Gericht | VG Frankfurt (Oder) 5. Kammer | Entscheidungsdatum | 14.07.2022 | |
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Aktenzeichen | 5 K 59/19 | ECLI | ECLI:DE:VGFRANK:2022:0714.5K59.19.00 | |
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen |
Es wird festgestellt, dass die weitere Vollstreckung aus dem Trinkwasseranschluss-Beitragsbescheid des Beklagten vom 15. September 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23. Oktober 2015 unzulässig ist.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des jeweils vollstreckbaren Betrages.
Die Kläger wenden sich gegen die Zwangsvollstreckung durch den Beklagten aus einem Trinkwasseranschluss-Beitragsbescheid.
Sie sind Eigentümer eines Grundstücks belegen in der Gemarkung K..., Flur 3, Flurstücke 1384,1383 und 1363.
Der vom Beklagten vertretene Wasser- und Abwasserzweckverband betreibt die Wasserversorgung im Verbandsgebiet als öffentliche Einrichtung. In der zum 17. Oktober 1992 in Kraft getretenen Gründungssatzung des Verbandes des Beklagten, dessen Gründungsmitglied auch die ehemalige Gemeinde K... war, heißt es in § 1 Abs. 5 S. 2, dass der Verband zum Zwecke der Wasserversorgung sowie der Abwasserableitung und -behandlung die entsprechenden kommunalen wasserwirtschaftlichen Anlagen „übernimmt, unterhält, erneuert und erweitert“. Gemäß § 1 Abs. 6 der Gründungssatzung stellen die Mitgliedsgemeinden dem Verband die kommunalen wasserwirtschaftlichen Anlagen unentgeltlich zur Verfügung. Diese Satzung und die nachfolgenden Änderungssatzungen gelten aufgrund des Feststellungsbescheides vom 02. Juni 1999 als vereinbart (Tenorpunkt 2). Bereits vor diesem Feststellungsbescheid nahm der Verband des Beklagten entsprechend den satzungsrechtlichen Regelungen seine Tätigkeit auf.
Im Zuge der Rekommunalisierung örtlicher Ver- und Entsorgungsanlagen übernahm der Beklagte sämtliche Hauptleitungen zur Wasserver- und Abwasserentsorgung – nach seiner Auskunft ohne Anschlussleitungen und ohne Grundstücksanschlüsse – von der damaligen M... Wasserversorgung und Abwasserbehandlung GmbH i.L. (MWA-GmbH), die wiederum durch Umwandlung des VEB Wasserversorgung und Abwasserbehandlung (VEB WAB) entstanden war, aufgrund notariellen Übertragungsvertrags vom 08. Dezember 1994. Übertragungszeitpunkt war der 01. Januar 1995. Dieser Vertrag wurde – was der Beklagte nicht mehr genau recherchieren konnte – Ende 1995 / Anfang 1996 genehmigt. Zwar verweist der Übertragungsvertrag in § 4 zur näheren Beschreibung der zu übertragenden Betriebe und Anlagen auf eine Anlage zum Vertrag; indes ist der Beklagte nicht (mehr) in der Lage, diese Anlage vorzulegen. Das Vertragsgebiet umfasste gemäß § 2 des Übertragungsvertrags u.a. das Gebiet der Gemeinde K... .
Der Verband des Beklagten hatte bereits zum Zeitpunkt der Geltung des Kommunalabgabengesetzes für das Land Brandenburg, insbesondere des § 8 Abs. 7 S. 1 und 2, in der Fassung vom 27. Juni 1991, eine Trinkwasseranschlussbeitragssatzung erlassen und zwar die Satzung über die Erhebung von Beiträgen und Gebühren für die öffentliche Wasserversorgung durch den N... Wasser- und Abwasserzweckverband vom 26. Oktober 1992, die am Tage nach ihrer Veröffentlichung im gesamten Verbandsgebiet in Kraft treten sollte. Darüber hinaus erließ der Verband des Beklagten in der Folge geänderte Beitrags- und Gebührensatzungen, so u.a. die Satzung über die Erhebung von Beiträgen und Gebühren für die öffentliche Wasserversorgung durch den N... Wasser- und Abwasserzweckverband vom 27. Juli 1994, die am Tage nach ihrer Veröffentlichung in Kraft trat. Während der Gültigkeitsdauer des Kommunalabgabengesetzes für das Land Brandenburg in der Fassung der Änderungen durch das Gesetz vom 27. Juni 1995 (gültig bis 12. April 1999) hatte der Beklagte weitere Beitragssatzungen erlassen und zwar zunächst in Form einer ersten Änderungssatzung zur vorgenannten Gebühren- und Beitragssatzung vom 14. Juli 1995 mit Wirkung am Tage nach der Bekanntmachung und sodann mit der Satzung über die Erhebung von Beiträgen und Gebühren für die öffentliche Wasserversorgung durch den N... Wasser- und Abwasserzweckverband vom 21. Mai 1996, die rückwirkend zum 01. April 1996 in Kraft trat. Nach § 2 Abs. 1 in Verbindung mit § 3 S. 1 dieser Beitrags- und Gebührensatzung waren „alle Grundstücke (inclusive Wochenendgrundstücke)“, die an die Wasserversorgungsanlage des Verbandes angeschlossen werden können, betragspflichtig. Darüber hinaus bestimmte schon § 2 Abs. 2 der Beitrags- und Gebührensatzung Wasser vom 09. November 1992 wörtlich:
„Wird ein Grundstück an die Anlage angeschlossen, so unterliegt es der Beitragspflicht auch dann, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 1 nicht vorliegen.“
Gegenstand der Beitragspflicht waren nach § 3 S. 2 der oben genannten Beitrags- und Gebührensatzung Wasser vom 21. Mai 1996 ausdrücklich auch
„Grundstücke, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Satzung bereits an die Trinkwasseranlage angeschlossen werden konnten oder schon angeschlossen waren“.
Für den oben bezeichneten Grundbesitz erließ der Beklagte gegenüber den Klägern unter dem 15. September 2015 einen Trinkwasseranschluss - Beitragsbescheid und setzte darin einen Trinkwasseranschlussbeitrag in Höhe von 7.725,54 Euro gegenüber den Klägern für die gesamte Grundstücksfläche der drei Flurstücke fest.
Hiergegen erhoben die Kläger Widerspruch, welcher unter dem 23. Oktober 2015 zurückgewiesen wurde. Eine Klage wurde durch die Kläger nicht erhoben. Der Beitragsbescheid ist bestandskräftig.
Darüber hinaus erließ der Beklagte gegenüber den Klägern auf deren Antrag vom 28. Oktober 2015 unter dem 29. Oktober 2015 einen Stundungsbescheid mit Festsetzung einzelner Raten gemäß einem Zahlungsplan. Unter dem 28. Februar 2016 beantragten die Kläger das Wiederaufgreifen des Verfahrens bzw. die Rücknahme des Beitragsbescheides. Diese Anträge wurden mit Bescheiden vom 02. Mai 2016 bzw. 20. April 2017 abgelehnt. Auch ein Antrag nach dem fortgeltenden Staatshaftungsgesetz der DDR wurde unter dem 29. August 2017 abgelehnt. Bereits unter dem 29. Februar 2016 hatten die Kläger mitgeteilt, weitere Raten nicht mehr zu zahlen. Unter dem 06. November 2018 mahnte der Beklagte gegenüber den Klägern einen offenen Trinkwasseranschlussbeitrag gemäß Bescheid vom 15. September 2015 in Höhe von 3.725,54 Euro sowie Säumniszuschläge in Höhe von 1.369,00 Euro an und setzte Mahnkosten in Höhe von 5,00 Euro hinzu. Sodann erbaten die Bevollmächtigten der Kläger bis zum 15. November 2018 die Erklärung, dass eine Vollstreckung nicht erfolgen würde. Der Beklagte erklärte jedoch ausdrücklich, das Vollstreckungsverfahren betreiben zu wollen und stellte einen Antrag auf Einziehung im Verwaltungsvollstreckungsverfahren im Wege eines Amtshilfeersuchens bei der Gemeinde W... .
Die Kläger haben am 16. Januar 2019 Klage erhoben und beantragten zugleich, die weitere Vollstreckung des Beklagten bis zum Erlass eines rechtskräftigen Urteils in der Sache einstweilen einzustellen. Der vorläufige Rechtsschutzantrag hatte Erfolg (Az. VG 5 L Dem Antragsgegner wurde im Wege der einstweiligen Anordnung aufgegeben, vorläufig weitere Vollstreckungsmaßnahmen bezüglich der noch offenen Restforderung aus dem Beitragsbescheid vom 15. September 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23. Oktober 2015 zu unterlassen. Die vom Beklagten erhobene Beschwerde zum Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg blieb erfolglos (Beschluss vom 18. November 2019 – OVG 9 S 18.19).
Die Kläger bringen vor, das Grundstück sei Teil eines größeren Gewerbekomplexes und bereits vor dem Jahr 1989 erschlossen gewesen. Der Trinkwasseranschluss sei seinerzeit im Verwaltungsgebäude gewesen und von dort seien die Gewerbeeinheiten, soweit erforderlich, versorgt worden. Zwar sei das Grundstück selbst nicht angeschlossen; indes sei ein Anschluss an die bereits vor 1989 vorhandene Entsorgungsanlage über die bereits seinerzeit vorhandenen Trinkwasserleitungen in der heutigen Z... Straße möglich gewesen. Diese Anschlussmöglichkeit – an die Anlage des Verbandes des Beklagten – habe auch in den 1990er Jahren fortbestanden. Ferner habe das streitgegenständliche Grundstück zu jedem Zeitpunkt innerhalb des Bebauungszusammenhangs gelegen. Vor diesem Hintergrund gehen die Kläger davon aus, dass bereits die Beitragserhebung im Jahr 2015 wegen Nichtbeachtung der sogenannten hypothetischen Festsetzungsverjährung im Sinne der Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts vom 15. November 2015 – 1 BvR 2961/14 u.a. rechtswidrig war
Die Kläger beantragen,
eine weitere Vollstreckung aus dem Bescheid des Beklagten vom 15. September 2015 für unzulässig zu erklären.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte trägt vor, das klägerische Grundstück sei bis dato nicht an eine öffentliche zentrale Trinkwasserversorgungsanlage angeschlossen. Eine Anschlussmöglichkeit an die Trinkwasserversorgung bestehe in der Bundesstraße 109 erst seit dem Jahre 2002. Ferner behauptet er, in einem anderen Rechtsstreit würden die Kläger vortragen, sämtliche Zahlungen geleistet zu haben. Dies sei widersprüchlich.
Der hier veranlagte Grundbesitz sei durch die Grundstücksneubildung erst nach dem Jahr 2000 entstanden, sodass erst nach dem Jahr 2000 die sachliche Beitragspflicht zur Entstehung gebracht worden sei. Erst im Jahre 2002 habe der Verband des Beklagten in der Z... Straße eine Trinkwassererschließung vorgenommen. Sofern früher eine Versorgung über ein Verwaltungsgebäude erfolgt sei, sei dies dem Beklagten unbekannt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie den vom Beklagten beigereichten Verwaltungsvorgang, die Gerichtsakte des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens VG 5 L (OVG 9 S 18.19) und die Sitzungsniederschrift verwiesen.
A.
Das Gericht hat durch Urteil zu entscheiden, da der Beklagte rechtzeitig am 07. Februar 2020 mündliche Verhandlung beantragt hat und der Gerichtsbescheid vom 07. Januar 2020 als nicht ergangen gilt, § 84 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO. Die Übertragung auf den Einzelrichter erfolgte nach § 6 Abs. 1 VwGO.
B.
Die Klage ist zulässig und begründet.
1. Die Klage ist zulässig.
a) Die Klage ist statthaft und zwar als vorbeugende Feststellungsklage gemäß § 43 VwGO. Denn die Kläger wenden sich gegen die Vollstreckung des Beklagten schlechthin und nicht lediglich gegen einen einzelnen Vollstreckungsakt (vgl. OVG des Landes Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 3. April 2007 – 2 M 53/07 m.w.N.). Der wörtliche Antrag der Kläger ist auslegungsfähig, vgl. § 86 Abs. 3, § 88 VwGO, zumal insoweit auch divergierende Auffassungen zur richtigen Antragstellung vertreten werden (vgl. hierzu OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 18. November 2019 – OVG 9 S 18.19). Allein maßgeblich ist das Begehren des Rechtsschutzsuchenden (vgl. bereits OVG des Landes Sachsen-Anhalt, a.a.O.). Aus dem gesamten Vortrag der Kläger ergibt sich, dass diese sich nicht nur gegen die Vollstreckung der restlichen Beitragsforderung i. H. von 3.725,54 €, sondern auch gegen die Vollstreckung der Säumniszuschläge wenden (vgl. hierzu u.a. VG Cottbus, Urteil vom 09. September 2016 – VG 1 K 1346/14, juris).
b) Auch das für eine Feststellungsklage im Sinne von § 43 Abs. 1 VwGO erforderliche Feststellungsinteresse besteht ohne Zweifel. Die Subsidiaritätsklausel des § 43 Abs. 2 VwGO steht der hier erhobenen Klage nicht entgegen. Zwar konnten die Kläger gegen den Beitragsbescheid ursprünglich noch zulässige Rechtsmittel einlegen und bereits vor Eintreten der Bestandskraft die Rechtswidrigkeit des Beitragsbescheids wegen „hypothetischer Festsetzungsverjährung“ behaupten; indes ist erst nach Bestandskraft des Beitragsbescheids der hier von den Klägern konkret geltend gemachte Klagegrund, nämlich die ihrer Ansicht nach unzulässige Zwangsvollstreckung aus dem Trinkwasser-Anschlussbescheid, aufgekommen. Insofern berufen sie sich auf die spezielle Regelung des § 79 Abs. 2 S. 2 Bundesverfassungsgerichtsgesetz (BVerfGG), der ein Vollstreckungsverbot bestimmt.
2. Die Klage ist auch begründet.
Denn die Kläger können für sich das spezielle Vollstreckungsverbot des § 79 Abs. 2 S. 2 BVerfGG in Anspruch nehmen. Es ist festzustellen, dass die durch den Beklagten angekündigte Vollstreckung des Beitragsbescheids vom 15. September 2015 in Gestalt des ergangenen Widerspruchsbescheids vom 23. Oktober 2015 rechtswidrig und damit unzulässig ist.
a) Der Geltendmachung des verfassungsgerichtlichen Vollstreckungsverbots steht nicht entgegen, dass die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts vom 15. November 2015 „nur“ durch den Spruchkörper der Kammer des Bundesverfassungsgerichts getroffen wurden. Auch auf solche Kammerentscheidungen ist das Vollstreckungsverbot des § 79 Abs. 2 S. 2 BVerfGG anwendbar (vgl. ausdrücklich und ausführlich dazu bereits OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 04. September 2019 – OVG 9 S 18.18 – und Beschluss vom 11. September 2018 – OVG 9 S 10.18).
b) Die Voraussetzungen dieses speziellen Vollstreckungsverbots liegen auch vor. Denn der Beitragsbescheid in Gestalt des Widerspruchsbescheids beruht auf der in den Kammerbeschlüssen des Bundesverfassungsgerichts vom 15. November 2015 – 1 BvR 2961/14 u.a. – für verfassungswidrig erklärten Anwendung des § 8 Abs. 7 S. 2 Kommunalabgabengesetz für das Land Brandenburg in der Fassung des Zweiten Gesetzes zur Entlastung der Kommunen von pflichtigen Aufgaben vom 17. Dezember 2003 (GVBl. I S. 294; im Folgenden KAG n.F.). § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG in der seit dem 1. Februar 2004 geltenden neuen Fassung war vorliegend aus Vertrauensschutzgründen nicht anwendbar, weil in Ansehung des § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG a. F. in der Auslegung des OVG Frankfurt (Oder) (grundlegend: Urteil vom 8. Juni 2000 - 2 D 29/98.NE, juris, Rn. 43 ff) im Zeitpunkt der Gesetzesänderung eine Beitragserhebung wegen einer bereits eingetretenen Lage hypothetischer Festsetzungsverjährung nicht mehr möglich gewesen war (vgl. dazu BVerfG, Beschluss vom 12. November 2015 - 1 BvR 2961/14, 1 BvR 3051/14 -, juris).
Nach den o.g. Kammerbeschlüssen des Bundesverfassungsgerichts stellt die Anwendung des § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG n. F. in den Fällen eine unzulässige echte, jedenfalls aber unzulässige unechte Rückwirkung dar, in denen nach § 8 Abs. 7 S. 2 Kommunalabgabengesetz für das Land Brandenburg in der Fassung des Gesetzes über Kommunalabgaben, Vergnügungssteuer und zur Übertragung der Verwaltung der Gewerbesteuer auf die Gemeinden vom 27. Juni 1991 (GVBl. S. 200; im Folgenden KAG a. F.) in der Auslegung des Oberverwaltungsgerichts Frankfurt (Oder) im Zeitpunkt der Gesetzesänderung (01. Februar 2004) eine Beitragserhebung nicht mehr möglich gewesen ist. Damit hat das Bundesverfassungsgericht eine verfassungskonforme Auslegung des § 8 Abs. 7 S. 2 KAG n. F. vorgenommen (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 11. Februar 2016 – OVG 9 B 1.16). Im Einzelnen:
(1) Vorliegend bezieht sich die in Rede stehende Beitragserhebung auf eine Anlage, die beitragsrechtlich mit der Anlage identisch ist, mit deren Herstellung der Zweckverband nach seiner Verbandsgründung begonnen hat. Mängel bei der Zweckverbandsgründung stehen dem nicht entgegen, weil hier die rückwirkenden Fiktionen des Zweckverbandsstabilisierungsgesetzes greifen (vgl. u. a. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 24. April 2018 – 9 N 43.17 und VG Frankfurt (Oder), Urteil vom 08. Juni 2018 – 5 K 1786/15). Auch die Eingliederung des ehemaligen Gemeindegebiets von Klosterfelde hat nicht zu einem Abbruch der „Lebensgeschichte“ der hier in Rede stehenden Anlage geführt (vgl. auch VG Frankfurt (Oder) a.a.O.).
(2) Für die vorliegend in Rede stehende Beitragserhebung ist § 8 Abs. 7 S. 2 KAG n. F. in Ansehung des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 12. November 2015 nicht anwendbar. Das vom Beklagten gebildete und aus drei Flurstücken bestehende Beitragsgrundstück hätte in Bezug auf die in Rede stehende Anlage (Trinkwasserversorgung) schon vor dem 01. Februar 2004 nicht mehr zu einem Beitrag herangezogen werden können, weil es dazu nach § 8 Abs. 7 S. 2 KAG a. F. in der Auslegung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Brandenburg (vgl. Urteil vom 29. Juni 2000 – 2 D 29/98.NE) einer auf den ersten Satzungsgebungsversuch rückwirkenden wirksamen Satzung bedurft hätte, bei deren Erlass indessen sogleich Festsetzungsverjährung eingetreten wäre.
(3) Zwar stellt der Beklagte hier in Abrede, dass das von ihm gebildete Beitragsgrundstück bereits vor dem 31. Dezember 1999 hätte veranlagt werden können und behauptet, erst im Jahr 2002 seien umfangreiche Erschließungsarbeiten zugunsten der Trinkwasserversorgung im dortigen Bereich der Z... Straße erfolgt. Indes lässt der Beklagte – mit Blick auf die Feststellungen in der Entscheidung des Verwaltungsgerichts Frankfurt (Oder) vom 08. Juni 2018 – 5 K 1786/15 – gerichtsbekannt – dabei unerwähnt, dass er vor diesen Erschließungsarbeiten bereits die Trinkwasserversorgungsleitungen aus der Zeit vor dem Jahr 1990 in der Z... Straße für die Trinkwasserversorgung nutzte und sogar im nämlichen Bereich (Hausnummer 33) Beiträge zu erheben versuchte (vgl. auch das im Klageverfahren VG 5 K 1786/15 beigereichte Schreiben des Beklagten vom 12. September 1995). Diese Leitungsnutzung entsprach auch der Gründungssatzung des Verbandes des Beklagten, vgl. dort § 1 Abs. 5 bis 7. Im Übrigen geht der Beklagte ausweislich seines Widerspruchsbescheides vom 23. Oktober 2015 inzident selbst davon aus, dass das streitbefangene Grundstück seine Anschlussmöglichkeit vor dem 03. Oktober 1990 erhalten hat, indem dort auf eine „absolute Erhebungsgrenze von Grundstücken, die ihre Anschlussmöglichkeit an eine zentrale öffentliche Anlage vor dem 03.10.1990 erhalten haben“, Bezug genommen wird.
(i) Die damit für den hier durch den Beklagten gebildeten Beitragsgegenstand bereits vor dem Ende des Jahres 1999 bestehende Anschlussmöglichkeit wird auch nicht durch den zwischen dem eigentlichen Straßenraum (Flurstück 1284) und der Grundstücksgrenze zum heutigen Flurstück 1384 (Ende 1999 noch Flurstück 1077) verlaufenden Grundstücksstreifen (Flurstück 1283) konterkariert. Denn auch dieses Flurstück ist öffentlicher Straßenraum, wie ohne weiteres etwas südlich des Flurstücks 1384 im dortigen Kreuzungsraum ersichtlich ist, da das Flurstück 1283 dort eindeutig als Teil der Straße erkennbar ist und einen begleitenden Geh- und/oder Radweg bildet. Im Übrigen wird auf die Ausführungen im Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 18. November 2019 – OVG 9 S 18.19 – hingewiesen, wonach das Durchleitungsrecht eines Hinterliegergrundstücks keiner dinglichen Sicherung bedarf.
(ii) Darüber hinaus steht der Anschlussmöglichkeit auch nicht entgegen, dass der vom Beklagten gebildete Beitragsgegenstand keinen tatsächlichen Anschluss an die zentrale Versorgungsanlage des Verbandes des Beklagten hat und jedenfalls bis zum Ende des Jahres 1999 nicht hatte. Denn auf einen tatsächlichen Anschluss kam es nach dem bis Ende 1999 vom Verband des Beklagten erlassenen Satzungsrecht nicht an. Aus den einschlägigen Satzungen ist bereits nicht ersichtlich, dass die Beitragspflicht erst entstehen sollte, wenn auch ein im Eigentum des Verbandes des Beklagten stehender Grundstücks- bzw. Hausanschluss hergestellt wurde. So entstand nach § 3 der damaligen Satzungen die Beitragspflicht, „sobald das Grundstück an die Trinkwasseranlage angeschlossen werden kann“, so dass es danach bereits nicht zwingend auf einen bestehenden Grundstücks- bzw. Hausanschluss ankam (hierzu bereits ausführlich VG Frankfurt (Oder), Urteil vom 11. Januar 2019 – VG 5 K 1308/15). Zum anderen ist auch aus § 2 Abs. 2 der aktuellen Beitragssatzung vom 12. April 2011 kein maßgeblicher Unterschied zu den Vorgängersatzungen aus den neunziger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts erkennbar (vgl. VG Frankfurt (Oder), a.a.O.). Selbst aus der für den Geltungszeitraum der oben bezogenen historischen (Gebühren- und) Beitragssatzungen heranzuziehenden Wasserversorgungssatzung vom 25. April 1994 lässt sich nicht eindeutig entnehmen, ob die Grundstücks- bzw. Hausanschlüsse seinerzeit überhaupt zur öffentlichen Wasserversorgungsanlage des Verbandes gehörten (vgl. VG Frankfurt (Oder), a.a.O.).
(iii) Den Klägern bzw. ihren Rechtsvorgängern im Eigentum stand jedenfalls vor Ende 1999 das Anschlussrecht zu. Denn selbst wenn historisch der Grundstücks- bzw. Hausanschluss zur Gesamtanlage zu zählen wäre, kommt es für die Frage der Beitragspflichtigkeit nicht auf die tatsächliche Ausführung eines solchen Anschlusses an, sondern gemäß § 8 Abs. 7 S. 2 Kommunalabgabengesetz für das Land Brandenburg (KAG) – alter und neuer Fassung – darauf, ob tatsächlich und rechtlich die Möglichkeit des Anschlusses bestanden hat (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 28. Juli 2017 – 9 S 14.16 sowie Beschluss vom 10. August 2016 – 9 S 43.15; VG Frankfurt (Oder), a.a.O.). Zur Überzeugung des Gerichts war ein Anschluss an die vor Ende 1999 bereits in der Z... Straße vorhandenen Trinkwasserversorgungsleitungen möglich. Der Beklagte hatte nach Überzeugung des Gerichts hierüber bereits vor Ende 1999 die Verfügungsmöglichkeiten.
(iv) In rechtlicher Hinsicht muss lediglich ein unabhängig vom Vorhandensein des Grundstücks- bzw. Hausanschlusses erkennbares Anschlussrecht bestanden haben (OVG Berlin-Brandenburg a.a.O. und VG Frankfurt Oder, Urteil vom 30. November 2009 – 5 K 1476/06). Das ist der Fall, denn das Anschluss- und Benutzungsrecht wurde durch die Wasserversorgungssatzung des Verbands vom 25. April 1994 in § 3 näher definiert und vermittelte bei Vorliegen der vorstehend skizzierten tatsächlichen Voraussetzungen ein Anschlussrecht (vgl. VG Frankfurt (Oder), a.a.O.). So ist nach dem damaligen Satzungsrecht noch nicht einmal erkennbar, ob die Versorgungsleitungen überhaupt im formalen Eigentum des Verbandes stehen mussten. Dagegen spricht bereits § 1 Abs. 6 der Gründungssatzung. Es war ausreichend, dass der Verband ein Anschlussrecht vermitteln konnte.
(4) Weiter wird hier den Erwägungen aus dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 27. Juni 2019 – III ZR 93/18 – nicht gefolgt. Soweit der Bundesgerichtshof § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG a. F. dahin auslegt, dass die Vorschrift auch im Falle eines ersten, wegen Rechtsfehlern gescheiterten Satzungsgebungsversuchs nicht den Erlass einer wirksamen rückwirkenden Satzung erfordert (vgl. BGH, Urteil vom 27. Juni 2019 - III ZR 93/18 -, juris, Rn. 21 ff.), ist dem das OVG Berlin-Brandenburg nicht gefolgt (vgl. Beschluss vom 4. September 2019 - OVG 9 S 18.18 -, juris, Rn. 16 ff.). Das gilt auch hinsichtlich der Annahme des Bundesgerichtshofes, § 2 Abs. 1 und § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG a. F. seien auch ohne eine gesetzlich angeordnete zeitliche Obergrenze dahin verfassungskonform auszulegen, dass Beiträge nicht auf unbegrenzte Dauer geltend gemacht werden könnten, dass aber ein Zeitraum von unter 30 Jahren, der gerade auch im Verwaltungsrecht die verjährungsrechtliche Obergrenze darstelle (vgl. § 53 Abs. 2 VwVfG), unbedenklich sei (vgl. BGH, Urteil vom 27. Juni 2019, a. a. O., Rn. 61; Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 12. November 2019 – OVG 9 B 11.19 –, Rn. 19, juris). Die vom BGH vertretene Auffassung bleibt eine in diesem Verfahren unbeachtliche Rechtsansicht (vgl. auch OVG Berlin-Brandenburg, u.a. Beschluss vom 18. November 2019 – OVG 9 S 18.19 n.v.).
(5) Darauf, dass der Beitragsgegenstand möglicherweise anders zu bilden ist, kommt es hier nach alldem nicht an.
c) Wegen des Umfanges des Vollstreckungsverbots nach § 79 Abs. 2 S. 2 BVerfGG wird darauf hingewiesen, dass dieses neben der hier gegenständlichen Vollstreckung aus dem Bescheid vom 15. September 2015 grundsätzlich auch Säumniszuschläge jedenfalls ab Eingreifen des Vollstreckungsverbots erfasst (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 18. November 2019 – OVG 9 S 18.19 n.v.).
C.
1. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO in Verbindung mit § 709 der Zivilprozessordnung (ZPO).
2. Gründe, die Berufung zuzulassen (§§ 124a Abs. 1, 124 Abs. 2 Nr. 3 und 4 VwGO), sind nicht ersichtlich.