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Entscheidung 4 U 86/21


Metadaten

Gericht OLG Brandenburg 4. Zivilsenat Entscheidungsdatum 24.08.2022
Aktenzeichen 4 U 86/21 ECLI ECLI:DE:OLGBB:2022:0824.4U86.21.00
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen

Tenor

Der Einspruch des Klägers gegen das Versäumnisurteil des Senats vom 01.06.2022 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Klage, soweit der Kläger Zahlung von 23.644,00 € abzüglich Wertersatz der Beklagten i.H.v. 2.788,93 € (für den Wertverlust am streitgegenständlichen Fahrzeug) nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit begehrt, als derzeit unbegründet und im Übrigen als endgültig unbegründet abgewiesen wird.

Der Kläger hat die weiteren Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

1. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Gründe

I.

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit des Widerrufs eines Darlehensvertrages, der zur Finanzierung eines Fahrzeugkaufs geschlossen wurde.

Der Kläger schloss auf Grundlage eines von ihm am 21.09.2016 in den Geschäftsräumen des Autohauses … unterzeichneten Darlehensantrages mit der Beklagten einen Darlehensvertrag über einen Nettodarlehensbetrag von 14.750,00 € zu einem gebundenen Sollzinssatz von 3,99 % p.a. Das Darlehen diente - ebenso wie die von ihm an die Verkäuferin geleistete Anzahlung i.H.v. 7.000 € - der Finanzierung des Kaufpreises für einen gebrauchten …, wobei die Darlehensvaluta vereinbarungsgemäß an die Verkäuferin ausgezahlt werden sollte und auch wurde.

Über das Widerrufsrecht belehrte die Beklagte den Kläger mit einer schwarz umrahmten, auf Seite 2 in den Vertrags-(antrags-)text integrierten „Widerrufsinformation“. Auf der ersten Seite des neunseitigen Vertrages ist der folgende Hinweis abgedruckt:

"Ausbleibende Zahlungen

Ausbleibende Zahlungen können schwerwiegende Folgen für Sie haben (z.B. Zwangsverkauf) und die Erlangung eines Kredits erschweren. Für ausbleibende Zahlungen wird Ihnen der gesetzliche Zinssatz für Verzugszinsen berechnet. Der Verzugszinssatz beträgt für das Jahr fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz."

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, das Landgericht Potsdam sei für sämtliche mit der Klage geltend gemachten Ansprüche örtlich zuständig. Der Widerruf sei wirksam. Die Widerrufsfrist habe nicht zu laufen begonnen, weil verschiedene Pflichtangaben nach § 492 Abs. 2 BGB, Art. 247 §§ 6 - 13 EGBGB in der Vertragsurkunde nicht enthalten bzw. - wie insbesondere die Widerrufsinformation - fehlerhaft seien. Dies sei u.a. wegen der sog. Kaskadenverweisung der Fall. Auf die Gesetzlichkeitsfiktion könne sich die Beklagte nicht berufen, weil die Beklagte in das Muster eingegriffen und die Widerrufsinformation nicht deutlich hervorgehoben habe.

Die Beklagte hat die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts gerügt. Sie hat überdies im Wesentlichen geltend gemacht, der Widerruf sei verfristet, denn sie habe die Widerrufsinformation sowie die anderen erforderlichen Pflichtangaben ordnungsgemäß erteilt.Jedenfalls sei das Widerrufsrecht verwirkt. Für den Fall der Wirksamkeit des Widerrufs hat die Beklagte hilfswiderklagend die Feststellung der Wertersatzpflicht des Klägers für den Wertverlust des Fahrzeugs begehrt.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird mit der folgenden Ergänzung auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 ZPO): Mit Schriftsatz vom 13.11.2020 erklärte die Beklagte hilfsweise für den Fall des vollständigen oder teilweisen Obsiegens des Klägers die Aufrechnung mit einem Anspruch auf Nutzungsersatz für die Nutzung der Darlehensmittel i.H.v. 1.894,00 €.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Klage sei mit Ausnahme der ursprünglichen, einseitig für erledigt erklärten negativen Feststellungsklage unzulässig, denn das Gericht sei örtlich nicht zuständig, insbesondere nicht nach § 29 ZPO. Im Übrigen sei die Klage jedenfalls unbegründet. Zwar habe dem Kläger als Darlehensnehmer eines Verbraucherdarlehensvertrages ein Widerrufsrecht zugestanden. Dieses sei aber bei Erklärung des Widerrufs verfristet gewesen, da die dem Kläger zur Verfügung gestellte Vertragsurkunde mit Ausnahme der Angabe zur Berechnungsmethode des Anspruchs auf Vorfälligkeitsentschädigung alle für die Ingangsetzung der Widerrufsfrist erforderlichen Pflichtangaben nach § 492 Abs. 2 BGB enthalte; der Verstoß in Bezug auf die Angabe zur Berechnungsmethode des Anspruchs auf Vorfälligkeitsentschädigung führe lediglich zum Ausschluss des Anspruchs auf Vorfälligkeitsentschädigung, ohne das Anlaufen der Widerrufsfrist zu berühren. Die Widerrufsinformation genüge zwar im Hinblick auf die Verweisung auf § 492 Abs. 2 BGB nicht den Anforderungen nach Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 1 EGBGB, die Beklagte könne sich indes auf die Gesetzlichkeitsfiktion des Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 3 EGBGB berufen, weil die verwendete Widerrufsinformation dem Muster der Anlage 7 zu Art. 247 §§ 6 Abs. 2, 12 Abs. 1 EGBGB entspreche. Die Hilfswiderklage sei nicht zur Entscheidung angefallen.

Gegen dieses ihm am 19.03.2021 zugestellte Urteil richtet sich die am 19.04.2021 eingelegte und nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 18.06.2021 am 15.05.2021 begründete Berufung des Klägers.

Der Kläger hat geltend gemacht, entgegen der Auffassung des Landgerichts sei dieses für sämtliche geltend gemachten Ansprüche nach § 29 ZPO zuständig. Im Hinblick auf die Pflichtangaben betreffend das Kündigungsrecht, den Verzugszinssatz und die Berechnungsmethode der Vorfälligkeitsentschädigung sei die Sichtweise des Bundesgerichtshofes europarechtswidrig, weshalb er die Aussetzung des Verfahrens bis zur Entscheidung des EuGH in der Rechtssache C-33/20 anrege. Die Gesetzlichkeitsfiktion greife nicht, weil die Widerrufsinformation in Bezug auf die Tageszinsangabe fehlerhaft und fehlerhaft ausgefüllt sei, überdies in Widerspruch zu Ziffer IX.5 der Allgemeinen Bestimmungen zum Darlehensvertrag stehe. Die Auszahlungsbedingungen seien unklar und an verschiedenen Stellen im Vertrag abgedruckt, unklar und unvollständig sei die Angabe zur Fälligkeit der Teilzahlungen. Es fehle die Information über das Recht, das Darlehen jederzeit vorzeitig zurückzahlen zu können sowie der Hinweis auf eine verlängerte Widerrufsfrist bei Nachholung von Pflichtangaben.

Die Beklagte hat ihre Rüge der örtlichen Zuständigkeit in Bezug auf das nunmehrige Klagebegehren aufrechterhalten und im Übrigen die angefochtene Entscheidung verteidigt. Die Hilfswiderklage sei gerechtfertigt, denn der Kläger sei zum Ersatz des Wertverlustes für das Fahrzeug in Höhe der Differenz des Verkehrswertes bei Vertragsschluss zu demjenigen bei Rückgabe verpflichtet, den sie derzeit nicht berechnen können; überdies habe er Ausgleich für die Nutzung des Kapitals zu leisten.

Der Kläger hat im Senatstermin vom 01.06.2022 keinen Antrag gestellt. Gegen das seine Berufung zurückweisende Versäumnisurteil vom selben Tag hat er am 13.06.2022 Einspruch eingelegt. Er behauptet nunmehr, er habe das finanzierte Fahrzeug am 14.12.2020 zu einem Kaufpreis von 15.000 € an … M…-R… verkauft. Ein Anspruch der Beklagten auf Wertersatz bestehe lediglich in Höhe von 2.788,93 € der objektive Verkehrswert bei Übergabe des Fahrzeugs an den Kläger ermittle sich aus dem um die Umsatzsteuer, die Gewinnmarge sowie den nicht umgangsbezogenen Wertverlust reduzierten ursprünglichen Kaufpreis.

Der Kläger beantragt zuletzt, das Versäumnisurteil vom 01.06.2022 aufzuheben, das Urteil des Landgerichts Potsdam vom 17.03.2021 - 8 O 199/20 - abzuändern und die Beklagte zu verurteilen,

1. an die Klagepartei 23.644,00 € abzüglich Wertersatz der Beklagten i.H.v. 2.788,93 € (für den Wertverlust am streitgegenständlichen Fahrzeug) nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

2. die Klagepartei von den vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten des Herrn Rechtsanwalt A… P…, …, …, i.H.v. 1.171,67 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit freizustellen,

Die Beklagte beantragt,

das Versäumnisurteil des Senats aufrechtzuerhalten.

Die Beklagte meint, die Klage auf Rückgewähr der geleisteten Zins- und Tilgungsleistungen sei jedenfalls derzeit unbegründet; sie mache weiterhin von ihrem Leistungsverweigerungsrecht Gebrauch. Einen Verkauf des Kraftfahrzeugs am 14.12.2020 bestreite sie mit Nichtwissen. Hilfsweise für den Fall des vollständigen oder teilweisen Obsiegens der Klagepartei erklärt die Beklagte die Aufrechnung mit dem Anspruch auf Herausgabe des Veräußerungserlöses i.H.v. 15.000 € sowie mit dem Anspruch auf Zahlung von Wertersatz für den Wertverlust des Pkw, der nicht auf einen Umgang mit dem finanzierten Fahrzeug zurückzuführen ist, der zur Prüfung der Beschaffenheit, der Eigenschaften und der Funktionsweise des Fahrzeuges nicht notwendig war, und der sich auf 6.750 € (21.750 € - 15.000 €) bemesse.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Auf den Einspruch des Klägers ist das Versäumnisurteil des Senats vom 01.06.2022 mit der Maßgabe aufrechtzuerhalten, dass, soweit der Kläger Zahlung i.H.v. 23.644 € abzüglich Wertersatz der Beklagten i.H.v. 2.788,93 € begehrt, die Klage als derzeit unbegründet, im Übrigen als endgültig unbegründet abgewiesen wird.

1.

Es stand dem Kläger nach § 264 Nr. 2 ZPO frei, bereits erstinstanzlich seinen Feststellungsantrag zu Ziffer 1 als Zahlungsantrag weiterzuverfolgen. Es ist daher insoweit nur über diesen Leistungsantrag zu entscheiden, für eine Erledigungserklärung besteht in diesem Fall kein Raum.

Geht der Kläger von einer Feststellungsklage zu einer deckungsgleichen Leistungsklage über, ohne die Feststellungsklage weiterzuverfolgen, handelt es sich um eine ohne weiteres zulässige Klageerweiterung nach § 264 Nr. 2 ZPO. Es ist dann nur noch über die Leistungsklage zu entscheiden. Für eine Erledigungserklärung ist kein Raum (vgl. BGH, Urt. v.16. Mai 2001 - XII ZR 199/98 - Rn. 6 zur positiven Feststellungsklage).

So liegt der Fall - wie im Senatstermin vom 01.06.2022 umfassend erörtert - hier. Mit der negativen Feststellungsklage verfolgte der Kläger sein Interesse an der Rückabwicklung des streitgegenständlichen Darlehensvertrags, indem er die Feststellung begehrte, zur Erfüllung primärer Leistungspflichten (Zinsen, Tilgung) aus dem Darlehensbetrag infolge deren widerrufsbedingten Erlöschens nicht mehr verpflichtet zu sein. Dieses Interesse ging sodann vollständig in dem (mehrfach) geänderten und erweiterten Leistungsantrag zu 1. auf, mit dem der Kläger die sich aus dem Rückabwicklungsverhältnis ergebende Zahlungspflicht der Beklagten weiterverfolgt hat; lediglich die Rechtsfolge, die der Kläger aus dem zugrunde liegenden, gleichbleibenden Lebenssachverhalt herleitet, hat sich geändert. Statt der – neben dem auf Rückzahlung bereits geleisteter Raten gestellten Zahlungsantrag – Feststellung, infolge seiner Widerrufserklärung keine vertraglichen Zins- und Tilgungsleistungen mehr zu schulden, begehrte er nach vollständiger Ablösung des Darlehens nur noch die Verurteilung der Beklagten zur (Rück)Zahlung dieser an die Beklagte erbrachten Zins- und Tilgungsleistungen sowie der erbrachten Anzahlung von 7.000,00 €. Die darin liegende Erweiterung des Streitstoffes gegenüber dem ursprünglichen Klageantrag ist die zwangsläufige Folge nahezu jeder Klageerweiterung i.S.d. § 264 Nr. 2 ZPO und somit kein Argument gegen die Zulässigkeit gegen die entsprechende Klageänderung (BGH, Urteil vom 04.10.1984 - VII ZR 162/83 - Rn 4).

Soweit der Kläger seine Klage von einem Feststellungs- und Zahlungsantrag auf einen (einzigen) Leistungsantrag umgestellt hat, für den das Landgericht Potsdam nicht zuständig wäre (vgl. Senat, Urteil vom 21.04.2021 - 4 U 95/20 - Rn. 27ff.), greift § 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO ein, wonach die Zuständigkeit des Prozessgerichts durch eine Veränderung der sie begründenden Umstände nicht berührt wird (§ 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO). Zwar findet die Vorschrift ihre Grenze im Falle einer Klageänderung. Als solche ist es aber gerade nicht anzusehen, wenn - wie hier - lediglich ein Fall des § 264 ZPO vorliegt (so bereits Senatsurteile vom 26.01.2022 - 4 U 199/20 - und vom 09.03.2022 - 4 U 36/21 und 234/20 -; vgl. BGH, Urteil vom 26.04.2001 - IX ZR 53/00 - Rn. 12; Bacher in: BeckOK ZPO mit Stand 01.09.2021, § 261 Rn. 21).

2.

Der zuletzt auf Zahlung von 23.644,00 € abzüglich 2.788,93 € gerichtete Antrag zu 1. des Klägers ist jedenfalls derzeit unbegründet.

a) Der mit E-Mail vom 25.03.2020 erklärte Widerruf des mit der Beklagten geschlossenen Darlehensvertrages vom 21.09.2016 war allerdings wirksam.

Dem Kläger stand zum Zeitpunkt des Widerrufs noch ein Widerrufsrecht gemäß § 495 Abs. 1 BGB (i.d. ab dem 21.03.2016 geltenden Fassung) zu, weil der Darlehensvertrag nicht „klar und verständlich“ sämtliche nach Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 1 und 2 EGBGB (i.d. seit 21.03.2016 geltenden Fassung) erforderlichen Pflichtangaben enthält.

Dabei kann offen bleiben, ob die Widerrufsinformation ordnungsgemäß erteilt wurde, ob sich die Beklagte auf die Gesetzlichkeitsfiktion des Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 3 EGBGB berufen kann oder die sonstigen Pflichtangaben, deren Fehlen oder Fehlerhaftigkeit der Kläger gerügt hat, ordnungsgemäß angegeben sind. Denn der vorliegende Verbraucherdarlehensvertrag enthielt entgegen § 492 Abs. 2 BGB (i.d. ab 21.03.2016 geltenden Fassung, im Folgenden: a.F.) i.V.m. Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 2 und § 3 Nr. 11 EGBGB (i.d. ab 21.03.2016 geltenden Fassung) keine ausreichenden Angaben zum Verzugszinssatz und der Art und Weise seiner Anpassung, was gemäß § 356b Abs. 1, Abs. 2 BGB (i.d. ab 21.03.2016 geltenden Fassung) zur Folge hat, dass die Frist für den Widerruf nicht begonnen hat.

Im Geltungsbereich der Richtlinie 2008/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23.04.2008 über Verbraucherkreditverträge und zur Aufhebung der Richtlinie 87/102/EWG des Rates (ABl. 2008, L 133, S. 66, berichtigt in ABl. 2009, L 207, S. 14, ABl. 2010, L 199, S. 40 und ABl. 2011, L 234, S. 46) genügt dies aber den Anforderungen des Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 11 EGBGB nicht, sondern verlangt die Angabe des zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltenden konkreten Prozentsatzes (BGH, Urteile vom 28.06.2022 – XI ZR 151/22 – Rn 10, und vom 12.04.2022 - XI ZR 179/21, WM 2022, 979 Rn. 11 f.). Dem ist die Beklagte nicht nachgekommen.

b) Ob es dem Kläger wegen rechtsmissbräuchlichen Verhaltens nach § 242 BGB - im Hinblick darauf, dass er vorgerichtlich und über nahezu den gesamten Rechtsstreit hinweg eine Wertersatzpflicht in Bezug auf das Fahrzeug verneint hat, er sich nach Ablösung des Darlehens die Zulassungsbescheinigung II hat aushändigen lassen, und das Fahrzeug nach seinem eigenen Vorbringen am 14.12.2020, d.h. nur wenige Monate nach Klageerhebung, weiterverkauft hat - verwehrt ist, die Rechte aus dem Widerruf geltend zu machen, kann offen bleiben, da der Zahlungsantrag - wie nachfolgend unter c) ausgeführt - jedenfalls derzeit unbegründet ist. Daher ist auch weder eine Vorlage der Sache an den EuGH noch eine Aussetzung im Hinblick auf den Vorlagebeschluss des BGH v. 31.01.2022 (XI ZR 113/20) erforderlich.

c) Der Zahlungsantrag ist jedenfalls derzeit unbegründet, weil der Kläger gemäß § 358 Abs. 4 Satz 1 i. V. m. § 357 Abs. 4 Satz 1 BGB. in Bezug auf den der Beklagten zustehenden Anspruch auf Herausgabe des Fahrzeugs vorleistungspflichtig ist (BGH, Urteil vom 27.10.2020 – XI ZR 498/19 – Rn. 23, siehe auch Urteil vom 15.06.2021 - XI ZR 365/20 - Rn 21, juris) und der Beklagten daher insoweit ein - mit Schriftsätzen vom 05.10.2020 (dort S. 30, Bl. 103 d.A.) und 14.07.2022 (Bl. 628ff d.A.) auch geltend gemachtes - Leistungsverweigerungsrecht zusteht, bis sie das finanzierte Fahrzeug zurückerhalten hat oder der Kläger den Nachweis erbracht hat, dass er das Fahrzeug abgesandt hat (BGH, Urteil vom 10.11.2020 - XI ZR 426/19 - Rn 21, juris). Das Leistungsverweigerungsrecht nach § 358 Abs. 4 Satz 1 BGB i.V.m. § 357 Abs. 4 Satz 1 BGB steht der Beklagten auch in Bezug auf die vom Kläger nach der Widerrufserklärung auf das Darlehen erfolgten Zahlungen zu (BGH, Urteil vom 25.01.2022 - XI ZR 559/20 - Rn. 17).

aa) Etwas anderes könnte nur gelten, wenn sich die Beklagte in Annahmeverzug befände. Der Kläger hat der Beklagten das Fahrzeug allerdings - wie bereits im Senatstermin vom 01.06.2022 dargestellt - nicht in einer den Annahmeverzug begründenden Weise angeboten.

In seinem Widerrufsschreiben vom 25.03.2020 bietet er lediglich die "Rückgabe" des Fahrzeugs an, und weist darauf hin, dass die „Rückabwicklung (gegen Zahlung aller bislang geleisteten Raten und Anzahlung)“ innerhalb von 30 Tagen zu erfolgen habe.

Dies genügt weder formal (kein vorheriges tatsächliches Angebot) noch in Bezug auf die die Vorleistungspflicht nicht berücksichtigende Art der Leistung den Anforderungen an ein wörtliches Angebot im Sinne des § 295 BGB. Für die Anträge im Rechtsstreit gilt nichts anderes. Der Umstand, dass der Kläger zwischenzeitlich in dem Rechtsstreit Zahlung „nach“ Übergabe des Fahrzeugs begehrt hat, ändert nichts, da dies in entsprechender Anwendung des § 322 Abs. 2 BGB voraussetzt, dass sich die Beklagte mit der Entgegennahme des Fahrzeugs bereits in Annahmeverzug befindet (BGH, Urteil vom 27.10.2020 – XI ZR 498/19 – Rn. 29).

bb) Die Vorleistungspflicht ist auch nicht nachträglich dadurch entfallen, dass der Kläger nach eigenen Angaben das Fahrzeug am 14.12.2020 an einen Dritten weiterveräußert hat. Insbesondere lässt sich allein aus dem Umstand der Veräußerung des Fahrzeugs an einen Dritten nicht der - vom Kläger selbst auch nicht gezogene - Schluss ziehen, ihm sei die Herausgabe des Fahrzeugs unmöglich und er sei hierdurch gemäß § 275 Abs. 1 BGB von seiner Herausgabepflicht frei geworden. Auf den durch eine Literaturangabe untersetzten Ansatz der Beklagten im Schriftsatz vom 14.07.2022, das Leistungsverweigerungsrecht sei durch die - unterstellte - Veräußerung des finanzierten Fahrzeugs nicht entfallen, geht der Kläger nicht ein. Das klägerische Vorbringen entbehrt jedweden für eine etwaige - subjektive oder objektive - Unmöglichkeit der Herausgabe des Fahrzeugs sprechenden Vortrags, insbesondere ist nichts dafür ersichtlich, dass sich der Kläger das - in Kenntnis der Vorleistungs-, jedenfalls der Herausgabepflicht veräußerte - Fahrzeug nicht wieder von dem Erwerber beschaffen kann. Vielmehr ergibt sich daraus, dass der Kläger, obgleich er den Pkw bereits am 14.12.2020 verkauft haben will, über den gesamten Rechtsstreit hinweg bis zum Senatstermin am 01.06.2022 stets Zahlung nach Rückgabe des Fahrzeugs beantragt hat, sich zur (Wieder-)Beschaffung des Kraftfahrzeugs in der Lage gesehen hat.

3.

Die Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten kann der Kläger unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt beanspruchen.

Die Beklagte befand sich zum Zeitpunkt der Beauftragung der Prozessbevollmächtigten des Klägers mit der Erfüllung ihrer aus dem Widerruf folgenden Zahlungspflichten, d.h. jedenfalls vor 15.06.2020 (Datum der Klageschrift), nicht gemäß § 286 BGB in Verzug, weil der Kläger die Rückgabe des Fahrzeugs zuvor nicht - wie oben ausgeführt - in einer den Annahmeverzug begründenden Weise angeboten hat.

4.

Die von der Beklagten im Berufungsrechtszug für den Fall des vollständigen oder teilweisen Obsiegens des Klägers erklärten Aufrechnungen sind, da der Einspruch gegen das Versäumnisurteil des Senats zurückzuweisen ist, nicht zur Entscheidung angefallen. Dasselbe gilt in Bezug auf die - für denselben Fall erklärte - hilfsweise Aufrechnung mit einem der Beklagten aus ihrer Sicht zustehenden Anspruch auf Zinsen i.H.v. 1.894,00 € für die Nutzung des Darlehens.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 Abs. 1, 344 ZPO; die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit findet ihre Rechtsgrundlage in den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Zulassung der Revision ist nicht veranlasst, da die Sache weder grundsätzliche Bedeutung aufweist noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern, § 543 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 ZPO.

Der Streitwert wird gemäß §§ 47 Abs. 1, 48 Abs. 1 GKG auf 21.750,00 € festgesetzt. Für den Berufungsantrag zu 1 war der Nettodarlehensbetrag heranzuziehen und die geleistete Anzahlung hinzuzusetzen. Die geltend gemachten vorgerichtlichen Anwaltskosten wirken sich als Nebenforderung nach § 43 Abs. 1 GKG wertmäßig nicht aus. Die nicht zur Entscheidung angefallenen Hilfsaufrechnungen bleiben bei der Wertbemessung außer Ansatz (§ 45 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 GKG).