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Entscheidung 11 U 237/21


Metadaten

Gericht OLG Brandenburg 11. Zivilsenat Entscheidungsdatum 17.08.2022
Aktenzeichen 11 U 237/21 ECLI ECLI:DE:OLGBB:2022:0817.11U237.21.00
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen

Tenor

I. Die Berufung des Klägers gegen das am 18.10.2021 verkündete Urteil des Einzelrichters der 4. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt (Oder) - 14 O 230/19 - aus den nachfolgend dargestellten Gründen gemäß § 522 Abs. 2 S. 1 ZPO durch einstimmig gefassten Beschluss als offensichtlich unbegründet zurückgewiesen.

II. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

III. Das angefochtene Urteil wird für vorläufig vollstreckbar erklärt. Dem Kläger bleibt nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht zuvor die Beklagte Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

V. Der Gebührenstreitwert für das Berufungsverfahren wird auf bis zu 25.000,00 € festgesetzt.

Gründe

I.

Die Berufung des Klägers ist offensichtlich unbegründet und daher gem. § 522 Abs. 2 ZPO durch einstimmig gefassten Beschluss zurückzuweisen.

Das Landgericht hat die Klage zu Recht in vollem Umfang abgewiesen; weder beruht das angefochtene Urteil auf einer Rechtsverletzung im Sinne des § 546 ZPO noch rechtfertigen die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere - für die Klägerin günstige(re) - Entscheidung (§ 513 Abs. 1 ZPO). Die Klage ist insgesamt unbegründet, wobei die geltend gemachte Nebenforderung das Schicksal der Hauptforderung teilt. Auf die offensichtliche Unbegründetheit des Rechtsmittels und die beabsichtigte Zurückweisung im Beschlusswege hat der Senat den Kläger mit Beschluss vom 05.07.2022 hingewiesen.

Die hiergegen vorgebrachten Einwände des Klägers aus dem nachgelassenen Schriftsatz vom 05.08.2022 führen zu keinem anderen Ergebnis. Auch unter Berücksichtigung der neuerlichen, sehr eingehenden Ausführungen des Klägers, die allerdings im Wesentlichen an der Argumentation des Senats vorbeigehen, ist für den Senat kein Gesichtspunkt erkennbar, der dem Rechtsmittelbegehren zum Erfolg verhelfen könnte. In der gebotenen Kürze ist auf Folgendes einzugehen:

Der Senat hält daran fest, dass dem Kläger im Jahr 2019 ein Widerspruchsrecht für die beiden streitgegenständlichen Lebensversicherungsverträge, die er mit der Rechtsvorgängerin der Beklagten im Jahr 2002 abgeschlossen hatte, nicht mehr zustand.

1. Mit den Ausführungen des Senats zur unzureichenden Darlegung der schlüssigen Darlegung des vermeintlichen Anspruchs befasst sich der Kläger nur knapp ab S. 52 des nachgelassenen Schriftsatzes, im Wesentlichen unter Verweis auf die Ausführungen in der Berufungsbegründung. Das Landgericht hat in der angefochtenen Entscheidung (LGU 7 ff.) eingehend dargelegt und begründet, dass und weshalb der Kläger im Streitfall die volle Darlegungslast für die Berechnung der von ihm verlangten Nutzungen trägt. Das Landgericht befindet sich hiermit im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Urt. v. 29.04.2020 – IV ZR 5/19, NJW 2020, 2030 Rn. 16 mit zustimmender Anmerkung von Grams, NJW 2020, 2032), der sich der Senat anschließt.

a) Bei einer fondsgebundene Lebensversicherung, bei welcher der Versicherer gemäß seinen vertraglichen Verpflichtungen die Sparanteile in den vereinbarten Finanzprodukten anzulegen hat, ist für die Ermittlung etwaiger tatsächlicher gezogener Nutzungen die Entwicklung der konkret angelegten Beiträge maßgeblich (OLG Hamm, Beschl. v. 20.11.2020 - 20 U 125/20, VersR 2021, 1022, 1023). Diese Grundsätze greifen nicht nur dann ein, wenn der Versicherer – wie bei einer „klassischen“ fondsgebundenen Lebensversicherung nach deutschem Recht – die Beiträge in Wertpapiere im engeren Sinne anzulegen hat. Vielmehr gilt dies auch, wenn – wie im vorliegenden Fall – die vertraglichen Vereinbarungen vorsehen, dass die Beiträge einem gesondert verwalteten Pool zugewiesen und dort in bestimmter Weise angelegt werden (OLG Hamm, a.a.O.). Dementsprechend kann ein Kläger - was das Landgericht zutreffend erkennt und entschieden hat - die entgangenen Nutzungen nicht unter Außerachtlassung der Fondsverluste in den Jahren 2002, 2008, 2011 und 2018 berechnen, diese bestreiten und mit Null ansetzen (vgl. OLG Dresden, Endurt. v. 31.08.2021 – 4 U 623/21, NJOZ 2022, 147, m.w.N.). Ergibt sich nämlich in einem Jahr ein erheblicher Verlust, so mindert dies den Fondswert in erheblicher Weise (OLG Dresden, a.a.O.). Der Gewinn aus dem Folgejahr kann daher nur ausgehend von dem Wert des Fonds im Vorjahr berechnet werden. Der Kläger muss in einer solchen Konstellation daher darlegen und gegebenenfalls beweisen, welche Rendite mit dem streitgegenständlichen Pool tatsächlich erzielt wurde (vgl. OLG Dresden, a.a.O., m.w.N.). Dies entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der sich der Senat ebenfalls anschließt. Ein Versicherungsnehmer, der vom beklagten Versicherer die Herausgabe von Nutzungen aus rechtsgrundlos geleisteten Beitragszahlungen verlangt, ist infolgedessen für Anfall und Höhe tatsächlich gezogener Nutzungen darlegungs- und beweisbelastet (BGH, Urt. v. 29.04.2020 – IV ZR 5/19, NJW 2020, 2030 Rn. 16). Dies verlangt ihm - auch bei einer fondsgebundenen Lebensversicherung - einen Tatsachenvortrag ab, der nicht ohne Bezug zur Ertragslage des jeweiligen Versicherers auf eine tatsächliche Vermutung einer Gewinnerzielung in bestimmter Höhe gestützt werden kann (BGH, a.a.O., m.w.N.; vgl. hierzu auch BGH, Urt. v. 24.02.2016 - IV ZR 512/14, BeckRS 2016, 4809 Rn. 26). Da sich die Herausgabepflicht nach § 818 Abs. 1 BGB auf die Nutzungen beschränkt, die der Bereicherte aus dem ohne Rechtsgrund erlangten Gegenstand oder aus einem Surrogat i.S.d. § 818 Abs. 1 BGB gezogen hat, muss die Ertragslage des Versicherers, auf die sich der Versicherungsnehmer zur Darlegung des Nutzungsherausgabeanspruchs bezieht, die Verwendung der rechtsgrundlos erbrachten Beitragszahlungen abbilden (BGH, Urt. v. 29.04.2020 – IV ZR 5/19, NJW 2020, 2030, m.w.N.). Insoweit trifft die in der Berufungsbegründung vertretene Rechtsauffassung des Klägers, wonach die Beklagte in einer Fallkonstellation, wie sie hier vorliegt, die volle Darlegungs- und Beweislast zu tragen habe (BB 2 ff.), nicht zu. Eine Einschränkung in Bezug auf die Darlegungslast bei fondsgebundenen Lebensversicherungen hat der Bundesgerichtshof - wie bereits dargelegt - nicht vorgenommen.

b) Unzutreffend ist in diesem Zusammenhang daher auch die Annahme des Klägers, im Streitfall lägen die Voraussetzungen einer sekundären Darlegungslast der Beklagten „überdeutlich“ vor (BB 17). Selbst wenn man von einer sekundären Darlegungslast der Beklagten ausginge, würde dies im Streitfall ein anderes Ergebnis nicht rechtfertigen können. Denn die Beklagte hat ihrerseits jedenfalls hinreichend vorgetragen, worauf auch das Landgericht zutreffend abgestellt hat: Im vorliegenden Fall wurde die Prämie in einem Pool angelegt und damit mit der Wertentwicklung der im Pool befindlichen Investmentfonds gekoppelt (zu einer vergleichbaren Konstellation ebenfalls OLG Celle, Urt. v. 10.9.2020 – 8 U 45/20, NJOZ 2021, 591 Rn. 79 ff.). Die Berechnung der Rendite muss sich dann aber an dem Pool, in dem die Prämie investiert wurde, orientieren (OLG Dresden, a.a.O.). Entscheidend ist, wie der Versicherer mit dem Sparanteil des Versicherungsnehmers eine Rendite erzielt. Bei gebundenem Vermögen verbietet sich - wie hier - der Rückgriff auf die Nettorendite der Beklagten zur Berechnung der gezogenen Nutzungen.

Die Wertentwicklung des Pools ist hier bereits erstinstanzlich in der Klageerwiderung vom 31.01.2020 (dort S. 16 ff., GA I 199) seitens der Beklagten dargelegt worden. Sie hat nicht nur vorgetragen, dass der hier in Rede stehende Euro-Pool im streitgegenständlichen Zeitraum Verluste erwirtschaftet habe. Sie hat auch näher zur Höhe der jährlichen (teilweise negativen) Rendite vorgetragen. Durchgreifende Einwände hiergegen bringt der Kläger weder in seiner Berufungsbegründung noch im nachgelassenen Schriftsatz vor. Im Ergebnis bleibt insoweit jedenfalls festzuhalten, dass der Kläger, wovon auch das Landgericht zutreffend ausgegangen ist, die angegebenen Verluste nicht einfach bestreiten kann (vgl. zu einer vergleichbaren Konstellation auch OLG Dresden, a.a.O.; OLG Celle, a.a.O.).

Weder in der Berufungsbegründung noch im nachgelassenen Schriftsatz vom 05.08.2022 zeigt der Kläger auf, welche Nutzungen die Beklagte tatsächlich gezogen hat.

2. Jedenfalls ist der von der Klägerin Jahr 2019 erklärte Widerspruch als rechtsmissbräuchlich zu qualifizieren. Auch insoweit kann auf die Ausführungen im Hinweisbeschluss verwiesen werden, deren Richtigkeit die Argumentation des Klägers im nachgelassenen Schriftsatz nicht widerlegt.

a) Wie der Senat im Hinweisbeschluss eingehend dargetan hat, ist für die in Rede stehenden Lebensversicherungsvertragsverhältnisse auf die insoweit klar und eindeutig ergangene Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 19.12.2019 in der Rechtssache Rust-Hackner (Urt., v. 19.12.2019 – C-355/18, C-356/18, C-357/18, C-479/18 (Rust-Hackner u.a./Nürnberger Versicherung Aktiengesellschaft Österreich sowie weitere, NJW 2020, 667) und nicht die zum Bankenrecht auf der Grundlage der Verbraucherkreditrichtlinie ergangene Rechtsprechung vom 09.09.2021 (C-33/20) abzustellen. Die gesamte, dahingehende klägerische Exegese, der hier nicht passenden Entwicklung in der Rechtsprechung des EuGH (S. 2 ff. im nachgelassenen Schriftsatz) vermag daher nicht zu überzeugen:

aa) Zwar geht der Kläger auf die Ausführungen der Rust-Hackner-Entscheidung zunächst noch ein (S. 15 im nachgelassenen Schriftsatz). Maßgeblich ist jedoch mit Blick auf den hier zu entscheidenden Fall nicht etwa, dass der Versicherungsnehmer sein Rücktrittsrecht grundsätzlich auch noch nach Kündigung und Erfüllung aller Verpflichtungen aus dem Vertrag ausüben kann (dort Rn. 98), was der Senat im Hinweisbeschluss nicht in Frage gestellt hat und auch weiterhin nicht in Frage stellt. Entscheidend ist jedoch, dass der EuGH den Mitgliedstaaten auch bei einer fehlerhaften Belehrung über das Rücktrittsrecht eine einzelfallbezogene Missbrauchskontrolle zugesteht (Rn. 79 ff.).

bb) Die vom Kläger angeführte Entscheidung des OLG Rostock vom 08.03.2022 (4 U 51/21, zit. n. juris) führt zu keinem anderen Ergebnis. Abgesehen davon, dass es in der genannten Bezugsentscheidung nicht um eine Lebens-, sondern um eine Rentenversicherung ging, hat sich das OLG Rostock mit der hier maßgeblichen Frage des rechtsmissbräuchlichen Verhaltens nicht weiter befasst. Gegenstand der Prüfung durch das OLG Rostock war vielmehr der ebenfalls aus § 242 BGB resultierende Grundsatz der Verwirkung, auf den der Senat im hier zugrundeliegenden Hinweisbeschluss jedoch gar nicht abgestellt hat (a.a.O., Rn. 106 ff.). Hinzu kommt, dass – anders als offenbar in der genannten Bezugsentscheidung (vgl. dort Rn. 130) – im Streitfall eine Widerrufsbelehrung vorhanden war (LGU 3). Insoweit kann hier – entgegen der klägerischen Ansicht – nicht davon ausgegangen werden, dass eine entsprechende Belehrung bei der in Rede stehenden Belehrung gar nicht ersichtlich sei. Das Gleiche gilt für die fragliche Rücktrittsbelehrung. Dementsprechend weicht der Senat im Streitfall – anders als vom Kläger gemeint – nicht von der Entscheidung des OLG Rostock ab.

b) Ohne Erfolg beruft sich der Kläger im nachgelassenen Schriftsatz (dort S. 29) darauf, dass in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union eine Missbrauchskontrolle nicht vorgesehen sei. Über diese Behauptung war auch kein Sachverständigengutachten einzuholen, denn - wie bereits dargelegt wurde – gesteht der EuGH in der Rust-Hackner-Entscheidung den Mitgliedstaaten eine Missbrauchskontrolle aus dem Unionsrecht zu. Nach der vom Kläger insoweit zutreffend angeführten ständigen Rechtsprechung soll es nämlich auch unionsrechtlich verhindert werden, dass jemand missbräuchlich in den Genuss von im Unionsrecht vorgesehenen Vorteilen gelangt (vgl. hierzu bereits EuGH, Urt. v. 28.10.2020 – C-112/19, Rn. 46, juris). Entgegen der vom Kläger vertretenen Rechtsauffassung (im nachgelassenen Schriftsatz ab S. 32) liegen die Voraussetzungen eines rechtsmissbräuchlichen Verhaltens im Streitfall vor. Auf die Subsumtion im Hinweisbeschluss, die durch die weiteren Ausführungen des Klägers im nachgelassenen Schriftsatz nicht entkräftet werden, kann zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen werden.

c) Auch der im nachgelassenen Schriftsatz angeführte Vorlagebeschluss des Landgerichts Erfurt (LG Erfurt, Beschl. v. 13.01.2022 – 8 O 1463/20, juris), der sich offensichtlich gegen die bisherige Linie des Bundesgerichtshofs stellt, steht der rechtlichen Beurteilung des Senats im Hinweisbeschluss dementsprechend nicht entgegen.

II.

1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.

2. Die weitere Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit findet ihre rechtliche Grundlage in den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

3. Die Revision war durch den Senat - in Ermangelung der gesetzlichen Voraussetzungen gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO i.V.m. § 133 GVG - nicht zuzulassen. Die vorliegende Rechtssache beruht hinsichtlich der im Streitfall vorliegenden Voraussetzungen zur Substanziierung der geltend gemachten Nutzungen sowie hinsichtlich des rechtsmissbräuchlichen Verhaltens des Klägers auf den Besonderheiten des hier zu entscheidenden Einzelfalls.

4. Auch eine Vorlage an den EuGH kommt im Streitfall – wie bereits dargelegt - nicht in Betracht, weil die Voraussetzungen des Art. 267 Abs. 3 AEUV nicht vorliegen. Die Maßstäbe für die Berücksichtigung der Gesichtspunkte von Treu und Glauben in der Rechtsprechung des EuGH sind ebenso geklärt wie die Tatsache, dass die Annahme rechtsmissbräuchlichen Verhaltens im Einklang mit dieser Rechtsprechung stehen kann (vgl. zu einer vergleichbaren Konstellation auch OLG Hamm, Hinweisbeschl. v. 03.05.2022 – 20 U 73/22, BeckRS 2022, 15946, Rn. 18). Die Frage, ob verbraucherschützende Widerspruchsrechte durch nationale Vorschriften zum Rechtsmissbrauch beschränkt werden dürfen, berührt zwar das Gebot der praktischen Wirksamkeit des Unionsrechts. Der Anwendung von Treu und Glauben und des Verbots widersprüchlicher Rechtsausübung steht dies aber nicht entgegen, weil die Ausübung dieser Rechte in das nationale Zivilrecht eingebettet bleibt und die nationalen Gerichte ein missbräuchliches Verhalten auch nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union berücksichtigen dürfen (vgl. BGH, Beschl. v. 22.03.2016 - IV ZR 130/15, r+s 2016, 231 Rn. 2 f.; IV ZR 161/15, BeckRS 2016, 604 Rn. 3 f.; v. 13.01.2016 - IV ZR 117/15, BeckRS 2016, 2174 Rn. 3 f.; v. 12.10.2015 - IV ZR 63/13, BeckRS 2015, 17677 Rn. 3 f.; jeweils m.w.N.; OLG Hamm, a.a.O.). Die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen das Lösungsrecht gemäß § 5a Abs. 1 VVG a.F. durch den Grundsatz von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB eingeschränkt sein kann, ist mithin sowohl im nationalen Recht als auch im Unionsrecht zweifelsfrei geklärt (OLG Hamm, a.a.O.). Wie bereits dargelegt, ändert daran auch die im nachgelassenen Schriftsatz mehrfach angesprochene Entscheidung des EuGH vom 09.09.2021 nichts. Zwar hat der Gerichtshof der Europäischen Union dort entschieden, Art. 14 Abs. 2 der RL 2008/48/EG sei dahin auszulegen, dass es bei einem unter diese Richtlinie fallenden Kreditvertrag dem Kreditgeber verwehrt sei, sich gegenüber der Ausübung des Widerrufsrechts auf den Einwand der Verwirkung zu berufen, wenn eine der in Art. 10 Abs. 2 dieser Richtlinie vorgesehenen zwingenden Angaben nicht erfolgt sei. Diese Entscheidung bezieht sich jedoch – wie bereits dargetan - auf eine andere Richtlinie und andere - nämlich dort inhaltlich wesentliche - Richtlinienverstöße und ändert nichts an den Ausführungen des EuGH im Urteil vom 19.12.2019 in der Rechtssache Rust-Hackner zu Widerspruchsbelehrungen und zur diesbezüglichen Auslegung der für Versicherungsverträge einschlägigen Richtlinien (OLG Hamm, a.a.O.). Es gibt jedoch keinen Anhaltspunkt dafür, dass der EuGH mit seinem Urteil vom 09.09.2021 etwas an der Rechtsprechung zu Widerspruchsbelehrungen in Versicherungsverträgen ändern wollte (OLG Hamm, a.a.O. sowie v. 22.09.2021 - 20 U 121/19, BeckRS 2021, 40016). Auf diesen Gesichtspunkt geht das OLG Rostock in seinen gegenläufigen Entscheidungen vom 09.11.2021 und 08.03.2022 (4 U 51/21, BeckRS 2021, 41766 und BeckRS 2022, 3725) nicht ein, weshalb auch diese Entscheidungen an der Rechtsauffassung des Senats sowie daran, dass die maßgeblichen Rechtsfragen geklärt sind, nichts ändern (so auch OLG Hamm, a.a.O.; ablehnend auch OLG Karlsruhe, Beschl. v. 09.02.2022 - 12 U 80/21, BeckRS 2022, 2094).

Hinzu kommt, dass – wie ebenfalls bereits dargelegt - auch der vom EuGH in seiner Entscheidung vom 09.09.2021 aufgestellte Rechtssatz, wonach der Einzelne sich nicht in rechtsmissbräuchlicher Weise auf die Vorschriften des Unionsrechts berufen dürfte, im Einklang mit der bisherigen Rechtsprechung des EuGH im Bereich des Widerspruchs- oder Rücktrittsrechts bei Lebensversicherungsverträgen steht (OLG Karlsruhe, a.a.O., juris Rn. 12; OLG Hamm, a.a.O.). Eine erneute Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union ist daher ebenso wenig geboten wie eine Aussetzung des vorliegenden Verfahrens im Hinblick auf die seitens des Landgerichts Erfurt (Beschl. v. 30.12.2021 -- 8 O 1519/20, juris) erfolgte Vorlage (ebenso OLG Karlsruhe, a.a.O.; OLG Hamm, a.a.O.Rn. 21). Auch das vorgelegte Gutachten des Prof. Dr. Ebers vom 30.03.2022 (K 51) ändert an dieser Beurteilung nichts.