (2.2. der Disziplinarklage).

7. In demselben Verfahren ... verlegte die Beklagte mit einem nicht verkündeten Beschluss vom .... erneut die Verkündung auf den ... Die Beklagte reichte die Akte erst am ... zur Geschäftsstelle, so dass eine Ladung nicht veranlasst werden konnte (2.3. der Disziplinarklage).

8. Wiederum in dem Verfahren ... verlegte die Beklagte durch einen nicht verkündeten Beschluss vom .... den Verkündungstermin auf den .... Sie leitete diese Entscheidung nicht an die Geschäftsstelle weiter, so dass die Parteien von dem neuen Verkündungstermin nicht informiert wurden (2.4. der Disziplinarklage).

9. Im weiteren Verlauf des Verfahrens ... verlegte die Beklagte den nunmehr für den .... anberaumten Verkündungstermin auf den .... und leitete diese Entscheidung mit der Akte erst am ... der Geschäftsstelle zu, so dass eine Ladung der Parteien zu diesem Termin nicht mehr möglich war (2.5. der Disziplinarklage).

10. Am ..... verlegte die Beklagte wiederum in dem Verfahren ... den Verkündungstermin durch einen nicht verkündeten Beschluss auf den ..... und übermittelte die Akte erst am .... auf die Geschäftsstelle, so dass eine Ladung der Parteien zu diesem Termin nicht mehr möglich war (2.6. der Disziplinarklage).

11. In dem Verfahren ... verlegte die Beklagte durch einen nicht verkündeten Beschluss vom ... den Verkündungstermin auf den ... Sie leitete diese Entscheidung nicht an die Geschäftsstelle weiter, so dass die Parteien von dem neuen Verkündungstermin nicht informiert wurden (2.7. der Disziplinarklage).

12. In dem Verfahren ... verlegte die Beklagte mit einem nicht verkündeten Beschluss den für den ... anberaumten Verkündungstermin auf den ..... und leitete diese Entscheidung mit der Akte erst am ..... der Geschäftsstelle zu, so dass eine Ladung der Parteien zu diesem Termin nicht mehr möglich war (2.8. der Disziplinarklage).

13. In dem Verfahren ... verlegte die Beklagte mit einem nicht verkündeten Beschluss den für den .... anberaumten Verkündungstermin auf den ... und leitete diese Entscheidung mit der Akte erst am ..... der Geschäftsstelle zu, so dass eine Ladung der Parteien zu diesem Termin nicht mehr möglich war (2.9. der Disziplinarklage).

14. In dem Verfahren ... verlegte die Beklagte mit einem nicht verkündeten Beschluss den für den .... anberaumten Verkündungstermin auf den .... und leitete diese Entscheidung mit der Akte erst am .... der Geschäftsstelle zu, so dass eine Ladung der Parteien zu diesem Termin nicht mehr möglich war (2.10. der Disziplinarklage).

15. In dem Verfahren ... wurde der Beklagten am .... das Formular zur Entschädigung eines gerichtlich bestellten Sachverständigen durch die Geschäftsstelle vorgelegt. Obwohl der Sachverständige mehrfach nachfragte und eine Zahlung anmahnte, reichte die Beklagte die Akte nebst Formular nicht zur Geschäftsstelle zurück. Diese Akte wurde am .... durch die Dienstaufsicht im Dienstzimmer der Beklagten aufgefunden (3.1. der Disziplinarklage).

16. Im Rahmen der Dienstaufsicht wurde die Beklagte am .... schriftlich aufgefordert, binnen einer Woche nach Erhalt des Schreibens mitzuteilen, in welcher Weise und zu welchem Zeitpunkt sie die Verfahrensakten in dem Rechtsstreit ... nach Entscheidungsverkündung am ..... der Geschäftsstelle zugeleitet habe und ob die Akte sich noch in ihrem Besitz befinde. Dieses Schreiben ging der Beklagten am .... zu, sie beantwortete es mit Schreiben vom .... (4.1. der Disziplinarklage).

17. Die Dienstaufsicht forderte von der Beklagten am .... binnen einer Frist von zwei Wochen eine Stellungnahme dazu, dass die Akten des Verfahrens ... seit dem Verkündungstermin vom .... nicht zur Geschäftsstelle zurückgereicht worden seien. Die Beklagte beantwortete diese Aufforderung nicht. Sie leitete jedoch die Akten mit einem Urteil am .... der Geschäftsstelle zu (4.2. der Disziplinarklage).

18. Ebenfalls am .... forderte die Dienstaufsicht von der Beklagten binnen einer Frist von zwei Wochen eine Stellungnahme zum Verbleib der Akten des Verfahrens .... In diesem Verfahren war ein Verkündungstermin für den .... anberaumt, ohne dass seitdem die Akten zur Geschäftsstelle zurückgereicht worden waren. Die Beklagte beantwortete diese Aufforderung nicht. Sie leitete jedoch die Akten mit einem Urteil am ....der Geschäftsstelle zu (4.3. der Disziplinarklage).

19. Mit Schreiben vom ..... forderte die Dienstaufsicht die Beklagte zur Stellungnahme zu dem Vorwurf auf, dass sich die Akte ... seit dem .... mit einem Entschädigungsformular des gerichtlich bestellen Sachverständigen bei ihr befinde. Die Beklagte reagierte auf dieses Schreiben nicht. Unbeantwortet blieb darüber hinaus die Aufforderung der Dienstaufsicht an die Beklagte vom ....., die betreffende Akte unverzüglich, spätestens bis zum ..... wieder vorzulegen. Die Akte wurde sodann am .... im Dienstzimmer der Beklagten aufgefunden. Am .... forderte die Präsidentin des Landgerichts die Beklagte auf, die Akte sodann im laufenden Dienstaufsichtsverfahren binnen zwei Wochen vorzulegen, worauf die Beklagte ebenfalls nicht reagierte (4.4. der Disziplinarklage).

20. Ebenfalls am .... forderte die Dienstaufsicht von der Beklagten binnen einer Frist von zwei Wochen eine Stellungnahme zum Verbleib der Akten des Verfahrens .... In diesem Verfahren war ein Verkündungstermin für den ..... anberaumt, ohne dass bis zum ..... die Akten zur Geschäftsstelle zurückgereicht worden waren. Diese Aufforderung ging der Beklagten am ..... zu. Sie antwortete mit Schreiben vom .... (4.5. der Disziplinarklage).

Bezüglich der weiteren Einzelheiten wird auf die Konkretisierung der Disziplinarklage vom 19. Juli 2021 Bezug genommen.

Der Kläger trägt vor, dass die Beklagte vorsätzlich Verfahrensvorschriften verletzt und dabei sich die daraus ergebenden Verfahrensverzögerungen mindestens billigend in Kauf genommen habe, um sich mit den Verfahren zu Lasten der Parteien nicht oder nicht zeitnah befassen zu müssen. Die Beklagte sei durchgehend unterhalb ihres Arbeitszeitanteils belastet gewesen, krankheitsbedingte Ausfälle seien in der hier maßgeblichen Zeit nicht dokumentiert. Schuldmindernde Umstände seien nicht erkennbar oder vorgetragen. Die aufgeführten Verstöße stellten zudem ein einheitliches Dienstvergehen dar. Die Beklagte sei bereits durch die Regelbeurteilung vom ..... und den Vorhalt vom ... auf die Versäumnisse in der Aktenbearbeitung hingewiesen worden. Dennoch häuften sich die Verstöße ab Mitte 2019. Die Beklagte habe mit ihrem Verhalten zudem das Vertrauen der Parteien sowohl in ihre Integrität als auch in die gesamte Richterschaft nachhaltig beschädigt.

Der Kläger beantragt,
gegen die Beklagte eine Disziplinarmaßnahme zu verhängen.

Die Beklagte ist zum Verhandlungstermin nicht erschienen und hat keinen Antrag gestellt und zu den einzelnen Vorwürfen nicht inhaltlich Stellung bezogen. Sie verweist in einem Schreiben an das Dienstgericht jedoch darauf, dass sie sich in dem betreffenden Zeitraum in einer sehr schwierigen Lebensphase befunden habe, die eine andauernde ärztliche Behandlung bei einer Fachärztin für ..... notwendig mache. Bezüglich der Einzelheiten verweist die Beklagte auf den Kurzbericht des .... vom ....2021, auf den Bezug genommen wird. In der Personalakte ist eine im Zusammenhang stehende Erkrankung vom .... 2021 bis zum ...2021 verzeichnet.

Entscheidungsgründe

I. Das Gericht konnte trotz Ausbleiben der Beklagten verhandeln und entscheiden, da die Beteiligten auf diese Folge in der Ladung hingewiesen wurden, vgl. § 102 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

II. Die Zuständigkeit des Richterdienstgerichts ergibt sich aus § 65 Nr. 1 BbgRiG, nach dem das Dienstgericht in Disziplinarverfahren der Richterinnen und Richter zu entscheiden hat. Gemäß § 100 Satz 3 BbgRiG finden die Vorschriften des Kapitels 4 Abschnitt 1 und 2 über die Errichtung, Zuständigkeit und Besetzung seit dem 1. September 2019 für die bei den Richterdienstgerichten anhängigen Verfahren unabhängig von dem Stand Anwendung, in dem sich diese befinden. Ebenfalls seit dem 1. September 2019 ist das Richterdienstgericht des Landes Brandenburg organisatorisch mit dem Landgericht Cottbus verbunden.

III. Der vorgeworfene Sachverhalt steht für das Richterdienstgericht fest. Einer weiteren Beweisaufnahme gemäß § 59 LDG bedurfte es nicht. Die Beklagte hat die Ergebnisse der Geschäftsprüfungsberichte und die dargestellten Verzögerungen nicht in Abrede gestellt. In entsprechender Anwendung des § 86 VwGO drängen sich hier damit nach dem anzuwendenden Untersuchungsgrundsatz weitere Ermittlungen zum Sachverhalt nicht auf. Beweisanträge hat die Beklagte nicht gestellt.

Auf Grund dieser Feststellungen hat die Beklagte ein Dienstvergehen begangen, soweit sie Urteile und Beschlüsse bzw. Verfügungen den Parteien vorenthalten, einen Entschädigungsantrag eines gerichtlichen Sachverständigen über einen längeren Zeitraum unbearbeitet gelassen hat und Aufforderungen der Dienstaufsicht zur Stellungnahme oder Aktenvorlage nicht oder nur verspätet nachgekommen ist.

Im Einzelnen:

1.
Nach dem bis zum 19. Juni 2018 gültigen § 10 Satz 1 BbgRiG a.F. in Verbindung mit § 1 Abs. 1 LBG und § 47 Abs. 1 BeamtStG begehen Richterinnen und Richter ein Dienstvergehen, soweit sie schuldhaft die ihnen obliegenden Pflichten verletzen. Richterinnen und Richter sind nach Art. 108 Abs. 1 der Landesverfassung unabhängig und nur dem Gesetz unterworfen. Sie haben daher im Rahmen ihrer Unabhängigkeit die Gesetze einzuhalten und unterliegen der Dienstpflicht, diese Gesetze bei der Rechtsanwendung nicht zu verletzen. Darüber hinaus werden Richterinnen und Richter entgegen § 10 Satz 1 BbgRiG a.F. in Verbindung mit § 1 Abs. 1 LBG und § 34 Satz 3 BeamtStG nicht der Achtung und dem Vertrauen gerecht, die ihr Beruf erfordert, wenn sie sich bei der Bearbeitung in einer Vielzahl von Verfahren selbst nicht an die gesetzlichen Vorschriften halten.

Hierbei ist zwischen den einzelnen Verstößen zu differenzieren.

Fälle Nr. 1 bis 4 (I.1. bis 1.4. der Disziplinarklage)

Die Beklagte verstieß in diesen Fällen gegen zwingende gesetzliche Vorschriften, indem sie verkündete Entscheidungen der Geschäftsstelle vorenthielt. Ein Urteil ist gemäß §§ 317 Abs. 1 Satz 1, 168 Abs. 1 ZPO von Amts wegen durch die Geschäftsstelle zuzustellen. Zur richterlichen Aufgabe gehört es daher auch, dieses Urteil nach der Verkündung mit der Akte der Geschäftsstelle zur weiteren Verfügung zuzuleiten. Dies gilt grundsätzlich auch für verkündete Beschlüsse. Zwar müssen diese nach dem Wortlaut des § 329 Abs. 1 ZPO den Parteien nicht - sofern sie nicht Ladungen oder Fristsetzungen enthalten - zur Zustellung schriftlich mitgeteilt werden, aber auch diese Beschlüsse müssen zur Geschäftsstelle gelangen, um zumindest gemäß § 329 Abs. 1 ZPO i.V.m. § 317 Abs. 2 Satz 1 ZPO Ausfertigungen erteilen zu können.

Soweit gegebenenfalls von dem Kläger weiterhin besorgt werden sollte, dass die verkündeten Entscheidungen zum Zeitpunkt der Verkündung noch nicht, oder nicht vollständig, schriftlich abgefasst waren, ist ein solcher Vorwurf nach dem Verständnis des Dienstgerichts nicht Gegenstand des hier zu entscheidenden Disziplinarverfahrens. Zwar erscheint es auf den ersten Blick grundsätzlich nicht nachvollziehbar, warum die Beklagte vollständig abgefasste Entscheidungen in ihrem Bereich beließ, ohne diese an die Geschäftsstelle zu verfügen. Ein über das einfache Vorenthalten hinausgehender Vorwurf wird von der Disziplinarklage jedoch nicht weiter konkretisiert oder mit Tatsachen belegt.

Fälle Nr. 5 bis 14 (2.1. bis 2.10. der Disziplinarklage)

Indem die Beklagte die Verlegung von Verkündungsterminen nicht - oder nicht rechtzeitig - an die Geschäftsstelle weiterleitete, verhinderte sie, dass diese Beschlüsse gemäß §§ 329 Abs. 2, 214, 168 ZPO von Amts wegen durch die Geschäftsstelle zugestellt werden konnten. Dies ist zwingend gesetzlich vorgesehen, da Verlegungen zugleich regelmäßig die Ladung für den neuen Verkündungstermin enthalten.

Zwar führt allein der Umstand, dass die Parteien über den neuen Verkündungstermin nicht förmlich informiert wurden, für sich genommen noch nicht zu einer Verzögerung des Rechtsstreits, da ein Urteil grundsätzlich auch dann wirksam bleibt, wenn bei seiner Verkündung gegen die Vorschriften über die Anberaumung und Bekanntgabe des Verkündungstermins verstoßen wurde (Musielak, Münchener Kommentar zur ZPO, 6. Aufl. 2020, § 310 ZPO Rn. 12 m.w.N.). Dennoch verletzte die Beklagte die Vorgaben für die Öffentlichkeit der Verkündung und nimmt den Parteien die Möglichkeit, an der Verkündung teilzunehmen.

Ob die Beklagte in den bezeichneten Fällen zudem auch gegen die Vorschrift des § 310 Abs. 1 Satz 2 ZPO verstoßen haben könnte, nach dem ein Verkündungstermin nur dann über drei Wochen nach Schluss der mündlichen Verhandlung anberaumt werden soll, wenn wichtige Gründe, insbesondere der Umfang oder die Schwierigkeit der Sache, dies erfordern, kann offenbleiben. Dieser Vorwurf ist nach dem Verständnis ebenfalls nicht Gegenstand der Disziplinarklage. Weder in der Konkretisierung noch in der rechtlichen Wertung wird der Beklagten konkret und nachvollziehbar dieser Vorwurf gemacht. Die Disziplinarklage teilt insoweit auch nicht die Termine mit, an denen die mündliche Verhandlung vor Anberaumung eines Verkündungstermins geschlossen wurde. Auch wird der Inhalt der jeweiligen Verlegungsbeschlüsse nicht weiter bekannt gemacht. Es ist aber nicht Aufgabe des Richterdienstgerichts durch Beiziehung der Akten den notwendigen Sachverhalt zunächst zu ermitteln, um dann die Klageschrift zu konkretisieren (zu den Anforderungen an die Konkretisierung der Klageschrift im Disziplinarverfahren: BVerwG, Beschluss vom 26. Oktober 2011 - 2 B 69/10 - juris - Rn. 6).

Fall Nr. 15 (3.1. der Disziplinarklage)

Das „Nichtbearbeiten“ eines vorgelegten Sachverständigenentschädigungsformulars für einen Zeitraum von über einem Jahr stellt ebenso ein Verstoß gegen die richterlichen Pflichten dar, vorgelegte Sachen in angemessener Zeit zu fördern. Dabei kann offenbleiben, ob und in welchem Umfang das Ausfüllen eines derartigen Formulars zu den richterlichen Aufgaben gehört, da - hätte die Beklagte Bedenken gehabt - zumindest dies hätte mitgeteilt werden müssen, um die Sache zu fördern.

Fälle Nr. 16-20 (4.1 bis 4.5. der Disziplinarklage)

Ein Verstoß gegen eine Dienstpflicht besteht auch darin, wenn die Beklagte im Rahmen der Dienstaufsicht angeforderte Akten nicht vorlegt, die für die Prüfung von Dienstaufsichtsbeschwerden benötigt werden. Richterinnen und Richter unterliegen gemäß § 10 BbgRiG in der seit dem 20. Juni 2018 gültigen Fassung in Verbindung mit § 26 Abs. 1 DRiG der Dienstaufsicht, soweit ihre Unabhängigkeit nicht beeinträchtigt wird. Diese umfasst gemäß § 26 Abs. 2 DRiG auch die Befugnis, die ordnungswidrige Art der Ausführung eines Amtsgeschäfts vorzuhalten und den Richter zu ordnungsgemäßer, unverzögerter Erledigung der Amtsgeschäfte zu ermahnen. Ausfluss dieser Befugnis ist zudem, in die bearbeiteten Akten zum Zwecke der Ausübung der Dienstaufsicht Einblick zu nehmen. Soweit ein Richter der Dienstaufsicht diese Akten vorenthält und damit die Prüfung erschwert, verstößt er gegen eine Dienstpflicht. Inhalt dieser Dienstpflicht ist es zudem, in geeigneter Form auf Anfragen des Dienstherren zu antworten.

IV. Die Beklagte handelte insoweit im Ergebnis auch schuldhaft und vorwerfbar. Zwar belegt sie durch Vorlage des .... Kurzberichtes des ..... eine länger andauernde Erkrankung, die sich zu einer ... entwickelt hat. Das Dienstgericht bezweifelt auch nicht, dass es im November 2018 zu einer massiven .... bei der Beklagten gekommen ist. Das Dienstvergehen der Beklagten erstreckt sich jedoch über einen längeren Zeitraum und ist Ausdruck einer sich wiederholenden Verfahrensweise. Es ist nicht erkennbar, dass die Einsichtsfähigkeit der Beklagten ausgeschlossen gewesen wäre oder sie nicht in der Lage gewesen wäre, die ihr aus langjähriger Tätigkeit bekannten Vorschriften der Zivilprozessordnung anzuwenden.

V. Das Dienstvergehen war hier mit einem Verweis als der mildesten Form der Pflichtmahnung zu ahnden. Diese hat erzieherischen Charakter und soll die Beklagte anhalten, bei der Bearbeitung der ihr übertragenen Aufgaben gesetzeskonform zu agieren. Es liegt kein Fall vor, bei dem im Sinne des § 33 Abs. 1 Nr. 2 LDG eine Disziplinarmaßnahme nicht angezeigt gewesen wäre.

Dabei ist zu Lasten der Beklagten zu beachten, dass sie in zahlreichen Fällen gegen gesetzliche Vorschriften verstieß. Die Dienstvergehen erstreckten sich darüber hinaus über einen längeren Zeitraum und hatten auch grundsätzlich Auswirkung auf das Ansehen der Justiz in der Öffentlichkeit, da den Parteien Entscheidungen und Verkündungstermine vorenthalten wurden.

Die verhängte Maßnahme ist aber auch ausreichend. Die Beklagte ist disziplinarrechtlich nicht vorbelastet und war - wie sie unwidersprochen und nachvollziehbar vorträgt - grundsätzlich im betreffenden Zeitraum gesundheitlich beeinträchtigt, auch wenn sie dies dem Dienstherren nicht anzeigte.

VI. Die Kostenentscheidung folgt aus § 73 Abs. 1 BbgRiG i.V.m. § 78 Abs. 1 Satz 1 LDG. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 73 Abs. 1 BbgRiG, 3 LDG, 167 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO.