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Entscheidung 6 L 244/21


Metadaten

Gericht VG Cottbus 6. Kammer Entscheidungsdatum 14.07.2022
Aktenzeichen 6 L 244/21 ECLI ECLI:DE:VGCOTTB:2022:0714.6L244.21.00
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen § 309 AO, § 123 VwGO, § 19 VwVG BB

Tenor

Der Antrag des Antragstellers wird zurückgewiesen. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird auf 173,63 € festgesetzt.

Gründe

Die Entscheidung war durch den Einzelrichter zu treffen, dem der Rechtsstreit nach Anhörung der Beteiligten mit Beschluss vom 10. Mai 2022 zur Entscheidung übertragen wurde, § 6 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Der Einwand des Antragstellers – mit Schriftsatz vom 23. Mai 2022 als Gegenvorstellung bezeichnet –, wonach die Übertragung des Rechtsstreits auf den Einzelrichter durch Beschluss eine Verletzung des gesetzlichen Richters nach Art. 101 Abs. 1 S. 2 des Grundgesetzes (GG) darstelle, dringt insoweit nicht durch. Die Verwaltungsgerichtsordnung sieht eine Gegenvorstellung im laufenden Verfahren vor dem Ergehen einer Sachentscheidung nicht vor. Der Beschluss über die Übertragung des Rechtsstreits auf den Einzelrichter ist als solcher gemäß § 6 Abs. 4 Satz 1 VwGO nämlich unanfechtbar (vgl. BVerwG, Beschluss vom 4. Dezember 1998 – 8 B 187/98 –, juris). Im Übrigen ist die Übertragung entgegen der Auffassung des Antragstellers nicht fehlerhaft erfolgt. Der Antragsteller wurde vor der Übertragung mit gerichtlicher Verfügung vom 8. März 2022 – mit Postzustellungsurkunde am 14. März 2022 zugestellt – angehört. Von der Möglichkeit der Stellungnahme und der Äußerung seiner Bedenken hat der Antragsteller vor der Übertragung auf den Einzelrichter am 10.Mai 2022 trotz Fristsetzung keinen Gebrauch gemacht.

Der (sinngemäße) Antrag des Antragstellers,

dem Antragsgegner aufzugeben, die Zwangsvollstreckung aus dem Festsetzungsbescheid vom 14. Oktober 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. August 2017 vorläufig einzustellen,

hat keinen Erfolg.

Das Gericht war an die wörtliche Fassung des Antrags des nicht anwaltlich vertretenen Antragssteller nicht gebunden, sondern hat nach §§ 88, 102 Abs. 1 VwGO diesen in seinem wohlverstandenen Interesse dahingehend ausgelegt, dass er im Wege der einstweiligen Anordnung gemäß § 123 Abs. 1 VwGO die vorläufige Einstellung der durch den Antragsgegner mit Schreiben vom 3. Dezember 2020 in Aussicht gestellte und mit Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 30. Juni 2021 erfolglos versuchte Vollstreckung betreffend den mit Bescheid vom 14. März 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. August 2017 festgesetzten Säumniszuschlägen in Höhe von 689,50 € sowie zuzüglich Mahngebühren in Höhe von 5,00 € begehrt. Der so verstandene Antrag ist statthaft. Ein Antrag nach § 80 Abs. 5 i.V.m. Abs. 4 S. 3 VwGO auf Aussetzung der Vollziehung der an die S... gerichteten Pfändungs- und Einziehungsverfügung des Antragsgegners vom 30. Juni 2021 wäre mit Blick auf das Interesse des Antragstellers nicht statthaft, da diese Pfändungs- und Einziehungsverfügung ins Leere gegangen ist. Es bestehen nämlich auf Seiten des Antragstellers gegenüber der S... als mögliche Drittschuldnerin keine Geschäftsverbindungen und damit keine Forderungen, wie diese mit Schreiben vom 5. Juli 2021 dem Antragsgegner mitgeteilt hat. Vor diesem Hintergrund ist diese Pfändungs- und Einziehungsverfügung gegenstandslos, mit der Folge, dass auch kein Rechtsschutzinteresse für eine Aufhebung ebendiese Pfändungs- und Einziehungsverfügung auf Seiten des Antragsstellers bestehen dürfte (vgl. FG Münster, Urteil vom 4. April 2000 – 12 K 5709/99 AO –, juris). Andere sinnvolle Auslegungen des Antrags des Antragstellers sind vorliegend nicht ersichtlich.

Es ist vorliegend dennoch bereits zweifelhaft, ob der so verstandene Antrag zulässig ist.

Gegen seine Zulässigkeit dürfte hier zunächst nicht sprechen, dass der Antragsteller laut Aktenlage keinen ausdrücklichen Antrag auf Einstellung der Zwangsvollstreckung beim Antragsgegner gestellt hat. Dabei mag dahinstehen, ob vor dem Antrag nach § 123 Abs. 1 VwGO stets ein erfolgloser ausdrücklicher Antrag bei der zuständigen Verwaltungsbehörde gestellt worden sein muss (vgl. zum Meinungsstand: Kopp/Schenke, VwGO, 27. Aufl. 2021, § 123 Rn. 22). Denn dem Antragserfordernis dürfte hier jedenfalls genüge getan worden sein, da der Antragsteller in einem gesonderten Verfahren mit Schreiben vom 14. Februar 2021 den Erlass der zu vollstreckenden Säumniszuschläge erfolglos beim Antragsgegner beantragt hat. Dass der Antragsteller neben dem Erlass nicht noch ausdrücklich eine Aussetzung oder Einstellung der Vollziehung des Festsetzungsbescheides in der Gestalt des Widerspruchsbescheides beim Antragsgegner beantragt hat, ist unschädlich. Denn nach dem vollständigen Erlass der Säumniszuschläge wäre deren Vollstreckung nicht mehr möglich. Mit seinem Erlassbegehren vom 14. Februar 2021 hat der Antragsteller daher hinreichend deutlich gemacht, dass er sich gegen die Beitreibung der festgesetzten Säumniszuschläge wendet, sodass der Antragsgegner zumindest mit der Angelegenheit bereits befasst war.

Zweifel bestehen hingegen an einem für einen solchen Eilantrag notwendigen besonderen Rechtsschutzinteresse beim Antragsteller. Maßgeblich für die Frage des Vorliegens des Rechtsschutzinteresses ist, ob der Antragsteller ein schützenswertes Interesse gerade an der begehrten Eilentscheidung hat (vgl. Schoch/Schneider/Bier/Schoch, 35. EL September 2018, VwGO § 123 Rn. 121c). Das Rechtsschutzbedürfnis erfordert für die Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes nach Art und Umfang ein berechtigtes Interesse, um die Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes auf das zur Durchsetzung subjektiver Rechte erforderliche Maß zu beschränken und einem Missbrauch prozessualer Rechte vorzubeugen (vgl. BVerwG, Urteil vom 11. Juli 2018 – 1 C 18/17 –, Rn. 24, juris). Mit dem Erfordernis des Vorliegens eines allgemeinen Rechtsschutzinteresses soll demzufolge vermieden werden, dass die Gerichte in eine Rechtmäßigkeitsprüfung eintreten müssen, deren Ergebnis für den Antragsteller wertlos ist (vgl. zum Normkontrollverfahren BVerwG, Urteil vom 23. April 2002 – 4 CN 3/01 –, Rn. 10, juris) oder das auf einfacherem und schnellerem Wege ohne Inanspruchnahme der Gerichte realisiert werden kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 11. Juli 2018 – 1 C 18/17 –, Rn. 24, juris; Schleswig-Holsteinisches VG, Beschluss vom 29. März 2019 – 4 B 5/19 –, Rn. 4, juris).

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist Verwaltungsrechtsschutz grundsätzlich nachgängiger Rechtsschutz. Dies folgt aus dem Grundsatz der Gewaltenteilung, der der Gerichtsbarkeit nur die Kontrolle der Verwaltungstätigkeit aufträgt, ihr aber grundsätzlich nicht gestattet, bereits im Vorhinein gebietend oder verbietend in den Bereich der Verwaltung einzugreifen. Die Verwaltungsgerichtsordnung stellt darum ein System nachgängigen - ggf. einstweiligen - Rechtsschutzes bereit und geht davon aus, dass dieses zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) grundsätzlich ausreicht. Vorbeugende Klagen sowie vorbeugender vorläufiger Rechtsschutz sind daher nur zulässig, wenn ein besonderes schützenswertes Interesse gerade an der Inanspruchnahme vorbeugenden Rechtsschutzes besteht, wenn mit anderen Worten der Verweis auf den nachgängigen Rechtsschutz - einschließlich des einstweiligen Rechtsschutzes - mit für den Antragsteller unzumutbaren Nachteilen verbunden wäre (vgl. BVerwG, Urteile vom 25. September 2008 – 3 C 35/07 –, BVerwGE 132, 64-79, juris, Rn. 26; vom 12. Januar 1967 - BVerwG 3 C 58.65 - BVerwGE 26, 23, vom 8. September 1972 - BVerwG 4 C 17.71 - BVerwGE 40, 323 <326 f.>, vom 29. Juli 1977 - BVerwG 4 C 51.75 - BVerwGE 54, 211 <214 f.> und vom 7. Mai 1987 - BVerwG 3 C 53.85 - BVerwGE 77, 207 <212>). Dieses spezielle, auf die Inanspruchnahme vorbeugenden Rechtsschutzes gerichtete qualifizierte Rechtsschutzinteresse ist nicht gegeben, wenn es an einer begründeten Besorgnis für die Rechtsstellung eines Antragstellers fehlt. Für einen vorbeugenden Rechtsschutz ist somit kein Raum, wenn es dem Betroffenen zuzumuten ist, die befürchteten Maßnahmen der Verwaltung abzuwarten und er auf einen als ausreichend anzusehenden nachträglichen Rechtsschutz verwiesen werden kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 7. Mai 1987 - BVerwG 3 C 53.85 - BVerwGE 77, 207 <212>). Daher sind Anträge, die auf vorbeugenden gerichtlichen Rechtsschutz gegen zukünftige Maßnahmen der Verwaltung gerichtet sind, regelmäßig unzulässig (vgl. VG Cottbus, Beschluss vom 29. November 2011 – 6 L 131/11 –, juris; VG Frankfurt (Oder), Beschluss vom 2. Juli 2019 – 3 L 76/19 –, Rn. 8 - 10, juris), wenn der Antragsteller ggf. der Anfechtung und Aussetzung nach § 80 Abs. 5 VwGO zugängliche Verwaltungsakte abwarten kann, um sich sodann gegen diese zur Wehr zu setzen und so ggf. auch den – wenn auch nur vorübergehenden – Verlust von Vermögenswerten hinnehmen kann (vgl. VG Cottbus, Beschluss vom 29. November 2011 – 6 L 131/11 –, juris).

Vorläufiger vorbeugender Rechtsschutz kommt somit nur ausnahmsweise in Betracht, nämlich wenn es dem Rechtsschutzsuchenden unzumutbar ist, die befürchtete Rechtsverletzung abzuwarten und sodann erst die nach der Verwaltungsgerichtsordnung gegebenen (repressiven) Rechtsbehelfe auszuschöpfen. Dies ist etwa dann der Fall, wenn schon die kurzfristige Hinnahme der befürchteten Handlungsweise geeignet ist, den Betroffenen in seinen Rechten in besonders schwerwiegender Weise zu beeinträchtigen. Insoweit muss eine erhebliche, über bloße Randbereiche hinausgehende Verletzung von Grundrechten drohen, die auch über eine spätere gerichtliche Entscheidung nicht mehr ohne weiteres beseitigt werden kann (vgl. dazu BVerfG, Beschluss vom 15. August 2002 – 1 BvR 1790/00 –, juris; BVerwG, Urteil vom 7. Mai 1987 – 3 C 53.85 –, juris; OVG NRW, Beschlüsse vom 2. März 2001 – 5 B 273/01, und vom 17. März 2004 – 13 B 2691/03 –, juris; BayVGH, Beschlüsse vom 16. Dezember 1998 – 7 ZE 98.3115 –, und vom 28. April 1992 – 21 CE 92.949 –, juris; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 24. Mai 1994 – 10 S 451/94 –, juris).

Zwar hat der Antragsgegner durch sein Schreiben vom 3. Dezember 2020 unmissverständlich zu erkennen gegeben, dass er beabsichtigt gegen den Antragsteller vollstrecken zu wollen. Darüber hinaus hat der Antragsgegner auch bereits bei einer vermeintlichen Drittschuldnerin erfolglos versucht durch Zustellung einer Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 30. Juni 2021 eine Kontopfändung zu bewirken.

Allerdings dürfte hier dem Antragsteller zugemutet werden, die drohende Vollstreckung abzuwarten und gegebenenfalls anschließend gegen die erfolgte und dann unter Umständen erfolgreiche Vollstreckungsmaßnahme (Pfändungs- und Einziehungsverfügung) vorzugehen. Das Bestehen eines Rechtsschutzbedürfnisses erscheint nämlich insoweit wegen der über § 22 Abs. 1 Nr. 3 des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes für das Land Brandenburg vom 16. Mai 2013 (VwVGBbg) i. V. m. § 319 der Abgabenordnung (AO) anwendbaren Bestimmung des § 850k ZPO jedenfalls zweifelhaft. Mit Wirkung zum 01. Januar 2012 ist dort der Pfändungsschutz für Kontoguthaben neu geregelt werden. Mit der Einrichtung des Pfändungsschutzkontos nach § 850k ZPO besteht automatischer Pfändungsschutz in Höhe des monatlichen Pfändungsfreibetrages nach § 850c Abs. 1 Nr. 1 ZPO. Die Berücksichtigung der pfändungsfreien Beträge für gesetzliche Unterhaltspflichten erfolgt nach Maßgabe von § 850k Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Nach Absatz 4 der Bestimmung kann das Vollstreckungsgericht – im öffentlich-rechtlichen Vollstreckungsverfahren die Vollstreckungsbehörde – auf Antrag einen abweichenden, auch höheren Freibetrag festsetzen (vgl. Becker in Musielak, ZPO, 11. Aufl. 2014, Rn. 5). Die §§ 850f und 850i ZPO sind nach Absatz 4 Satz 2 entsprechend anzuwenden. Im Hinblick auf den Willen des Gesetzgebers, nur noch das Pfändungsschutzkonto als alternativlose Form des Kontopfändungsschutzes zuzulassen und die Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes entbehrlich zu machen, ist das Rechtsschutzbedürfnis für Vollstreckungsschutz gegen Pfändung von Kontoguthaben in der Regel zu verneinen, wenn der Vollstreckungsschuldner keine Umwandlung in ein Pfändungsschutzkonto vorgenommen hat (vgl. VG Göttingen, Beschluss vom 08. Oktober 2012 – 1 B 240/12 -, zitiert nach juris). Nach § 850k Abs. 7 Satz 2 ZPO kann zudem ein Kunde, der eine natürliche Person ist, jederzeit verlangen, dass das Kreditinstitut sein Girokonto als Pfändungsschutzkonto führt. Ist das Guthaben des Girokontos bereits gepfändet worden, kann der Schuldner die Führung als Pfändungsschutzkonto zum Beginn des vierten auf seine Erklärung folgenden Geschäftstages verlangen, § 850k Abs. 7 Satz 3 ZPO (vgl. VG Frankfurt (Oder), Beschluss vom 18. Februar 2015 – 6 L 694/14 –, Rn. 7, juris).

Letztlich muss dies jedoch an dieser Stelle nicht entschieden werden und kann insoweit dahinstehen, da ungeachtet der Frage, ob der Antrag des Antragstellers zulässig sein dürfte, er jedenfalls unbegründet ist.

Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann das Gericht auch schon vor Klageerhebung eine einstweilige Anordnung in Form der Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Dazu hat der Antragsteller gemäß § 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. § 920 Abs. 2, § 294 der Zivilprozessordnung (ZPO) die besondere Dringlichkeit der Anordnung (Anordnungsgrund) und das Bestehen des zu sichernden materiellen Anspruchs (Anordnungsanspruch) schlüssig darzulegen und glaubhaft zu machen. Maßgeblich für die Beurteilung der beiden Voraussetzungen ist der Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung in der jeweiligen Instanz. Nur wenn das Vorliegen beider Voraussetzungen dargetan und glaubhaft gemacht worden ist, kann eine einstweilige Anordnung ergehen. Fehlt es an der Darlegung und Glaubhaftmachung nur einer der beiden genannten Voraussetzungen, ist der Antrag zurückzuweisen, und zwar ohne dass Anlass bestünde, der Frage weiter nachzugehen, ob das Vorliegen der anderen Voraussetzung dargelegt und glaubhaft gemacht worden ist. Dabei sind umso höhere Anforderungen an den Vortrag und die Glaubhaftmachung durch den Antragsteller zu stellen, je mehr der Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung auf die (endgültige oder vorläufige) Vorwegnahme der Hauptsache gerichtet ist. Für die hier begehrte Regelungsanordnung ergibt sich dies bereits daraus, dass § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO von der Regelung eines „vorläufigen“ Zustandes spricht. Darüber hinaus ergibt sich aus dem Wesen der einstweiligen Anordnung, die im Unterschied zur Entscheidung des Hauptsacherechtsstreits auf Vorläufigkeit angelegt ist, das grundsätzliche Verbot, die Hauptsache mit der Entscheidung im einstweiligen Rechtsschutz vorwegzunehmen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 27. Mai 2004 – 1 WDS–VR 2/04 –, juris Rn. 3; Beschluss vom 13. August 1999 – 2 VR 1/99 -, juris Rn. 24; Beschluss vom 14. Dezember 1989 – 2 ER 301.89, juris Rn. 3; OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 21. Februar 2006 – 2 M 217/05 –, juris Rn. 17 f.). Eine Vorwegnahme der Hauptsache ist daher nur dann zulässig, wenn ein hoher Grad an Wahrscheinlichkeit für einen Erfolg in der Hauptsache spricht und eine vorläufige Regelung zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes schlechterdings notwendig ist, um unzumutbare Nachteile für den Rechtsschutzsuchenden abzuwenden (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 21. April 2010 – 9 S 109/09 -, juris Rn. 5; OVG Saarland, Beschluss vom 18. Januar 2006 – 1 W 18/05 –, juris Rn. 6; OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 6. September 2005 – 1 M 55/05 –, juris Rn. 8; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 21. April 2004 – 6 S 17/04 –, juris Rn. 14; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 21. März 2003 – 13 B 290/03 –, juris Rn. 3; Beschluss der Kammer vom 16. Januar 2019 - 6 L 570/16 -, juris Rn. 6; weitere Nachweise bei Finkelnburg/Dombert/Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 7. Auflage, 2017, Rn. 174 ff., 183 ff., 190 ff.).

Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt.

Es ist bereits zweifelhaft, ob vorliegend auf Seiten des Antragstellers ein Anordnungsgrund besteht. Der Antragsteller hat nach Überzeugung des Gerichts einen solchen nicht glaubhaft gemacht. Der lediglich bloße Vortrag, der Antragsteller sei Student und könne wegen der Corona-Pandemie nicht arbeiten ohne Beibringung von diesbezüglichen Unterlagen und Konkretisierung der Vermögens- und Einkommensverhältnisse reicht insoweit zur Glaubhaftmachung nicht aus.

Darüber hinaus fehlt es aber jedenfalls an der Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruchs.

Glaubhaft gemacht wäre der Anspruch auf vorläufige Einstellung der Zwangsvollstreckung, wenn das Gericht aufgrund einer vorläufigen, summarischen Prüfung zu dem Ergebnis gelangte, dass eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafürspricht, dass die Vollstreckung der Säumniszuschläge aus dem Festsetzungsbescheid rechtswidrig ist. Dann stünde dem Antragsteller aus dem allgemeinen öffentlich-rechtlichen Abwehr- und Unterlassungsanspruch ein Abwehrrecht gegen dieses rechtswidrige Handeln zu (vgl. VG Cottbus, Beschluss vom 29. November 2011 – 6 L 131/11 -, juris Rn. 8). Dies ist hier aber nach dem Erkenntnisstand des Eilverfahrens nicht gegeben. Vielmehr spricht alles dafür, dass der Antragsgegner berechtigt ist, die mit Bescheid festgesetzten Säumniszuschläge zu vollstrecken.

Die allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen gemäß § 3 VwVGBbg liegen nach dem Erkenntnisstand des Eilverfahrens vor. Danach kann nach § 3 VwVGBbg ein Verwaltungsakt, der zu einer Geldleistung verpflichtet (Leistungsbescheid) vollstreckt werden, wenn er unanfechtbar geworden ist oder ein gegen ihn gerichteter Rechtsbehelf keine aufschiebende Wirkung hat und die sonstigen Vollstreckungsvoraussetzungen erfüllt sind. Nach § 19 Abs. 2 VwVGBbg kann ein Leistungsbescheid vollstreckt werden, wenn er dem Vollstreckungsschuldner bekannt gegeben ist (Nr. 1), die beizutreibende Forderung fällig ist (Nr. 2), eine Frist von einer Woche seit Bekanntgabe des Leistungsbescheides oder, wenn die Leistung erst später fällig wird, eine Frist von einer Woche nach Eintritt der Fälligkeit (Schonfrist) abgelaufen ist, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist (Nr. 3), und der Vollstreckungsschuldner vor der Beitreibung schriftlich oder durch Postnachsendeauftrag ergebnislos aufgefordert worden ist, innerhalb einer bestimmten Frist von mindestens einer Woche seit Bekanntgabe zu leisten (Mahnung) (Nr. 4).

Bei dem Festsetzungsbescheid des Antragsgegners vom 10. Oktober 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. November 2016 handelt es sich um einen solchen Leistungsbescheid. Denn er enthält eine abschließende Festsetzung von Säumniszuschlägen und die Aufforderung zur Zahlung der bis dahin verwirkten Säumniszuschläge – mithin ein Leistungsgebot. Dieser Leistungsbescheid ist auch bestandskräftig geworden ist. Hierauf käme es letztlich nicht an, da jedenfalls gegen einen Abgabenbescheid – wie den Bescheid über die Festsetzung von Säumniszuschlägen vom 10. Oktober 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. August 2017 – ein Rechtsbehelf ohnehin keine aufschiebende Wirkung hat, § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 VwGO.

Die Rechtmäßigkeit des Grundverwaltungsaktes ist keine Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit der Vollstreckung (vgl. nur BVerwG, Urteil vom 13.04.1984 – 4 C 31/81 -, juris). Daher wird die Rechtmäßigkeit des der Vollstreckung zugrundeliegenden Verwaltungsaktes im Vollstreckungsverfahren grundsätzlich nicht mehr geprüft. Diesbezügliche Einwendungen muss der Schuldner gemäß § 15 VwVGBbg außerhalb des Vollstreckungsverfahrens mit den hierfür zugelassenen Rechtsmitteln verfolgen (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 04.09.2019 – OVG 9 S 18.18 -, juris, Rn. 6; Beschluss vom 29. Februar 2012 – 9 S 53.10-, juris, Beschluss der Kammer vom 29.11.2011 – 6 L 131/11-, juris, Rn. 18, Urteil der Kammer vom 4. Mai 2017 – 6 K 531/11 -, juris; Kopp/Schenke, VwGO, 25. Aufl. 2019, § 167 Rn. 19a).

Die sonstigen Vollstreckungsvoraussetzungen, wie sie namentlich in § 19 Abs. 2 VwVGBbg aufgeführt sind, liegen nach dem Erkenntnisstand des Eilverfahrens ebenfalls vor. Der Antragsteller hat insoweit auch nichts vortragen. Die festgesetzten Säumniszuschläge waren nach dem Erkenntnisstand des Eilverfahrens fällig. Auch ist die Schonfrist im Sinne von § 19 Abs. 2 Nr. 3 VwVGBbg gewahrt, da eine Woche seit Bekanntgabe des Bescheides abgelaufen ist.

Der Antragsteller wurde auch bereits hinsichtlich der festgesetzten Säumniszuschläge bereits mit Schreiben vom 26. Februar 2020 gemahnt, so dass dem § 19 Abs. 2 Nr. 4 VwVGBbg Genüge getan wurde, wonach der Vollstreckungsschuldner vor der Beitreibung schriftlich oder durch Postnachnahmeauftrag ergebnislos aufzufordern ist, innerhalb einer bestimmten Frist von mindestens einer Woche seit Bekanntgabe zu leisten (Mahnung).

Auch die durch den Antragsgegner gegenüber dem Antragsteller geltend gemachten Mahngebühren in Höhe von 5,00 €, sind rechtlich nicht zu beanstanden.

Nach § 19 Abs. 2 Nr. 4 VwVfGBbg i.V.m. § 4 Abs. 2 der Kostenordnung zum Verwaltungsvollstreckungsgesetz für das Land Brandenburg (BbgKostO) war der Antragsgegner sowohl befugt den Antragsteller zu mahnen, als auch Mahngebühren in Höhe von 5,00 € gegenüber der Antragstellerin geltend zu machen. Nach § 4 Abs. 2 S. 1 BbgKostO beträgt die Mahngebühr ein Prozent des Mahnbetrages, mindestens jedoch 5 € und höchstens 100 €. Zur Berechnung der Gebühr wird der Betrag, dessentwegen gemahnt wird, auf den nächsten Betrag, der ohne Rest durch 10 teilbar ist, abgerundet. Die Mahngebühr entsteht, sobald das Mahnschreiben zur Post gegeben ist oder eine Person mit seiner Überbringung beauftragt worden ist (§ 4 Abs. 3 S. 1 BbgKostO).

Nach allem war der Antrag insgesamt zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung entspricht der Bedeutung der Sache für den Antragsteller, § 52 Abs. 1 i. V. m. § 53 Abs. 2 Nr. 1 des Gerichtskostengesetzes (GKG). Sowohl in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes in Abgabensachen sowie in Vollstreckungsverfahren beträgt der Streitwert regelmäßig ¼ des Betrages des Streitwertes der jeweiligen Hauptsache (Ziffer 1.5 sowie Ziffer 1.7.1 2. HS des Streitwertkataloges für die Verfassungsgerichtsbarkeit 2013), sodass hier von ¼ des in der letzten Zahlungsaufforderung vom 29. Januar 2021 sowie in der fehlgeschlagenen Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 30. Juni 2021 angegebenen Gesamtbetrages von 694,50 € auszugehen war.