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Entscheidung 7 U 60/21


Metadaten

Gericht OLG Brandenburg 7. Zivilsenat Entscheidungsdatum 29.06.2022
Aktenzeichen 7 U 60/21 ECLI ECLI:DE:OLGBB:2022:0629.7U60.21.00
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen

Tenor

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts Potsdam vom 19.03.2021, Az. 6 O 193/20 unter Zurückweisung der weiter gehenden Berufung abgeändert:
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 31.969,15 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 26.08.2020 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin zu 13 %, der Beklagte zu 87 %.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aus dem Urteil zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Gründe

I.

Die Klägerin nimmt den Beklagten als ehemaligen Geschäftsführer auf Schadensersatz wegen Pflichtverletzungen aus seiner Tätigkeit als Geschäftsführer in Anspruch. Die Klägerin betreibt ein Unternehmen des Elektroanlagenbaus. Das Stammkapital beträgt 25.000 €. Davon hielten die A… und Consulting GmbH (A… GmbH) und der Beklagte jeweils Geschäftsanteile im Gesamtwert von 10.000 €, was einer Beteiligung von 40 % entsprach und U… F… hielt Geschäftsanteile im Gesamtwert von 5.000 €, dies entsprach einer Beteiligung von 20 %.

In einer Gesellschafterversammlung am 26.03.2020 beschlossen die Gesellschafter ohne nähere Beschreibung die „Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen den Gesellschafter und Geschäftsführer O… N… u.a. gemäß § 43 GmbHG, § 823 BGB und Ansprüche gemäß § 812 ff. BGB, vorprozessual sowie gegebenenfalls auch im Rahmen von Rechtsstreiten.“

Zudem wurde in dieser Sitzung der Beklagte als Geschäftsführer aus wichtigem Grund abberufen und seine Geschäftsanteile wurden eingezogen. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass im Januar und Februar 2020 Überweisungen vom Beklagten an sich selbst veranlasst worden seien in Höhe von 140.000 €, ohne dass hierfür die Zustimmung der übrigen Gesellschafter oder ein rechtlicher Grund vorgelegen habe. Auch sei der Beklagte nicht von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit gewesen. Ferner habe er nicht bekanntgegeben, an welche Personen die „Geschenke und nützlichen Aufwendungen“ geleistet worden seien, die in 2018 und 2019 erbracht worden seien. Schließlich habe er am 10.03.2020 einen Insolvenzantrag gestellt, ohne die Gesellschafter zuvor in Kenntnis zu setzen. Der Antrag sei unbegründet gewesen.

Die Klägerin hat behauptet, der Beklagte habe am 30.08.2016 und mit Nachtrag vom 04.01.2017 ohne Absprache mit den Mitgesellschaftern einen Wohnwagen auf Kosten der Gesellschaft bestellt, den er privat nutzen wollte und genutzt habe. Der Wohnwagen stand unstreitig jeweils vor seinem Grundstück oder diente ihm für Urlaubsreisen. Der Wohnwagen war – weiter unstreitig – mit zwei Schlafbereichen, Teppichboden, Heizung und Kühlschrank, einem Kocher / einer Backofenkombination mit Mikrowelle und Spüle, einem Wasseranschluss und Abwassertank und TV-Anschlüssen im Wohn- und Schlafbereich ausgestattet. Am 05.05.2017 erwarb der Beklagte, auch dies steht nicht im Streit, für das Fahrzeug eine Wäschespinne, eine Matratzenauflage und einen Zeltteppich. Am 11.07.2017 wurde wiederum unstreitig eine Satellitenanlage im Wert von 2.958,57 € und am 26.07.2018 wurden Einbaustrahler eingebaut.

Die Klägerin behauptet, während des im Frühjahr 2017 von ihr bearbeiteten Auftrages im Campus G… der Universität P… sei das Fahrzeug auch nicht für Baubesprechungen benötigt worden. Da die Räume der Universität in unmittelbarer Nähe gelegen hätten, hätten Besprechungen auch dort abgehalten werden können.

Die übrigen Gesellschafter hätten dem Beklagten in Bezug auf die Anschaffung des Fahrzeuges auch keine Entlastung erteilt. In der Gesellschafterversammlung vom 15.11.2018 hätten die Zahlen zu dem im Jahr 2017 angeschafften Anlagevermögen nicht vorgelegen. Eine Beschlussfassung vom 11.12.2018 über die Entlastung des Beklagten hält sie mit Blick auf dessen Teilnahme an der Abstimmung für unwirksam.

Die Klägerin hat beantragt, den Beklagten zur Zahlung des Kaufpreises und weiterer Aufwendungen für das Wohnmobil, darunter Steuern und Versicherung, abzüglich des Verkaufserlöses, insgesamt von 36.722,35 € nebst Zinsen zu verurteilen.

Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt und eingewandt, der Erwerb des Caravans sei mit den Mitgesellschaftern abgestimmt gewesen. Der Wagen habe für die Klägerin genutzt werden sollen, um Baubesprechungen darin abzuhalten. So sei auch bei dem Bauvorhaben der Uni P… im Frühjahr 2018 verfahren worden. Er hat die Ansicht vertreten, dass die Entlastung, die ihm im Umlaufbeschluss vom 11.12.2018 erteilt worden sei, die Geltendmachung von Ansprüchen ausschließe. In der Sitzung vom 15.11.2018 seien alle Punkte des Entwurfs eines Jahresabschlusses von den Gesellschaftern erörtert worden. Der Wohnwagen sei als „sonstiges Transportmittel“ im Anlagenspiegel aufgenommen worden. Er wurde als „Bauwagen“ bezeichnet. Es sei für die Gesellschafter erkennbar gewesen, dass es sich um den Wohnwagen handele, da ein normaler Bauwagen 8.000 € koste. Der Entlastungsbeschluss sei auch nicht angefochten worden. Er hat zudem ein Zurückbehaltungsrecht geltend gemacht und eingewandt, die Geltendmachung der Forderung seit mit Treu und Glauben unvereinbar. Er habe eine Bürgschaft für den Kontokorrentkredit der Klägerin übernommen. Diese Bürgschaft habe er nach der Einziehung seiner Geschäftsanteile gekündigt. Der Geschäftsführer der Gesellschafterin A… GmbH B… Sch… sei inzwischen zum Liquidator bestellt. Das von ihm als Geschäftsführer geführte Unternehmen … Ost GmbH habe die Forderung der …bank aus dem Kredit getilgt und sei nun Gläubigerin der Bürgschaftsforderung. Er meint, er habe einen Anspruch auf Befreiung von dieser Forderung gegenüber der Klägerin, da sie mit der Rückführung des Kredites in Verzug gewesen sei und weil sie nicht mehr laufende Einnahmen erziele.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, weil es die Auffassung vertreten hat, dass der Schadensersatzforderung gegen den Beklagten die beschlossene Entlastung entgegenstehe. Es hat sich davon überzeugt gezeigt, dass der Vortrag des Beklagten, die Positionen des für das Jahr 2017 verzeichneten Anlagevermögens seien im Einzelnen erörtert worden, zutreffe, weil der Geschäftsführer der A… GmbH den Umlaufbeschluss unterzeichnet habe.

Gegen das am 09.04.2021 zugestellte Urteil wendet sich die Klägerin mit ihrer am 16.04.2021 eingelegten und am 08.06.2021 begründeten Berufung. Sie trägt vor: das Landgericht habe übersehen, dass der Entlastungsbeschluss formal nicht festgestellt und bekanntgegeben worden sei. Zudem könne man ohnehin nicht von einer Entlastung hinsichtlich sämtlicher Ausgaben ausgehen, da diese nicht nur in 2017 gezahlt worden seien, sondern auch in den Jahren 2018 und 2019. Die Entlastungswirkung könne sich allenfalls auf 2017 beziehen. Überdies fehle es aber an den Voraussetzungen für die Entlastung, da der Beklagte es versäumt habe, ordnungsgemäß Rechnung zu legen. Auch insoweit habe der Beklagte seinen streitigen Vortrag auf die streitige Vorlage des „Anlagenspiegels“ beschränkt, der aber nur den Kaufpreis, nicht jedoch die weiteren Aufwendungen für den Caravan in 2017 erfasst haben soll.

Der Vortrag, es habe ein Anlagenspiegel vorgelegen, sei unrichtig. Es sei vielmehr in der Gesellschafterversammlung ein Entwurf des Jahresabschlusses vorgelegt worden, der allerdings gerade keinen Anlagenspiegel enthalten habe. Die Position „sonstige Transportmittel“ sei mit dem Gesamtbetrag von 73.705 € ausgewiesen gewesen, habe aber den Gegenstand der Anschaffungen nicht erkennen lassen. Überdies stelle die Beschreibung des Caravans als „Bauwagen“ in dem später erstellten Anlagenspiegel eine verschleiernde Angabe dar. Sie wiederholt und vertieft den Vortrag zu den vom Beklagten veranlassten Zahlungen und hebt hervor, dass sämtliche Aufwendungen privater Natur seien.

Die Klägerin beantragt,

das am 19.03.2021 verkündete Urteil des Landgerichts Potsdam abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, an sie 36.722,35 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er wendet ein: Die Klägerin sei darlegungs- und beweispflichtig für ihre Behauptung, dass eine Forderung nicht von der Entlastungswirkung erfasst sei. Er habe die Übersendung und Vorlage des Anlagenspiegels im Vorfeld und in der Versammlung vom 15.11.2018 vorgetragen. Die Gesellschafter hätten ohne weiteres weitere Auskunft verlangen können, da die Höhe des Anlagevermögens in der Rubrik „sonstige Transportmittel“ augenfällig gewesen sei. Es sei auch unerheblich, dass der Jahresabschluss noch nicht festgestellt gewesen sei, da die Gesellschafter nach der Versammlung vom 15.11.2018 in einer weiteren Zusammenkunft am 11.12.2018 zum Ausdruck gebracht hätten, dass die Zahlen zutreffend seien und die Entlastung erteilt werden könnte. Die Folgeaufwendungen für den Wohnwagen begründeten seine Haftung ebenso wenig, weil sie von der seitens der Mitgesellschafter gebilligten Anschaffung des Wohnwagens letztlich mit erfasst seien. Die Erstellung eines Wertgutachtens vor Veräußerung des Caravans sei nicht erforderlich gewesen, die hierfür entstandenen Kosten seien nicht ersatzfähig.

II.

Die zulässige Berufung ist überwiegend begründet und führt zur Verurteilung des Beklagten in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang. Im Übrigen ist sie unbegründet, da die Klägerin die bereits in Abzug gebrachte Vorsteuer bei der Schadensberechnung berücksichtigen muss.

1.

Die Klägerin hat gegen den Beklagten einen Ersatzanspruch aus § 43 Abs. 2 GmbHG. Der Beklagte hat als Geschäftsführer der Klägerin die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes nicht angewendet, indem er auf Kosten der Gesellschaft einen Caravan angeschafft, ausgestattet und Reparaturen veranlasst hat, obwohl er das Fahrzeug für seine persönliche Nutzung vorgesehen hatte.

a.

Ein Beschluss über die Inanspruchnahme des Beklagten gemäß § 46 Nr. 8 GmbHG ist von der Gesellschafterversammlung gefasst worden. Der Beschluss muss grundsätzlich den geltend gemachten Anspruch hinreichend konkret beschreiben und identifizierbar benennen und so erkennen lassen, dass die Gesellschafterversammlung über das „Ob“ der Geltendmachung des Anspruchs entschieden hat (MüKoGmbHG-Liebscher, § 46 Rn. 249). Denn mit der Beschlussfassung entscheiden die Gesellschafter, ob die internen Vorgänge um die Haftung bekannt werden dürfen, weil sie Gegenstand eines gerichtlichen Verfahrens werden (BGH, Urteil vom 13.02.1995 - II ZR 92/73, NJW 1975, 977 (978)). Liegt ein Beschluss der Gesellschaft nicht vor, ist die Klage ohne Ermächtigung der Gesellschafter erhoben, es fehlt eine Anspruchsvoraussetzung, die zur Abweisung der Klage als zur Zeit unbegründet führt (BGH, Urteil vom 20.11.1958 - II ZR 17/57, BGHZ 28, 355 (359)). Der Beschluss ist während des Rechtsstreits auch nachholbar.

Der im Tatbestand wiedergegebene Beschlusstext lässt offen, welche Ansprüche gegen den Beklagten geltend gemacht werden sollen. Es ergibt sich auch nicht aus dem Protokoll vom 26.03.2020, dass Ansprüche wegen des Wohnwagens geltend gemacht werden sollten. Zwar sind im Protokoll auch „Untreuehandlungen“ erwähnt, diese Umschreibung bezieht sich allerdings auf Überweisungen aus Januar und Februar 2020, die der Beklagte vorgenommen haben soll (Bl. 8). Der Beklagte, der bei der Gesellschafterversammlung gemeinsam mit seinem Prozessbevollmächtigten als Berater anwesend war, beruft sich nicht auf eine möglicherweise nicht hinreichend bestimmte Beschlussfassung. Daher ist die Klägerin, die die Beschlussfassung vorträgt, insoweit nicht zu ergänzendem Vortrag verpflichtet (vgl. auch BGH, Urteil vom 04.11.2002 – II ZR 224/00, BGHZ 152, 280 zu I.)

b.

Voraussetzung der Haftung ist eine Pflichtverletzung des Geschäftsführers, die mit der Anschaffung des Caravans und der zu dessen Nutzung gemachten Aufwendungen auf Kosten der Gesellschaft vorliegt. Maßstab ist die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes, § 43 Abs. 1 GmbHG. Dazu gehört die Pflicht, die in der Satzung und dem Gesetz niedergelegten Verpflichtungen zu erfüllen, die Unternehmensleitung mit der notwendigen Sorgfalt auszuüben und die zweckmäßige Tätigkeit anderer Unternehmensangehöriger zu überwachen (MüKoGmbHG-Fleischer, § 43 GmbHG Rn. 12). Zu der Einhaltung der gesetzlichen Pflichten gehört die Trennung eigener Interessen von den Interessen des Unternehmens, welches den Gläubigern mit seinem Gesellschaftsvermögen haftet, § 13 Abs. 2 GmbHG. Der Geschäftsführer ist verpflichtet, den Wert des Unternehmens zu erhalten und ihn nachhaltig zu steigern (Baumbach/Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, § 43 Rn. 20). Unternehmerische Entscheidungen müssen an diesem Ziel orientiert sein. Die Nutzung von Vermögen des Unternehmens zu eigenen Interessen ist damit nicht vereinbar.

c.

Der Beklagte beruft sich allgemein darauf, dass die anderen Gesellschafter von der Anschaffung des Wohnwagens unterrichtet worden seien und die Anschaffung mit ihnen „abgestimmt“ gewesen sei. Dies kann ein Einverständnis aller Gesellschafter mit einer Maßnahme bedeuten, das die Haftung ausschließen würde. Die Gesellschafter können eine Maßnahme der Geschäftsführung, auch wenn diese im Widerspruch zu den Unternehmensinteressen steht, billigen. Die Haftung des Geschäftsführers ist dann ausgeschlossen, es sei denn, dass Stammkapital würde durch die Maßnahme gemindert, § 43 Abs. 3 Satz 3 GmbHG (BGH, Urteil vom 21.06.1999 – II ZR 47/98, BGHZ 142, 92 (95); Urteil vom 25.06.2001 – II ZR 38/99, BGHZ 148, 167).

Die Gesellschaft trifft im Rahmen des § 43 GmbHG – gegebenenfalls mit der Erleichterung des § 287 ZPO – die Darlegungs- und Beweislast für einen Schaden und dessen Verursachung durch ein möglicherweise pflichtwidriges Verhalten des Vorstandsmitglieds in seinem Pflichtenkreis. Das Vorstandsmitglied hat dagegen darzulegen und zu beweisen, dass es seine Pflichten nicht verletzt oder jedenfalls schuldlos gehandelt hat oder dass der Schaden auch bei einem rechtmäßigen Alternativverhalten eingetreten wäre (BGHZ 152, 280 [283 ff.] = NZG 2003, 81 = NJW 2003, 358; NZG 2009, 550 = NJW 2009, 2454 = ZIP 2009, 860 Rdnr. 42). Diese für die AG entwickelten Grundsätze finden auch auf die GmbH Anwendung.

Der Beklagte ist mithin für seine Behauptung, er habe den Erwerb des Caravans mit den Mitgesellschaftern abgestimmt, beweispflichtig. Ein Beweisangebot fehlt (Bl. 44). Der unter Beweis gestellte Vortrag des Beklagten, der Caravan sei zu Baubesprechungen im Frühjahr 2017 an der U… Potsdam genutzt worden, ist insoweit nicht erheblich, da sich daraus nicht die einvernehmliche Anschaffung ergibt. Der Beklagte kann auch den Eindruck erweckt haben, dass er seinen privat angeschafften Caravan vorübergehend zur Verfügung stellt. Unstreitig stand der Caravan im Übrigen stets am Privatgrundstück des Beklagten.

d.

Die Haftung ist nicht wegen der Entlastung des Beklagten durch die Gesellschafter ausgeschlossen.

Mit der nach § 46 Nr. 5 GmbHG zu beschließenden Entlastung sprechen die Gesellschafter dem Geschäftsführer einerseits Vertrauen für seine bisherige Geschäftsführung aus, andererseits schließen sie auch Schadensersatzansprüche und Abberufungsgründe aus. Die Entlastung setzt voraus, dass der Geschäftsführer zuvor Rechnung über seine Geschäftsführung gelegt hat. Die Entlastung erstreckt sich zeitlich auf den Zeitraum der Periode, für die die Entlastung erklärt wird (MüKoGmbHG-Liebscher, § 46 Rn. 146). Soweit die Entlastung erteilt wird, entfällt indes nicht die Pflicht des Geschäftsführers, weitere Schäden von der Gesellschaft fernzuhalten, etwa für weitere Nachteile. Diese sind nicht mit der Entlastung erfasst (BGH, Urteil vom 10.02.1977 – II ZR 79/75, GmbHR 1977, 129). Inhaltlich bezieht sich die Entlastung auf alle Geschäftsvorgänge, die für die Gesellschafter bei sorgfältiger Prüfung aufgrund der ihnen vorgelegten Unterlagen erkennbar waren (BGH, Urteil vom 21.04.1986 – II ZR 165/85, BGHZ 97, 382 (384); Urteil vom 12.06.1989 – II ZR 246/88, BGHZ 108, 21 (26)), also auf Umstände, die die Gesellschafter durch Nachrechnen oder Nachfragen in Erfahrung bringen konnten, wie etwa erhöhte Spesenabrechnungen (BeckOK-Schindler, GmbHG, § 46 Rn. 68; OLG München, GmbHR 2013, 813 (816)). Keine Entlastungswirkung tritt ein, wenn der Geschäftsführer Informationen verschleiert (MüKOGmbHG/Liebscher, § 46 GmbHG Rn. 147; Scholz-Schmidt, GmbHG, § 46 Rn. 94; Rowedder/Schmidt-Leithoff – Ganzer, GmbHG, § 46 Rn. 39; BeckOK-Schindler, GmbHG, § 46 Rn. 68; OLG Frankfurt, BeckRS 2010, 1159).

Gemessen an diesen Grundsätzen kann hier auch nach dem Vortrag des Beklagten nicht von einer Entlastung des Geschäftsführers für die mit der Klage bezeichneten Aufwendungen ausgegangen werden.

Zu Recht hat die Klägerin insoweit zunächst hinsichtlich der sachlichen Reichweite der Entlastung eingewandt, dass lediglich die Anschaffung des Fahrzeuges von dem Vortrag des Beklagten erfasst gewesen sein kann, da sie im Jahr 2017 verbucht worden ist (Bl. 14, Kaufpreiszahlung am 02.02.2017) und nach der Darstellung des Beklagten erkennbar gewesen sein soll und zwar in Höhe des Nettokaufpreises von 47.588,24 € (Vortrag Bl. 131 R). Allenfalls eine Erweiterung etwaiger Entlastung auf die Kosten der Zulassung des Fahrzeuges käme in Betracht. Auf weitere Positionen in 2017, wie eine Reparatur des alten Wohnmobils des Beklagten, das veräußert worden ist (Bl. 18) und das Zubehör für die private Nutzung (Wäschespinne etc., Bl. 19) bezieht sich die Entlastung erkennbar nicht, ebenso wenig auf die Kosten für die Einbaustrahler, die in 2018 erworben wurden (Bl. 20), Wartung und Ausstattung mit einer Hubstützenanlage in 2019 (Bl. 22), einen Hocker (Bl. 23) sowie Bewirtung in H…, nahe dem Caravancenter (Bl. 24) und im Jahr 2019 aufgewendete Reparaturkosten (Bl. 25).

Aber auch die Anschaffungskosten für den Caravan sind nicht ohne Weiteres für die Gesellschafter erkennbar gewesen und folglich nicht von der Entlastung erfasst. Soweit der Beklagte behauptet, es habe in der Gesellschafterversammlung am 15.11.2018 ein zuvor übersandter Anlagenspiegel den übrigen Gesellschaftern vorgelegen, aus dem sich ergeben hätte, dass der Nettokaufpreis von 47.588,24 € für einen „Bauwagen“ abgerechnet worden sei, steht dies dem Erfolg der Klage aus mehreren Gründen nicht entgegen. Die vom Beklagten zur Erläuterung vorgelegte Unterlage „vorläufige Bilanz“ stellt lediglich einen vorläufigen Jahresabschluss dar (Bl. 54), der gerade keinen Anlagenspiegel enthält, sondern nur eine Position „sonstige Transportmittel“ in Höhe von 73.705 €, mithin den Oberbegriff für sämtliche in das Anlagevermögen aufgenommenen Fahrzeuge. Auch enthält diese Unterlage nicht die Vorjahreszahlen, so dass sein Argument, auch gerade der Vergleich mit dem Vorjahr hätte Anlass zur Nachfrage geben müssen, nicht überzeugt. Schließlich ist aber auch anzumerken, dass Bedenken in Bezug auf die vorzeitige Übersendung auch dieser Unterlage bestehen, da der Ausdruck zwar vom 14.11.2018 stammen soll, aber mit der Lexware Buchhaltung 2019 erstellt worden ist (Bl. 54). Der Beklagte selbst hat erstinstanzlich vorgetragen, dass die Entlastung nachfolgend mit einem Umlaufbeschluss erklärt worden sei (Bl. 45), allerdings hat er nicht zu der Übersendung weiterer Unterlagen vorgetragen. Entsprechend ist im Beschluss vom 11.12.2018 auch Bezug genommen auf die Gesellschafterversammlung vom 15.11.2018, was ebenfalls gegen eine weitere Rechnungslegung durch den Geschäftsführer nach dieser Versammlung spricht. Später hat der Beklagte behauptet, es habe am 11.12.2018 eine formlos einberufene Gesellschafterversammlung gegeben (Bl. 77).

Aber auch der von dem Beklagten angebotene Zeugenbeweis für die Übersendung eines Anlagenspiegels im Vorfeld der Gesellschafterversammlung vom 15.11.2018 (Bl. 45, 131) ist nicht zu erheben. Denn selbst wenn der Beklagte den Begriff „Bauwagen“, wie er geltend macht, in den endgültigen Jahresabschluss oder in erläuternden Unterlagen, die vor dem Entlastungsbeschluss, der erst am 11.12.2018 gefasst worden ist, vorgelegt worden sein müssen, aufgenommen hat, teilt der Senat nicht die in der Berufungsinstanz vom Beklagten vertretene Auffassung, dass es den Gesellschaftern obliegt, die Unrichtigkeit dieser Bezeichnung aufzuklären. Hätte der Beklagte den Wohnwagen als solchen bezeichnet, ist es zutreffend, dass die Gesellschafter hätten nachfragen müssen, warum ein so hochwertiger Wohnwagen angeschafft wird. Sofern aber nur unter der Bezeichnung „Bauwagen“ die Kosten für den Wohnwagen eingestellt werden, kann es sich aus Sicht der Gesellschafter auch um die Kosten für mehrere Bauwagen handeln. Sie müssen jedenfalls nicht den Verdacht haben, dass etwas ganz anderes als ein Bauwagen angeschafft worden ist. Was tatsächlich angeschafft wurde, wird mit der Bezeichnung „Bauwagen“ nicht zutreffend erfasst, sondern es wird irreführend eine andere Kategorie von Fahrzeugen bezeichnet. Die Verpflichtung der Gesellschafter zur Nachfrage ist darauf zu beschränken, dass der Anlass zur Nachfrage sich eindeutig ergibt. Dass die Kosten für Baufahrzeuge im Vergleich zum Vorjahr gestiegen sind, ist nicht notwendig Anlass zur Nachfrage; dass das Unternehmen einen Wohnwagen anschafft, der allenfalls mit untergeordneter Bedeutung zur Nutzung bei Bauvorhaben geeignet ist, wäre dagegen Anlass zur Nachfrage (zur „Bringschuld“ der Information durch den Geschäftsführer auch MüKoGmbHG-Liebscher, § 46 Rn. 148; Scholz/Schmidt, GmbHG, § 46 Rn. 94), die sich aber infolge der gewählten Bezeichnung nicht ergab.

2.

Die Höhe des Anspruchs bestimmt sich nach dem Betrag, um den das Vermögen der Klägerin infolge der Pflichtverletzungen gemindert ist, § 43 Abs. 2 GmbHG, § 249 Abs. 1 BGB (Baumbach/Hueck – Zöllner/Noack, GmbHG, § 43 Rn. 15). Zu erstatten sind die Nettobeträge, die die Klägerin für die Anschaffungen und Reparaturen entrichtet hat, da sie zum Vorsteuerabzug berechtigt ist. Der Liquidator der Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung hierzu bestätigt, dass der Vorsteuerabzug in Ansatz gebracht worden ist und eine Nachforderung von Umsatzsteuer vom Finanzamt noch nicht abschließend geprüft sei. Entsprechend wäre aber auch der Verkaufserlös nur in Höhe des Nettobetrages in Abzug zu bringen, weil die Klägerin zur Abführung der Umsatzsteuer bei Verkauf des Fahrzeuges verpflichtet war.

Danach ergeben sich folgende Schadenspositionen (ausgehend von der Aufstellung in der Klageschrift, Bl. 3):

Kaufpreis (Bl. 13)

47.588,24 €

Zulassung (Bl. 17):

44,63 €

Die tatsächlichen auf Bl. 17 nachgewiesenen Zulassungskosten übersteigen diesen Betrag, sind aber von der Klägerin insoweit nicht geltend gemacht worden.

Reparatur Altfahrzeug (Bl. 18):

2.941,18 €

Zusatzausstattung (Bl. 19):

633,31 €

Sat-Anlage (2.958,57 € brutto)

 2.486,19 €

Beleuchtung (Bl. 20):

101,37 €

Werkstattüberprüfung (Bl. 22):

3.726,35 €

TÜV-Gebühr (Bl. 21,22) :

 50,00 €

Hocker (Bl. 23):

 43,62 €

Verpflegung (Bl. 24):

43,52 €

Reparatur (Bl. 25)

 266,40 €

Steuern (Bl. 3) :

 430,78 €

Versicherungen (Bl. 3) :

6.427,00 €

Verkaufsaufbereitung (Bl. 3):

 500,00 €

Gutachten für den Verkauf (Bl. 3)

300,00 €

Sowohl die Kosten für die Verkaufsaufbereitung als auch für die Begutachtung zum Verkauf sind erforderlich, § 43 Abs. 2 GmbHG, § 249 Abs. 1 BGB, da die Klägerin als Unternehmen für Elektroinstallationen über keine Erfahrung mit dem Verkauf von Wohnmobilen verfügt. Sie durfte die Begutachtung und Aufbereitung für notwendig ansehen, um den Verkauf zu einem angemessenen Preis umzusetzen und ihrer Verpflichtung, den Schaden dadurch zu begrenzen, nachzukommen (vgl. BGH, Urteil vom 01.04.1993 – I ZR 70/91, NJW 1993, 2687, juris Rn. 29).

Von dem sich danach ergebenden Gesamtbetrag von 65.582,59 € ist der erzielte Nettoerlös (Bl. 26) von 33.613,44 € in Abzug zu bringen. Der verbleibende Schaden beläuft sich auf 31.969,15 €.

3.

Der Zinsanspruch ergibt sich aus § 286 Abs. 1 Satz 2, § 288 Abs. 1 BGB.

4.

Die Kostenentscheidung ergeht gemäß § 92 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 10, § 711 Satz 2, § 709 Satz 2 ZPO.

Der Gebührenstreitwert wird auf 36.722,35 € festgesetzt (§ 47 Abs. 1, § 48 Abs. 1 GKG).

Die Revision wird nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen insoweit nicht vorliegen, § 543 Abs. 2 ZPO.