Gericht | LG Cottbus 6. Zivilkammer | Entscheidungsdatum | 04.12.2020 | |
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Aktenzeichen | 6 O 429/18 | ECLI | ECLI:DE:LGCOTTB:2020:1204.6O429.18.00 | |
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen |
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Streitgegenstand sind Ansprüche aus einer Gebäudeversicherung.
Der Kläger ist Eigentümer der sich in ........., ............... befindenden Mehrzweckhalle.
Der Versicherungsmakler ..............., der über die Fa. .................. als Makler bei der Beklagten bekannt ist und von dieser betreut wird, stellte am 09.02.2017 bei der Beklagten über ein Antragsportal eine Anfrage zum Deckungsschutz für eine Gewerbepolice bezüglich der Lagerhalle versichert zum Neuwert gegen die Gefahren Feuer, Sturm/Hagel. Zur versicherten Sache wurde ein Baujahr von 1970, Ausstattungsstandard: mittel, unbeheizt, 1 Erdgeschoss, nicht unterkellert, Flachdach mit Belichtung und Bruttogrundfläche 784 qm angegeben. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Antrag vom 09.02.2017 verwiesen (Anlage K1, Bl. 7 ff. d.A. und Anlage K10, Bl. 136 ff. d.A.). Daraufhin unterbreitete die Beklagte mit E-Mail vom 09.02.2017 zwei Vorschläge (Anlage K2, Bl. 20 d.A.). Der Makler, Herr ..............., bat mit E-Mail vom 10.02.2017 bei dieser um Dokumentierung der Angebote (Anlage K3, Bl. 21 d.A.). Die Beklagte policierte die Versicherung am 20.02.2017 mit Versicherungsbeginn am 10.02.2017 und Ende am 10.02.2020 zu einem jährlichen Beitrag von 766,35 € (Anlage K4, Bl. 22 ff. d.A.). Der Kläger zahlte die Beiträge.
Am 18.01.2018 kam es zu einem Sturm (“Friederike“), durch den - gem. dem Klägervorbringen - das Dach der versicherten Mehrzweckhalle beschädigt worden sein soll. Die ...................zeigte für den Kläger den Sturmschaden gegenüber der Beklagten mit E-Mail vom 22.01.2018 an (Anlage K5, Bl. 25 d.A.). Die Beklagte beauftragte daraufhin den Gutachter ………………….., der am 22.02.2018 eine Stellungnahme abgab, wonach Alt- bzw. Vorschäden vorlagen und ein fiktiver Sturmschaden von 2.338,35 € berechnet wurde (Anlage K6, Bl. 26 ff. d.A. und Anlage B1, Bl. 57 ff. d.A.).
Die Beklagte erkannte mit Schreiben vom 26.02.2018 einen Schaden von 2.338,35 € gegenüber dem Kläger an (Anlage B2, Bl. 80 d.A.). Dieses Bewertungsergebnis ließ der Kläger über seinen Versicherungsmakler infrage stellen. Daraufhin erklärte die Beklagte mit E-Mail vom 20.03.2018, dass sie über den anerkannten Betrag hinaus keine weitergehende Zahlung leisten werde (Anlage B3, Bl. 81 d.A.). Die Beklagte übersandte dem Kläger mit Schreiben vom 25.04.2018 einen Verrechnungsscheck über 1.375,50 € (Nettozeitwertentschädigung) (Anlage B4 und B5, Bl. 82/83 d.A.).
Zwischen dem Kläger und Herrn ............... wurde am 06.06.2018 ein Maklervertrag geschlossen (Anlage K11, Bl. 200 ff. d.A.).
Der Kläger forderte die Beklagte mit anwaltlichem Schreiben vom 14.06.2018 unter Fristsetzung bis zum 24.06.2018 zur Zahlung eines Betrages in Höhe von 63.568,19 € auf (Anlage K8, Bl. 31 f. d.A.). Dies wies die Beklagte mit Schreiben vom 09.07.2018 zurück (Anlage B6, Bl. 84 d.A.).
Der Kläger trägt vor,
dass durch den unstreitigen Sturm am 18.01.2018 das Dach derart beschädigt worden, dass die Dachhaut komplett erneuert werden müsse und Reparaturkosten in Höhe von 63.568,19 € erforderlich werden würden (s. Angebot des ......................... vom 06.03.2018 (Anlage K7, Bl. 29 f. d.A.)), insbesondere müsse die Dachhaut als komplette Fläche erneuert werden. Das Dach sei zuvor dicht gewesen. Mängel seien nicht feststellbar gewesen. Der Beklagtenseite hätte es freigestanden, Fotos vom Objekt abzufordern, das Objekt zu besichtigen und sodann eine Risikoeinschätzung vorzunehmen, was sie unstreitig nicht tat, was einen massiven Verstoß gegen §§ 6, 6a, 7, 19 Abs. 5 VVG darstelle. Der Kläger habe keine Versicherungsbedingungen erhalten; dies gelte auch für Herrn .......... Es liege auch kein entsprechendes Einverständnis des Klägers vor. Der streitbefangene Vertrag sei ohne die erforderlichen Unterschriften dokumentiert worden. Der Versicherungsschein sei an den Kläger übersandt worden. Die Kostenaufstellung des Sachverständigen sei um die Position Austausch der Dämmwolle zu erweitern, da es nach dem Schaden reingeregnet habe und somit vom Schadensumfang mit zu ersetzen sei. Mit der unstreitigen Übersendung des Schecks habe die Beklagte den Schaden und ihre Eintrittspflicht anerkannt. Den Scheck von der Beklagten habe er zerrissen.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 63.568,19 € nebst Verzugszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 25.06.2018 zu zahlen und
die Beklagte ferner zu verurteilen, an ihn vorgerichtliche Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 1.954,46 € nebst Verzugszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie trägt vor,
dass der Kläger keine Erhaltungs- und Schutzmaßnahmen an dem Dach des versicherten Gebäudes vorgenommen habe. Hätte er diese vorgenommen, sprich wäre das Dach intakt gewesen, wären die Schäden nicht bzw. nicht in dem vorgefundenen Umfang entstanden. Sie habe nicht gegen Beratungspflichten verstoßen, da kein Anlass hierzu bestanden habe. Zudem habe sich der Kläger eines Versicherungsmaklers und damit eines sachkundigen Beraters bedient, dem Beratungspflichten gem. § 60 VVG obliegen würden. Der Kläger hätte ohne Weiteres den mangelhaften Unterhaltungszustand des Gebäudes im Antrag dokumentieren können. Gem. Teil A I. § 18 Ziffer 2 AVBG 99 bestehe die Obliegenheit, Dächer stets im ordnungsgemäßen Zustand zu erhalten und Mängel oder Schäden unverzüglich beseitigen zu lassen. Die Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVBG 99) seinen Vertragsgrundlage geworden, worauf verwiesen wird (Anlage B7, Bl. 98 ff. d.A.). Der Makler habe das streitgegenständliche Bedingungswerk in Form der Anlagen K1 und K4 auch erhalten, was sich der Kläger entgegenhalten lassen müsse. Zudem ergebe sich ein Leistungsausschluss nach § 81 VVG. Sie bestreitet mit Nichtwissen, dass das Dach dicht war. Im Hinblick auf die Entwertung der Dächer sei der Anspruch ohnehin auf den Zeitwertschaden begrenzt (Teil A I. § 12 Ziffer 1c AVBG 99).
Mit Beschluss vom 18.10.2018 ist der Rechtsstreit der zuständigen Berichterstatterin als Einzelrichterin zur Entscheidung übertragen worden (Bl. 85 d.A.).
Gemäß Beweisbeschluss vom 03.02.2020 i.V.m. dem Beschluss vom 30.03.2020 ist Beweis erhoben worden durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens (Bl. 228 f./239 d.A.). Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das schriftliche Gutachten des Sachverständigen ................. vom 20.07.2020 verwiesen.
Mit Beschluss vom 01.10.2020 ist mit Zustimmung der Parteien das schriftliche Verfahren angeordnet worden, in dem Schriftsätze bis zum 06.11.2020 eingereicht werden konnten (Bl. 293 d.A.).
Die Klage ist unbegründet.
Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch gem. § 1 VVG i.V.m. Teil A I. § 3, § 11 Ziffer 1b, § 12 Ziffer 1a AVBG 99.
Zwischen den Parteien besteht unstreitig ein Versicherungsvertrag. Die Klägerseite hat hierzu Ausführungen zur Unterschrift, Pflichtverletzungen der Beklagten und auch zu den Allgemeinen Versicherungsbedingungen getätigt. Da sie aber aus diesem Vertrag Ansprüche herleitet, geht auch die Klagepartei zumindest vom Zustandekommen eines Versicherungsvertrages aus, gleich ob dieser bereits durch das Übersenden des Versicherungsscheins schon zustande gekommen ist oder erst durch die Zahlung der Beiträge durch den Kläger in Form einer konkludenten Annahme des Angebots der Beklagten.
Der Versicherungsvertrag umfasst auch Sturmschäden. Das Gebäude ist zudem zum Neuwert versichert worden.
Ferner sind die AVBG 99 Vertragsbestandteil geworden. Insoweit kann es dahinstehen, ob diese dem Kläger und wann übersandt worden sind, was zwischen den Parteien streitig ist.
Gemäß § 305 Abs. 2 Nr. 1 BGB bedarf es eines ausdrücklichen Hinweises auf diese. Dies ist hier ausweislich der Anlagen K1 und K 10 erfolgt, wo auf Seite 8 unter der Überschrift „Inhalt des Vertrages“ erwähnt wird, dass Grundlage dieses Vertrages die Versicherungsbedingungen sind, die dem endgültigen Versicherungsvertrag üblicherweise zugrunde liegen. Streitig ist allerdings, ob der Kläger diese erhalten hat. Mit Blick auf § 7 VVG, der eine Sondervorschrift darstellt, muss der Versicherungsnehmer grundsätzlich die Allgemeinen Versicherungsbedingungen in Textform mitgeteilt erhalten und dies auch rechtzeitig vor Abgabe vor dessen Vertragserklärung. Bei Abschluss über einen Makler reicht es aus, dass der Versicherer dem Makler seine AVB zur Verfügung stellt (vor Abgabe der Erklärung des Versicherungsnehmers). Ob die Voraussetzungen des § 7 VVG hier vorliegen, kann aber dahinstehen. Denn §§ 7 f. VVG treffen keine Regelungen über die Einbeziehung der AVB für den Fall, dass die Versicherungsbedingungen pflichtwidrig erst nach Vertragsschluss überlassen wurden. Damit ist der Rückgriff auf die allgemeinen AGB-rechtlichen Einbeziehungsvoraussetzungen nicht mehr gesperrt. Für Verträge mit Unternehmern (§ 14 BGB), wie er auch hier vorliegt, gilt zudem § 305 Abs. 2, 3 BGB gem. § 310 Abs. 1 BGB nicht. Die dann nur noch erforderliche rechtsgeschäftliche Einigung über die Geltung der AVB ist zumindest konkludent erfolgt (vgl. Prölss/Martin, VVG, 29. Auflage, § 7, Rdnr.: 46 m.w.N.). Denn die Beklagte als Verwender der AGB hat zumindest konkludent zum Ausdruck gebracht, dem Vertrag seine AGB zugrunde legen zu wollen. Dies ist beim Abschluss eines Versicherungsvertrages regelmäßig auch dann erfüllt, wenn nicht eigens über die Einbeziehung gesprochen wurde. Für jeden Versicherungsnehmer - und erst recht für Unternehmer - liegt auf der Hand, dass der Versicherer AVB verwenden muss, um den Versicherungsvertrag inhaltlich zu konkretisieren (vgl. OLG Koblenz VersR 2003, 851). Hier hat die Beklagte sogar ausdrücklich auf die Einbeziehung der AVB hingewiesen (s.o.) und in Kenntnis dessen hat der Kläger den Vertrag dann auch geschlossen. Die Erfüllung der Informationspflicht des § 7 VVG ist für die Einbeziehung der AVB nicht erforderlich. Da § 7 VVG die Einbeziehung der AVB nicht regelt, kann der Vorschrift auch keine Verschärfung der AGB-rechtlichen Einbeziehungsvoraussetzungen entnommen werden (vgl. Prölss/Martin a.a.O., § 7, Rdnr.: 47 m.w.N.). Die AVB können daher auch dann Vertragsbestandteil werden, wenn einem Unternehmer die AVB entgegen § 7 Abs. 1 S. 1 VVG nicht vor Vertragsschluss übergeben wurden oder wenn eine zumutbare Möglichkeit der Kenntnisnahme i.S.d. § 305 Abs. 2 BGB ausnahmsweise keine Übergabe der AVB (und damit keine Mitteilung i.S.d. § 7 Abs. 1 S. 1 VVG) voraussetzte.
Selbst wenn die wirksame Einbeziehung der AVBG 99 vorliegend verneint werden sollte, kommt in diesem Falle § 306 BGB zur Anwendung. Insoweit ist zu beachten, dass es allgemein bekannt ist, dass der Versicherungsvertrag typischerweise auf der Grundlage von AVB abgeschlossen wird. In der Regel ist ein Antrag des Versicherungsnehmers auf einen Abschluss zu den üblichen Bedingungen des Versicherers gerichtet und damit hinreichend bestimmt. Im Rahmen der ergänzenden Vertragsauslegung (§ 306 Abs. 2 BGB) sind dann die branchenüblichen Musterbedingungen heranzuziehen, es sei denn, die AVB des Versicherers sind günstiger für den Versicherungsnehmer. In diesem Fall gelten dann letztere.
Dieser Auslegung bedarf es, weil sonst unsicher ist, was versichert ist, da die AVB regelmäßig - wie auch vorliegend - die Hauptleistungspflicht, insbesondere das versicherte Risiko umschreiben (vgl. Prölss/Martin a.a.O., § 7, Rdnr.: 53 ff. m.w.N.).
Anspruchsvoraussetzung ist, dass ein Sturm i.S.v. Teil A I. § 3 Abs. 2 AVBG 99 vorlag. Dies ist hier unstreitig gegeben. Ferner muss es auch zu einem Schaden gekommen sein. Der Umfang des Schadens ist aber streitig. Voraussetzung ist, dass das Gebäude durch unmittelbare Einwirkung des Sturms beschädigt worden ist (Teil A I. § 3 Abs. 3a AVBG 99). Ersetzt werden dann die erforderlichen bzw. notwendigen Wiederherstellungskosten/Reparaturkosten zum Neuwert in gleicher Beschaffenheit wie im Antrag beschrieben, entsprechend der Gebäudetypenmerkmale (Teil A I. § 12 Abs. 1a AVBG 99). Zuerst hat der Versicherungsnehmer allerdings nur Anspruch auf den Zeitwert nach Teil A I. § 12 Ziffer 1b AVBG 99 und wenn er den Nachweis geführt hat, dass er die Wiederherstellung sichergestellt hat, auf den Neuwert (Teil A I. § 11 Ziffer 1b AVBG 99).
Wenn Gebäudeschäden bzw. Mängel vorher schon vorhanden waren, ist dies kein Umstand der Beschädigung durch Sturm. In diesem Falle fehlt es an der Bedingungsgemäßheit, da es einer Beschädigung durch unmittelbare Einwirkung des Sturms bedarf.
Wie bereits erwähnt sind die Sturmschäden (Umfang) und auch die notwendigen Reparaturkosten zwischen den Parteien streitig. Darlegungs- und beweisbelastet ist die Klägerseite. Dieser ist der entsprechende Beweis aber nur teilweise gelungen.
Denn nach der durchgeführten Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Gerichts nicht fest, dass durch den unstreitigen Sturm am 18.01.2018 das Dach derart beschädigt worden ist, dass die Dachhaut komplett erneuert werden muss und Reparaturkosten in Höhe von 63.568,19 € erforderlich werden.
Der Sachverständige ................. hat hierzu in seinem schriftlichen Gutachten vom 20.07.2020 nachvollziehbar ausgeführt, dem sich das Gericht anschließt, dass zwei mit Bitumenwellplatten eingedeckte Dächer betroffen sind. Die Bitumenwellplatten wurden auf eine darunter noch bestehende vorhandene bahnenförmige Dacheindichtung aus altem Teer- und Bitumenanstrichen aufgenagelt. Die verwendeten Dachnägel wurden dabei durch die alte Dacheindichtung in die darunter befindliche Holzschalung eingenagelt. An dieser unter den Bitumenwellplatten noch vorhandenen Bahnen-Alt-Eindeckungen zeigen sich an offenliegenden Stellen erhebliche Vorschäden in Form von Gefüge-Zerstörungen und Netzrissen aus Altersverschleiß und UV-Einstrahlungen. Es ist davon auszugehen, dass die ursprüngliche Dacheindeckung Dachbahnen Teer und Bitumen in den 70er bis 80er Jahren ausgebracht wurden und dann Anfang der 90er Jahre mit den Bitumenwellplatten überdeckend saniert wurden. Es wurden vollständig oder teilweise abgerissene Bitumenwellplatten auf den westlich orientierten Dachseiten Dach (A) und Dach (B) festgestellt, die ein einem Sturmschaden zuordenbares Schadensbild darstellen. Hiervon ausgenommen ist eine nach West orientierte Fläche des Daches (B) von rund 44 qm, die keine signifikanten Sturmschäden zeigt. Die dort verlegten Bitumenwellplatten sind noch nicht so gealtert und verformt und konnten daher dem gleichen einwirkenden Sturm widerstehen. Die ebenfalls festgestellten Verformungen der Bitumenwellplatten (Einbeulungen der oberen Wellenberge) und die hochgebogenen Ränder der Bitumenwellplatten in der seitlichen Überlappung zur benachbarten Platte sind hingegen Resultat einwirkender thermischer Langzeitprozesse an einer altersbedingt instabilen Bitumenwellplatte; die festgestellten Verformungen der Plattenstöße sind bedingt durch unter den hochgebogenen Seitenanschlüssen einwachsende Flora. Diese Schäden sind damit nicht einem Sturmschaden zuzuordnen. Die ebenfalls festgestellten linearen Brüche und eingedrückten Wellenberge der oberen Bitumenwellplattenscheitel in einem eng begrenzten Bereich entlang der östlichen Traufseite Dach (B) und von der Traufe zum First verlaufend in einem schmalen Bereich der Ostseite Dach (B) sind durch die Begehung des Sachverständigen ............... entstanden und haben zu einer irreparablen Schädigung der Platten geführt. Die Eindeckung der Dächer (A) und (B) mit Bitumenwellplatten ist aus Altersgründen technisch so verschlissen, dass sie allein schon aus technischem Altersverschleiß komplett erneuert werden muss. Hiervon ausgenommen ist lediglich der vorgenannte Teilbereich von ca. 44 qm. Die erhöhte Brüchigkeit der Bitumenwellplatten aus Verschleißerscheinungen lässt eine partielle Sanierung von Teildachbereichen in einer Dachhälfte nicht zu. Bei der abgegrenzt bewertenden Sanierung der alleinigen Sturmschäden der westlichen Dacheindeckungen ergeben sich Sanierungskosten zum Neuwert von insgesamt 13.254,49 € (brutto). Der Zeitwert beträgt hingegen nur 1.325,46 € (brutto). Denn zum Schadenzeitpunkt waren die Bitumenwellplatten über 20 Jahre alt und in der vorgefundenen Plattenqualität auch ohne Sturmeinwirkung brüchig, instabil und nicht mehr begehbar. Weiterhin sind die Platten thermisch erheblich verformt und verbeult. Damit war die technische funktionale Lebensdauer dieser Platten zum Zeitpunkt des Sturmschadens bereits abgeschlossen. An sich müssten die Platten linear komplett entwertet werden. Dies ist hier aber nicht anzusetzen, da sie noch eine eingeschränkte Resteignung der Regenwasserableitung und Rest-Stabilität hatten.
Die Schädigungen durch Begehung waren bei der Betrachtung des Sanierungsvorgehens unbewertet zu lassen, da diese nicht durch Sturmeinwirkung entstanden sind. Sie sind zwar in der weiteren Folge des Sturmschadens entstanden, nämlich im Rahmen der Begutachtung der Sturmschäden. Jedoch fallen sie zum einen nicht ins Gewicht, da der Gutachter die erforderliche Gesamtsanierung der Dächer wohl von vornherein unterstellte, die letztendlich auch der hiesige Sachverständige festgestellt hat. Zum anderen liegt eine Beschädigung aufgrund „unmittelbarer Einwirkung“ eines Sturmes nur dann vor, wenn der Sturm die zeitlich letzte Ursache für den eingetretenen Schaden ist, wobei Mitursächlichkeit ausreicht (vgl. OLG Koblenz VersR 2015, 980; OLG Karlsruhe NJW-RR 2006, 820; OLG Hamm BeckRS 2016, 14583), was hier aber nicht der Fall ist.
Das Gericht folgt insoweit der nachvollziehbaren und detaillierten Berechnung des Sachverständigen. Entgegen der Ansicht des Klägers ist die Kostenaufstellung des Sachverständigen nicht um die Position Austausch der Dämmwolle zu erweitern, da es nach dem Schaden rein geregnet habe und somit vom Schadensumfang mit zu ersetzen sei. Denn eine solche Dämmwolle hat der Sachverständige nicht festgestellt. Er hat den Dachaufbau in seinem Gutachten hinreichend benannt, nämlich dass die Bitumenwellplatten auf eine darunter noch bestehende vorhandene bahnenförmige Dacheindichtung aus altem Teer- und Bitumenanstrichen aufgenagelt wurden und die verwendeten Dachnägel dabei durch die alte Dacheindichtung in die darunter befindliche Holzschalung eingenagelt wurden. Eine Dämmwolle findet hierbei keine Erwähnung. Eine solche ergibt sich auch nicht aus dem von der Klägerseite vorgelegten Angebot vom 06.03.2018 (Anlage K7, Bl. 29 f. d.A.), welches zudem eine neue Dacheindeckung vorsieht, die mit der Vorhandenen nicht vergleichbar ist. Im Übrigen wäre der Kläger verpflichtet gewesen, das Dach vor weiteren Schäden, insbesondere vor einem Hereinregnen zu schützen (Schadensminderungspflicht).
Da die Beklagte bereits vorgerichtlich eine Einstandspflicht i.H.v. 2.338,35 € abgegeben hat und mit Schreiben vom 25.04.2018 einen Verrechnungsscheck über 1.375,50 € (Nettozeitwertentschädigung) (Anlage B4 und 5, Bl. 82/83 d.A.) an den Kläger gesandt hat, besteht insoweit schon kein Rechtsschutzbedürfnis bzw. ist Erfüllung eingetreten unabhängig davon, ob der Kläger den Scheck eingelöst oder zerrissen hat.
Einen darüber hinausgehenden Anspruch hat der Kläger nicht. Denn es ist weder ersichtlich noch vom Kläger vorgetragen worden, dass der über den Zeitwert hinausgehende Teil der Entschädigung (Neuwert) bereits fällig ist i.S.v. Teil A I. § 11 Ziffer 1b AVBG 99. Eine solche Fälligkeit setzt die Nachweisführung des Klägers gegenüber der Beklagten voraus, dass er die Wiederherstellung sichergestellt hat, was nicht zu bejahen ist.
Der Anspruch des Klägers auf die Neuwertentschädigung ist aber noch nicht durch die Wiederherstellungsklausel gem. Teil A I. § 11 Ziffer 2 AVBG 99 erloschen. Danach ist der Versicherungsnehmer zur Rückzahlung der vom Versicherer nach 1b) geleisteten Entschädigung verpflichtet, wenn die Sache infolge eines Verschuldens des Versicherungsnehmers nicht innerhalb einer angemessenen Frist wiederhergestellt worden ist. Hierbei handelt es sich nicht um eine strenge Wiederherstellungsklausel und die Frist kann erst nach der Zahlung der Neuwertentschädigung zu laufen beginnen. Die Neuwertentschädigung ist vorliegend aber noch gar nicht gezahlt worden.
Eine Beschränkung auf den Zeitwert ergibt sich auch nicht aus Teil A I. § 12 Ziffer 1c AVBG 99. Denn diese Vorschrift stellt zum einen auf den gemeinen Wert ab und zum anderen erfordert sie eine dauernde Entwertung des Gebäudes, die hier nicht vorliegt.
Ob der Kläger an den Schadensbeseitigungskosten zu beteiligen ist, da das Dach bei Eintritt des Versicherungsfalls schon erheblich vorgeschädigt/verschlissen war (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 10.10.2016, Az. 8 U 94/16 - juris -; OLG Saarbrücken, Urteil vom 19.09.2012, Az. 5 U 68/12 - juris -), kann dahinstehen, da Leistungsfreiheit der Beklagten nach Teil B § 8 AVBG 99 eingetreten ist, da der Kläger eine Obliegenheit nach Teil A I. § 18 Ziffer 2 AVBG 99 grob fahrlässig verletzt hat.
Nach Teil A I. § 18 Ziffer 2 AVBG 99 ist der Versicherungsnehmer verpflichtet, entsprechend seiner Eingriffsbefugnis die versicherten Sachen, insbesondere Dächer stets im ordnungsgemäßen Zustand zu halten und Mängel oder Schäden unverzüglich beseitigen zu lassen. Dem ist der Kläger aber nicht nachgekommen.
Denn der Beklagten ist der Beweis gelungen, dass der Kläger keine Erhaltungs- und Schutzmaßnahmen an dem Dach des versicherten Gebäudes vorgenommen hat; hätte er diese vorgenommen, sprich wäre das Dach intakt gewesen, wären die Schäden nicht bzw. nicht in dem vorgefundenen Umfang entstanden.
Nach dem Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass das Dach zum Schadenzeitpunkt bereits verschlissen und mehr als 20 Jahre alt war sowie nicht unerhebliche Schäden aufgewiesen hat.
Der Sachverständige hat hierzu nachvollziehbar erklärt, dem sich das Gericht anschließt, dass das Dach neben den Sturmschäden auch noch davon unabhängige Verformungen der Bitumenwellplatten (Einbeulungen der oberen Wellenberge) und hochgebogene Ränder der Bitumenwellplatten in der seitlichen Überlappung zur benachbarten Platte aufweist, die Resultat einwirkender thermischer Langzeitprozesse an einer altersbedingt instabilen Bitumenwellplatte sind sowie Verformungen der Plattenstöße vorhanden sind bedingt durch unter den hochgebogenen Seitenanschlüssen einwachsende Flora. Die festgestellten thermischen Verformungen der Plattenscheitel und die hochgebogenen Plattenränder führen zwangsläufig zu Einregnen, Einwehen von Flugschnee und Schmutz unter die Dacheindeckung. Dies führt wiederum zu Einregen-Schäden und Besiedlung der Dachhaut mit Flora. Vor allem die durch Verformung im Alter hochgebogenen Plattenränder erhöhen die Anfälligkeit der Dachhaut gegen Sturm. Die Bitumenwellplatten sind aufgrund der Verschleißerscheinungen erhöht brüchig, nicht mehr begehbar und der Bestand ist fortgeschritten instabil. Der vorhandene Schaden aus Altersverschleiß lässt auf ein Alter der Wellplatten schließen, dass deutlich höher als 20 Jahre ist. Bitumenwellplatten haben eine Höchstlebensdauer von max. 20 Jahren. Damit war die technische funktionale Lebensdauer dieser Platten zum Zeitpunkt des Sturmschadens bereits abgeschlossen. Hiervon ausgenommen ist die vorgenannte Fläche von ca. 44 qm, die dem Sturm stand gehalten hat und noch nicht so alt und verschlissen war. Der technisch verschlissene Zustand der Platten hat einen Sturmschaden und dessen Auswirkungen und Schadenumfang erheblich positiv beeinflusst.
Dass das Dach gem. dem Klägervorbringen dicht gewesen sein soll, steht dem nicht entgegen und bedarf keiner weiteren Klärung. Denn die noch teilweise gegebene Funktion des Daches der Regenwasserableitung, die gem. den Ausführungen des Sachverständigen aber auch nur noch teilweise und eingeschränkt bestanden hat, kann nicht darüber hinwegführen, dass das Dach altersbedingt verschlissen war. Der Kläger hätte dieses daher bereits vor dem Sturmschaden erneuern müssen.
Der Zustand des Daches war für den Kläger als Eigentümer der Halle auch erkennbar.
Wenn dies nicht schon bereits aus seiner Kenntnis des Alters des Daches und erfolgter Sanierungen bekannt war, hätte er hiervon zumindest optisch im Wege einer Sichtkontrolle Kenntnis erlangen können. Denn ausweislich der dem Gutachten anliegenden Fotos muss sich auch einem Laien der desolate Zustand der Dachwellenplatten erschlossen haben. Aufgrund der vorhandenen Dachneigung war dieser Zustand bereits vom Boden aus sichtbar, zumindest hätte er aber durch Zuhilfenahme einer Leiter erkannt werden können. Zum anderen ist ein Eigentümer einer Lagerhalle auch verpflichtet, sich in regelmäßigen Abständen vom Zustand des Gebäudedaches einen Überblick zu verschaffen und beschädigte/verschlissene Platten auszutauschen. Aufgrund dieser bestehenden Pflichten und der Erkennbarkeit des schlechten Zustandes des Daches ist dem Kläger auch grobe Fahrlässigkeit vorzuwerfen. Da das Dach im intakten Zustand dem Sturm standgehalten hätte, führt dies zur Leistungsfreiheit der Beklagten.
Dass die Beklagte vor Abschluss des streitgegenständlichen Vertrages keine weiteren Erkundigungen vom Zustand der Lagerhalle eingeholt hat, führt nicht zur Verneinung der vorgenannten Leistungsfreiheit. Denn zum einen konnte sie von einem ordnungsgemäßen Zustand der Halle ausgehen, da der Eigentümer Erhaltungsmaßnahmen vornehmen wird. Zum anderen hätte der Kläger im Antrag vom 09.02.2017 selbst noch weitere Angaben tätigen können, die er aber nicht vorgenommen hat.
Dem Kläger steht gegen die Beklagte auch kein Anspruch gem. §§ 780, 781 BGB zur Seite.
Denn die Beklagtenseite hat kein vollumfängliches Anerkenntnis abgegeben. Sie hat hier zwar im Schreiben vom 26.02.2018 eine Einstandspflicht i.H.v. 2.338,35 € abgegeben. Darüber hinaus hat sie aber Ansprüche abgelehnt, insbesondere schon immer abgestritten, dass alles Sturmschäden sind und auch die Höhe der notwendigen Reparaturkosten über einen Betrag i.H.v. 2.338,35 € hinaus in Abrede gestellt.
Mangels Bestehens einer Hauptforderung scheitern auch die geltend gemachten Ansprüche auf Zahlung von Zinsen und vorgerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 S. 1 und 2 ZPO.