Toolbar-Menü
 
Sie sind hier: Gerichtsentscheidungen Entscheidung

Entscheidung VG 5 K 451/16


Metadaten

Gericht VG Cottbus 5. Kammer Entscheidungsdatum 16.06.2022
Aktenzeichen VG 5 K 451/16 ECLI ECLI:DE:VGCOTTB:2022:0616.5K451.16.00
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen § 23 Abs 1 StrG BB, § 1004 BGB, § 905 BGB, § 93 WHG

Leitsatz

Dem Privateigentümer eines als öffentliche Straße gewidmeten Grundstücks steht gegen den Abwasser- und Trinkwasserzweckverband eine actio negatoria wegen ohne Duldungsverfügung nach § 93 WHG und ohne Zustimmung verlegter Abwasser- und Trinkwasserleitung zu (entgegen VGH München, Beschluss vom 5. November 2012 - 8 CS 12.802; VG Cottbus, Urteil vom 5. November 2015 - 6 K 607/11 -).

Tenor

1. Der Beklagte wird verurteilt, die Schmutzwasserleitung sowie die Schmutzwasserhausanschlussleitungen zu beseitigen und die Durchleitung von Trinkwasser durch die Trinkwasserleitung sowie die Trinkwasserhausanschlussleitungen zu unterlassen, soweit diese Leitungen in dem Grundstück der Gemarkung Z ... liegen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens tragen die Kläger als Gesamtschuldner zu 1/3 der Beklagte zu 2/3.

3. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Schuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleitung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Die Kläger begehren den Rückbau und hilfsweise die Stilllegung mehrerer Versorgungs- und Entsorgungsleitungen sowie zugehöriger Hausanschlüsse auf zwei Grundstücken durch den Beklagten.

In dieser Zusammensetzung sind die Kläger seit April 2014 Bruchteilseigentümer der beiden streitgegenständlichen Grundstücke mit der Flurnummer Flur 2, Flurstück 39 und 41 der Gemarkung Z ... im Verbandsgebiet des Beklagten. Die Kläger zu 1) und 2) waren seit dem Jahr 1998 zusammen mit Herrn H ... als Miteigentümer im Grundbuch eingetragen, die Kläger zu 3) und 4) auf Grund einer Erbfolge nach Herrn S ... im Jahr 2014, wobei sie bis zur Eintragung einer Auflassung aus August 2015 im April 2014 zusammen mit Frau M ... in Erbengemeinschaft mit einem Anteil zu 1/3 das Eigentum innehatten.

Im Grundstück Flurstück 39 – einem unbefestigten Wegegrundstück, das nicht förmlich als öffentlicher Weg gewidmet ist – verlaufen unterirdisch eine Trinkwasser- wie auch eine Schmutzwasserleitung, sowie zwei Trinkwasserhausanschlussleitungen und drei Schmutzwasserhausanschlussleitungen. Im Grundstück Flurstück 41 – einem an diesen Weg angrenzenden 62 qm großen unbebauten Grundstück – verläuft ebenfalls unterirdisch eine Schmutzwasserhausanschlussleitung. Eine dingliche Sicherung für die im Sommer 2000 durch den Beklagten verlegte Trinkwasserleitung und entsprechende Hausanschlussleitungen sowie für die im Sommer 2011 verlegte Schmutzwasserleitung mit den entsprechenden Hausanschlussleitungen sind im Grundbuch nicht eingetragen. Die weiteren im Süden an das Flurstück 39 angrenzenden Grundstücke sind bebaut, das im Norden angrenzende Flurstück ist bewaldet. Im Eigentum der Kläger steht des Weiteren das direkt an das Flurstück 41 angrenzende Flurstück 42.

Der Beklagte ist ein Zweckverband, der vermöge seiner Verbandssatzung die Wasser- und Abwasserversorgung im Verbandsgebiet gewährleistet. Ihm obliegt die Aufgabe für seinen räumlichen Wirkungsbereich eine gemeinsame Wasserversorgungsanlage und Abwasseranlage mit den jeweiligen Hausanschlüssen zu planen, zu errichten, zu betreiben und zu unterhalten.

Mit Schreiben vom 17. Januar 2011 bat der Beklagte die damaligen Eigentümer um Zustimmung zur Verlegung eines Abwasserkanals im streitgegenständlichen Flurstück 39. Die an jeden Eigentümer gesondert adressierte Einverständniserklärung sah für diese ein schriftlich auszuübendes Widerrufsrecht binnen vier Wochen vor. Allein die Klägerin zu 1) erteilte daraufhin im Februar 2011 ihre Zustimmung, widerrief diese aber im August 2011. Während der laufenden Bauarbeiten widersprachen die damaligen Eigentümer erstmals mit Schreiben vom 05. August 2011 sowie 30. September 2011 der Inanspruchnahme beider Grundstücke für jegliche Baumaßnahmen zur Verlegung von Trinkwasser- und Abwasserleitungen. Mit letztgenanntem Schreiben forderten die Kläger ferner Schadensersatz für die Inanspruchnahme des Eigentums als auch für die durch die Baumaßnahmen verursachten Schäden am Baumbestand.

In der Folge teilte der Beklagten den Klägern erstmals mit, dass „die in Anspruch genommenen Grundstücke“ im Liegenschaftskataster als Verkehrsfläche/Straße ausgewiesen seien, so dass eine Zustimmung ihrerseits für die Inanspruchnahme zu Gunsten öffentlicher Abwasserentsorgung entbehrlich sei. In den Jahren 2012 bis einschließlich März 2014 fanden zwischen den Parteien Gespräche hinsichtlich einer Rückbaupflicht unter Austausch von Vergleichsvorschlägen statt. Im Dezember 2014 verzichtete der Beklagte jeweils in Abständen von mehreren Monaten, im Ergebnis insgesamt bis Ende März 2016 unter Bezugnahme auf diese laufenden Vergleichsverhandlungen auf die Einrede der Verjährung.

Mit der am 31. März 2016 erhobenen Klage machen die Kläger weiterhin geltend, dass die Verlegung der Versorgungs- und Entsorgungsleitungen Eigentumsbeeinträchtigungen seien, die sie nicht dulden müssten. Der Beklagte besitze insbesondere kein schuldrechtlich begründetes Nutzungsrecht an den betroffenen Flurstücken. Da es sich um eine Erbengemeinschaft handele, könnten die Miterben nur gemeinsam über das Eigentum verfügen. Eine Duldungspflicht folge zum einen mangels entsprechender Duldungsverfügung zum anderen mangels Erforderlichkeit auch nicht aus § 93 des Gesetzes zur Ordnung des Wasserhaushalts (WHG). Es wäre seinerzeit zweckmäßiger gewesen, die Versorgungsleitungen über städtische und zu erschließende Grundstücke zu führen. Auch fehle es für die streitgegenständlichen Flurstücke an einer formalen oder fiktiven Widmung – sei es über das Rechtsinstitut der unvordenklichen Verjährung oder nach dem Brandenburgischen Straßengesetz – als öffentliche Straße, die wiederum eine Duldungsverpflichtung begründen würde. Beim Grundstück Flurstück 39 handele sich vielmehr um einen privaten Waldweg. Darüber hinaus seien auch die Leitungen selbst nicht gewidmet.

Nachdem die Kläger zunächst beantragt haben, den Beklagten zum Rückbau der Trinkwasserleitung, der Schmutzwasserleitung sowie der Schmutzwasserhausanschlussleitungen in den Grundstücken Flurstück 39 und 41 zu verurteilen sowie die Bevollmächtigung des Prozessbevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären,

beantragen sie zuletzt,

den Beklagten zu verurteilen, die Schmutzwasserleitung, die Schmutzwasserhausanschlussleitungen und die Trinkwasserleitungen einschließlich der Trinkwasserhausanschlussleitungen auf dem im Grundbuch von Z ..., und die Schmutzwasserhausanschlussleitung auf dem im Grundbuch von Z ..., zu beseitigen,

hilfsweise,

den Beklagte zu verurteilen zu unterlassen, in den oben genannten Leitungen Abwasser und Trinkwasser durchzuleiten.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte stimmt der Klageerweiterung zu und wiederholt sein Vorbringen zur Einordnung des Grundstücks Flurstück 39 als öffentliche Straße. Ferner beruft er sich nunmehr auf die vertragliche Zustimmung seitens der Klägerin zu 1) als Grundlage für eine Duldungspflicht seitens der Kläger. Zugleich gibt er zu bedenken, dass es sich bei der Trinkwasserversorgung und der Abwasserentsorgung um Aufgaben der Daseinsvorsorge handele. Dürften die Leitungen im Bereich des Flurstücks 39 nicht mehr verbleiben, bestünde keine andere Möglichkeit diesen Bereich der J ... zu versorgen. Eine alternative Streckenführung komme nicht in Betracht. Eine vollständige Entfernung der Versorgungsleitungen auf dem streitgegenständlichen Flurstück hätte zur Folge, dass für die Schmutzwasserleitungen die Fließrichtung nicht mehr aufrechterhalten werden könnte und dadurch erhebliche Umbaumaßnahmen erforderlich wären. Die im Trinkwasserbereich sodann notwendige Bewirtschaftung von zwei Endsträngen berge eine erhöhte Gefahr der Verkeimung in sich. Bei der zuständigen Behörde sei im Jahr 2021 ein Antrag auf Erlass einer Duldungsverfügung nach § 93 WHG gestellt worden. Mündlich sei ihm mitgeteilt worden, dass gesetzt den Fall, das Gericht komme zu dem Ergebnis, dass es sich nicht um eine öffentliche Straße handele, die zuständige Behörde eine entsprechende Duldungsverfügung erlassen werde. Der Beklagte erhebt, auch hinsichtlich der Klageerweiterung, die Einrede der Verjährung.

Nach Anhörung der Beteiligten vom 07. Juni 2017 wurde der Rechtsstreit mit Beschluss vom 17. Februar 2021 auf die Berichterstatterin als Einzelrichterin übertragen. Nach Anhörung vom 17. Mai 2022 wurde der Rechtsstreit mit Beschluss vom 23. Mai 2022 auf die Kammer zurückübertragen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die nach § 91 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) zulässigerweise in der mündlichen Verhandlung mit Zustimmung des Beklagten erweiterte Klage, über die nach § 6 Abs. 3 VwGO die Kammer zu entscheiden hatte, ist zulässig aber nur teilweise begründet.

I. Für die vorliegende Streitigkeit ist der Verwaltungsrechtsweg eröffnet. Nach § 40 Abs. 1 VwGO ist der Verwaltungsrechtsweg in allen öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art gegeben, soweit die Streitigkeit nicht durch Bundesgesetz oder auf dem Gebiet des Landesrechts durch Landesgesetz einem anderen Gericht ausdrücklich zugewiesen ist.

Die von den Klägern geltend gemachten Ansprüche sind öffentlich-rechtlicher Natur nicht verfassungsrechtlicher Art. Ob eine Rechtsstreitigkeit öffentlich-rechtlicher oder privatrechtlicher Natur ist, richtet sich nach der Natur des Rechtsverhältnisses, aus dem der Klageanspruch hergeleitet wird. Maßgeblich ist in diesem Zusammenhang, ob der durch den Klageanspruch und den Klagegrund konkretisierte Streitgegenstand unmittelbar durch das öffentliche Recht oder durch das bürgerliche Recht geregelt und deswegen die gerichtliche Entscheidung über den Klageanspruch nach öffentlichem Recht oder aber nach bürgerlichem Recht zu treffen ist. Dabei kommt es auf die wahre Natur des Anspruchs, wie er sich nach dem Sachvortrag des Klägers darstellt, und nicht darauf an, ob der Kläger sich auf eine zivilrechtliche oder auf eine öffentlich-rechtliche Anspruchsgrundlage beruft (st. Rspr. siehe nur BVerwG, Urteil vom 25. März 1982 – 2 C 30/79 –, Buchholz 310 § 40 VwGO Nr 195 = juris Rn. 27; Bay. VGH, Beschluss vom 24. Januar 2022 – 8 C 21.1411 –, juris Rn. 15 m.w.N.).

Hier kommt nach dem Vortrag der Kläger ein Folgenbeseitigungsanspruch in Betracht, der sich als bürgerlich-rechtlicher Anspruch auf § 1004 Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) oder als öffentlich-rechtlicher Folgenbeseitigungsanspruch auf eine entsprechende Anwendung der § 1004 BGB i.V.m. Art. 14 des Grundgesetzes (GG) stützen lässt. Bei derartigen Klagen teilt der Anspruch grundsätzlich die Rechtsnatur des Handelns, das die Beeinträchtigung verursacht hat.

Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe stellt sich die Verlegung der Leitungen durch den Beklagten als ein öffentlich-rechtliches Handeln dar. Mit der Verlegung der Versorgungsleitungen nimmt der Beklagte eine öffentliche Aufgabe wahr, zu der er als öffentliche Einrichtung ausweislich seiner Satzung verpflichtet ist. Die Trinkwasserversorgung ist eine öffentliche Aufgabe der Daseinsvorsorge, § 50 Abs. 1 WHG. Gleiches gilt auch für die Abwasserentsorgung, § 66 Brandenburgisches Wassergesetz. In diesem Zusammenhang obliegt dem Beklagten nach § 2 Abs. 1 der Verbandssatzung vom 06. November 2018, veröffentlicht im Amtsblatt des Landkreises D ... vom 05. Dezember 2018 Nr. 32, zuletzt geändert durch die 5. Änderungssatzung vom 09. Dezember 2021, veröffentlicht im Amtsblatt des Landkreises D ... vom 07. Januar 2022 Nr. 1, die Aufgabe, für seinen räumlichen Wirkungsbereich eine gemeinsame Wasserversorgungsanlage einschließlich der Hausanschlüsse zu planen, zu errichten, zu betreiben und zu unterhalten. Gleiches gilt nach § 2 Abs. 2 auch für die Abwasseranlagen mit den entsprechenden Grundstücksanschlüssen.

Der Annahme eines schlicht-hoheitlichen Handels steht nicht § 23 Abs. 1 Brandenburgisches Straßengesetz (BbgStrG) entgegen. Gemäß § 23 Abs. 1 BbgStrG richtet sich die Einräumung von Rechten zur Benutzung des Eigentums der Straßen nach bürgerlichem Recht, wenn sie die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs, den Gemeingebrauch und den Anliegergebrauch nicht beeinträchtigen, wobei eine vorübergehende Beeinträchtigung für Zwecke der öffentlichen Versorgung oder Entsorgung außer Betracht bleibt. Ob die tatbestandlichen Voraussetzungen vorliegen, kann vorliegend (noch) dahinstehen, denn selbst wenn dies der Fall sein sollte, führt die Anwendung des § 23 Abs. 1 BbgStrG in diesem konkreten Einzelfall nicht zum Ausschluss eines öffentliche-rechtlichen Handelns (pauschal wohl aber OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 16. Dezember 2015 – 11 E 1160/15 –, juris Rn. 6; Widget, in: Zeitler (Hrsg.), Bayrisches Straßen- und Wegegesetz, 31. EL September 2021, Art. 22 Rn. 16; mit Verweis hierauf: VG Ansbach, Beschluss vom 12. Februar 2004 – AN 1 K 02.00818 –, juris Rn. 8; Ehlers/Schneider, in: Schoch/Schneider (Hrsg.), Verwaltungsrecht, 41. EL Juli 2021 § 40 VwGO Rn. 323; Sauthoff, Öffentliche Straßen, 3. Auflage 2020, Rn. 496). § 23 Abs. 1 BbgStrG unterstellt die Verlegung der öffentlichen Versorgungs- und Entsorgungsleitungen bei Vorliegen der genannten Voraussetzungen zwar dem Bürgerlichen Recht, dies führt allerdings nicht dazu, dass schlichtes Eingriffshandeln eines Hoheitsträgers auch als privatrechtlich zu qualifizieren ist (vgl. Bay. VGH, Beschluss vom 22. Dezember 1995 – 4 C 95.2906 –, juris Rn. 10).

Die Kläger sind auch prozessführungsbefugt. Dem steht nicht entgegen, dass im Zeitpunkt der Erhebung der Klage und damit ihrer Rechtshängigkeit (§ 90 Satz 1 VwGO) am 31. März 2016 zusätzlich zu den Klägern noch Frau M ... auf Grund einer Erbfolge im Grundbuch stand. Zwar sind Mitglieder einer ungeteilten Erbengemeinschaft nach Maßgabe der § 2032 ff. BGB in Bezug auf den Nachlass grundsätzlich nur zu gemeinschaftlichem Handeln berechtigt bzw. verpflichtet. § 2039 Satz 1 BGB enthält eine Ausnahme von diesem Grundsatz und berechtigt einen Miterben in eigenem Namen und aus eigenem Recht ohne Mitwirkung der anderen Miterben zugunsten der Gesamthandsgemeinschaft zum Nachlass gehörende, auch öffentlich-rechtliche Ansprüche geltend zu machen und zu diesem Zweck grundsätzlich auch Rechtsbehelfe und Rechtsmittel einzulegen (BVerwG, Urteil vom 20. Mai 1998 – 11 C 7/97 –, Buchholz 424.01 § 44 FlurbG Nr 78 = juris Rn. 15 m.w.N.). In der Konsequenz können auch mehrere, aber nicht alle Miterben Nachlassforderungen einklagen. Dies ist hier der Fall. Die Ansprüche auf Folgenbeseitigung gehören zum Nachlass, sie sind vor dem Erbfall im Jahr 2014 entstanden – in Bezug auf die Trinkwasserleitungen im Jahr 2000 und in Bezug auf die Schmutzwasserleitungen im Jahr 2011.

II. Die Klage ist mit Ihrem Hauptantrag nur teilweise begründet.

Die Kläger haben einen Anspruch gegen den Beklagten auf Rückbau der Schmutzwasserleitung sowie der zugehörigen Schmutzwasserhausanschlussleitungen in den im Grundbuch von Z ..., B ..., verzeichneten Grundstücken der Gemarkung Z ... . Der Anspruch auf Rückbau der auf dem Grundstück Flurstück 39 verlaufenden Trinkwasserleitung sowie der zugehörigen Trinkwasserhausanschlussleitungen ist hingegen verjährt.

Anspruchsgrundlage für den von den Klägern mit dem Hauptantrag begehrten Rückbau der auf ihren Grundstücken befindlichen Trinkwasserleitung, Trinkwasserhausanschlussleitungen, der Schmutzwasserleitung sowie der Schmutzwasserhausanschlussleitungen ist der öffentlich-rechtliche Folgenbeseitigungsanspruch nach § 1004 Abs. 1 S. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) (i.V.m. Art. 14 Abs. 1 GG), der bei Eigentumsstörungen durch (schlicht) hoheitliche Tätigkeit im öffentlichen Recht entsprechend anzuwenden ist (vgl. Bay.VGH, Urteil vom 8. Februar 2012 – 4 B 11.175 –, juris Rn. 16 m.w.N.). In der unberechtigten Inanspruchnahme der Grundstücke durch die Verlegung der Trinkwasserleitung, der Trinkwasserhausanschlussleitungen, der Schmutzwasserleitung sowie der Schmutzwasserhausanschlussleitungen liegen jeweils eigenständige Eigentumsbeeinträchtigungen, deren Beseitigung der Grundstückseigentümer nach § 1004 BGB grundsätzlich verlangen kann. Mit der unberechtigten Inanspruchnahme eines Grundstücks knüpft das Gesetz die Rechtsfolge des § 1004 BGB an jegliche Beeinträchtigung, die der Eigentümer zu dulden nicht verpflichtet ist; nicht die Rechtswidrigkeit des Eingriffs, sondern der dem Inhalt des Eigentums (§ 903 BGB) widersprechende Zustand begründet den Abwehranspruch (Bay. VGH, a.a.O.).

1. Ob die tatbestandlichen Voraussetzungen dieses Beseitigungsanspruchs in Bezug auf die Trinkwasserleitung und die Trinkwasserhausanschlussleitung erfüllt sind, kann dahinstehen. Ein entstandener Anspruch auf Beseitigung wäre jedenfalls im Zeitpunkt der Klageerhebung verjährt.

Es ist mittlerweile allgemein anerkannt, dass der öffentlich-rechtliche Folgenbeseitigungsanspruch der Verjährung unterliegt, die sich, da spezielle Regelungen fehlen, nach den §§ 194 ff. BGB bemisst (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 17. Oktober 2018 – 5 S 1276/16 –, juris Rn. 74 ff. m.w.N.; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 30. August 2018 – 1 A 11843/17 –, juris Rn. 29 ff.).

Vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts zum 1. Januar 2002 (Gesetz vom 26.11.2001, BGBl I S. 3138) betrug die Verjährungsfrist nach § 195 BGB a.F. 30 Jahre, die gemäß § 199 Abs. 1 Nr.1 BGB mit der Entstehung des Beseitigungsanspruchs begann. Nach § 195 BGB in der Fassung des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes beträgt die kenntnisabhängige Verjährungsfrist nunmehr 3 Jahre. Sie beginnt nach § 199 Abs. 1 BGB soweit nicht ein anderer Verjährungsbeginn bestimmt ist, mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste. Nach der Überleitungsvorschrift des Art. 229 § 6 Abs. 1 Satz 1 Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuche (EGBGB) finden die Vorschriften des BGB über die Verjährung in der seit dem 1. Januar 2002 geltenden Fassung auf die an diesem Tag bestehenden und noch nicht verjährten Ansprüche Anwendung. War der Beseitigungsanspruch mit der Verlegung der Leitungen im Jahr 2000 entstanden, ist er - mangels Ablaufs der 30-jährigen Verjährungsfrist nach altem Recht bei Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes - mit Ablauf des 31. Dezember 2004 verjährt. Dass sich die damaligen Eigentümer der Verlegung der Leitungen, wie von ihnen vorgetragen, erst im Jahr 2011 bewusst geworden sind, ist für die etwaige Entstehung des Anspruchs unerheblich. Der Beginn der Verjährungsfrist nach § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB hängt nicht davon ab, dass der Grundstückseigentümer die Inanspruchnahme seines Grundstücks nicht als Störung empfunden oder überhaupt Kenntnis davon hat. Mithin kommt es nicht auf eine "faktische Duldung" durch den Eigentümer an, sondern allein darauf, dass sich die Leitung objektiv unberechtigt in dem Grundstück befindet, weil schon dadurch das Eigentum beeinträchtigt wird (Bay.VGH, Urteil vom 5. Oktober 2009 – 4 B 08.2877 –, juris Rn. 31).

2. Der Anspruch auf Beseitigung der Schmutzwasserleitung und der Schmutzwasserhausanschlussleitungen ist nicht ausgeschlossen und im Zeitpunkt der Klageerhebung auch nicht verjährt.

Der Anspruch auf Beseitigung der Schmutzwasserleitung und Schmutzwasserhausanschlussleitungen ist nicht nach § 1004 Abs. 2 BGB ausgeschlossen. Hiernach ist der Anspruch ausgeschlossen, wenn der Eigentümer zur Duldung verpflichtet ist. Eine Verpflichtung zur Duldung besteht dann, wenn die Beeinträchtigung des Eigentums gerechtfertigt ist, sei es aufgrund einer dinglichen Sicherung, einer vertraglichen Vereinbarung oder nach privatrechtlichen oder öffentlich-rechtlichen Vorschriften (vgl. Bay.VGH, Urteil vom 8. Februar 2012 – 4 B 11.175 –, juris Rn. 19).

Die Kläger sind unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zur Duldung der jeweils auf ihren Grundstücken Flurnummer 39 und 41 befindlichen Schmutzwasserleitung und Schmutzwasserhausanschlussleitungen verpflichtet.

Eine Duldungspflicht aus dinglicher Sicherung besteht nicht. Es fehlt bislang an der Eintragung eines dinglichen Leitungsrechts im Grundbuch.

Der Anspruch ist – insbesondere auch nicht für die Schmutzwasserleitung auf dem Grundstück Flurstück 39 – auf Grundlage eines schuldrechtlichen Gestattungsvertrages ausgeschlossen.

Der Leihvertrag zwischen der Klägerin zu 1) und dem Beklagten ist nicht schuldrechtlich wirksam. Die Klägerin zu 1) hat zwar mit Unterschrift vom 07. Februar 2011 den Vordruck des Beklagten zur Inanspruchnahme des Grundstücks Flurnummer 39 für die Neuverlegung eines Abwasserkanals unterzeichnet. Mit diesem Einverständnis ist zwischen ihr und dem Beklagten aber kein wirksamer Leihvertrag (vgl. zur Vertragsart Bay. VGH, Urteil vom 23. März 1999 – 4 B 97.720 –, juris Rn. 15; mit Verweis darauf OVG Saarland, Urteil vom 1. Dezember 2021 – 1 A 314/19 –, juris Rn. 69) über den unentgeltlichen Gebrauch des klägerischen Grundstücks Flurnummer 39 für die Verlegung und Unterhaltung der Schmutzwasserleitung zustanden gekommen. Der schuldrechtlichen Wirksamkeit des Vertrages steht § 2038 Abs. 1 Satz 1 BGB entgegen. Hiernach steht die Verwaltung des Nachlasses den Erben gemeinschaftlich zu. Die Norm wirkt sowohl im Innen- wie im Außenverhältnis (Gergen, in: Münchener Kommentar zum BGB, 8. Auflage 2020, § 2038 BGB Rn. 24), so dass bei fehlendem gemeinschaftlichem Handeln die Maßnahme im Innen- und Außenverhältnis unwirksam ist (Baldus, in: Staudinger/Löhning, BGB Kommentar, 2020, § 2038 Rn. 13; mit Verweis hierauf: Rißmann/Szalai, in: Gsell/Krüger/Lorenz/Reymann (Hrsg.), beck-online.GROSSKOMMENTAR, Stand: 01.04.2021, § 2038 Rn. 22; a.A. OLG Karlsruhe, Rechtsentscheid in Mietsachen vom 10. Februar 1981 – 3 REMiet 1/81 –, juris Rn. 11, darauf verweisend LG Berlin, Urteil vom 6. Juli 2021 – 65 S 15/21 –, juris Rn. 39 beides in Bezug auf den Mietvertrag).

Ob dieser Vertrag in der Folge bis zum Abschluss entsprechender Verträge mit den anderen Miteigentümern nur schwebend unwirksam ist, kann dahinstehen, da die anderen Eigentümer ausdrücklich einer Inanspruchnahme des Grundstücks widersprochen haben. Vor diesem Hintergrund ist auch die Frage, ob die Klägerin zu 1) fristgerecht widerrufen hat, nicht entscheidungserheblich. Offenbleiben kann auch, ob der Vertragsgegenstand durch die Zweckbestimmung der „Vorbereitung einer Grundstücksinanspruchnahme für eine Neuverlegung eines Abwasserkanals DN 150/ 200 Stz“ nur den Schmutzwasserkanal erfasst oder auch die Schmutzwasserhausanschlussleitungen. Mangels Wirksamkeit schon im Verhältnis zur Klägerin zu 1) kann auch die zwischen den Parteien ebenfalls streitige Frage dahinstehen, ob und inwieweit der Gestattungsvertag für die anderen Kläger eine Bindungswirkung entfaltet.

Ob darüber hinaus eine Zustimmung durch tatsächliche Duldung in Betracht kommt (Sauthoff, Öffentliche Straßen, 3. Auflage 2020, Rn. 477) kann offenbleiben, da die damaligen Eigentümer der Inanspruchnahme des Grundstücks für die Verlegung der Schmutzwasserleitung und der Schmutzwasserhausanschlussleitungen im Sommer 2011 und damit schon zu Baubeginn widersprochen haben.

Eine Duldungspflicht ergibt sich auch nicht aus § 905 Satz 2 BGB. Dabei kann dahinstehen, ob diese Vorschrift im Wasserrecht überhaupt anwendbar ist (verneinend Bay. VGH, Urteil vom 29. November 2010 – 4 B 09.2835 –, juris Rn. 25), denn selbst wenn dies der Fall sein sollte, wäre der Beseitigungsanspruch der Kläger nach § 1004 Abs. 2 BGB nicht ausgeschlossen. Nach § 905 Satz 2 BGB kann der Eigentümer eines Grundstücks Einwirkungen nicht verbieten, die in einer solchen Höhe oder Tiefe vorgenommen werden, dass er an der Ausschließung kein Interesse hat. Das Verbietungsrecht könnte bei Versorgungsleitungen mithin nur dann entfallen, wenn diese so tief verlegt sind, dass der Eigentümer an ihrer Entfernung kein schutzwürdiges Interesse haben kann. Darlegungs- und beweispflichtig für den Mangel eines Ausschließungsinteresses ist der Beklagte als Einwirkender (VG München, Urteil vom 13. Oktober 2020 – M 10 K 18.6116 – juris Rn. 29 m.w.N.). Der Beklagte hat den Vortrag der Kläger jedoch bislang nicht entkräftet.

Die Inanspruchnahme der klägerischen Grundstücke für die Verlegung und Unterhaltung der Schmutzwasserleitung und Schmutzwasserhausanschlussleitungen ist auch nicht durch öffentlich-rechtliche Vorschriften gerechtfertigt.

Das Satzungsrecht des Beklagten begründet weder für die Schmutzwasserleitung noch für die Schmutzwasserhausanschlussleitungen eine Duldungsverpflichtung.

Für die Schmutzwasserleitung ist eine ausdrückliche Duldungsverpflichtung in der maßgeblichen Schmutzwasserbeseitigungssatzung des Beklagten vom 02. Dezember 2010, veröffentlicht im Amtsblatt für den Landkreis D ... Nr. 39/2010 vom 14. Dezember 2010, zuletzt geändert durch die 4. Änderungssatzung vom 09. Juni 2016, veröffentlicht im Amtsblatt für den Landkreis D ... Nr. 26/2016 vom 27. Oktober 2016, nicht normiert. § 19 Abs. 6 Satz 2 dieser Satzung sieht lediglich vor, dass der Anschlussnehmer dem Beklagten und seinem Beauftragten Zugang zu den Entwässerungsanlagen auf dem Grundstück des Anschlussnehmers und zu Anlagen, die zur Entwässerung des Grundstücks benötigt werden, zu gewähren und den entsprechenden Zugang zu dulden hat. Die Norm knüpft ausweislich ihres Wortlaut eindeutig daran an, dass Anlagen auf dem Grundstück vorhanden sind und nicht erst wie hier errichtet werden.

Ob sich eine Duldungsplicht für die Schmutzwasserleitung aus § 8 Abs. 1 der Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Versorgung mit Wasser (AVBWasserV) ergeben könnte, kann dahinstehen, denn die AVBWasserV findet auf die Abwasserversorgung keine Anwendung. § 1 Abs. 1 AVBWasserV sieht vor, dass soweit Wasserversorgungsunternehmen für den Anschluss an die öffentliche Wasserversorgung und für die öffentliche Versorgung mit Wasser Vertragsmuster oder Vertragsbedingungen verwenden, die für eine Vielzahl von Verträgen vorformuliert sind (allgemeine Versorgungsbedingungen), die §§ 2 bis 34 gelten. Erfasst wird nur die Trinkwasserversorgung.

Für die Schmutzwasserhausanschlussleitungen folgt eine satzungsrechtliche Duldungspflicht auch nicht aus dem Anschluss- und Benutzungszwang gem. § 12 Abs. 2 Satz 1 und 2 der Kommunalverfassung des Landes Brandenburg (BbgKVerf) i.V.m. § 12 Abs. 1 und 2 des Gesetzes über kommunalen Gemeinschaftsarbeit im Land Brandenburg (GKGBbg) i.V.m. § 3 der Schmutzwasserbeseitigungssatzung. Die Kläger unterliegen mit ihren Grundstücken keinem Anschluss und Benutzungszwang. Nach § 3 Abs. 1 der Schmutzwasserbeseitigungssatzung ist jeder Anschlussnehmer verpflichtet, sein Grundstück nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen an die öffentliche Schmutzwasseranlage anzuschließen, sobald auf seinem Grundstück Schmutzwasser auf Dauer anfällt. Gemäß § 2 Abs. 3 ist Grundstück im Sinne dieser Satzung - unabhängig von der Eintragung im Grundbuch - der demselben Eigentümer gehörende Teil der Grundfläche, der selbständig baulich oder gewerblich genutzt werden kann. Weder das Flurstück 39 noch das Flurstück 41 können selbständig baulich oder gewerblich genutzt werden. Eine bauliche Nutzung ist gegeben, wenn das Grundstück bauplanungs- und bauordnungsrechtlich in zulässiger Weise bebaut werden dürfte. Dies ist nicht der Fall. Für das Flurstück 39 folgt dies schon aus seiner Funktion als Wegegrundstück. Aber auch das Flurstück 41 kann weder für sich allein noch in Rahmen einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise zusammen mit dem Flurstück 42 angemessen baulich genutzt werden. Einer möglichen Bebauung stehen insbesondere die notwendig einzuhaltenden Abstandsflächen entgegen. Nach § 6 Abs. 1 Satz 1 und 2 der Brandenburgischen Bauordnung (BbgBO) sind vor den Außenwänden von Gebäuden Abstandsflächen von oberirdischen Gebäuden freizuhalten. Satz 1 gilt entsprechend für andere Anlagen, von denen Wirkungen wie von Gebäuden ausgehen, gegenüber Gebäuden und Grundstücksgrenzen. Gemäß § 6 Abs. 5 Satz 1 BbgBO beträgt die Tiefe der Abstandsflächen 0,4 H, mindestens 3 Meter. Soweit gemäß § 6 Abs. 1 Satz 3 BbgBO eine Abstandsfläche vor Außenwänden, die an Grundstücksgrenzen errichtet werden, nicht erforderlich ist, wenn nach planungsrechtlichen Vorschriften an die Grenze gebaut werden muss oder gebaut werden darf, liegen diese Voraussetzungen nicht vor.

Maßgebliche bauplanungsrechtliche Vorschrift ist § 34 Abs. 1 Satz 1 Baugesetzbuch, da das Grundstück der Kläger im unbeplanten Innenbereich liegt. Danach ist ein Vorhaben zulässig, wenn es sich u.a. nach der Bauweise in die nähere Umgebung einfügt. Bei der Bestimmung der näheren Umgebung ist auf diejenige Umgebung abzustellen, auf die sich die Ausführung des Vorhabens auswirken kann und die ihrerseits den bodenrechtlichen Charakter des Baugrundstücks prägt oder doch beeinflusst, wobei sich die Grenzen nicht schematisch festlegen lassen, sondern nach der tatsächlichen städtebaulichen Situation beurteilen. Geht es um die Frage der Bauweise, also darum, ob Gebäude mit oder ohne seitlichen Grenzabstand errichtet werden, ist insbesondere das straßenseitige Erscheinungsbild von Bedeutung, weshalb in erster Linie die Bebauung entlang des Straßenzugs in den Blick zu nehmen ist (OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 15. Juli 2016 – OVG 10 S 12.16 –, juris Rn. 5 m.w.N.). Im Bereich der danach relevanten J ... sind Gebäude nur in offener Bauweise vorhanden, eine Grenzbebauung würde diesen vorhandenen Rahmen überschreiten. Ist demnach die Einhaltung von Abstandflächen notwendig, verbleibt bei einer Grundstücksbreite und -tiefe von ca. 7,8 Metern eine bebaubare Fläche von ca. 3qm. Auf einer solchen Fläche lässt sich keine angemessene Bebauung verwirklichen (vgl. auch VG Halle (Saale), Urteil vom 16. August 2018 – 4 A 73/17 –, juris Rn. 27.). Nichts Anderes gilt, wenn die Flurstücke 41 und 42 in Bezug auf ihre Bebaubarkeit als eine wirtschaftliche Einheit (vgl. OVG Brandenburg, Urteil vom 26. September 2002 – 2 D 9/02.NE –, juris) betrachtet werden, so dass die Frage, ob eine solche wirtschaftliche Betrachtungsweise im Rahmen von § 2 Abs. 3 der Schmutzwasserbeseitigungsatzung angezeigt ist, dahinstehen kann. Auch in diesem Fall bliebe es auf Grund des Zuschnitts des Flurstücks 42 bei einer bebaubaren Tiefe von ca. 1,8 Metern und damit einer nicht ausreichenden Fläche für eine angemessene Bebauung.

Eine Duldungspflicht folgt ferner nicht aus § 93 Satz 1 WHG. Hiernach kann die zuständige Behörde Eigentümer und Nutzungsberechtigte von Grundstücken und oberirdischen Gewässern verpflichten, das Durchleiten von Wasser und Abwasser sowie die Errichtung und Unterhaltung der dazu dienenden Anlagen zu dulden, soweit dies zur Entwässerung oder Bewässerung von Grundstücken, zur Wasserversorgung, zur Abwasserbeseitigung, zum Betrieb einer Stauanlage oder zum Schutz vor oder zum Ausgleich von Beeinträchtigungen des Natur- oder Wasserhaushalts durch Wassermangel erforderlich ist. § 93 Satz 1 WHG ist ausweislich seines eindeutigen Wortlauts lediglich eine Ermächtigungsgrundlage für den Erlass einer entsprechenden Duldungsverfügung durch die zuständige Behörde. Eine solche bestandskräftige oder sofort vollziehbare Duldungsverfügung liegt im entscheidungserheblichen Zeitpunkt nicht vor.

Eine Duldungspflicht hinsichtlich der Verlegung der Trinkwasserleitung folgt auch nicht aus einer (etwaigen) Widmung als öffentliche Straße im Sinne von §§ 2 Abs. 1 i.V. 6 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. 48 Abs. 7 BbgStrG. Das Erdreich, in dem die Trinkwasserleitung liegt, wäre von dieser Widmung nicht erfasst, so dass es für diesen Bereich bei der uneingeschränkten Entscheidungsbefugnis des Eigentümers nach § 903 BGB i.V.m. § 905 Satz 1 BGB verbleibt. Selbst wenn die Widmung auch das Erdreich in der Tiefe der Versorgungsleitung umfassen sollte, wäre die Verlegung und Unterhaltung privatrechtliche Sondernutzung, die sich nach dem bürgerlichen Recht richtet. Insoweit kann die zwischen den Parteien streitige Frage nach einer Widmung mangels Entscheidungserheblichkeit offengelassen werden.

§ 905 Satz 1 BGB bestimmt, dass sich das Recht des Eigentümers eines Grundstücks auch auf den Erdkörper unter der Oberfläche bezieht. Nach § 6 Abs. 1 BbgStrG ist die Widmung die Allgemeinverfügung, durch die Straßen, Wege und Plätze die Eigenschaft einer öffentlichen Straße erhalten. § 48 Abs. 7 BbgStrG ordnet in diesem Zusammenhang an, dass Straßen, die nach dem bisherigen Recht öffentlich genutzt wurden, nach § 6 als gewidmet gelten. Rechtsfolge der – auch nur fiktiven – Widmung einer Straße ist mithin, dass das die öffentliche rechtliche Eigenschaft der Sache „Straße“ festgelegt wird (BVerwG, Beschluss vom 12. November 1998 – 3 BN 2/98 –, juris Rn. 3 m.w.N.; Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sach (Hrsg.) VwVfG, 9. Auflage 2018, § 35 Rn. 321). Die Widmung begründet den Gemeingebrauch als die jedermann gewährte öffentliche Berechtigung, die Straße ohne besondere Zulassung gemäß der hoheitlichen Zweckbestimmung und in der üblichen Weise zum Verkehr zu benutzen. Die Benutzung der Straßen über den in § 14 BbgStrG geregelten Gemeingebrauch, hinaus ist gemäß den § 18 BbgStrG Sondernutzung. Allerdings geht die Widmung in ihren Rechtsfolgen nicht so weit, dass es zum Ausschluss des privatrechtlichen Eigentums am Straßengrundstück kommt und sich dieses nur noch als „leere Hülle“ (so aber Bay. VGH, Beschluss vom 05. November 2012 – 8 CS 12.802 – juris, Rn. 9) darstellt. Die öffentlich-rechtliche Sachherrschaft überlagert das Eigentumsrecht nur und schränkt es kraft der staatlichen Hoheitsgewalt in Anwendung der Straßen- und Wegegesetze ein (BVerwG, a.a.O., Rn. 3 m.w.N.).

Wesentliche Bedeutung kommt in diesem Zusammenhang dem Begriff der öffentlichen Straße selbst zu. Nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 BbgStrG umfasst der Begriff der öffentlichen Straße den Straßenkörper. Das sind nach der genannten Vorschrift insbesondere der Straßengrund, der Straßenunterbau und der Straßenoberbau. Zum Straßenunterbau zählt nur der künstlich hergestellte Tragkörper der Straße auf dem die Fahrbahndecke ruht (Häußler, in: Zeitler (Hrsg.) Bayerisches Straßen- und Wegegesetz, 31. EL September 2021, Art. 2 Rn. 15). Nicht erfasst wird hingegen das sich darunter anschließende Erdreich. Diese kann zwar zum darunterliegenden Straßengrund zählen, allerdings ist auch dieser Straßengrund nicht beliebig weit ausdehnbar. Soweit teilweise davon ausgegangen wird, dass sich die Untergrenze des Straßengrundes in einer Tiefe befinde, jenseits der sich nach straßenrechtlichen und straßenverkehrsrechtlichen Erfordernissen Eingriffe nicht mehr auf den Bestand der Straße auswirken können und der Straßenbaulastträger an ihrer Abwehr daher kein Interesse haben kann (Bay.VGH, Beschluss vom 05. November 2012 – 8 CS 12.802 – juris, Rn. 10 m.w.N.; sich darauf beziehend VG Cottbus, Urteil vom 05. November 2015 – 6 K 607/11 – juris Rn. 20; Häußler, a.a.O., Rn. 14; mit Verweis auf ihn auch Sauthoff, Öffentliche Straßen, 3. Auflage 2020, Rn. 77), kann diese Sicht für den Geltungsbereich des Brandenburgischen Straßengesetzes keine Geltung beanspruchen. Das Gegenteil ergibt sich nämlich aus § 23 Abs. 1 BbgStrG.

§ 23 Abs. 1 BbgStrG unterstellt die Verlegung von Versorgungs- und Entsorgungsleitungen in den Straßenkörper dem bürgerlichen Recht. In der Konsequenz entfiele die durch eine Widmung begründete Duldungsverpflichtung. Gem. § 23 Abs. 1 BbgStrG richtet sich die Einräumung von Rechten zur Benutzung des Eigentums der Straße nach bürgerlichem Recht, wenn sie die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs, den Gemeingebrauch und den Anliegergebrauch nicht beeinträchtigen, wobei eine vorübergehende Beeinträchtigung für die Zwecke der öffentlichen Versorgung oder Entsorgung außer Betracht bleibt. Dies ist hier der Fall.

Die verlegten Leitungen stehen in keinem Zusammenhang zur verkehrsüblichen Benutzung der Straße – und zwar weder im engeren Sinn eines auf Ortsveränderung gerichteten Fortbewegungsverkehrs noch im weiteren Sinn eines auf Begegnung und Kommunikation mit anderen Verkehrsteilnehmern gerichteten sog. kommunikativen Verkehrs (vgl. zum Verkehrsbegriff Wiget, in: Zeitler (Hrsg.), Bayerisches Straßen- und Wegegesetz, 30. EL März 2020, Art. 14 Rn. 19 ff. und 38 ff.) – und beeinträchtigen im verlegten Zustand ihren Gebrauch durch andere nicht, so dass sie weder unter den zugelassenen Gemeingebrauch (§ 14 Abs. 1 BbgStrG) noch unter den Anliegergebrauch (§ 14 Abs. 4BbgStrG) fallen und damit mangels einer von ihnen ausgehenden Beeinträchtigung des Gemeingebrauchs auch keine Sondernutzung nach § 18 Abs. 1 BbgStrG darstellt (vgl. zu Versorgungsleitungen in Bundesfernstraßen im Sinne des FStrG Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 29. März 1968 – IV C 100.65 – BVerwGE 29, 248-257, S. 251 = juris, Rn. 10; Nds. OVG, Urteil vom 12. August 1971 – III A 146/69 – juris). Versorgung umfasst die Belieferung mit lebenswichtigen wie auch solchen Leistungen, die dem aktuellen zivilisatorischen Satus entsprechen (Sauthoff, in: Müller/Schulz (Hrsg.), FStrG, § 8 Rn. 77 m.w.N.). Hierzu zählt auch die Abwasserentsorgung. Öffentlich ist die Versorgung, wenn jedermann aus einem unbestimmten, wenn auch bergenzbaren Personenkreis der Zugang zu ihr offensteht (Sauthoff, a.a.O.). Dies ist hier der Fall, denn nach § 1 Abs. 1 der Schmutzwasserbeseitigungssatzung betreibt der Beklagte nach Maßgabe dieser Satzung eine Anlage zur Beseitigung des in seinem Entsorgungsgebiet anfallenden Schmutzwassers als öffentliche Einrichtung. Die Schmutzwasserleitungen sowie die Schmutzwasserhausanschlussleitungen in den streitgegenständlichen Grundstücken sind Teil dieser. Soweit die Kläger auf eine Schädigung des Baumbestanden durch die Bauarbeiten bei der Verlegung der Leitung hinweisen, ist dies kein Aspekt, der die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs, den Gemeingebrauch und den Anliegergebrauch beeinträchtigt.

Die Beseitigung der Schmutzwasserleitung und Schmutzwasserhausanschlussleitungen durch den Beklagten ist schließlich nicht als unzulässige Rechtsausübung einzuordnen.

Es ist allgemein anerkannt, dass der Folgenbeseitigungsanspruch entfällt, wenn sich seine Verwirklichung als unzulässige Rechtsausübung darstellt (BVerwG, Urteil vom 06. September 1988 – 4 C 26.88 – BVerwGE 80, 178-184, S.179 ═ juris, Rn. 10). Eine unzulässige Rechtsausübung wäre jedenfalls bei nachträglicher Legalisierung gegeben (BVerwG a.a.O). In Bezug auf die Beseitigung der Versorgungsleitungen wäre eine solche dann anzunehmen, wenn der Eigentümer nach der Beseitigung wiederum durch den Erlass einer Duldungsverpflichtung der zuständigen Behörde nach § 93 WHG die erneute Verlegung der Leitung zu dulden hätte. Voraussetzung für den Einwand der unzulässigen Rechtsausübung ist jedoch, dass der Erlass der Duldungsverfügung im relevanten Entscheidungszeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung unmittelbar bevorsteht. Es genügt nicht bereits, dass die Behörde die Möglichkeit hat, rechtmäßige Zustände herbeizuführen. Vielmehr bedarf es der sicheren Erwartung, dass dem geltend gemachten Anspruch der Einwand der Legalisierung entgegengesetzt wird (BVerwG a.a.O., S. 180 f. = juris Rn. 13, 15; VG München, Urteil vom 13. Oktober 2020 – M 10 K 18.6116 –, juris Rn. 34 m.w.N.). Dies ist vorliegend nicht der Fall. Auf eine unmittelbar bevorstehende Verpflichtung der Kläger kann nicht geschlossen werden. Der Beklagte hat zwar in der mündlichen Verhandlung vorgetragen, dass im Jahr 2021 ein entsprechender Antrag bei der zuständigen Behörde gestellt worden sei. Allerdings reicht allein die Antragstellung vor dem Hintergrund, dass § 93 WHG in der Rechtsfolge Ermessen vorsieht, nicht aus, um eine sichere Erwartung zu begründen. Die mündliche Zusage eines Erlasses für den Fall, dass das Gericht zu dem Ergebnis kommen werde, dass es sich nicht um eine öffentliche Straße handele, ist mit Blick auf das Formerfordernis der Schriftform nach § 38 Abs.1 Satz 1 Verwaltungsverfahrensgesetz des Bundes i.V.m. § 1 Abs. Brandenburgisches Verwaltungsverfahrensgesetz keine rechtswirksam bindende Zusicherung. Im Übrigen lässt sich dieser Aussage nicht zweifelsfrei entnehmen, dass die zuständige Behörde den Fall eingehend geprüft hätte sowie eine entsprechende Anordnung für rechtmäßig erachten würde.

Die Folgenbeseitigung ist dem Beklagten auch nicht unzumutbar. Die Unzumutbarkeit der Folgenbeseitigung ist gegeben, wenn mit ihr ein unverhältnismäßig hoher - auch finanzieller - Aufwand verbunden ist, der zu dem erreichbaren Erfolg bei allem Respekt für das Verlangen nach rechtmäßigen Zuständen in keinem vernünftigen Verhältnis mehr steht (vgl. BVerwG, Beschluss vom 12. Juli 2004 - 7 B 86.04 -, Buchholz 11 Art. 14 GG Nr. 346 = juris Rn. 7). Der Beklagte hat bislang zum möglich finanziellen Aufwand eines Rückbaus nichts vorgetragen. Allein der Hinweis auf „erhebliche Umbaumaßnahmen im Abwasserbereich“ genügt nicht zur Annahme einer Unzumutbarkeit in Bezug auf den Rückbau der Schmutzwasserleitung.

Auch der Verweis auf die öffentliche Abwasserentsorgung als Aufgabe der Daseinsvorsorge ist für sich allein nicht geeignet, die Unzumutbarkeit zu begründen. Zwar kann nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ein Abwehranspruch, der die Einstellung eines Betriebs oder einer Anlage zur Folge hätte, ausgeschlossen sein, wenn die störenden Einwirkungen der Erfüllung von Aufgaben dienen, die im Allgemeininteresse liegen und von öffentlich-rechtlichen Trägern oder von unmittelbar dem öffentlichen Interesse verpflichteten gemeinwichtigen Einrichtungen ausgehen (BGH, Urteil vom 7. April 2000 – V ZR 39/99 –, BGHZ 144, 200-210 = juris Rn. 14 m.W.N.). Allerdings geht auch der Bundesgerichtshof davon aus, dass dieser Beschränkung des Anspruchs nur solange zulässig ist, wie eine umfassende gesetzliche Regelung fehlt. Dies ist hier gerade nicht der Fall. Dem Beklagten stehen mit § 93 WHG wasserrechtliche Zwangsrechte zu. Diese können nicht mit einem Verweis auf die Aufgabe der Daseinsvorsorge umgangen werden.

Der Anspruch ist nicht verjährt. Im Zeitpunkt der Klageerhebung war die Verjährung noch nach § 203 BGB gehemmt.

Nach §§ 199, 195 BGB wäre mit Blick auf die dreijährige Verjährungsfrist und den Baubeginn im Jahr 2011 grundsätzlich mit Ablauf des 31. Dezember 2014 Verjährung eingetreten. Diese ist aber nach dem im öffentlichen Recht entsprechend Anwendung findenden (BVerwG, Urteil vom 15. März 2017 – 10 C 3.16 –, BVerwGE 158, 199-208 = juris Rn. 24 m.w.N.) § 203 BGB i.V.m. § 209 BGB im Zeitpunkt der Klagerhebung gehemmt.

Schweben zwischen dem Schuldner und dem Gläubiger Verhandlungen über den Anspruch oder die den Anspruch begründenden Umstände, so ist die Verjährung gem. § 203 Satz 1 BGB gehemmt, bis der eine oder der andere Teil die Fortsetzung der Verhandlungen verweigert. Nach § 203 Satz 2 BGB tritt die Verjährung frühestens drei Monate nach dem Ende der Hemmung ein. Gem. § 209 BGB wird der Zeitraum, während dessen die Verjährung gehemmt ist, in die Verjährungsfrist nicht eingerechnet. Der Verhandlungsbegriff ist weit auszulegen. Die Hemmung endet, wenn der Schuldner klar und eindeutig sowohl den Anspruch überhaupt als auch weitere Gespräche über diesen verneint (Bay. VGH, Beschluss vom 14. August 2020 – 8 ZB 20.227 –, juris Rn. 18). Dies war im Zeitpunkt der Klageerhebung nicht der Fall.

Zwischen den Beteiligten gab es in den Jahren 2014 bis einschließlich März 2016 einen Meinungsaustausch über den Anspruch oder die den Anspruch begründenden Umstände, auf Grund dessen die Kläger davon ausgehen durften, dass ihr Begehren von der Gegenseite noch nicht endgültig abgelehnt wird, zumal der Beklagte mit Bezug auf diese Verhandlungen ausdrücklich auf die Einrede der Verjährung verzichtete.

III. Soweit über den Hilfsantrag zu entscheiden war, ist dieser zulässig und begründet. Die Kläger haben einen Anspruch darauf, dass der Beklagte es unterlässt, Trinkwasser durch die Trinkwasserleitung und Trinkwasserhausanschlussleitungen zu leiten, die auf dem streitgegenständlichen Grundstück Flurstück 39 liegen.

Anspruchsgrundlage für die von den Klägern begehrten Stilllegung der Trinkwasserleitung und Trinkwasserhausanschlussleitungen im Grundstück Flurstück 39 ist der öffentlich-rechtliche Unterlassungsanspruch nach § 1004 Abs. 1 S. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) (i.V.m. Art. 14 Abs. 1 GG). In der unberechtigten Durchleitung von Trinkwasser durch vorhandene Leitungen liegt eine eigenständige Eigentumsbeeinträchtigung, deren Unterlassen der Grundstückseigentümer nach § 1004 BGB grundsätzlich verlangen kann (vgl. OVG Saarland, Urteil vom 1. Dezember 2021 – 1 A 314/19 –, juris Rn. 91 ff.) Dass die Leitungen wohl als Scheinbestandteil nach § 95 BGB im Eigentum des Beklagten stehen, steht der Annahme einer eigenständigen, neben die Verlegung tretenden weiteren Eigentumsbeeinträchtigung am Grundstück nicht entgegen. Auf die Eigentumsverhältnisse an den Leitungen kommt es nicht an (Bay. VGH, Beschluss vom 2. September 2021 – 4 ZB 21.1199 –, juris Rn. 15).

Der Anspruch auf Stilllegung ist nicht nach § 1004 Abs. 2 BGB ausgeschlossen. Nach Überzeugung des Gerichts sind die Kläger unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zur Duldung der Nutzung der sich in dem Grundstück Flurstück 39 befindlichen Trinkwasserleitung und Trinkwasserhausanschlussleitungen zur Durchleitung von Trinkwasser verpflichtet.

Eine Duldungspflicht folgt nicht aus einer vertraglichen Vereinbarung. In Bezug auf die Trinkwasserleitung hat keiner der Kläger seine Zustimmung zur Inanspruchnahme des Grundstücks erteilt. Die „Einverständniserklärung zur Grundstücksinanspruchnahme“ bezieht sich ihrem Inhalt nach ausdrücklich nur auf die Neuverlegung eines Abwasserkanals. Auch der Umstand, dass sich die Kläger erstmals im Jahr 2011 gegen die Inanspruchnahme ihres Grundstücks zur Verlegung der Trinkwasserleitung gewandt haben, führt nicht zu einer Zustimmung aus tatsächlicher Duldung. Wenn eine solche überhaupt zulässigerweise eine Duldungspflicht begründen kann, bedarf es jedenfalls für ihre Annahme neben dem Zeitmoment auch eines Umstandsmoments. Anhaltspunkte, dass neben dem reinen Zeitablauf auch weitere Umstände für eine tatsächliche Duldung streiten, sind von den Beklagten weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.

Auch begründen öffentlich-rechtliche Vorschriften keine Duldungspflicht der Kläger.

Eine Duldungsverpflichtung für die Leitungen folgt nicht aus satzungsrechtlichen Bestimmungen, insbesondere nicht aus § 12 Abs. 1 und 2 GKGBbg i.V.m. § 12 BbgKVerf i.V.m. § 12 Abs. 1 der Wasserversorgungssatzung des Beklagten vom 02. Dezember 2010, veröffentlicht im Amtsblatt für den Landkreis O ... Nr. 15 vom 17. Dezember 2012, in der Fassung der 1. Änderungssatzung vom 07. Mai 2012, veröffentlicht im Amtsblatt für den Landkreis O ... Nr. 4 vom 15. Mai 2012. Nach § 12 Abs. 1 der Wasserversorgungssatzung haben die Anschlussnehmer für Zwecke der örtlichen Versorgung das Anbringen und Verlegen von Leitungen einschließlich Zubehör zur Zu- und Fortleitung von Wasser über ihre im gleichen Versorgungsgebiet liegenden Grundstücke sowie erforderliche Schutzmaßnahmen unentgeltlich zuzulassen. Anschlussnehmer sind gemäß § 2 Abs. 3 Satz 1 Wasserversorgungssatzung die natürlichen oder juristischen Personen, die Eigentümer eines Grundstücks sind. Grundstück im Sinne dieser Satzung ist nach § 2 Abs. 2 Wasserversorgungssatzung – unabhängig von der Eintragung im Grundbuch – der demselben Eigentümer gehörende Teil der Grundfläche, der selbst ständig baulich oder gewerblich genutzt werden kann. Entsprechend der Ausführungen im Rahmen des Beseitigungsanspruchs kann weder das Grundstück Flurstück 39 noch das Grundstück Flurstück 41 allein oder in Verbindung mit dem Flurstück 42 selbstständig baulich genutzt werden.

Ob neben § 12 Wasserversorgungssatzung auch §§ 1 Abs. 1 i.V.m. 8 Ab. 1 AVBWasserV Anwendung finden kann, kann dahinstehen, denn mangels eigener Definition der Anschlussnehmer- und Grundstückseigenschaft wäre insoweit wieder auf die dargestellten satzungsrechtlichen Bestimmungen zurückzugreifen

Die Duldungspflicht folgt ferner nicht aus einem wasserrechtlichen Zwangsrecht. Auch in Bezug auf die Trinkwasserleitung sowie die Hausanschlussleitungen fehlt es an einer bestandskräftigen oder sofort vollziehbaren Duldungsverfügung auf Grundlage von § 93 Satz 1 WHG.

Eine Duldungspflicht hinsichtlich der Verlegung der Leitungen auf dem Grundstück Flurnummer 39 folgt auf Grundlage der obigen Ausführungen ebenfalls nicht aus einer (etwaigen) Widmung als öffentliche Straße im Sinne von §§ 2 Abs. 1 i.V. 6 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. 48 Abs. 7 BbgStrG. Die Trinkwasserversorgung ist ebenso Teil der von § 23 Abs. 1 BBgStrG erfassten öffentlichen Versorgung, zumal der Beklagte nach § 1 Abs. 1 seiner Wasserversorgungsatzung in seinem Verbandsgebiet eine rechtlich selbständige öffentliche Anlage zur Wasserversorgung betreibt.

Die Unterlassung der Durchleitung von Trinkwasser durch den Beklagten ist nicht als unzulässige Rechtsausübung einzuordnen. Eine sichere Erwartung, dass dem geltend gemachten Anspruch der Einwand der Legalisierung entgegengesetzt wird, ist unter Verweis auf die obigen Ausführungen im Rahmen des Beseitigungsanspruchs, nicht gegeben. Die Stilllegung ist dem Beklagten auch nicht unzumutbar. Allein ein Verweis auf die Notwendigkeit der Bewirtschaftung zweier Endstränge und die damit einhergehende erhöhte Gefahr der Verkeimung reicht nicht aus, um vor dem Hintergrund des Art. 14 Abs. 1 GG auf Seiten des Beklagten eine Unzumutbarkeit anzunehmen. Soweit der Beklagte auch hier anführt, es müsse berücksichtigt werden, dass es sich bei der Trinkwasserversorgung um eine Aufgabe der Daseinsvorsorge handelt, reicht vor dem Hintergrund der entsprechenden Ausführungen im Rahmen des Beseitigungsanspruchs dieser Einwand für sich allein nicht aus, denn die Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe der Daseinsvorsorge vermittelt dem Beklagten keine Rechtsposition, die im Rahmen der Abwägung mit der Eigentumsbeeinträchtigung für eine Unzumutbarkeit der Stilllegung streitet.

Der Unterlassungsanspruch ist nicht verjährt. Es kann dahingestellt bleiben, ob Unterlassungsansprüche an sich überhaupt nicht verjähren können (Raff, in: Münchener Kommentar zum BGB, 8. Auflage 2020, § 1004 Rn. 308), oder ob in der andauernden Durchleitung von Trinkwasser ein Dauerverhalten liegt, welches das Eigentumsrecht ohne Zäsur fortdauernd verletzt mit der Folge, dass entweder die Verjährung des Unterlassungsanspruchs nicht beginnt, solange die Störung andauert (OVG Saarland, Beschluss vom 18. Juni 2014 – 1 A 20/14 –, juris Rn. 5, 7; Bay.VGH, Urteil vom 29. November 2013 – 4 B 13.1166 –, juris Rn. 33) oder jede neue Störung einen neuen Anspruch begründet (vgl. BGH, Urteil vom 12. Juni 2015 – V ZR 168/14 –, NSW BGB § 1004 (BGH-intern) = juris Rn. 31 m.w.N.). Der Beklagte nutzt die Trinkwasserleitung und die Trinkwasserhausanschlussleitungen aktuell weiterhin zur Durchleitung von Trinkwasser.

Der Unterlassungsanspruch ist auch nicht vor dem Hintergrund der Verjährung des Beseitigungsanspruchs ausgeschlossen. Soweit teilweise angenommen wird, dass in Fällen einer unbefugten Leitungsverlegung auf fremdem Grund keine Stilllegung oder Unterlassung der Benutzung gefordert werden kann, wenn der Anspruch des Grundstückseigentümers auf Entfernung der Leitung verjährt ist (Bay. VGH, Urteil vom 29. November 2013 – 4 B 13.1166 –, juris Rn. 33), liegt dem die nicht überzeugende Annahme zugrunde, dass die Durchleitung von Trinkwasser durch die vorhandene Trinkwasserleitung nicht Gegenstand eines selbstständigen Unterlassungsanspruchs sein kann, sondern sich nur als ein „Minus“ des Beseitigungsanspruchs darstellt. Die Annahme eines solchen „Minus“ verkennt, dass § 1004 Satz 2 BGB dem Eigentümer ausdrücklich einen neben den Beseitigungsanspruch tretenden Unterlassungsanspruch zuerkennt und er nach § 903 Satz 1 BGB befugt ist, soweit nicht das Gesetz oder Rechte Dritter entgegenstehen, mit der Sache nach Belieben zu verfahren und andere von jeder Einwirkung ausschließen. Davon umfasst ist die Entscheidung, ob er Beseitigung oder Unterlassung einer Eigentumsbeeinträchtigung verlangt. Andernfalls wäre die Dispositionsbefugnis des Eigentümers keine umfassende mehr, sondern in einem Stufenverhältnis eingeschränkt.

IIV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 VwGO i.V.m. §159 Satz 1 VwGO i.V.m. § 100 Abs. 4 Zivilprozessordnung (ZPO) und richtet sich nach dem Verhältnis von Obsiegen und Unterliegen im Haupt- sowie Hilfsantrag.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf entsprechender Anwendung des § 167 Abs. 1, 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Zwar ist die hier gegebene allgemeine Leistungsklage in § 167 Abs. 2 VwGO nicht genannt. Das erkennende Gericht schließt sich jedoch der Auffassung an, dass bei Klagen auf schlicht-hoheitliches Handeln, die nicht auf Geldleistung gerichtet sind, eine entsprechende Anwendung des § 167 Abs. 2 VwGO veranlasst. § 167 Abs. 2 VwGO soll im Interesse der Sicherung der Gewaltenteilung gewährleisten, dass in die Amtsführung der Behörde grundsätzlich nur mit rechtskräftigen Entscheidungen eingegriffen wird. Gemessen daran kann es nicht entscheidend darauf ankommen, ob das hoheitliche Verwaltungshandeln in der Form eines Verwaltungsakts erfolgt; vielmehr gelten diese Grundsätze gleichermaßen, wenn eine Behörde durch ein Leistungsurteil zu einem bestimmten hoheitlichen Handeln verpflichtet werden soll (vgl. Nds. OVG, Urteil vom 30. August 1989 – 12 L 85/89 –, juris; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 24. März 1999 – 9 S 3012/98 –, juris Rn. 3; OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 6. Oktober 2016 – OVG 1 B 11.15 –, juris Rn. 41).