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Entscheidung 3 O 49/20


Metadaten

Gericht LG Cottbus 3. Zivilkammer Entscheidungsdatum 25.08.2021
Aktenzeichen 3 O 49/20 ECLI ECLI:DE:LGCOTTB:2021:0825.3O49.20.00
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist für den Beklagten wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung des Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

4. Der Streitwert wird auf 7.193,80 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Klägerin ist Beamtin im beklagten Bundesland und macht wegen einer behaupteten Unteralimentierung gegen ihren Dienstherrn, das beklagte Land, Schadensersatzansprüche nach dem Staatshaftungsgesetz (im Folgenden: StHG) geltend.

Sie ist seit 1993 Beamtin des Landes Brandenburg, seit 2005 Steuersekretärin in der Besoldungsgruppe A 6, seit 1998 in der Besoldungsgruppe A 7 und seit 2005 Steuerobersekretärin in der Besoldungsgruppe A7, seit 2011 Steuerhauptsekretärin in der Besoldungsgruppe A 8.

Das OVG Berlin-Brandenburg legte mit Beschluss vom 02.06.2016, OVG 4 B 1.09, den dortigen Rechtsstreit dem Bundesverfassungsgericht vor zur Frage, ob die richterliche Besoldung im Land Brandenburg in den Jahren 2004 bis 2013 amtsangemessen war und mit Art. 33 Abs. 5 GG vereinbar ist.
Das Land Brandenburg erließ das Gesetz zur Anpassung der Besoldung und Versorgung und zur Änderung weiterer besoldungs- und versorgungsrechtlicher Vorschriften 2017 im Land Brandenburg (BbgBVAnpG 2017/2018) und das Gesetz zur Nachzahlung der Besoldung (Nachzahlungsgesetz).

Auf den Widerspruch der Klägerin vom 12.12.2011 erging der Widerspruchsbescheid vom 31.07.2018, mit dem der Klägerin für den Zeitraum 01.01.2011 bis 31.12.2014 eine Nachzahlung in Höhe von 2259,67 € gewährt wurde (K2, Bl. .9 d.A.) .
Die Klägerin beantragte am 27.06.2018 im Wege der Staatshaftung die Zahlung der von ihr angenommenen weiteren Differenz zwischen angemessener und tatsächlicher Besoldung (K 1, Bl. . 7 d.A.), der mit Bescheid der ZBB vom 09.12.2019 abgelehnt wurde (K 3, Bl. 14).

Im Rahmen dieses Rechtsstreits erhob das beklagte Land die Einrede der Verjährung.

Die Klägerin meint, ihre Besoldung habe im Zeitraum 2004 - 2010 in verfassungswidriger Weise die gebotene Beamtenbesoldung unterschritten, sie habe für den oben genannten Zeitraum einen entsprechenden Nachzahlungsanspruch in Höhe von insgesamt 7.193,80 €. Durch das BbgBVAnpG 2017/2018 und das Nachzahlungsgesetz habe der Beklagte die Verfassungswidrigkeit der Besoldung seit dem Jahr 2004 eingeräumt, denn dort gewähre er eine Besoldungsanpassung für die vergangenen Jahre.

Die Klägerin beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin einen Betrag i.H.v. 7.193,80 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.01.2004 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte meint, ein für den Anspruch nach dem StHG erforderliches rechtswidriges Handeln durch Mitarbeiter oder Beauftragte eines staatlichen Organs läge hier nicht vor. Die Mitarbeiter oder Beauftragten hätten lediglich die gültigen Besoldungsgesetze angewendet.
Bei legislativem Unrecht bestehe kein Schadensersatzanspruch gegen den Staat.

Entscheidungsgründe

I.

1.

Die Klage ist zulässig. Der ordentliche Rechtsweg ist eröffnet und das angerufene Gericht zuständig.

Grundsätzlich besteht nach § 126 Abs. 1 BRRG und § 126 BBG (Bundesbeamte) bzw. § 54 BeamtStG (Länder) i.V.m. § 103 BbgLBG eine Sonderzuweisung zur Verwaltungsgerichtsbarkeit für alle Klagen von Beamten, Ruhestandsbeamten, früheren Beamten und der Hinterbliebenen aus dem Beamtenverhältnis. Dies gilt auch für besoldungsrechtliche Fragestellungen (BVerwG, Urt. v. 26.7.2012 – 2 C 29/11-, NVwZ-RR 2012, 972).

Für den vorliegend geltend gemachten Amtshaftungsanspruch ist daneben aber auch der Zivilrechtsweg eröffnet. Denn unter Berücksichtigung von Art. 34 S. 3 GG besteht ein Verbot, den ordentlichen Rechtsweg für Schadensersatz- und Rückgriffsansprüche auszuschließen. So kann nach der Rechtsprechung des BVerwG (Beschl. Urt. v. 24.8.1961 – II C 165/59-, NJW 1961, 2364) eine Haftung des Dienstherren nach beamtenrechtlichen Grundsätzen neben einem Amtshaftungsanspruch bestehen (vgl. auch zur Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte bei Ansprüchen aus Enteignungsentschädigung oder Amtshaftung: Reich, in: BeamtStG, 3. Aufl. 2018, BeamtStG § 54 Rn. 2-5). Hiernach besteht daher bei Vorliegen einer Amtspflichtverletzung für den Beamten die Wahlmöglichkeit, Schadensersatzansprüche entweder im Verwaltungsrechtsweg oder im ordentlichen Rechtsweg nach § 839 Abs. 1 BGB gegen seinen Dienstherrn geltend zu machen.

Die sachliche Zuständigkeit des angerufenen Gerichts ergibt sich aus §71 Abs. 2 Nr. 2 GVG. Der Beklagte wird vorliegend von der ZBB vertreten, die ihren Sitz in Cottbus und damit im Gerichtsbezirk des angerufenen Gerichts hat, sodass das Gericht gem. § 18 ZPO auch örtlich zuständig ist.

2.

Die Klage ist jedoch unbegründet.

Dem Kläger steht gegen den Beklagten weder ein Schadensersatzanspruch nach § 1 Abs. 1 StHG noch nach § 839 Abs. 1 BGB i.V. mit Art. 34 GG zu.
Die Anspruchsvoraussetzungen hierfür liegen nicht vor.

Gem. § 1 Absatz 1 StHG haftet das jeweilige staatliche oder kommunale Organ für Schäden, die einer natürlichen oder einer juristischen Person hinsichtlich ihres Vermögens oder ihrer Rechte durch Mitarbeiter oder Beauftragte staatlicher oder kommunaler Organe in Ausübung staatlicher Tätigkeit rechtswidrig zugefügt werden.

Nach § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG ist ein Amtshaftungsanspruch gegeben, wenn ein Handeln oder Unterlassen eines Amtsträgers in Ausübung eines öffentlichen Amtes (sog. haftungsrechtlicher Beamtenbegriff) zu einer Verletzung einer drittbezogenen Amtspflicht führt, dem handelnden Beamten ein Verschulden zur Last gelegt werden kann, die Amtspflichtverletzung kausal zu einem Schaden geführt hat und keine Ausschlussgründe bestehen.

Beide vorgenannten Normen erfordern, dass der Schaden durch einen Akt der Exekutive entsteht. Der Kläger stützt seinen Anspruch auf die Unrechtmäßigkeit der Besoldung und damit auf legislatives Unrecht, für welches nach dem gesetzgeberischen Willen aber gerade keine Amtshaftung in Betracht kommen soll (vgl. zuletzt: BGH, Urt. v. 28.01.2021 – WuM 2021, 251 -, juris.

Es reicht zur Begründung eines Amtshaftungsanspruchs nicht allein aus, dass jemand durch einen hoheitlichen Akt nachteilig betroffen ist. Der Geschädigte muss darüber hinaus geltend machen können, dass eine gegebenenfalls verletzte Amtspflicht gerade auch zu seinem Schutz diente, er also vom Schutzbereich der Amtspflicht erfasst war (BGH, a.a.O.; Sprau, in: Palandt/Sprau, BGB. 80. Aufl. 2021, § 839 Rn. 44). Die Ausklammerung einer Haftung für Kollektiventscheidungen durch das Staatshaftungsrecht dient als wichtiges haftungsbegrenzendes Korrektiv, welches die Funktionsfähigkeit der Legislative gewährleisten soll.

Die Legislativtätigkeit beim Erlass formeller Gesetze dient nach ständiger Rechtsprechung des BGH ausschließlich dem Allgemeininteresse und beinhaltet deshalb grundsätzlich keine drittgerichtete Amtspflicht des Staates dem Einzelnen gegenüber (BGH, Urt. v. 28.01.2021 – WuM 2021, 251 -, juris NJW 1997, 123 f.). Es entspricht nicht dem Willen des Gesetzgebers, dass er mit der verschuldensunabhängigen Haftung auch diejenigen Fälle erfassen wollte, in denen Nachteile durch legislatives Unrecht und den verwaltungsmäßigen Vollzug entstanden sind (vgl. BGH, Urt. v. 16.4.2015 – III ZR 204/13 -, BeckRS 2015, 8777, beck-online).

Bei dem durch die Klägerin geltend gemachten Schadensersatzanspruch, den er auf eine Unteralimentierung stützen will, muss die Gesetzesbindung der Besoldung und Versorgung gem. § 2 BbgBesG beachtet werden, welche einen althergebrachten Grundsatz des Berufsbeamtentums, Art. 33 Abs. 5 GG, darstellt (Battis, in: Bundesbeamtengesetz, BBG § 4 Rn. 16, beck-online). Dem Beamten steht gem. § 2 BbesG nur eine Besoldung nach Maßgabe des Gesetzes zu. Gesetze in diesem Sinne sind das allgemeine Besoldungsgesetz und jede ranggleiche gesetzliche Regelung außerhalb des allgemeinen Besoldungsgesetzes, die die Dienstbezüge des Beamten festlegt (Battis, a.a.O.).

Ein rechtswidriges Handeln des die Besoldung festsetzenden Beamten (und damit ein grundsätzlich nach Amtshaftungsgesichtspunkten ersatzfähiges exekutives Unrecht) liegt hier nicht vor, denn der Besoldungsbeamte hält sich an die vorgenannten Grundsätze, ohne dass ihm eine Abweichung hiervon möglich wäre. Vielmehr würde der Amtsträger selbst gegen Recht und Gesetz verstoßen, würde er dem einzelnen Beamten aufgrund einer seiner Meinung nach vorhandenen Unteralimentierung eine amtsangemessene Besoldung zahlen. Soweit also entsprechende besoldungsrechtliche Vorschriften bestehen, sind diese anzuwenden, es sei denn, das Bundes- oder Landesverfassungsgericht stellt deren Verfassungswidrigkeit fest. Soweit ein Gericht besoldungsrechtliche Vorschriften für verfassungswidrig erachtet, hat es die Sache dem Bundesverfassungsgericht gemäß Art. 100 Abs. 1 GG vorzulegen.

Im vorliegenden Fall ist für den durch den Kläger geltend gemachten Zeitraum nach dem klägerischen Vortrag die Verfassungswidrigkeit zum Zeitpunkt der jeweiligen Auszahlung der Beamtenbesoldung hingegen nicht festgestellt worden.

Soweit das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung aus dem Jahr 2003 (Beschluss vom 12.2.2003 – 2 BvL 3/00) im Rahmen eines Normenkontrollverfahrens die Verfassungsmäßigkeit der niedrigeren Besoldung in den neuen Bundesländern i.R. des BBesG i.d.F vom 1.1.1996) festgestellt hat, betraf dies nicht die konkrete Frage, ob die Beamtenbesoldung im Einzelnen angemessen ist, sondern lediglich die Frage, ob eine unterschiedliche Besoldung in der Bundesrepublik überhaupt zulässig ist. Die Feststellung der Verfassungswidrigkeit im Einzelnen kann darin gerade nicht gesehen werden. Solange der jeweilige Besoldungsbeamte nicht sehenden Auges ein vorher für verfassungswidrig erklärtes Gesetz anwendet, liegt allein legislatives, und kein exekutives Unrecht vor.

Ob der Gesetzgeber, wie von der Klagepartei behauptet, mit dem Erlass des Nachzahlungsgesetzes vom 10.07.2017 eine Verfassungswidrigkeit der Beamtenbesoldung für die Jahre 2004-2014 festgestellt hat, kann vorliegend dahinstehen, da dies keine Auswirkungen auf den streitgegenständlichen Anspruch hätte.

Dem Gesetzgeber steht es frei, entsprechende gesetzliche Regelungen für Nachzahlungen zu treffen. Dabei kann es sich sowohl um ein Nachkommen i.S.d. allgemeinen Fürsorgepflicht nach § 78 BBG/§ 54 BeamtStG, als auch um ein Nachgeben zum Zwecke der Beendigung zahlreicher Widerspruchs- und Klageverfahren in Zusammenhang mit der Frage der Amtsangemessenheit der Besoldung handeln. Einen Leistungsanspruch kann die Klägerin aus vorgenannten Gründen jedoch gerade nur dann herleiten, wenn dies ausdrücklich gesetzlich geregelt wird. Das Nachzahlungsgesetz regelt die Nachzahlung nur für den gesetzlich festgelegten Zeitraum, darüber hinaus enthält es für die Klägerin keinen Leistungsanspruch.

Das führt nicht dazu, dass der Beamte im Falle der verfassungswidrig niedrigen Alimentierung rechtlos gestellt wäre. Er ist ihm lediglich verwehrt, die Unteralimentation hinzunehmen und dann den Schadensersatz zu verlangen (Unzulässigkeit von Dulden und Liquidieren).

Der Beamte kann ist die Frage der Amtsangemessenheit der Alimentation zwar nicht durch Verpflichtungs- oder Leistungsklage vor dem VG klären lassen, weil auch im verwaltungssgerichtlichen Verfahren einem Beamten wegen der Gesetzesbindung der Besoldung gerichtlicherseits keine Besoldungsleistungen zugesprochen werden können, die gesetzlich nicht vorgesehen sind. Vielmehr sind die Beamten darauf verwiesen, ihren Alimentationsanspruch dadurch geltend zu machen, dass sie vor dem VG Klage auf Feststellung erheben, ihre Bezüge seien verfassungswidrig zu niedrig bemessen (May in: Schütz/Maiwald, Beamtenrecht - Kommentar, 30. UPD Mai 2021, 2.3.5 Verfahrens- und Prozessrecht, Rn. 80 ff mit Hinweis auf st. Rspr.; vgl. etwa BVerfG 14.10.2009 - 2 BvL 13/08 -, juris; BVerwG 20.3.2008 - 2 C 49.07 -, ES /C IV 2 Nr. 184 = BVerwGE 131, 20; 28.4.2005 - 2 C 1.04 -, ES /C I 1.1 Nr. 82 = BVerwGE 123, 308; 19.12.2002 - 2 C 34.01 -, ES /C I 1 Nr. 14 = BVerwGE 117, 305; 20.6.1996 - BVerwG 2 C 7.95, ES /C I 1 Nr. 2 = NVwZ 1998, 76; NRW OVG 12.2.2014 - 3 A 155/09 -, ES /C I Nr. 15).

Eine Verurteilung zu einer Leistung kann selbst bei der Annahme der Verfassungswidrigkeit einer Kürzungsnorm im Wege der allgemeinen Leistungsklage nicht erreicht werden (May a.a.O. und BVerwG 21.9.2017 - BVerwG 2 C 30.16 -, ES /C I Nr. 25 mwN).

Ist das angerufene Verwaltungsgericht von der Verfassungswidrigkeit der in Rede stehenden Besoldungsnorm überzeugt, legt es das Verfahren dem Verfassungsgericht vor (vgl. Art. 100 Absatz 1 GG). Dieser Verfahrensschritt hat für den klagenden Beamten zur Folge, dass er die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts bzw. des im Einzelfall zuständigen Landesverfassungsgerichts und eine danach gebotene Neuregelung des Besoldungsanspruchs durch den Gesetzgeber abwarten muss (May a.a.O. Rz 84 mit weiteren Nachweisen).

Diesen vom Gesetzgeber vorgesehenen Weg hat die Klägerin nicht genutzt. Einen kürzeren oder einfacheren Weg – auf Schadensersatz wegen legislativen Unrechts – sieht das Gesetz aus den o.g. Gründen nicht vor.

II.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 709 ZPO.

III.

Die Streitwertfestsetzung fußt auf § 48 Abs. 1 GKG i.V.m §§ 3,4 ZPO.