Toolbar-Menü
 
Sie sind hier: Gerichtsentscheidungen Entscheidung

Entscheidung VG 3 K 2008/18


Metadaten

Gericht VG Potsdam 3. Kammer Entscheidungsdatum 25.05.2022
Aktenzeichen VG 3 K 2008/18 ECLI ECLI:DE:VGPOTSD:2022:0525.3K2008.18.00
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen § 45 Abs 2 WaffG, § 5 Abs 1 Nr 2 Buchst a WaffG

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen den Widerruf einer Waffenbesitzkarte.

Dem Kläger, der als Jäger, Sportschütze und Soldat tätig ist, wurde am 19. Oktober 2012 eine waffenrechtliche Erlaubnis in Form einer Waffenbesitzkarte erteilt, in der zuletzt vier Waffen eingetragen waren.

Auf die Bitte eines Bekannten, ein zum Verzehr vorgesehenes, auf einem privaten Grundstück gehaltenes Wildschwein zu erschießen, begab sich der Kläger mit einem Gewehr und einer Pistole am 26. April 2016 zu dem Grundstück. Weitere Personen, einschließlich der über die Schlachtung informierten Tierärztin, trafen ebenfalls ein. Das Schwein lief unruhig am Zaun des Geheges auf und ab, wobei es sich verletzte, beruhigte sich aber, sobald sich die anwesenden Personen vom Gehege entfernten. Der Kläger beabsichtigte zunächst, das Schwein mit dem Gewehr zu erschießen und forderte die umstehenden Personen auf, sich vom Gehege zu entfernen. Dem kamen sie nach. Da der Kläger zur Einschätzung gelangte, dass ein sicherer Schuss mit dem Gewehr nicht abgegeben werden kann, stellte er dieses wieder ab, ging zum Gehege und erschoss das Schwein sodann aus kurzer Distanz mit der Pistole.

Hiervon erlangte der Beklagte durch eine Mitteilung der unteren Jagdbehörde Kenntnis. Ohne die bei dem Vorfall anwesenden Personen zu befragen, hörte der Beklagte den Kläger zu einem beabsichtigten Widerruf der waffenrechtlichen Erlaubnis an. Dieser führte mit Schreiben vom 14. Oktober 2016 aus, das Wildschwein sei wild und gefährlich gewesen; er habe es von seinem Leiden erlösen sowie eine Gefährdung Dritter ausschließen wollen. Der Zaun des Geheges habe dem aggressiven Verhalten des Tieres nicht Stand halten können. Er habe in Notstand gemäß § 34 StGB gehandelt.

Der Beklagte widerrief mit Bescheid vom 28. Juni 2017 die waffenrechtliche Erlaubnis des Klägers (Ziffer 1) und ordnete an, die auf der Waffenbesitzkarte eingetragenen Waffen sowie die erworbene und in seinem Besitz befindliche Munition einen Monat nach Rechtskraft des Bescheids dauerhaft unbrauchbar zu machen oder einem Berechtigten zu überlassen und hierüber einen Nachweis zu erbringen (Ziffer 2). Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, die waffenrechtliche Erlaubnis sei nach § 45 Abs. 2 Satz 1 WaffG zu widerrufen, weil nachträglich Tatsachen eingetreten seien, die zur Versagung hätten führen müssen. Der Kläger sei als unzuverlässig anzusehen. Nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 lit. a und b WaffG besäßen Personen die erforderliche Zuverlässigkeit nicht, bei denen Tatsachen die Annahme rechtfertigten, dass sie Waffen oder Munition missbräuchlich oder leichtfertig verwendeten oder damit nicht vorsichtig oder sachgemäß umgingen oder diese Gegenstände nicht sorgfältig verwahrt würden. Das Waffengesetz gehe davon aus, dass Schusswaffen nur im Rahmen ihrer gesetzlichen Zweckbestimmung benutzt würden. Jeder dazu im Widerspruch stehende Gebrauch sei eine missbräuchliche oder leichtfertige Verwendung. So läge es hier, weil das Verwenden von Kurzwaffen nur nach Maßgabe des § 19 BJagdG zulässig sei; vorliegend habe es sich aber nicht um eine Jagd gehandelt. Ferner sei ein Führen von Schusswaffen nur zur Jagdausübung erlaubnisfrei, die hier nicht vorgelegen habe. Zudem habe der Kläger geschossen, ohne dass der Schuss versichert gewesen sei. Seine Behauptung, das Wildschwein habe wegen schwerer Verletzungen erlöst werden müssen, sei eine Schutzbehauptung; tatsächlich sei es zum Verzehr vorgesehen und hierzu getötet worden. Eine Gefahr nach § 34 StGB habe nicht vorgelegen. Während er mit der Pistole geschossen habe, sei das an einem Hänger abgestellte Gewehr nicht gegen Abhandenkommen bzw. einen Zugriff Dritter ordnungsgemäß verwahrt gewesen. Es sei auch nicht entladen worden und habe sich nicht im Sichtfeld des Klägers befunden.

Den erhobenen, aber nicht begründeten Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 15. Mai 2018 zurück und verwies zur Begründung auf die Ausführungen im Ausgangsbescheid.

Ein gegen den Kläger parallel geführtes Strafverfahren wegen des unberechtigten Führens einer Schusswaffe (§§ 52 Abs. 3 Nr. 2a, 54 Abs. 1, 2 WaffG) wurde mit Beschluss des Amtsgerichts Potsdam vom 2. Juli 2018 gemäß § 153a Abs. 2 StPO eingestellt.

Mit seiner am 22. Juni 2018 erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Er trägt im Wesentlichen vor, es sei ein Verfahrensfehler gegeben, weil der Beklagte keine eigenen Ermittlungen durchgeführt, insbesondere keine Zeugen vernommen habe, sondern sich auf die die Erkenntnisse der Jagdbehörde gestützt habe. Diese habe die Ermittlungen aber einseitig zu seinen Lasten geführt. Die Begründung des Widerspruchsbescheids sei nicht nachvollziehbar, die Widerspruchsbehörde habe den Ausgangsbescheid von Amts wegen zu prüfen. Der Widerspruchsbescheid sei durch einen Sachbearbeiter verfasst worden, der auch einen Aktenvermerk zur Rechtslage, auf den der Ausgangsbescheid beruhe, erstellt habe. Zwar habe er, der Kläger, eine Ordnungswidrigkeit begangen, sein im Kern gerechtfertigtes Verhalten sei jedoch ein einmaliges Versehen, das ihm leid täte, das aber erst bei einer Wiederholung zum Entzug der waffenrechtlichen Erlaubnisse führen dürfe. Er habe das Gewehr nicht an einem Hänger, sondern unmittelbar neben sich abgestellt. Auch sei zu berücksichtigen, dass seine waffenrechtliche Befugnis - unter Sofortvollzug - widerrufen worden sei, er seine Waffen und Munition aber erst nach Bestandskraft des Bescheids unbrauchbar machen bzw. einen Berechtigten überlassen müsse. Dies sei absurd und ein zur Nichtigkeit führender Wertungswiderspruch.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid des Beklagten vom 28. Juni 2017 in Gestalt des Widerspruchbescheids vom 15. Mai 2018 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er führt ergänzend aus, der Sachverhalt sei ausreichend ermittelt worden, Art und Umfang der Amtsermittlung stünden in seinem Ermessen. Eine Zeugenbefragung sei nicht erforderlich gewesen, weil eine solche die feststehenden Tatsachen nicht entkräften könnte. Kern des Vorwurfs sei, dass der Kläger als sachkundige Person eine Waffe gebraucht habe, obwohl er wisse, dass er diese außerhalb der Jagd nicht zum Erlegen von Tieren verwenden dürfe und er hierbei nicht versichert sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten und die Auszüge aus der beigezogenen Ermittlungsakte im Verfahren 488 Js 24641/17 verwiesen. Diese waren Gegenstand der Entscheidungsfindung.

Entscheidungsgründe

Die Klage hat keinen Erfolg.

Der Bescheid des Beklagten vom 28. Juni 2017 in Gestalt des Widerspruchbescheids vom 15. Mai 2018 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

1. Rechtsgrundlage für den Widerruf der waffenrechtlichen Erlaubnis ist § 45 Abs. 2 Satz 1 WaffG in der zum Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchbescheids gültigen Fassung vom 26. März 2008. Denn maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist im Falle des Widerrufs einer waffenrechtlichen Erlaubnis der Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides (BVerwG, Urteil vom  16. Mai 2007 - 6 C 24/06 -, juris, Rn. 35).

Der Widerruf der Waffenbesitzkarte ist entgegen der Auffassung des Klägers nicht gemäß § 44 Abs. 1 VwVfG i.V.m. § 1 Abs. 1 Satz 1 VwVfGBbg nichtig. Soweit dieser vorträgt, vorliegend sei die absurde Situation geschaffen worden, dass der Widerruf zwar kraft Gesetzes sofort vollziehbar sei (vgl. § 45 Abs. 5 Satz 1 WaffG), während er die in seinem Besitz befindlichen Waffen und Munition erst nach Bestandskraft des Bescheids unbrauchbar zu machen bzw. einem Berechtigten zu überlassen habe, verfängt der Einwand nicht. Soweit er darin einen Wertungswiderspruch sieht, weil er seit nunmehr sechs Jahren weiterhin im Besitz der Waffen und Munition sei, obwohl es wegen des sofort vollziehbaren Widerrufs an der Berechtigung fehle, ist ein etwaiger Widerspruch im Gesetz angelegt. Es fehlt damit bereits an einem „Fehler“ im Sinne des § 44 Abs. 1 VwVfG. Ohnehin ist hier für die Beurteilung des Vorliegens der Voraussetzungen einer Nichtigkeit auf den Zeitpunkt des Erlasses des Verwaltungsakts abzustellen (Goldhammer in Schoch/Schneider, VwVfG, Stand: August 2021, § 44 Rn. 46; zum maßgeblichen Zeitpunkt der Sach- und Rechtslage siehe unten), sodass die Dauer des Anfechtungsverfahrens in diesem Zusammenhang auszublenden ist.

Der Bescheid ist formell rechtmäßig. Mit Blick auf § 73 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 VwGO steht dem nicht entgegen, dass der Widerspruchsbescheid von einem Sachbearbeiter bearbeitet wurde, der zugleich einen dem Ausgangsbescheid zu Grunde gelegten Aktenvermerk (vom 2. Juni 2017, Bl. 68 ff. d. VV) erstellt hat. Dies gilt bereits deshalb, weil der Widerspruchsbescheid vom Leiter des Stabsbereichs Recht unterzeichnet und damit zumindest von einer weiteren Person geprüft wurde (vgl. das Unterschriftenkürzel auf Bl. 110 d. BA I). Auch wurde der Widerspruchsbescheid gemäß § 73 Abs. 3 VwGO begründet. Eine Bezugnahme auf die Begründung des Ausgangsverwaltungsakts ist ausreichend und zulässig (Hüttenbrink in BeckOK, VwGO, Stand: 1.4.2022, § 73 Rn. 19), zumal der Kläger den Widerspruch nicht begründet und damit dem Beklagten nicht dargelegt hat, aus welchen Gründen er den Widerrufsbescheid für rechtswidrig erachtet.

Auch in materiell-rechtlicher Hinsicht bestehen keine durchgreifenden Bedenken. Die Voraussetzungen für einen Widerruf der waffenrechtlichen Befugnis gemäß § 45 Abs. 2 Satz 1 WaffG sind erfüllt. Danach ist eine waffenrechtliche Erlaubnis zu widerrufen, wenn nachträglich Tatsachen eintreten, die zur Versagung hätten führen müssen.

Zu den unabdingbaren Voraussetzungen für die Erteilung einer Erlaubnis gehört nach § 4 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 1 WaffG unter anderem auch, dass der Betroffene die erforderliche Zuverlässigkeit im Sinne des § 5 WaffG besitzt. Daran fehlt es hier. Der Kläger ist gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 2 lit. a WaffG als unzuverlässig anzusehen. Aufgrund von nachträglich eingetretenen Tatsachen ist die Annahme gerechtfertigt, dass er Waffen oder Munition leichtfertig verwenden wird.

Die Tatsachen bestehen vorliegend darin, dass der Kläger am 26. April 2016 in Anwesenheit mehrerer Personen ein Wildschwein außerhalb der Jagd und damit ohne Haftpflichtversicherung mit einer Pistole erschossen hat und sein ebenfalls mitgeführtes Gewehr währenddessen nicht vor dem Zugriff dieser Personen gesichert war. Er hat leichtfertig gehandelt.

Leichtfertigkeit erfordert einen erhöhten Grad von Fahrlässigkeit, der objektiv der groben Fahrlässigkeit des Zivilrechts gleichkommt, subjektiv aber die persönlichen Fähigkeiten und Kenntnisse des Klägers zugrunde legt (Papsthart in Steindorf, Waffenrecht, 11. Aufl. 2022, § 5 Rn. 34 m.w.N.). Leichtfertigkeit liegt vor, wenn die Person grob achtlos handelt und keine Bedenken aufkommen lässt, obwohl solche aufgrund der Gegebenheiten sich aufdrängen mussten bzw. sie in hohem Maße unvorsichtig handelt und eindeutige Sicherheitsregeln missachtet (ausführlich VG Minden, Urteil vom 17. August 2012 - 8 K 1002/12 -, juris, Rn. 22 ff. m.w.N.; VG Trier, Beschluss vom 26. September 2014 - 5 L 1598/14.TR -, juris, Rn. 14; vgl. auch VG Saarland, Urteil vom 25. Juni 2019 - 1 K 188/18 -, juris, Rn. 44). Insoweit sind von § 5 Abs. 1 Nr. 2 lit. a WaffG Fälle des besonders sorglosen und unüberlegten sowie verantwortungslosen Umgangs erfasst (Gade, WaffG, 3. Aufl. 2022, § 5 Rn. 10 m.w.N.).

Gemessen an diesen Grundsätzen ist das Verhalten des Klägers am 26. April 2016 als leichtfertig einzustufen. Der Kläger hat besonders sorglos und verantwortungslos gehandelt, indem er das Wildschwein erschossen hat, obwohl sich mehrere Personen auf dem Grundstück befanden, der Schusswaffengebrauch aber nicht von der Jagdhaftpflichtversicherung im Sinne des § 17 Abs. 1 Nr. 4 BJagdG erfasst gewesen ist. Es ist davon auszugehen, dass ihm als langjährigem Jäger bekannt war, dass der Waffengebrauch nur im Rahmen der Jagdausübung (§ 1 BJagdG) versichert ist, eine solche hier aber unstreitig nicht vorlag. Wenngleich der Kläger die anwesenden (wohl fünf; vgl. die Angaben in seinem Schreiben vom 14. Oktober 2016, S. 2) Personen vor dem Waffengebrauch dazu aufforderte, „sich zu entfernen, damit eine Schädigung durch den Lärm des Schusses aus[geschlossen]“ werden konnte (Schreiben des Klägers vom 14. Oktober 2016, S. 3), befanden sie sich weiterhin in der Nähe, nach seinen unbestrittenen Angaben in der mündlichen Verhandlung ca. 25 m entfernt. Ein Schadenseintritt insbesondere an Gesundheit und Eigentum war damit nicht gänzlich ausgeschlossen. Es war grob fahrlässig, dass er gleichwohl seine Pistole gebrauchte. Hinzu kommt, dass der Kläger sein Gewehr während des Schießens mit der Pistole unbeaufsichtigt ließ und dieses damit vor dem Zugriff der anwesenden Personen nicht geschützt war. Gemäß § 36 Abs. 1 WaffG i.V.m. § 13 Abs. 9 AWaffV in der ab dem 6. Juli 2017 gültigen Fassung sind Waffen oder Munition bei der vorübergehenden Aufbewahrung außerhalb der Wohnung unter angemessener Aufsicht aufzubewahren oder durch sonstige erforderliche Vorkehrungen gegen Abhandenkommen oder unbefugte Ansichnahme zu sichern. Dies hat der Kläger nicht getan. Denn nachdem er sein Gewehr - ob am Hänger oder neben sich - abstellte, näherte er sich dem Gehege, um das Wildschwein aus kurzer Distanz mit der Pistole zu erschießen. Er ließ das Gewehr in dieser - wenn auch kurzen Zeit - aus dem Auge und schützte es damit - unabhängig davon, ob es geladen war - nicht vor einem Zugriff der umstehenden Personen.

Soweit der Kläger einwendet, das Wildschwein sei verletzt und aggressiv gewesen, er habe es von seinen Leiden befreien und Ausbrechen aus dem Gehege verhindern wollen, kann dahinstehen, ob er tatsächlich aus dieser Motivation handelte, weshalb auch der Beklagte Zeugen hierzu nicht vernehmen musste (vgl. zum Widerruf einer Waffenbesitzkarte im Fall einer Hausschlachtung OVG Münster, Beschluss 2. Mai 2013 - 16 A 2255/12 -, juris). Denn der Kläger führte aus, dass sich das Wildschwein beruhigte, sobald sich die Personen von dem Gehege entfernten (Schreiben vom 14. Oktober 2016, S. 2 f.). Die beamtete Tierärztin habe das Wildschwein sogar erst herbeilocken müssen (ebd., S. 3). Auch habe sich das Schwein wieder beruhigt, bevor er es schließlich erschoss (ebd., S. 4). Ein Ausbruch des Tieres war damit nicht zu befürchten. Auch ist nicht ersichtlich, aus welchen Gründen das Schwein noch am gleichen Tag von dem Kläger getötet werden musste, um es von seinem angeblichen Leiden zu befreien. So konnte der Kläger etwa auch zweieinhalb Stunden abwarten, bis die amtliche Tierärztin eintraf. Soweit er dieser vorwirft, keinerlei Bemühungen unternommen bzw. einen anderen Vorschlag geäußert zu haben (ebd.), hätte er etwa einen anderen Tierarzt alarmieren können. Dass er unter Zeitdruck gestanden hätte oder sonstige Umstände vorlagen, die die Situation aus seiner Sicht besonders kompliziert erschienen ließen, äußerte er nicht. Ohnehin hat in der mündlichen Verhandlung eingeräumt, dass er fehlerhaft von einer Notlage ausging.

Bei dieser Sachlage ist auch die Prognose eines in Zukunft zu erwartenden waffenrechtswidrigen Verhaltens gerechtfertigt. Auch ein einmaliges Fehlverhalten reicht hierzu aus (OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 4. März 2015 - OVG 11 S 9.15 -, juris, Rn. 7, m.w.N. zur obergerichtlichen Rechtsprechung). Eine dahingehende Lebenserfahrung oder ein entsprechender Rechtssatz, dass erst ab dem zweiten Verstoß eine negative Zukunftsprognose angestellt werden kann, existiert nicht (OVG Münster, a.a.O., Rn. 9). Die Prognose hat sich an dem Gesetzeszweck zu orientieren, die Risiken, die mit jedem Waffenbesitz verbunden sind, nur bei solchen Personen hinzunehmen, die nach ihrem Verhalten uneingeschränktes Vertrauen dazu verdienen, dass sie mit Waffen und Munition jederzeit und in jeder Hinsicht ordnungsgemäß umgehen. Hat ein Waffenbesitzer in diesem Zusammenhang bereits einmal versagt, ist schon dies allein ein gewichtiges Indiz dafür, dass er das in ihn gesetzte Vertrauen nicht mehr verdient. Im Übrigen ist nicht der Nachweis gefordert, der Betreffende werde mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit in Zukunft erneut mit Waffen nicht sorgsam umgehen. Angesichts des möglichen Schadens bei Nichtbewährung und des präventiven ordnungsrechtlichen Charakters der Forderung nach einer besonderen Zuverlässigkeit für den Erwerb und Besitz erlaubnispflichtiger Waffen genügt es vielmehr, dass bei verständiger Würdigung aller Umstände eine gewisse Wahrscheinlichkeit für eine nicht ordnungsgemäße Ausübung des erlaubnispflichtigen Umgangs mit Waffen verbleibt, wobei ein Restrisiko nicht hingenommen werden muss (vgl. BVerwG, Urteil vom 28. Januar 2015 - 6 C 1.14 -, juris Rn. 17; Beschluss vom 2. November 1994 - 1 B 215.93 -, juris, Rn. 10).

Eine solche Wahrscheinlichkeit ist hier zu bejahen. Die Schwere des Vorfalls begründet nachhaltige Zweifel an der waffenrechtlichen Zuverlässigkeit des Klägers und gibt Anlass zu der Sorge, dass er Waffen oder Munition auch in Zukunft leichtfertig verwenden wird. Dabei ist auch zu beachten, dass der Kläger ausweislich seines Schreibens vom 14. Oktober 2016 kein Bewusstsein zeigt, einen Fehler begangen zu haben und darüber hinaus gar das Verhalten der amtlichen Tierärztin beanstandete. Auch ging er mit keinem Wort auf die im Anhörungsschreiben in Rede stehende Hausschlachtung ein, die nach Auffassung des Beklagten die eigentliche Motivation für die Tötung des Schweins war. Soweit er in der mündlichen Verhandlung den Fehler eingeräumt und sich hierfür entschuldigt hat, kann ihm dies mit Blick auf den maßgeblichen Zeitpunkt der Sach- und Rechtslage nur in einem möglichen Verfahren auf Neuerteilung einer Waffenbesitzkarte zu Gute gehalten werden.

Nach alledem kann dahinstehen, ob das nicht vorschriftsgemäße Ablegen des Gewehres eine im Rahmen von § 5 Abs. 1 Nr. lit. b WaffG zu berücksichtigende Tatsache darstellt bzw. die Prognose rechtfertigt, dass der Kläger mit Waffen oder Munition zukünftig nicht vorsichtig umgehen oder nicht sorgfältig verwahren wird.

Entsprechendes gilt hinsichtlich der Frage, ob die vom Beklagten angenommenen Verstöße gegen verschiedene Regelungen des Waffen- und Bundesjagdgesetzes die Annahme der Regelunzuverlässigkeit gemäß § 5 Abs. 2 Nr. 5 WaffG rechtfertigen.

Da der Kläger als waffenrechtlich unzuverlässig im Sinne von § 5 Abs. 1 Nr. 2 lit. b WaffG anzusehen ist, ist die in Gestalt der Waffenbesitzkarte erteilte waffenrechtliche Erlaubnis gemäß § 45 Abs. 2 Satz 1 WaffG zu widerrufen, ohne dass ein behördliches Ermessen besteht.

2. Auch die unter Ziffer 2 getroffene Anordnung, die in der Waffenbesitzkarte eingetragenen Schusswaffen sowie die dazu gehörige Munition unbrauchbar zu machen oder einem Berechtigten zu überlassen und hierüber einen Nachweis zu erbringen, erweist sich auf der Grundlage des § 46 Abs. 2 Satz 1 WaffG als rechtmäßig. Im Hinblick auf die Ermessensausübung bestehen keine rechtlichen Bedenken. Ermessensfehler sind nicht ersichtlich.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

BESCHLUSS

Der Streitwert wird auf 7.250 Euro festgesetzt.

Gründe:

Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 52 Abs. 1 GKG. In Anlehnung an Ziffer 50.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit ist für den Widerruf der Waffenbesitzkarte einschließlich einer Waffe ein Betrag von 5.000 Euro anzusetzen und für jede weitere darin eingetragene Waffe jeweils 750 Euro hinzuzurechnen. Die Verpflichtungen in Ziffer 2 des Streitwertkatalogs wirken sich nicht streitwerterhöhend aus.