Toolbar-Menü
 
Sie sind hier: Gerichtsentscheidungen Berufung Beklagter und Beigeladener; Versäumung der Berufungsbegründungsfrist;...

Berufung Beklagter und Beigeladener; Versäumung der Berufungsbegründungsfrist; fehlender Zugang eines Fristverlängerungsantrages; Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (verneint); Organisationsverschulden einer Behörde; entsprechende Geltung anwaltlicher Sorgfaltspflichten; unzureichende Postausgangskontrolle; Nachbarklage; Baugenehmigung; Erweiterung einer Gaststätte; unbeplanter Innenbereich; faktisches allgemeines Wohngebiet; Reichweite der näheren Umgebung; gebietsversorgender Charakter der Bestandsgaststätte; Beherbergungsbetrieb; nicht hingenommene Erweiterung zum Touristikzentrum; Dienstleistungszentrum; Prägung verneint; Fremdkörper; fehlende Maßgeblichkeit aufgegebener landwirtschaftlicher Nutzung; gebietsübergreifender Charakter der erweiterten Gaststätte; Charakter und Reichweite des Versorgungsgebietes; Einbeziehung einheitlich strukturierter, wohngeprägter Gebiete; Funktionszusammenhang; Fußläufigkeit; Reichweite des zu versorgenden Personenkreises: nur Bewohner; nicht Nutzer anderer zulässiger Einrichtungen und Besucher; Sonderfall: Prägung des Wohngebietes durch Erholungsnutzung (verneint); Maßgeblichkeit objektiver Umstände: Vorhandensein eines Veranstaltungsraumes; gebietsübergreifender Versorgungsbedarf: angrenzendes Erholungsgebiet; nahegelegener Friedhof; Indizwirkung des Betriebskonzepts:; touristisch geprägter Internetauftritt gebietsübergreifende regionale Werbung; Durchführung von Feiern und Veranstaltungen; Begrenzung auf Gebietsversorgung durch Nebenbestimmungen (verneint); Gebietsübergreifende Gaststätte als nichtstörender Gewerbebetrieb (verneint); Sperrwirkung speziellerer Regelung


Metadaten

Gericht OVG Berlin-Brandenburg 10. Senat Entscheidungsdatum 01.06.2022
Aktenzeichen OVG 10 B 3.17 ECLI ECLI:DE:OVGBEBB:2022:0601.OVG10B3.17.00
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen § 1 Abs 6 Nr 2 BauGB, § 1 Abs 6 Nr 8 BauGB, § 34 Abs 1 S 1 BauGB, § 34 Abs 2 BauGB, § 4 Abs 2 Nr 2 BauNVO, § 4 Abs 3 Nr 1 BauNVO, § 4 Abs 3 Nr 2 BauNVO

Tenor

Die Berufung des Beklagten wird verworfen; die Berufung des Beigeladenen wird zurückgewiesen.

Der Beklagte und der Beigeladene tragen die Kosten des Berufungs-verfahrens je zur Hälfte.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Schuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Klägerin wendet sich gegen eine Baugenehmigung für die Erweiterung eines Gaststättenbetriebes.

Die Klägerin ist Eigentümerin des mit einem Wohngebäude bebauten Grundstückes in der F ... 13 in B ..., in dem ehemals eine kleine Pension untergebracht war.

Das Grundstück mit der heutigen Bezeichnung F ... 14 (ehemals 14 und 12a) ist mit einem Gebäude bebaut, in dem sich die Gaststätte „B ... “ befindet. Im rückwärtigen Teil des Grundstücks befinden sich Parkplätze und ein Spielplatz. Grundstückseigentümer und Betreiber der Gaststätte war der ehemalige Beigeladene J ..., der am 6. April 2019 verstorben ist und von dem Beigeladenen, seinem Sohn, beerbt wurde,, welcher das Verfahren fortführt.

Auf den angrenzenden, im Eigentum der Familie B ... stehenden Grundstücken 16 und 16a wird von Angehörigen des Beigeladenen seit dem Jahr 1995 eine Hotelanlage mit acht Zimmern betrieben. Hierfür wurden dem Großvater des Beigeladenen am 3. November 1995 eine Baugenehmigung für die Instandsetzung und Nutzungsänderung zu einer Pension erteilt. Am 22. August 2006 erging eine Baugenehmigung für die Bestandsaktualisierung/Neubau einer Hoftoilette und eines Carports, die erfolgte Nutzungsänderung für einen Hofladen sowie den Einbau eines Freisitzes. Ferner wurde am 7. August 2008 eine Baugenehmigung für die Errichtung des Bootsschuppens erteilt. Zuvor hatte die Stadt B ... am 2. April 2008 einen Bebauungsplan zur Ausweisung eines Sondergebietes „Hotelanlage B ... " mit dem Ziel beschlossen, die baurechtlichen Voraussetzungen für den Bestand der Hotel-, Gaststätten- und Wildtieranlage zu sichern und ihre Anbindung an den Gewässertourismus zu schaffen. Dieser war Gegenstand der Normenkontrollverfahren OVG 10 A 2.09 bzw. OVG 10 A 14.10/ 9.12/ 4.13 des Senates und wurde von der Stadt B ... am 10. April 2013 aufgehoben.

Die Familie führt ferner einen Landwirtschaftsbetrieb und einen Weinbau und betreibt im Außenbereich nördlich der F ... 10 bis 24 ein Wildgehege. Zwischen den Grundstücken F ... 14 und 16 verläuft ein Weg, der zu den Parkplätzen auf dem Grundstück 14 und gen Norden abbiegend vorbei an den rückwärtigen Parkplätzen auf dem Grundstück 16a zur Straße N ... führt; gen Südosten zweigt ein Weg ab, der an Gärten entlang auf kürzestem Weg zur Innenstadt führt.

Auf dem von den Grundstücken F ... 1 bis 16a gebildeten Bogen befinden sich überwiegend ein- und zweigeschossige Wohngebäude. Das Grundstück F ... 2 wird daneben gewerblich von einem Elektrikermeister genutzt. In der T ... 32 und 34/ Ecke F ... befindet sich ein dreigeschossiges Gebäude mit Containerstellplätzen im Hof, in dem zu DDR-Zeiten ein Dienstleistungszentrum untergebracht war und in dem sich gegenwärtig ein Sanitär- und Heizungsunternehmen, ein Abrissunternehmen, zwei Versicherungsmakler und Finanzberatungen, Praxen für Ergotherapie und Logopädie, Physiotherapie und Geburtshilfe sowie ein Yogastudio befinden. In dem zweigeschossigen Gebäude, das sich zur F ... 1 hin anschließt, befand sich ehemals die Gaststätte „K ... “ und ist heute die Physiotherapiepraxis untergebracht. Gen Nordwesten schließen sich auf der T ... ein Parkplatz für das Dienstleistungszentrum, zwei Wohnhäuser und ein Parkplatz für den Friedhof an, auf welchen die T ... an der F ... (Höhe Nr. 17 und 19) stößt. An dessen Westseite verläuft der W ... mit Wohnhäusern und einem Blumengeschäft (Nr. 2). Im nördlichen Teil der F ... finden sich neben weiteren Wohnhäusern ein Landwirtschaftsbetrieb (zwischen Nrn. 21 und 38) sowie der städtische Bauhof (Nr. 32). Im westlichen Teil der T ... befinden sich neben zumeist zweigeschossiger Wohnbebauung verschiedene Einzelgewerbe (Nr. 37: Montageservice, Nr. 31: Nähservice, Nr. 25: Elektromeister, Nr. 20: ehemaliger Videoverleih, Nr. 14: Werbung und Druck, Nr. 6: Seniorenbetreuung, Nr. 4: Versicherung), sowie soziale und kirchliche Einrichtungen (Nr. 27: Evangelisches Gemeindehaus, Nr. 8: Arbeitslosenverband mit Lebensmittelausgabestelle). Jenseits des N ... - und S ..., der auf Höhe der ehemaligen Stadtmauer verläuft, liegt in der B ... 10 die Gaststätte „ ... “. Dort beginnt die Innenstadt, an deren nordöstlichem Ausläufer die M ... -Kurklinik mit rund 200 Betten liegt. Westlich der ehemaligen Stadtmauer und südlich der T ... verläuft die Straße H ... mit mehrheitlich villenartiger Wohnbebauung sowie vereinzelten gewerblichen (Nr. 23: Zahnarzt, Nr. 28: Elektrobetrieb) und sozialen Nutzungen (Nr. 1: Kirche, Nr. 5: Kindergarten, Nr. 31-33: Altersheim). Diese mündet auf die T ..., welche gen Osten zurück zum Friedhof führt; dort befinden sich neben Wohnbebauung kleinere Gewerbe (Nr. 54: Garten- und Hausservice, Nr. 55: Hundefriseur, Nr. 59: ehemaliges Schneiderstübchen, Nr. 69: Parkett- und Fliesenleger, Hausmeisterdienste, Nr. 71: Schuhladen Nr. 77: Arzt und Hospiz, Nr. 79: Baumaschinenvermietung).

Die Gaststättennutzung in der F ... 14 entwickelte sich wie folgt: Im Jahr 1990 wurde J ... eine Baugenehmigung für ein Nebengebäude erteilt. In der Folge baute er das Nebengebäude zu einer Gaststätte mit einer Nutzfläche von 96,18 m² (41,67 m² Gastraum, 30 m² Lagerraum, zwei Toiletten) aus und beantragte nachträglich eine Baugenehmigung für die Nutzungsänderung, die ihm am 5. August 1992 erteilt wurde. Am 16. Dezember 2004 erteilte der Beklagte J ... eine Baugenehmigung für das Vorhaben "Anbau Gastraum II, Anbau Seitengebäude, Umnutzung Gebäude – Gastraum Tenne", mit der die Nutzfläche um 204,54 m² auf 300,72 m² erweitert werden sollte. An die ursprüngliche Gaststätte, deren Gastraum I – 42,21 m² – mit 19 Plätzen ausgewiesen ist, sollte in südlicher Richtung ein Anbau für ein Lager und die Toilettenanlage – ca. 90 m² –erfolgen sowie südwestlich ein neuer Gastraum II – 33,31 m² – mit 20 Plätzen geschaffen werden, ferner war eine bauliche Erweiterung durch Umnutzung eines vorhandenen Gebäudes in Richtung Westen als Gastraum Tenne –80,22 m² – mit 48 Plätzen vorgesehen. Nachdem in der Folge zunächst der Gastraum Tenne umgebaut wurde, verfügte die „B ... laut Internetauftritt 8/2005 über 28 Plätze in der bisherigen Gaststube und 80 Plätze in der „Scheune“. Infolge der Bauarbeiten und der Nutzung der Räumlichkeiten kam es zu einer Reihe von Nachbarbeschwerden, aufgrund derer der Beklagte nach Einholung eines schalltechnischen Gutachtens des Dipl.-Ing. R ... vom 28. März 2006 am 17. Mai 2006 eine Nachtragsbaugenehmigung mit einer Vielzahl von Nebenbestimmungen erteilte. Die gegen diese Baugenehmigung eingelegten Widersprüche der Klägerin und einer weiteren Nachbarin wies der Beklagte zurück; auf deren Klagen hob das Verwaltungsgericht Cottbus mit Urteilen vom 10. November 2010 –VG 3 K 588/07, VG 3 K 600/07 – die Genehmigungen unter Verweis auf eine Verletzung des Gebietserhaltungsanspruchs und die Unwirksamkeit des erlassenen Bebauungsplans auf; die Berufungszulassungsanträge des Beklagten wies der Senat mit Beschlüssen vom 18. September 2012 – OVG 10 N 4.11, OVG 10 N 9.11 – zurück.

Am 10. Juli 2012 beantragte J ... erneut eine Baugenehmigung zur Errichtung, Änderung und Nutzungsänderung für das Vorhaben Umbau, Modernisierung Gaststätte. In der Betriebsbeschreibung ist als Art des Betriebes oder der Anlage bezeichnet: Gastronomiebetrieb Gebietsgaststätte 49 Gastplätze, Betriebszeit an Werktagen von 18.00 Uhr, an Sonn- und Feiertagen von 11.00 Uhr. Der dem Bauantrag beigefügte Gästebestuhlungsplan 1 weist für den „Gastraum“ eine Fläche von 42,99 m² und 20 Plätze sowie für den “Gastraum Tenne“ eine Fläche von 87,64 m² und 29 Plätze aus, der Gästebestuhlungsplan 2 für den „Gastraum Tenne“ 48 Plätze und für den „Gastraum“ keine Bestuhlung; in beiden Plänen ist der ehemalige „Gastraum II“ als „Windfang“ bezeichnet und unbestuhlt. Ferner ist Teil der Antragsunterlagen ein Objektlageplan vom 27. Juni 2012, in dem zehn Außengastronomieplätze sowie sechs Parkplätze östlich des Gaststättengebäudes F ... 14 (Flurstück 2 ... und weitere zehn Parkplätze nordöstlich des Gaststättengebäudes und des Hotels im rückwärtigen Teil der F ... 16a (Flurstück 4 ... ) ausgewiesen sind. Mit Bescheid vom 30. Januar 2013 erteilte der Beklagte dem Beigeladenen die Baugenehmigung für das Vorhaben Umbau, Modernisierung Gaststätte auf dem Grundstück F ... 14 in B ... der Gemarkung L ..., Flur 4, Flurstücke 2 ..., 4 ... mit dem Vermerk, dass die Baugenehmigung entsprechend den Nebenbestimmungen (Anlage B) und der mit einem Grünstempel als zugehörig gekennzeichneten Bauvorlagen auszuführen sei. In Anlage B ist unter Ziffer 4. ausgeführt, die zulässige Platzkapazität der Gaststätte sowohl im Gaststättenbetrieb als auch bei geschlossenen Veranstaltungen für Gäste liege bei maximal 49 Personen. Laut Ziffer 5. sind die Betriebszeiten werktags von 18.00 bis 24.00 Uhr und an Sonn- und Feiertagen von 11.00 bis 01.00 Uhr einzuhalten. Nach Ziffer 6. ist in der Gaststätte (Gastraum I und Gastraum Tenne) ein Innenpegel von ca. LAeq 90 dB bzw. LCeq =100 dB beim Betrieb einzuhalten. Ferner heißt es, der Betreiber habe mit einem nicht manipulierten Messgerät die Einhaltung dieser Werte bei geschlossenen Veranstaltungen mit Musik und Feiern mit Musik zu dokumentieren. Nach Ziffer 7. ist der Zugangsbereich von der F ... zur Gaststätte im Betriebszeitraum 22.00 Uhr bis Betriebsende verschlossen zu halten, die Gäste sind durch Beschilderung an der F ... darüber zu informieren und durch Beschilderung im Zugangsbereich der F ... auf die rückwärtigen Parkplätze und den hinteren Zufahrtsbereich zu leiten. Nach Ziffer 8. müssen an den nächstgelegenen Wohnhäusern F ... 11, 12 und 13 die Immissionsrichtwerte für ein allgemeines Wohngebiet von 55 dB(A) tags bzw. 40 db(A) nachts beim Betrieb der Anlage einschließlich Besucherverkehr eingehalten werden. Nach Ziffer 9. hat der Betreiber auf Aufforderung auf dessen Kosten nachzuweisen, dass durch den Betrieb dieser Anlage verursachte Immissionen nicht zu einer Überschreibung der in der Auflage festgesetzten Grenzwerte führen.

Dagegen legte die Klägerin am 15. Februar 2013 Widerspruch ein. Nachdem der Beklagte die Aussetzung der Vollziehung abgelehnt hatte, beantragte sie die Anordnung der aufschiebenden Wirkung, die das Verwaltungsgericht Cottbus mit Beschluss vom 19. November 2013 – VG 3 L 165/13 – vornahm, soweit dem ehemals Beigeladenen die Nutzung der Gaststätte für mehr als vier Veranstaltungen im Dezember bzw. für mehr als zwei Veranstaltungen in den übrigen Monaten gestattet worden war. Unter der Annahme, dass die Gaststätte auf eine überörtliche Versorgung ausgerichtet sei, eine wohnortnahe Versorgung jedoch nicht ausgeschlossen werden könne, nahm es eine Interessenabwägung vor, mit der es die Zahl der Veranstaltungen in der für eine überörtliche Nutzung prädestinierten Tenne beschränkte, um den erforderlichen Bezug zur Gebietsversorgung weitestgehend zu wahren . Die dagegen von der Klägerin erhobene Beschwerde wies der Senat mit Beschluss vom 29. August 2014 – OVG 10 S 34.13 – zurück. Den Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 27. Januar 2014, zugestellt am 4. Februar 2014, zurück; in diesem wird ausgeführt, dass die Zahl der Veranstaltungen entsprechend dem Eilverfahren begrenzt werde und die Teilnehmerzahl 49 Personen nicht überschreiten dürfe.

Mit ihrer am 26. Februar 2014 erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter.

Unter dem 17. Januar 2017 hat der Beklagte dem Beigeladen die Änderungsgenehmigung Nr. 1 erteilt. Gegenstand sind nach der Ziffer I.1. die Änderung der Öffnungszeiten. Dem liegt ein Antrag des Beigeladenen vom 16. Dezember 2015 mit folgenden Angaben zugrunde: Öffnungszeiten Montag - Donnerstag 12.00 - 24.00 Uhr, Freitag/ Samstag 12.00 – 1.00 Uhr, Sonn- und Feiertage 11.00 bis 24.00 Uhr; Veranstaltungen: von Januar bis November 2/ Monat und Dezember 4 Veranstaltungen/Monat, mit dem Zusatz: Veranstaltungen sind Feiern mit mehr als 30 Personen.

Unter dem 31. Januar 2017 hat der Beklagte die Änderungsgenehmigung Nr. 2 erteilt. Gegenstand ist die Änderung der Veranstaltungsanzahl, Begriffsbestimmung „Veranstaltung“. Festgesetzt wurde: Veranstaltungsanzahl: Januar bis November zwei Veranstaltungen; Dezember vier Veranstaltungen. Ferner wurde vermerkt: „Als „Veranstaltung“ im Sinne der Änderungsgenehmigung gelten Familienfeiern, Feste, Versammlungen etc. mit einer Teilnehmerzahl von mehr als 30 Personen.“ Die Änderungsgenehmigung enthält die Anlage B–Nebenbestimmungen mit folgendem Inhalt: 1. Veranstaltungen sind unter Angabe der Personenanzahl rechtzeitig, jedoch spätestens 3 Werktage vor dem Veranstaltungstermin gegenüber der Genehmigungsbehörde anzuzeigen. 2. Im Rahmen der Dokumentationspflicht hat der Betreiber jede Veranstaltung zu dokumentieren. Die Dokumentationsverpflichtung erfasst den Beginn und das Ende der Veranstaltung sowie die Anzahl der teilnehmenden Personen. Die Dokumentation ist der unteren Bauaufsichtsbehörde jederzeit auf Verlangen nachzuweisen (Berichtspflicht).

Das Verwaltungsgericht hat der Klage, die Baugenehmigung des Beklagten vom 30. Januar 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Januar 2014 in der Fassung der 1. Änderungsgenehmigung vom 17. Januar 2017 sowie der 2. Änderungsgenehmigung vom 31. Januar 2017 aufzuheben, mit Urteil vom 2. Februar 2017 stattgegeben. Es ist von einer Verletzung des Gebietserhaltungsanspruchs der Klägerin ausgegangen. Die Eigenart der näheren Umgebung entspreche der eines allgemeinen Wohngebietes i.S.d. § 4 BauNVO. Maßgeblich sei die Bebauung an der F ..., die nahezu einheitlich von Wohnbauten geprägt sei, daneben finde sich eine Gaststätte, die mit einer ursprünglichen Platzzahl von 25 als der Versorgung des Gebiets dienend einzuschätzen sei, zwei kleine Beherbergungsbetriebe, ferner ein allgemein bzw. ausnahmsweise zulässiger Ein-Mann-Betrieb, dem kein erhebliches Störpotential zukomme, sowie ein Friedhof. Auf der T ... setze sich die Bebauung mit Wohngebäuden sowie Nutzungen mit einem geringen Störpotential fort. Ausgenommen sei das Dienstleistungszentrum Ecke F ..., das in seiner ursprünglichen Form nicht mehr vorhanden sei, mit der Physiotherapie eine zulässige Anlage für gesundheitliche Zwecke enthalte und durch das Dienstleistungsunternehmen keine anderweitige bauplanungsrechtliche Einschätzung gebiete, weil keine wechselseitige Prägung mit dem Vorhaben gegeben sei. Würde die T ... mit einbezogen, ergebe sich keine andere Gebietseinschätzung, denn der Gewerbestandort sei entweder als nicht störender Gewerbebetrieb anzusehen oder bliebe als Fremdkörper außer Betracht. In ein allgemeines Wohngebiet füge sich das genehmigte Vorhaben nicht ein, weil es auch bei einer Beschränkung auf 49 Plätze mit ca. 156 m² Nutzfläche nicht zur Versorgung des Gebietes diene. Der Versorgungsgebiet umfasse nicht den 700 m entfernten urbanen Innenstadtbereich, sondern die F ...,T ... und Teile des H ..., mithin ca. 100 Wohneinheiten, durch die sich der Gaststättenbetrieb nicht trage. Nach den Umständen des Falls ziele die gewerblichen Tätigkeit des Beigeladenen auch nicht auf die Versorgung des Gebiets, sondern ausweislich der unternommenen Bebauungsplanung darauf, mit der Stadt ein Gebiet mit touristischen Nutzungen zu entwickeln. Dass das Vorhaben am Rande eines allgemeinen Wohngebietes an der Grenze zum Außenbereich liege, führe nicht zu einer anderen Betrachtung, da die touristische Nutzung des Außenbereichs bodenrechtlich nicht verfestigt sei, die Bodennutzung nicht präge und mit dem Wohngebiet keinen einheitlich strukturierten Bereich bilde. Die Gaststätte liege nicht in einem förmlich festgesetzten oder schon etablierten Ausflugs- und Erholungsgebiet, sondern solle dieses im Zusammenwirken mit Familienangehörigen erst entwickeln. Dafür biete das Vorhaben ungeachtet der Nebenbestimmungen Raum, da es nur die Platzkapazität, nicht aber die Anzahl der Besucher begrenze, zehn weitere Außenplätze vorsehe, der Windfang für Zwecke des Gaststättenbetriebs genutzt werden könne und genutzt werde, die Erweiterung der Öffnungszeiten auf eine höhere Auslastung ziele, für die in der Umgebung kein Bedarf bestehe und die Beschränkung der Anzahl von Veranstaltungen über 30 Personen den Ortsbezug nicht sicherzustellen vermöge. Die immissionsrelevanten Nebenbestimmungen, mit denen der Störgrad des Vorhabens passend gemacht werden solle, seien so ungewöhnlich, betriebsfremd und schematisch, dass nicht mit einer effektiven Umsetzung und Kontrolle zu rechnen sei. Auch die ausnahmsweise Zulässigkeit des Vorhabens scheide aus. Mit Blick auf den regelmäßigen Anreiseverkehr und die typische Nachtruhestörung sei eine die Gebietsunverträglichkeit maßgebend beeinflussende Störung des bauplanungsrechtlich zu beurteilenden Vorhabens anzunehmen, die die allgemeine Zweckbestimmung des Gebiets, nämlich vorwiegend dem Wohnen zu dienen, gefährde.

Das Verwaltungsgericht hat mit Beschluss vom 12. Mai 2017 den Urteilstenor dahingehend berichtigt, dass das Datum des angegriffenen Bescheides 20. Januar 2013 durch 30. Januar 2013 ersetzt wurde. Ferner hat es mit Beschluss vom 13. Juni 2017 die Zuziehung eines Prozessbevollmächtigten für notwendig erklärt. Der Beklagte und der ehemalige Beigeladene haben die vom Verwaltungsgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung und besonderer rechtlicher Schwierigkeiten der Würdigung des Außenbereichsbezugs der Gaststätte zugelassene Berufung gegen das ihnen jeweils am 18. Mai 2017 zugestellte Urteil am 15. Juni 2017 bzw. am 16. Juni 2017 eingelegt. Auf den vom ehemals Beigeladenen gestellten Antrag vom 6. Juli 2017 wurde seine Begründungsfrist bis zum 18. September 2017 verlängert, die Begründung ging am 12. September 2017 ein. Am 11. August 2017 begründete die Beklagte die Berufung „innerhalb der verlängerten Begründungsfrist“. Auf den gerichtlichen Hinweis, dass eine solche Verlängerung nicht erfolgt sei, beantragte er am 14. August 2017 Wiedereinsetzung in die versäumte Frist und trug unter späterer Vorlage einer eidesstattlichen Versicherung der das Verfahren führenden Sachgebietsleiterin Rechtl. Aufsicht Frau S ... vor, diese habe am 20. Juni 2017 einen Fristverlängerungsantrag verfasst, welcher von ihr an die Amtspoststelle gegeben und von wo er mittels einfachem Brief per Post übermittelt worden sei; erst am 14. August 2017 habe sie feststellt, dass das Gericht den Antrag nicht beschieden habe.

Der Beklagte macht zur Begründung seiner Berufung geltend, dass das Vorhaben planungsrechtlich zulässig sei. Zur näheren Umgebung des Vorhabens gehörten die gesamte F ..., die W ... und die T ... bis einschließlich der B ... 10. Die dort vorhandenen und fortwirkenden ehemaligen wohnfremden Nutzungen gingen über den vom Verwaltungsgericht angenommenen Umfang hinaus (u.a. F ... Nr. 32: Bauhof, Nr. 16: Landhotel, Hofladen, Nr. 14: Bestandsgaststätte; T ... Nr. 32-34: Dienstleistungszentrum, ehemalige Gaststätte K ..., W ... Nr. 2: Blumenladen). In ihrer Häufung prägten sie die Umgebung, welche deshalb keinem allgemeinen Wohngebiet entspreche. Jedenfalls versorge die Gaststätte auch nach der Erweiterung das Gebiet. Das Betriebskonzept habe keine überregionale Ausrichtung, sei nicht so einzigartig, dass eine rein touristische Ausrichtung gewinnbringend sei und sei geeignet, in nennenswertem Umfang gebietsintern in Anspruch genommen zu werden. Zu berücksichtigen seien neben den im Bereich F ...,T ...,W ...,H ... gemeldeten 407 Bewohnern auch die Beschäftigten der dort angesiedelten Gewerbebetriebe, die Nutzer des Friedhofs, die Bewohner der Innenstadt und Gäste der Kurklinik, für welche die Gaststätte sämtlich fußläufig erreichbar sei, sowie die touristischen Besucher des angrenzenden Erholungsbereichs, der entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts bereits seit zehn Jahren etabliert sei. Schließlich sei das Gebot der Rücksichtnahme nicht verletzt. Die Nutzungsänderung der Tenne zum Gastraum erhöhe die zulässige Kapazität der Bestandsgaststätte von 38 Plätzen lediglich um 11 Plätze und die Immissionsmehrbelastung nur unwesentlich. Hingegen werde der Schutz durch die bautechnischen Maßnahmen erheblich verbessert, die im Schallschutzgutachten vom 28. März 2006 geforderten schallschutztechnischen Ertüchtigungen seien umgesetzt worden, und bei Einhaltung der Auflagen der angegriffenen Baugenehmigung würden die Immissionsrichtwerte der TA-Lärm für allgemeine Wohngebiete auch nachts unterschritten. Es sei Sache der Bauaufsichtsbehörde, gegen Überschreitungen der genehmigten Nutzung vorzugehen, die Auflagen seien bestimmt genug, um die Durchsetzung mit Ordnungsverfügung zu gewährleisten und ihre Einhaltung werde kontrolliert.

Der Beigeladene schließt sich den Ausführungen des Beklagten an und vertieft diese. Er geht davon aus, dass sich die Umgebung des Vorhabens als diffuses Gebiet, Mischgebiet oder urbanes Gebiet darstelle. Auch diene die Gaststätte weiterhin der Gebietsversorgung; insbesondere seien die Besucher der vom Hotel B ... betriebenen Anlagen und organisierten Veranstaltungen nicht dem Gaststättenbetrieb zuzuordnen.

Der Beklagte und der Beigeladene beantragen,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Cottbus vom 2. Februar 2017 zu ändern
und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung des Beklagten als unzulässig zu verwerfen
und die Berufung des Beigeladenen zurückzuweisen.

Die Klägerin sieht sich in ihrem Gebietserhaltungsanspruch verletzt. Das Erweiterungsvorhaben entspreche im Wesentlichem dem der vorausgehenden Baugenehmigung und sei aus den Gründen der vorausgegangenen Gerichtsentscheidungen unzulässig. Die Gaststätte diene nicht nur der Gebietsversorgung des Wohngebietes, der Beigeladene unterhalte vielmehr ein Touristikzentrum mit überregionalen Einzugsbereich. Die Nebenbestimmungen der neuen Baugenehmigung seien nicht geeignet, eine Störung der Nachbarschaft abzuwenden. Zudem ignorierten der Beigeladene und sein Rechtsvorgänger seit Jahren die Grenzen der Baugenehmigung, deren Einhaltung der Beklagte ungeachtet zahlreicher Nachbarbeschwerden nicht kontrolliere und durchsetze. Es fänden Feiern mit bis zu 150 Gästen bis spät in die Nacht statt, für die große Zelte im Freien aufgebaut würden, es erfolge Beschallung durch eine Musikanlage, die Fenster würden geöffnet und die Gäste ständen im Freien, die Durchfahrt werde nicht verschlossen und die Straße zugeparkt.

Der Senat hat am 1. Juni 2022 einen Ortstermin durchgeführt und die genehmigte Erweiterung der Gaststätte sowie die nähere und weitere Umgebung in Augenschein genommen; wegen der Einzelheiten wird auf das Protokoll Bezug genommen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die Gerichtsakten dieses Verfahrens und des Parallelverfahrens OVG 10 B 4.17, die Gerichtsakten der vorausgegangenen Verfahren des Senats und des Verwaltungsgerichts Cottbus betreffend Vorhaben in der F ... 14 (VG 3 K 588/07 bzw. OVG 10 N 9.11, VG 3 K 600/07 bzw. OVG 10 N 4.11; VG 3 L 235/12 bzw. OVG 10 S 23.12; VG 3 L 165/13 bzw. OVG 10 S 34.13, VG 3 K 886/13; VG 3 K 592/14 und VG 3 K 635/14) und betreffend den Bebauungsplan vom 2. April 2008 (OVG 10 A 2.09; OVG 10 A 14.10/ 9.12/ 4.13) sowie auf die Verwaltungsvorgänge des Beklagten betreffend Vorhaben in der F ... 14 und 16, die vorgelegen haben und deren Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung sowie der Entscheidungsfindung gewesen ist.

Entscheidungsgründe

Die Berufungen haben keinen Erfolg.

A. Die Berufung des Beklagten ist unzulässig.

I. Die nach am 18. Mai 2017 erfolgter Zustellung des Urteils an den Beklagten am 15. Juni 2017 und damit innerhalb der einmonatigen Frist des § 124a Abs. 2 Satz 1 VwGO eingelegte Berufung ist nicht fristgemäß begründet worden. Eine – wie vorliegend – vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung ist nach § 124a Abs. 3 Satz 1 VwGO innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Hierüber ist der Beklagte in der Rechtsbehelfsbelehrung des angegriffenen Urteils auch ordnungsgemäß belehrt worden. Innerhalb der bis zum 18. Juli 2017 laufenden Begründungsfrist (§ 57 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 222 Abs. 1 ZPO, § 188 Abs. 2 BGB) ist eine Berufungsbegründung beim Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg nicht eingegangen. Auch hatte das Gericht die Begründungsfrist nicht gemäß § 124a Abs. 3 Satz 3 VwGO verlängert, weil ein diesbezüglicher Antrag vor Ablauf der Frist nicht eingegangen war.

II. Die beantragte Wiedereinsetzung in die Begründungsfrist kommt nicht in Betracht. Die Gewährung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand setzt gemäß § 60 Abs. 1 VwGO voraus, dass der Betroffene ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten. Dies ist vorliegend nicht der Fall.

Ein Verschulden, das eine Wiedereinsetzung nach § 60 Abs. 1 VwGO ausschließt, liegt vor, wenn ein Beteiligter diejenige Sorgfalt außer Acht lässt, die für einen gewissenhaften und seine Rechte und Pflichten sachgemäß wahrnehmenden Prozessführenden im Hinblick auf die Fristwahrung geboten ist und ihm nach den gesamten Umständen des konkreten Falls zuzumuten war (W.-R. Schenke, in: Kopp/Schenke, VwGO, 27. Aufl. 2021, § 60 Rn. 9 m.w.N.). Einen Rechtsanwalt, dessen Verschulden den Beteiligten bei der Fristversäumung gemäß § 173 VwGO i.V.m. § 85 Abs. 2 ZPO regelmäßig zuzurechnen ist, treffen dabei besondere Sorgfaltspflichten sowohl bei der persönlichen Bearbeitung des Mandats als auch hinsichtlich der Organisation des Kanzleibetriebes hinsichtlich der Fristenüberwachung. Diese Sorgfaltspflichten gelten sinngemäß auch für den Fall der Prozessvertretung von juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder Behörden durch den in § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO genannten Personenkreis. Das in dieser Vorschrift eingeräumte "Behördenprivileg" besteht ausschließlich darin, auch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt vertretungsberechtigt sind, bezweckt jedoch keine Besserstellung der Behörde im Hinblick auf die von einem Vertretungsberechtigten im Rahmen seiner Prozessführung zu wahrenden Sorgfaltspflichten. Ein diese Sorgfaltspflichten verletzendes Organisationsverschulden fällt einem Prozessbevollmächtigten immer dann zur Last, wenn er nicht durch allgemeine Anweisung dafür Sorge trägt, dass der Ablauf von Rechtsmittelfristen zuverlässig rechtzeitig bemerkt wird (zu § 67 Abs. 1 Satz 3 VwGO a.F.: BVerwG, Beschluss vom 22. Dezember 2000 – BVerwG 11 C 10.00 –, juris Rn. 7; für einen Rechtsamtsmitarbeiter: OVG Münster, Beschluss vom 11. Juli 1990 – 24 B 3064/89 –, zitiert nach Beck-online; für einen Vertreter des öffentlichen Interesses: Bayerischer VGH, Beschluss vom 23. Mai 2005 – 25 ZB 03.881 –, juris Rn. 3; Czybulka/Kluckert, in: Sodan/ Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 60 Rn. 43; Hoppe in: Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 60 Rn. 21). Zum einen bedarf es eines mehrstufigen Schutzes gegen Fristversäumung dadurch, dass Fristen erst gelöscht werden dürfen, wenn sicher Vorsorge dafür getroffen ist, dass die Beförderung zum Briefkasten nicht mehr durch ein Büroversehen verhindert werden kann und eine allabendliche Kontrolle des Postausgangsfachs erfolgt (Greger in: Zöller, ZPO, 34. Aufl 2022, § 233, Rn. 23.7). Zum anderen sind hinreichenden Vorkehrungen für eine wirksame Ausgangskontrolle zu treffen. Der Büroablauf muss jedenfalls für fristwahrende Schriftsätze so organisiert sein, dass, etwa durch Führung eines Postausgangsbuches oder durch einen Vermerk im Terminkalender, eine wirksame Ausgangskontrolle durchgeführt werden kann. Der Abgang fristwahrender Schriftsätze muss so kontrolliert und vermerkt werden, dass er zweifelsfrei nachweisbar ist (BVerwG, Beschluss vom 04. Oktober 2002 – BVerwG 5 C 47.01 –, juris Rn. 3 m.w.N.).

Nach diesem Maßstab fällt dem Beklagten ein Organisationsverschulden in Gestalt unzureichender Ausgangskontrolle in Fristsachen zur Last. Die zum genannten Personenkreis zählende Sachgebietsleiterin Rechtliche Aufsicht der unteren Bauaufsichtsbehörde des Beklagten, Frau S ..., hat unter Versicherung an Eides statt vorgetragen, sie habe am 20. Juni 2017 einen Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist verfasst und diesen zur Amtspoststelle gegeben, welche ihn mittels einfachem Brief per Post an das Gericht übermittelt habe. Ein amtliches Postausgangsbuch werde seit Jahren nicht mehr geführt; stattdessen werde der Vorgang mit der Aktenausfertigung und dem Originalschreiben zur Poststelle gegeben, die einen handschriftlichen Verfügungsvermerk auf die Aktenausfertigung anbringe, mit der der Postausgang dokumentiert werde. Die beschriebene Praxis umfasst keine Vorkehrung, die eine sorgfältige Behandlung und Kontrolle des Ausgangs fristwahrender Schriftstücke in der Poststelle sicherstellt, denn weder wird ein besonderes Postausgangsbuch geführt, in dem die tatsächliche Bearbeitung und Absendung zur Poststelle verbrachter fristwahrender Schriftsätze fortlaufend vermerkt wird, noch existiert eine Anweisung, Fristen erst zu löschen, wenn die Absendung fristgebundener Schriftsätze vermerkt ist.

Ebenso wenig ist glaubhaft gemacht, dass der Fristverlängerungsantrag tatsächlich rechtzeitig abgesandt worden ist. Die in Ablichtung vorgelegten Aktenausfertigung des Verlängerungsantrages vom 20. Juni 2017 trägt die handschriftlichen Vermerke „1) Verf PA 21.6.2017“ und „2) zdA“ sowie eine Unterschrift des Schreibens durch seine Verfasserin Frau S ... . Einen handschriftlichen Vermerk der Poststelle über die erfolgte Absendung, wie er laut der eidesstattlichen Versicherung üblich sein soll, trägt diese Aktenausfertigung nicht. Die handschriftlichen Verfügungspunkte stammen ausweislich des einheitliches Schriftbildes und der ihr obliegenden Entscheidung zu 2), das Blatt zur Akte zu nehmen, von Frau S ... selbst, sodass die Verfügung zu 1) so zu verstehen ist, dass ein Postausgang – PA – des Schreibens am 21. Juni 2017 erfolgen sollte. Eine Ausführung dieser Anweisung ist hingegen nicht vermerkt. Auch ist der Abgang nicht anderweitig belegt, denn eine Absendung durch Frau S ... persönlich ist nicht vorgetragen und eine Absendung durch die Poststelle, welche von Frau S ... nicht selbst wahrgenommen worden ist, vermag diese mittels eidesstattlicher Versicherung nicht glaubhaft zu machen. Eine eidesstattliche Versicherung desjenigen Mitarbeiters der Poststelle, der das Schreiben abgesandt haben soll, wurde nicht vorgelegt. Die weiter vorgelegte eidesstattliche Versicherung der Beigeladenenvertreterin bezieht sich nicht auf diesen Umstand.

B. Die Berufung des Beigeladenen hat keinen Erfolg. Sie ist zulässig, insbesondere rechtzeitig eingelegt und innerhalb der auf entsprechenden Antrag verlängerten Frist begründet worden. Sie ist jedoch unbegründet, denn zu Recht hat das Verwaltungsgericht der Klage stattgegeben und die Baugenehmigung vom 30. Januar 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Januar 2014 in der Fassung der 1. Änderungsgenehmigung vom 17. Januar 2017 sowie der 2. Änderungsgenehmigung vom 31. Januar 2017 aufgehoben. Die zulässige Klage ist begründet, denn die dem ehemaligen Beigeladenen erteilten Bescheide, welche für den heutigen Beigeladenen fortwirken, sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten; diese kann daher die Aufhebung der Bescheides verlangen (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

I. Einen Rechtsanspruch auf Aufhebung einer erteilten Baugenehmigung hat der Nachbar nicht schon dann, wenn die Baugenehmigung objektiv rechtswidrig ist. Es gibt für ihn keinen allgemeinen Gesetzesvollziehungsanspruch gegen die Bauaufsichtsbehörde auf Befolgung aller baurechtlichen Normen, selbst wenn von diesen für ihn ein vorteilhafter Rechtsreflex ausgeht. Vielmehr setzt die Aufhebung der Baugenehmigung weiter voraus, dass der Nachbar durch die Genehmigung zugleich in seinen Rechten verletzt ist (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Dies ist nur dann der Fall, wenn die erteilte Genehmigung gegen eine öffentlich-rechtliche Vorschrift verstößt, die drittschützende Wirkung hat, also zumindest auch dem Schutz des Nachbarn dient (BVerwG, Urteil vom 6. Oktober 1989 – BVerwG 4 C 14.87 –, juris Rn. 9; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 11. Dezember 2013 – OVG 10 N 90.10 –, juris Rn. 5, Beschluss vom 29. April 2015 – OVG 10 S 18.14 –, EA S. 10). Ob dies der Fall ist, beurteilt sich grundsätzlich nach der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Genehmigungserteilung. Nur nachträgliche Änderungen zugunsten des Bauherrn sind zu berücksichtigen. Änderungen zu seinen Lasten bleiben außer Betracht, denn die erteilte Baugenehmigung vermittelt dem Bauherrn eine Rechtsposition, die sich, wenn ein Nachbar die Genehmigung anficht, gegenüber während des Rechtsmittelverfahrens eintretenden Änderungen der Sach- und Rechtslage durchsetzen kann (BVerwG, Beschluss vom 8. November 2010 – BVerwG 4 B 43.10 –, juris Rn. 8). Der Berücksichtigungsfähigkeit nachträglicher Änderungen zugunsten des Bauherrn liegt die Erwägung zugrunde, dass es mit der nach Maßgabe des einschlägigen Rechts gewährleisteten Baufreiheit nicht vereinbar wäre, eine zur Zeit des Erlasses rechtswidrige Baugenehmigung aufzuheben, die sogleich nach der Aufhebung wieder erteilt werden müsste (vgl. BVerwG, Beschluss vom 23. April 1998 – BVerwG 4 B 40.98 –, juris Rn. 3; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 29. Juni 2011 – OVG 10 N 39.08 –, juris Rn. 11).

II. Die streitgegenständlichen Baugenehmigungen verletzen die Klägerin in ihrem Gebietserhaltungsanspruch.

Gemäß § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB muss sich ein Vorhaben, das – wie vorliegend – innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile belegen ist, unter anderem nach seiner Art in die Eigenart der näheren Umgebung einfügen; entspricht die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete der Baunutzungsverordnung, so beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens nach seiner Art gemäß § 34 Abs. 2 BauGB allein danach, ob es nach der Verordnung in dem Baugebiet allgemein zulässig wäre, entsprechend § 31 Absatz 1 BauGB ausnahmsweise zulässig wäre oder entsprechend § 31 Absatz 2 BauGB eine Befreiung erteilt werden kann.

Die Regelung des § 34 Abs. 2 BauGB besitzt nachbarschützende Qualität (vgl. zum Ganzen OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss des Senats vom 7. Dezember 2018 – OVG 10 S 4.18 –, juris Rn. 12 m.w.N.). Der sich daraus ergebende sog. Gebietserhaltungsanspruch ist ein für den Nachbarschutz im Bauplanungsrecht entwickeltes und in der Rechtsprechung und Lehre allgemein anerkanntes Rechtsinstitut, das auf dem Gedanken des nachbarlichen Austauschverhältnisses beruht und besagt, dass die Eigentümer von Grundstücken in einem durch Bebauungsplan festgesetzten Baugebiet das Recht haben, sich unabhängig von einer individuellen Betroffenheit gegen Vorhaben zur Wehr zu setzen, die der Gebietsart und dem Gebietscharakter widersprechen. Anerkannt ist sowohl ein subjektiver Anspruch auf Abwehr eines Vorhabens, das bereits mit der Gebietsart an sich nicht vereinbar ist (allgemeiner Gebietserhaltungsanspruch), als auch der Anspruch auf Schutz vor solchen Vorhaben, die zwar in dem Baugebiet (jedenfalls ausnahmsweise) zulässig, auf Grund ihrer typischen Nutzungsweise aber gleichwohl (generell) im Hinblick auf die Zweckbestimmung des Baugebiets nicht gebietsverträglich sind. Es ist geklärt, dass der Gebietserhaltungsanspruch in Fällen des § 34 Abs. 2 BauGB wie bei festgesetzten Baugebieten auch bei faktischen Baugebieten gilt, es also eine Gleichstellung geplanter und faktischer Baugebiete im Sinne der Baunutzungsverordnung hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung nach § 34 Abs. 2 BauGB gibt (vgl. u.a. BVerwG, Beschluss vom 27. August 2013 – BVerwG 4 B 39.13 –, juris Rn. 3; OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 30. Juni 2017 – OVG 10 B 10.15 –, juris Rn. 44 jeweils m.w.N.). Der Gebietserhaltungsanspruch setzt dann voraus, dass die Eigenart der näheren Umgebung i.S. von § 34 Abs. 2 BauGB einem der Baugebiete nach der Baunutzungsverordnung entspricht. Ist das nicht der Fall, sondern stellt sich die Struktur der näheren Umgebung des Vorhabens insbesondere als eine sog. Gemengelage dar, die nicht nach § 34 Abs. 2 BauGB, sondern nach § 34 Abs. 1 BauGB zu beurteilen ist, kommt ein Anspruch auf Abwehr gebietsfremder Vorhaben über § 34 Abs. 2 BauGB nicht in Betracht (vgl. OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 10. Oktober 2018 – 2 M 53/18 –, juris Rn. 13 f.; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 24. Mai 2012 – 8 B 225/12 –, juris Rn. 13 f. m.w.N.)

2. Die nähere Umgebung entspricht vorliegend einem allgemeinen Wohngebiet i.S.d. § 4 BauNVO.

a. Für die Bestimmung der näheren Umgebung i.S.v. § 34 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 BauGB gelten folgende Kriterien (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 13. März 2013 – OVG 10 B 4.12 –, juris Rn. 37, 39): Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist auf diejenige Umgebung abzustellen, auf die sich die Ausführung des Vorhabens auswirken kann und die ihrerseits den bodenrechtlichen Charakter des Baugrundstücks prägt oder doch beeinflusst (Urteil vom 20. Dezember 2012 - BVerwG 4 C 11.11 -, juris Rn. 30 m.w.N.; vgl. auch OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 18. September 2012 - OVG 10 N 9.11 -, juris Rn. 7). Die Grenzen der näheren Umgebung lassen sich dabei nicht schematisch festlegen, sondern sind nach der tatsächlichen städtebaulichen Situation zu bestimmen, in die das für die Bebauung vorgesehene Grundstück eingebettet ist. Diese kann so beschaffen sein, dass die Grenze zwischen näherer und fernerer Umgebung dort zu ziehen ist, wo zwei jeweils einheitlich geprägte Bebauungskomplexe mit voneinander verschiedenen Bau- und Nutzungsstrukturen aneinanderstoßen. Der Grenzverlauf der näheren Umgebung ist nicht davon abhängig, dass die unterschiedliche Bebauung durch eine künstliche oder natürliche Trennlinie (Straße, Schienenstrang, Gewässerlauf, Geländekante etc.) entkoppelt ist. Eine solche Linie hat bei einer beidseitig andersartigen Siedlungsstruktur nicht stets eine trennende Funktion; umgekehrt führt ihr Fehlen nicht dazu, dass benachbarte Bebauungen stets als miteinander verzahnt anzusehen sind und insgesamt die nähere Umgebung ausmachen (BVerwG, Beschluss vom 28. August 2003 - BVerwG 4 B 74/03 -, juris Rn. 2; Urteil vom 26. Mai 1978 - BVerwG 4 C 9.77 -, juris Rn. 34; Urteil vom 21. November 1980 - BVerwG 4 C 30/78 -, juris Rn. 20; Beschluss vom 16. Juni 2009 - BVerwG 4 B50.08 -, juris Rn. 5). Bei der Abgrenzung der Reichweite der näheren Umgebung im Sinne von § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB ist regelmäßig danach zu differenzieren, ob es sich um ein Einfügen nach der Art der baulichen Nutzung oder nach den übrigen in der Norm genannten Kriterien handelt. Beim Einfügen nach der Art der baulichen Nutzung kommt es z.B. bei Vorhaben, von denen Emissionen ausgehen, über den Nahbereich hinaus auf eine tendenziell weiter zu ziehende Umgebung an, nämlich soweit sich die Ausführung des Vorhabens mit seinen Emissionen auswirkt. Unter dem Blickwinkel der übrigen Kriterien des § 34 Abs. 1 BauGB, hier der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, sind die Auswirkungen des Vorhabens auf die Umgebung und umgekehrt die Wirkung der Umgebung auf das Bauvorhaben in der Regel auf einen engeren Kreis begrenzt (vgl. Schrödter, BauGB, 9. Aufl. 2019 § 34 Rn. 34; Söfker in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, Baugesetzbuch, Stand: 143. EL August 2021, § 34 Rn. 45 m.w.N)

Für die Beurteilung der Eigenart der näheren Umgebung ist alles an Bebauung in den Blick zu nehmen, was tatsächlich vorhanden ist und nach außen wahrnehmbar in Erscheinung tritt (BVerwG, Urteil vom 23. März 1994 – BVerwG 4 C 18.92 –, juris Rn. 7; BVerwG, Beschluss vom 16. Juli 2018 – BVerwG 4 B 51/17 –, juris Rn. 6). Anlagen, die Bestandsschutz genießen, sind in jedem Fall zu berücksichtigen (BVerwG, Beschluss vom 24. Mai 1988 – BVerwG 4 CB 12.88 –, juris Rn. 4), nicht genehmigte und nicht genehmigungsfähige bauliche Anlagen nur dann, wenn sie von den zuständigen Behörden in einer Weise geduldet werden, die keinen Zweifel daran lässt, dass sie sich mit dem Vorhandensein der Gebäude abgefunden haben (BVerwG, Urteil vom 6. November 1968 – BVerwG 4 C 31.66 –, juris Rn. 22). Auch nicht mehr genutzte bauliche Anlagen prägen die Eigenart der näheren Umgebung weiter, solange mit einer Wiederbebauung oder einer Wiederaufnahme der Nutzung zu rechnen ist; die zeitlichen Grenzen richten sich nach der Verkehrsauffassung (BVerwG, Beschluss vom 2. Oktober 2007 – BVerwG 4 B 39.07 –, juris Rn. 2). Eine frühere Nutzung hat keinen Einfluss mehr, wenn eine neue Nutzung nicht nur vorübergehend ausgeübt wird (BVerwG, Beschluss vom 7. Mai 1991 – BVerwG 4 B 52.91 – juris Rn. 7).

Auch eine städtebaulich unerwünschte Bebauung darf von vornherein nicht außer Acht gelassen werden; da die Betrachtung jedoch auf das Wesentliche zurückzuführen ist, muss alles außer Acht gelassen werden, was die Umgebung nicht prägt oder in ihr gar als Fremdkörper erscheint (BVerwG, Urteil vom 15. Februar 1990 – BVerwG 4 C 23.86 –, juris Rn. 12 ; BVerwG, Beschluss vom 16. Juli 2018
– BVerwG 4 B 51/17 –, juris Rn. 6; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 14. März 2012 – OVG 10 N 34.10 –, juris Rn. 12). Außer Betracht bleiben singuläre Anlagen, die nicht die Kraft haben, die Eigenart der näheren Umgebung zu beeinflussen oder die in einem auffälligen Kontrast zur übrigen Bebauung stehen, weil sie quantitativ oder qualitativ völlig aus dem Rahmen herausfallen und deshalb wegen ihrer Andersartigkeit und Einzigartigkeit den Charakter ihrer Umgebung letztlich nicht beeinflussen können (BVerwG, Urteil vom 15. Februar 1990 – BVerwG 4 C 23.86 –, juris Rn. 14 ff.).

b. Nach diesem Maßstab erstreckt sich die nähere Umgebung des Vorhabens lediglich auf den von der Bebauung beiderseits der F ... 1 bis 16a gebildeten Bogen, der den Charakter eines allgemeinen Wohngebietes ausweist. Seine Nutzungen sind wie folgt zu charakterisieren:

Die Bestandsgaststätte F ... 14 ist, der tatsächlichen Ausnutzung der ursprünglichen Genehmigung 1992 entsprechend, als gebietsversorgende Schankwirtschaft mit 28 Plätzen einzustellen, die gemäß § 4 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO im allgemeinen Wohngebiet regelzulässig ist; ihre ab dem Jahr 2004 erfolgte Erweiterung ist hingegen nicht zu berücksichtigen, da sie bislang keinen Bestandsschutz erlangt hat und von der Beklagten auch nicht hingenommen, sondern nach Aufhebung der ersten Erweiterungsgenehmigung einer erneuten Prüfung unterzogen worden ist. Da die Ausgangsgenehmigung keine Platzzahl vorgab, ist auf deren praktische Umsetzung abzustellen, die entgegen der Ansicht des Beklagten nicht bei einer Maximalkapazität von 38 Plätzen, sondern ausweislich des Internetauftritts des B ... Stand August 2005 – nach Umbau der Tenne, aber vor Errichtung des kapazitätsreduzierenden Durchgangs zum Gastraum II – in der bisherigen Gaststube bei 28 Plätzen lag. Dass die Gaststätte in ihrer ursprünglichen Größe der Gebietsversorgung diente, erweist der Umstand, dass der im Jahr 1992 erteilten Genehmigung das nachbarschaftsgeeignete Betriebskonzept eines Imbisses aus Hausschlachterei zugrunde lag und angesichts des im Vorfeld angeforderten Einverständnisses der Nachbarn davon ausgegangen werden kann, dass diese anfangs kein Problem mit der Anlage hatten, sondern sich erst durch die Erweiterung 2004 veranlasst sahen, sich gegen die Lärmbelästigung der Anlage zu wehren Ihrem ehemals gebietsversorgenden Charakter entspricht es ferner, dass die Gaststätte laut Begründung des 2008 erlassenen Bebauungsplans neben der innerstädtischen Versorgung für die touristische Versorgung erst „gesichert“ werden sollte (vgl. Ziffer 8).

Das Landhotel F ... 16 stellt ein im allgemeinen Wohngebiet ausnahmsweise zulässiges Beherbergungsgewerbe i.S.d. § 4 Abs. 3 Nr. 1 BauNVO dar. Auch wenn das faktische Bestehen eines wohngebietsfremden Touristikzentrums nach dem Internetauftritt des B ... naheliegt, ist die Anlage nicht als solche zu berücksichtigen, weil die zuständigen Behörden sich mit deren Existenz bislang nicht abgefunden haben. Genehmigt wurde im Jahr 1995 zunächst nur eine Pension. Auch die im Jahr 2006 genehmigte, nur teilweise umgesetzte Erweiterung (Hofladen und Freisitz) gehörte zum Hotelbetrieb, denn laut einem mit dem Antrag vorgelegten Firmenexposé vom 2. Juni 2006 sollte mit der Aufwertung des Geländes als Verknüpfungspunkt für den Gewässertourismus eine bessere Auslastung der vorhandenen Bettenkapazität erreicht werden. Hiervon ist ersichtlich auch die Stadt L ... ausgegangen, welche ihr bauplanungsrechtliches Einvernehmen in der Annahme erteilte, dass sich das Vorhaben in einem allgemeinen Wohngebiet in die entsprechende nähere Umgebung einfüge. Nichts anderes folgt aus der im Jahr 2008 erteilten Baugenehmigung für den Bootsschuppen zum Zweck des Bootsverleihs, welche auf der Grundlage des Bebauungsplans zur Ausweisung eines Sondergebietes „Hotelanlage B ... " vom 2. April 2008 erteilt wurde, nachdem die Stadt L ... zuvor davon ausgegangen war, dass das Vorhaben bei Betrachtung des Gesamtkonzeptes des B ... im unbeplanten Innenbereich unzulässig sei. Das mithin touristische Gepräge des Bootsschuppens erstreckt sich indes nicht auf den Beherbergungsbetrieb, weil es für sich genommen zu unbedeutend ist, um dessen Charakter zu bestimmen. Auch haben sich die zuständigen Behörden mit dem rechtswidrigen Zustand bislang nicht abgefunden. Durch den Erlass des Bebauungsplans und die daraufhin erfolgte Genehmigung haben sie zu erkennen gegeben, dass das Vorhaben planbedürftig ist und die Herstellung eines rechtmäßigen Zustandes beabsichtigt ist. Dass die Stadt L ... die Planung bislang nicht wieder aufgenommen und der Beklagte die infolge der Planaufhebung materiell rechtswidrig gewordene Genehmigung für den Bootsschuppen bislang nicht zurückgenommen hat, ist dem legitimen Interesse der Beteiligten geschuldet, zunächst eine Klärung der Rechtslage im vorliegenden Verfahrens abzuwarten.

Der Elektromeisterbetrieb F ... 2 stellt, wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausführt, abhängig von der Reichweite seines Kundenkreises, entweder einen im allgemeinen Wohngebiet regelzulässigen gebietsversorgenden Handwerksbetrieb i.S.d. § 4 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO oder einen ausnahmsweise zulässigen nichtstörenden Gewerbebetrieb i.S.d. § 4 Abs. 3 Nr. 1 BauNVO dar.

Die frühere landwirtschaftliche, kleingärtnerische oder Tierhaltungsnutzung in diesem Teil der F ..., auf welche der Beigeladene verweist, prägt die Umgebung nicht mehr, weil die Nutzung zum Zeitpunkt der Genehmigung nicht mehr vorhanden war und eine beabsichtigte Fortführung nicht erkennbar ist. Auch eine Konservierung des früheren Gebietscharakters – in welcher der ruhebedürftigen Wohnnutzung gegenüber anderen, störenden Nutzungen ein geringeres Gewicht zukam als dies heute der Fall ist und das Vorhaben möglicherweise genehmigungsfähig gewesen wäre – mittels eines Bebauungsplans ist vorliegend nicht erfolgt, weshalb die Reichweite des Gebietserhaltungsanspruchs allein nach dem tatsächlichen Gebietscharakter zu bestimmen ist.

Die übrigen Gebäude und damit der weit überwiegende Teil des Abschnitts F ... 1 bis 16a dienen ausschließlich der gemäß § 4 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO regelzulässigen Wohnnutzung und verleihen der Umgebung den Charakter eines allgemeinen Wohngebietes. In einem solchen muss die Wohnnutzung vorherrschen, Wohngebäude und Wohnungen müssen im Vergleich zu anderen Nutzungen zahlenmäßig überwiegen und den Wohncharakter des Gebiets auch unter Berücksichtigung der anderen zulässigen Anlagen erkennbar prägen (BVerwG, Urteil vom 18. Oktober 2017 – BVerwG 4 CN 6.17 –, juris Rn. 24). Dies ist hier der Fall, denn sowohl nach ihrer Anzahl als auch nach ihrer Fläche überwiegen die Grundstücke mit reiner Wohnbebauung solche mit wohnfremden Nutzungen, welche ihrerseits nicht so dominant sind, dass sie das gesamte Gebiet überstrahlen würden, dessen Prägung mithin durch die Wohnnutzung erfolgt. Zu Unrecht geht der Beigeladene deshalb von einem diffusen Gebiet aus. Auch für ein faktisches Mischgebiet i.S.d. § 6 BauNVO fehlt es angesichts der deutlich überwiegenden Wohnbebauung an der erforderlichen ausgeglichenen Mischung. Auf die Gebietskategorie des urbanen Gebiets i.S.d. § 6a BauNVO findet die Regelung über faktische Baugebiete des § 34 Abs. 2 BauGB schon keine Anwendung (vgl. § 245c Abs. 3 BauGB, OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 27. Februar 2020 – OVG 10 S 4.20 – juris Rn. 16).

c. Entgegen der Ansicht des Beklagten und des Beigeladenen gehören die angrenzenden Bereiche der nordwestlichen Vorstadt von B ... nicht mehr zur näheren Umgebung des Vorhabens, weil sie eine andere städtebauliche Struktur als der vorgenannte Bereich F ... 1 bis 16a aufweisen.

aa. Der nordwestlich angrenzende Bereich, welcher durch die F ... Nr. 17 bis 42 und die W ... gebildet wird und neben Wohnnutzungen den Friedhof (F ... / W ... ), einen Blumenladen (W ... 2), den städtischen Bauhof (F ... 32), einen Landwirtschaftsbetrieb (Höhe F ... 23 bis 38) umfasst, weist eine andere städtebauliche Struktur auf. Während die Baustruktur in der näheren Umgebung des Vorhabens dicht und kleinteilig geprägt ist, schließt nördlich und westlich ein Bereich an, der unbebaut oder locker bebaut ist und eine geringere bauliche Nutzung mit hohem Grünflächenanteil aufweist, zu welchem auch der parkartig angelegte Friedhof zählt. Erst danach kommt in der weiteren Umgebung der Bauhof, der aufgrund dieser städtebaulichen Struktur nicht Teil der näheren Umgebung des Bauvorhabens selbst ist (ebenso: OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss des Senats vom 19. September 2012 – OVG 10 N 9.11 –, juris Rn. 11). Ebenso wenig ist ersichtlich, dass sich das Vorhaben selbst auf die dort vorhandenen Nutzungen auswirken könnte. Störende Emissionen der Gaststätte sind aufgrund der größeren Entfernung nicht zu erwarten und auch verkehrliche Auswirkungen sind nicht ersichtlich, da parkende Fahrzeuge in diesem Bereich nach der Kapazität des Vorhabens nicht zu erwarten sind und der vorhabenbedingte Verkehr sich von der F ... aus über weitere Routen (nördlicher N ..., nördliche und südliche T ... ) verteilt.

bb. Auch der südlich angrenzende Bereich, welcher die Bebauung an der T ... (Nrn. 7 bis 57 und 2 bis 42), am N ... (Nrn. 1 und 2b) umfasst, weist eine andere städtebauliche Struktur als die Umgebung des Vorhabens auf, aufgrund derer er sich als eigenständiges allgemeines Wohngebiet darstellt. Die Bebauung ist dort zumeist zweistöckig, auch mit ausgebautem Dachgeschoss, und nahezu durchgehend geschlossen, sie weist einen höheren Anteil gewerblicher und sozialer Einrichtungen auf, lässt von Straße zumeist keine gärtnerische Nutzung der hinteren Grundstücksteile erkennen und hat in der Gesamtschau dieser Umstände einen vorstädtisch-urbanen Charakter. Dementgegen ist die dichte und kleinteilige, zumeist anderthalbgeschossige Bebauung in der F ... 1 bis 16a in Häusergruppen unterteilt und weist eine sichtbare gärtnerische Nutzung insbesondere der zum Außenbereich hin gelegenen hinteren Grundstücksflächen auf, was den ehemals dörflichen Charakter der aus einer Fischersiedlung vor den Mauern der Stadt hervorgegangenen Umgebung noch immer erkennbar macht.

Insbesondere sind das dreigeschossiges Dienstleistungszentrum in der T ... 32-34 und das anschließende zweigeschossige Gebäude, in dem sich ehemals die Gaststätte „K ... “ befand, nicht mehr der näheren Umgebung des Vorhabens zuzurechnen. Das Dienstleistungszentrum stellt ein im allgemeinen Wohngebiet nicht zulässiges Geschäfts- und Bürogebäude dar. Daraus, dass Geschäfts- und Bürogebäude in § 4a BauNVO und §§ 6 bis 8 BauNVO ausdrücklich erwähnt, jedoch in § 4 BauNVO nicht mehr vorgesehen sind, folgt, dass diese im allgemeinen Wohngebiet nicht zulässig sind und sich die Annahme verbietet, sie könnten in ihrer Gesamtheit als sonstige nicht störende Gewerbebetriebe angesehen (Hessischer VGH, Beschluss vom 10. Oktober 2001 – 3 TG 2595/01 –, juris Rn. 10) oder in verschiedene Einzelnutzungen aufgespalten werden, deren Zulässigkeit getrennt zu beurteilen ist. Mit ihrer gesonderten Ausweisung trägt der Verordnungsgeber dem Umstand Rechnung, dass die Konzentration verschiedener Gewerbe in einem Gebäude zu einer Bündelung ihrer Einwirkung auf die Umgebung führt, die über die Summe der Einwirkungen jedes Einzelbetriebes hinausreicht. Zutreffend ist das Verwaltungsgericht indes davon ausgegangen, zwischen dem Vorhabengrundstück und dem Bereich T ... 32-34/ F ... keine wechselseitige Prägung besteht, weil aufgrund der Entfernung von jedenfalls 100 Metern und der zwischen ihnen liegenden Bebauung weder eine Sichtbeziehung besteht noch ersichtlich ist, dass mögliche Emissionen das jeweils andere Grundstück erreichen. Ebenso wenig sind verkehrliche Auswirkungen zu erwarten, weil beide Vorhaben über einen eigenen Parkplatz verfügen, parkende Fahrzeuge in diesem Bereich nach der Kapazität des Vorhabens nicht zu erwarten sind, der durch das Dienstleistungszentrum bedingte Verkehr über andere Routen verläuft (T ... und W ... ) bzw. der durch die Gaststätte verursachte Verkehr sich von der F ... aus über weitere Routen verteilt (nördlicher N ..., nördliche T ...,E ... W ... ) sowie der Standort des Dienstleistungszentrums aufgrund der direkten Anbindung an die Innenstadt ohnehin eine stärkere Verkehrsbelastung aufweist. Nimmt man dessen ungeachtet eine prägende Auswirkung zwischen Dienstleistungszentrum und Vorhaben an, so steht diese der Charakterisierung der näheren Vorhabenumgebung als allgemeines Wohngebiet nicht entgegen, weil sich das Dienstleistungszentrum in diesem Fall als Fremdkörper erweist: Das zu DDR-Zeiten errichtete dreigeschossiges Gebäude steht bezüglich des Maßes der baulichen Nutzung in deutlichem Widerspruch zu der es umgebenden, jeweils homogenen anderthalb- bzw. zweigeschossigen Bebauung an der F ... bzw. an der T ... . Mit seiner erheblichen Konzentration von Gewerben steht es auch bezüglich der Art der Nutzung in deutlichem Widerspruch zu der umgebenden, durch Wohnnutzung und Einzelgewerbe gekennzeichneten Umgebung, ist aber gleichzeitig nicht so groß, dass es seinerseits den Umgebungscharakter bestimmen würde.

Ebenfalls keine Prägung besteht in Bezug auf die ehemalige Gaststätte „K ... “, in deren Räumlichkeiten sich heute eine Physiotherapiepraxis befindet, für den Fall, dass die Gaststätte zum maßgeblichen Zeitpunkt der Genehmigungserteilung noch vorhanden oder noch mit ihrer Fortführung zu rechnen war. Dass beide Gaststätten ggf. in wirtschaftlicher Konkurrenz zueinander standen, ist ohne Belang, weil eine Prägung bodenrechtliche Auswirkungen voraussetzt. An solchen fehlt es hier, weil beide Vorhaben nicht in Sichtbeziehung zueinander stehen und aus den vorgenannten Gründen weder Auswirkungen durch Emissionen auf die ohnehin weniger störanfälligen Vorhaben noch verkehrliche Auswirkungen zu erwarten sind.

Die vorgenannte Bewertung gilt ebenso für die Wohnbebauung in dem benannten Bereich und die sonstigen, im Allgemeinen Wohngebiet jeweils regel- oder ausnahmezulässigen Gewerbenutzungen (Nr. 37: Montageservice, Nr. 31: Nähservice, Nr. 25: Elektromeister, Nr. 20: ehemaliger Videoverleih, Nr. 14: Werbung und Druck, Nr. 6: Seniorenbetreuung, Nr. 4: Versicherung) sowie kirchlichen und sozialen Einrichtungen (Nr. 27: Evangelisches Gemeindehaus, Nr. 8: Arbeitslosenverband mit Lebensmittelausgabestelle) entlang der T ... .

cc. Auch der an diesen südlich angrenzende Bereich, welcher die Bebauung an der Straße H ... und der T ... (Nrn. 44 bis 62 und 59 bis 71) umfasst, weist eine andere städtebauliche Struktur als die Umgebung des Vorhabens auf, aufgrund derer er sich als eigenständiges allgemeines Wohngebiet darstellt. Die Straße H ... mit ihren ausschließlich freistehenden und mehrheitlich großzügigen Gebäuden, die zumeist von großen Gartenflächen umgeben sind, und ihren nur vereinzelten und wohngebietsverträglichen gewerblichen (Nr. 23: Zahnarzt, Nr. 28: Elektrobetrieb) und sozialen Nutzungen (Nr. 1: Kirche, Nr. 5: Kindergarten, Nr. 31-33: Altersheim) sowie die T ..., in welcher sich neben Einfamilienhäusern ebenfalls kleinere und wohngebietsverträgliche Gewerbe finden (Nr. 54: Garten- und Hausservice, Nr. 55: Hundefriseur, Nr. 59: ehemaliges Schneiderstübchen, Nr. 69: Parkett- und Fliesenleger, Hausmeisterdienste, Nr. 71: Schuhladen Nr. 77: Arzt und Hospiz, Nr. 79: Baumaschinenvermietung), haben den Charakter einer vorstädtischen Villensiedlung, welcher sich sowohl von dem urbaneren Vorstadtcharakter der übrigen T ... als auch von dem dörflichen Charakter der F ... 1 bis 16a unterscheidet.

d. Ebenso gehören die in östlicher Richtung jenseits der ehemaligen Stadtmauer (N ... - und S ... ) gelegene Innenstadt, in welcher sich die Gaststätte „A ... “ an der B ... 10, das Rathaus, der Marktplatz, eine Vielzahl von Gastwirtschaften und teils großflächigen Läden sowie das Einkaufszentrum „R ... “ befinden, und der nordöstlich anschließende Bereich, in dem die M ... -Kurklinik, das Amtsgericht, ein Museum und das Bürgerhaus belegen sind, nicht mehr zur näheren Umgebung des Vorhabens. Schon weil dort die Wohnnutzung nicht im Vordergrund steht, weisen diese Gebiete eine gänzlich andere städtebauliche Struktur als der Bereich F ... 1 bis 16a auf.

e. Schließlich bleibt der im Flächennutzungsplan als Sondergebiet Erholung ausgewiesene Teil des Außenbereichs außer Betracht. Mit der näheren Umgebung i.S.d. § 34 BauGB, die sich prägend auf das Grundstück auswirkt und auf die sich das neue Vorhaben prägend auswirken kann, sind nur Bestandteile des Innenbereichs gemeint, Auswirkungen auf Bestandteile des Außenbereichs werden hingegen allein durch das Rücksichtnahmegebot erfasst (BVerwG, Urteil vom 10. Dezember 1982 – BVerwG 4 C 28.81 –; beck-online).

2. In dieses faktische allgemeine Wohngebiet fügt sich das genehmigte Vorhaben nicht ein, weil die Gaststätte in der Gestalt der genehmigten Erweiterung keine der Versorgung des Gebiets dienende Schank- und Speisewirtschaft i.S.d. § 4 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO mehr darstellt.

a. Eine Schank- und Speisewirtschaft dient der Versorgung des Gebiets, wenn sie in einem ins Gewicht fallenden Umfang von den Bewohnern der Umgebung aufgesucht wird und sich deshalb dem Gebiet, in dem sie liegt, funktional zuordnen lässt (BVerwG, Beschluss vom 18. Januar 1993 – BVerwG 4 B 230.92 – juris Rn. 5). Das Tatbestandsmerkmal trägt zum einen zum Zweck eines allgemeinen Wohngebiets bei. Ein solches Gebiet dient nach § 4 Abs. 1 BauNV vorwiegend dem Wohnen und die Nutzungen nach § 4 Abs. 2 Nr. 2 und 3 BauNVO 1977 sind der Wohnnutzung zugeordnet, damit im Wohngebiet selbst eine Versorgungsinfrastruktur bereitgestellt werden kann, mit der sich die Grundbedürfnisse der Bevölkerung befriedigen lassen (Hessischer VGH, Urteil vom 28. Oktober 2019 – 4 C 2447/17.N –, juris Rn. 53). Zu diesen Grundbedürfnissen gehört die Möglichkeit, in fußläufiger Entfernung eine Schank- oder Speisewirtschaft aufzusuchen. § 4 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO trägt damit dem in § 1 Abs. 6 Nr. 2 BauGB formulierten Grundsatz Rechnung, dass die Bauleitplanung den Wohnbedürfnissen der Bevölkerung entsprechen soll und greift den in § 1 Abs. 6 Nr. 8 a) BauGB genannten Gesichtspunkt der verbrauchernahen Versorgung der Bevölkerung auf. Im Interesse der Wahrung dieser Belange, und damit aus Gründen überlegter Städtebaupolitik, nimmt sie die Störungen in Kauf, die Gaststätten in einem Wohngebiet regelmäßig schon deshalb hervorrufen, weil sie auch zu Zeiten betrieben zu werden pflegen, zu denen dem Ruhebedürfnis der Nachbarschaft besonderes Gewicht zukommt (BVerwG, Beschluss vom 3. September 1998 – BVerwG 4 B 85.98 – juris Rn. 5; Urteil vom 20. März 2019 – BVerwG 4 C 5.18 –, juris Rn. 17 f.). Das Tatbestandsmerkmal der Gebietsversorgung wehrt zum anderen zusätzliche Störungen ab, die ohne Eingrenzung des Einzugsbereichs absehbar wären. Schank- und Speisewirtschaften sind in allen Baugebietskategorien mit Ausnahme der reinen Wohngebiete zulässig und unterliegen lediglich in allgemeinen Wohngebieten und Kleinsiedlungsgebieten der spezifischen Beschränkung, dass sie der Versorgung des Gebiets dienen müssen. Das Erfordernis der Gebietsversorgung verhindert so, dass Unruhe in das allgemeine Wohngebiet hineingetragen wird (Külpmann, jurisPR-BVerwG 13/2019 Anm. 6 zu BVerwG, Urteil vom 20.03.2019 - BVerwG 4 C 5.18 –). § 4 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO dient dem Ausgleich dieser konkurrierender Belange, indem es von gebietsversorgenden Schank- und Speisewirtschaften ausgehende Störungen der Wohnruhe im Interesse der Versorgung des Wohngebietes hinnimmt; die von ihnen bei typisierender Betrachtung ausgehenden Störungen hält der Verordnungsgeber deshalb für gebietsverträglich (BVerwG, Urteil vom 20. März 2019 – BVerwG 4 C 5.18 –, juris Rn. 19).

Das zu versorgende Gebiet entspricht grundsätzlich dem konkreten, durch Bebauungsplan festgesetzten oder nach § 34 Abs. 2 BauGB zu beurteilenden Baugebiet (Ziegler in: Brügemann, BauGB, Stand 1/2022, § 2 BauNVO Rn. 38), dies ist jedoch nicht zwingend (BVerwG, Beschluss vom 18. Januar 1993 – BVerwG 4 B 230.92 –, juris Rn. 5). Wie weit die Grenze zu ziehen ist, lässt sich nicht abstrakt festlegen, sondern bestimmt sich nach den konkreten städtebaulichen Verhältnissen (BVerwG, Beschluss vom 3. September 1998 – BVerwG 4 B 85.98 – juris Rn. 5). Wenn das Baugebiet besonders groß ist, kann das Versorgungsgebiet nur aus einem Teil desselben bestehen (Stock in: König/ Röser/ Stock, BauNVO, 4. Aufl. 2019, § 4 Rn. 14; Hornmann in: Spannowsky/ Hornmann/ Kämper, BauNVO, 2. Aufl. 2021, § 4 Rn. 45; Ziegler in: Brügemann, BauGB, Stand 1/2022, § 2 BauNVO Rn. 38). Bildet das ausgewiesene Wohngebiet mit angrenzenden Gebieten, die rechtlich oder tatsächlich ebenfalls als Wohngebiet zu qualifizieren sind, einen einheitlich strukturierten zusammenhängenden Bereich, so kann dies ein Grund sein, den räumlichen Bezugsrahmen entsprechend zu erweitern (BVerwG, Beschluss vom 3. September 1998 – BVerwG 4 B 85.98 – juris Rn. 4 f.). Erfasst sein können angrenzende reine und allgemeine Wohngebiete sowie Kleinsiedlungsgebiete (Hornmann in: Spannowsky/ Hornmann/ Kämper, BauNVO, 2. Aufl. 2021, § 4 Rn. 45; Ziegler in: Brügemann, BauGB, Stand 1/2022, § 2 BauNVO Rn. 38). Eine solche konkrete Betrachtungsweise gestattet am ehesten die Feststellung, ob eine Gaststätte nach ihrem voraussichtlichen Einzugsbereich in ein allgemeines Wohngebiet gehört und verhindert sachwidrige Ergebnisse für den Fall, dass das Plangebiet bzw. faktische Baugebiet verhältnismäßig klein ist oder aber weite Bereiche eines Gemeindegebietes überspannt oder nicht zusammenhängende Teilflächen erfasst (OVG Berlin, Urteil vom 29. April 1994 – OVG 2 B 18.92 – juris Rn. 21).

Außer Betracht bleiben danach zum einen Gebiete innerhalb und außerhalb des Plangebietes, die von der Schank- und Speisewirtschaft so weit entfernt sind, dass der Funktionszusammenhang nicht mehr als gewahrt angesehen werden kann. Durch die Ausrichtung auf die Gebietsversorgung soll sichergestellt werden, dass der Gaststättenbetriebs in einem ins Gewicht fallenden Umfang von solchen Personen aufgesucht wird, die dessen ohnehin nachteiligen Folgen für die Anwohner nicht noch dadurch erhöhen, dass der An- und Abfahrtverkehr Unruhe erzeugt, die von einem Wohngebiet ferngehalten werden soll. Besucher, die unter Berücksichtigung der örtlichen Gegebenheiten zur Inanspruchnahme des Gaststättenbetriebs realistischerweise auf die Benutzung eines Kraftfahrzeuges angewiesen sind, gehören demnach nicht zu der Zielgruppe, deren Versorgung § 4 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO vornehmlich ermöglichen will. Das maßgebliche Gebiet reicht danach nur so weit, wie bei typisierender Betrachtung überhaupt die Möglichkeit besteht, die Schank- und Speisewirtschaft ggf. auch ohne Kraftfahrzeug zu erreichen (BVerwG, Beschluss vom 3. September 1998 – BVerwG 4 B 85.98 – juris Rn. 5).

Außer Betracht bleiben zum anderen Gebiete, die weder die Merkmale eines allgemeinen Wohngebiets oder eines Kleinsiedlungsgebiets aufweisen noch überhaupt durch Wohnnutzung geprägt werden, sondern durch eine andere Nutzungsart gekennzeichnet sind; denn die mit der Regelung intendierte Beschränkung liefe leer, wenn der mit "Gebiet" umschriebene Versorgungsbereich mit dem Gemeindegebiet oder Gemeindegebietsteilen gleichzusetzen wäre (BVerwG, Beschluss vom 3. September 1998 – BVerwG 4 B 85.98 – juris Rn. 4). Personen, die die Schank- und Speisewirtschaft von einem solchen Gebiet aus aufsuchen, bleiben mithin auch dann außer Betracht, wenn sie dessen Bewohner sind. Dass die Gebietsversorgung nicht allein durch die fußläufige Erreichbarkeit bestimmt wird, sondern darüber hinaus von einer zusammenhängenden und einheitlichen Gebietsstruktur abhängt, erklärt sich daraus, dass die mit § 4 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO intendierte Konkordanz von Störung und Versorgung eine Einbeziehung lediglich solcher angrenzenden Wohngebiete rechtfertigt, in denen ein ebensolcher Interessenausgleich stattzufinden hat und dessen Anwohner folglich wechselseitig von der in dem jeweiligen Gebiet eröffneten Versorgung unter Hinnahme der mit ihr jeweils einhergehenden Störung profitieren. Soweit das Bundesverwaltungsgericht in einigen Entscheidungen (Beschluss vom 18. Januar 1993 – BVerwG 4 B 230.92 –, juris Rn. 5; Urteil vom 29. Oktober 1998 – BVerwG 4 C 9/97 –, juris Rn. 11) allein darauf abgestellt hat, ob die Schank- und Speisewirtschaft in erheblichem Umfang von Bewohnern des umliegenden Gebiets besucht wird, ohne dessen Charakter näher zu bestimmen, war in den genannten Fällen bereits erstere Voraussetzung nicht gegeben.

Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts ist für die Bestimmung des gebietsversorgenden Betriebsanteils allein der Versorgungsbedarf der Wohnbevölkerung, nicht jedoch der durch die sonstigen regel- und ausnahmezulässigen Vorhaben i.S.d. § 4 Abs 2 und 3 BauNVO ausgelöste Versorgungsbedarf zu berücksichtigen (a.A OVG Berlin, Urteil vom 29. April 1994 – OVG 2 B 18.92 – juris Rn. 28; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 1. Juli 2002 – 3 S 650/01 –, juris Rn. 39). Dafür könnte zwar der Wortlaut des § 4 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO sprechen, welcher auf eine Versorgung des „Gebiets“ abstellt und – anders als § 3 BauNVO – keine Beschränkung auf die „Bedürfnisse der Bewohner“ vornimmt. Dem steht jedoch entgegen, dass § 4 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO durch Schank- und Speisewirtschaften typischerweise hervorgerufene Störungen lediglich im Interesse einer verbrauchernahen Versorgung der „Bevölkerung“ i.S.d. § 1 Abs. 6 Nr. 2 und Nr. 8 a BauGB hinnimmt, deren Zulassung mithin allein den Belangen der Bewohner Rechnung tragen soll. Dem entspricht es, dass die vorgenannten Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts ausschließlich auf den Grad der Nutzung durch die „Bewohner“ der Umgebung abstellen.

Ob dann, wenn der Gebietscharakter des Allgemeinen Wohngebietes nicht allein durch die Wohnnutzung, sondern auch durch eine weitere Nutzung geprägt wird, auch deren Versorgungbedarf zur Gebietsversorgung zählt, bedarf vorliegend keiner Entscheidung, denn ein solcher Fall ist hier nicht gegeben. In dem vom Oberverwaltungsgericht Berlin im Urteil vom 29. April 1994 – OVG 2 B 18.92 – entschiedenen Sonderfall, der dem Verwaltungsgericht Anlass zur Zulassung der Berufung gegeben hat, ist das Gericht davon ausgegangen, ein im Rahmen von § 4 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO anzuerkennender Versorgungsbedarf an sich gebietsfremder Personen könne auch durch eine den Gebietscharakter in spezifischer Weise prägende städtebauliche Situation und Beschaffenheit des Wohngebiets hervorgerufen werden (Rn. 28). Dies war dort der Fall, weil das streitgegenständliche Gaststättenvorhaben im Bereich eines durch Bebauungsplan festgesetzten allgemeinen Wohngebiets und zugleich inmitten eines beliebten Wander- und Erholungsgebietes in der Nähe zu einer Passagierschiffsanlegestelle an der Havel lag, weshalb es in verstärktem Maße von Ausflüglern frequentiert wurde und das Gericht davon ausging, dass der Plangeber diesen Umstand im Bebauungsplan berücksichtigt hatte und mit diesem der Funktion des Gebiets als ruhiger Villenvorort einerseits und Erholungsgebiet andererseits Rechnung tragen wollte (Rn. 28). Vor diesem Hintergrund erachtete das Gericht es als ausreichend, dass die Ausrichtung der Gaststätte objektiv geeignet sei, in nennenswertem Umfang auch von Gebietsbewohnern aufgesucht zu werden, ohne zu verlangen, dass sich die Kundschaft vornehmlich aus diesen rekrutiere (Rn. 29). Eine solche besondere Prägung des allgemeinen Wohngebietes durch andere Nutzungsarten setzt indes eine ausdrückliche Entscheidung des Plangebers voraus, neben der Wohnnutzung eine weitere Nutzung nicht nur zulassen, sondern ihr darüber hinaus eine besondere Bedeutung für den Charakter des Gebiets einräumen zu wollen. Fehlt es – wie regelmäßig und auch vorliegend – an einer solchen besonderen Prägungsentscheidung, so verbleibt es dabei, dass das allgemeine Wohngebiet seine Prägung allein dadurch erfährt, dass es gemäß § 4 Abs. 1 BauNVO vorwiegend dem Wohnen dient. Begründet folglich der Umstand, dass ein allgemeines Wohngebiet innerhalb einer Erholungsgegend liegt, für sich genommen keine besondere Prägung desselben, so kommt es vorliegend auch nicht darauf an, ob die Erholungsnutzung, wie der Beklagte meint, bereits seit zehn Jahren etabliert oder, wie das VG meint, erst im Entstehen begriffen ist.

b. Nach dieser Maßgabe ist für den gebietsversorgenden Charakter der genehmigten Gastwirtschaft ausschließlich auf die Wohnbevölkerung der nordwestlichen Vorstadt von B ... abzustellen.

aa. Die nordwestliche Vorstadt gliedert sich mit dem Gebiet F ... 1 bis 16a, welches die nähere Umgebung des Vorhabens i.S.d. § 34 Abs. 2 BauGB bildet, dem südlich angrenzenden Gebiet T ... (Nrn. 7 bis 57 und 2 bis 42) und N ... (Nrn. 1 und 2b) sowie dem weiter südlich angrenzenden Gebiet Straße H ... und T ... (Nrn. 44 bis 62 und 59 bis 71) in drei faktische allgemeine Wohngebiete. Diese sind zwar verschieden – dörflich, vorstädtisch-urban und als vorstädtische Villensiedlung – charakterisiert, ungeachtet dessen jedoch einheitlich strukturiert im vorgenannten Sinn, weil es sich jeweils um durch ihre Wohnbebauung geprägte Gebiete handelt. Auch bilden sie einen zusammenhängenden Bereich, denn ihre Bebauung schließt entweder unmittelbar oder lediglich durch kleinere Grünflächen getrennt aneinander an. Schließlich ist der Funktionszusammenhang gegeben, da der Fußweg von den erfassten Grundstücken zur genehmigten Gaststätte maximal 500 m beträgt, sodass davon ausgegangen werden kann, dass die Anwohner ihn ohne Auto bewältigen werden. Ob auch der nordwestlich angrenzende, durch die F ... Nr. 17 bis 42, den Friedhof und die W ... gebildete Bereich in diesen Zusammenhang einzubeziehen ist oder insoweit keine einheitliche Struktur gegeben ist, weil dieses Gebiet im Hinblick auf seinen erheblichen Freiflächenanteil als von Siedlungssplittern durchsetzter Außenbereich zu qualifizieren ist, bedarf vorliegend keiner Entscheidung, weil der Umstand aufgrund der geringen Zahl dort lebender Personen keine Auswirkungen auf den der Gaststätte beizumessenden Charakter hat. Denn selbst unter Einbeziehung des letztgenannten Bereichs geht der Senat auf der Grundlage der vom Beklagten benannten Meldezahlen und der im Satellitenbild ersichtlichen Zahl von etwa 150 Häusern davon aus, dass die nordwestlichen Vorstadt im Zeitraum zwischen der Genehmigungserteilung bis heute nicht mehr als 500 Bewohner umfasst.

Nicht in die Gebietsversorgung einzubeziehen sind hingegen die Hotelgäste des in diesem Bereich liegenden B ... . Zwar gehört das Hotel zu den zulässigen Nutzungen der näheren Umgebung des streitgegenständlichen Vorhabens, seine Gäste sind jedoch keine Bewohner, auf deren Versorgung es allein ankommt. Dies gilt ebenso für die Tagesbesucher der Veranstaltungen des B ... . Ebenfalls keine Gebietsversorgung stellt die durch den ca. 150 m entfernten Friedhof hervorgerufene Nutzung der Gaststätte für Trauerfeiern dar. Denn selbst für den Fall, dass der Friedhof Teil der maßgeblichen Gebietes ist, sind seine Besucher keine Bewohner desselben, auf deren Versorgung es allein ankommt.

bb. Nicht abzustellen ist auf die Wohnbevölkerung der Innenstadt von B ... . Zum einen handelt sich um ein abweichend strukturiertes, nicht mehr durch Wohnnutzung geprägt Gebiet, zum anderen führt bereits die zumeist mehr als 500 Meter betragende Entfernung dazu, dass nicht davon ausgegangen werden kann, dass die dortigen Anwohner die Gaststätte in erheblichem Maß zu Fuß frequentieren werden. Ebenfalls nicht abzustellen ist auf sonstige Nutzer des Innenbereiches, insbesondere Personen, die diese zum Arbeiten oder einkaufen aufsuchen, welche schon keine Bewohner sind.

cc. Nicht abzustellen ist ferner auf die die Gäste der weiter östlich gelegenen M ... Kurklinik. Zum einen ist deren Umgebung abweichend strukturiert und weist keine Wohnbebauung auf, sondern dürfte unter Berücksichtigung der weiteren Nutzungen einem Kerngebiet i.S.d § 7 BauNVO entsprechen. Zum anderen sind die Kurgäste keine Bewohner, auf deren Versorgung allein abzustellen ist. Schließlich liegt es aufgrund der Wegstrecke von mindestens 900 m fern, dass die Kurgäste die Gaststätte in erheblichem Maß zu Fuß frequentieren werden, unabhängig davon, ob der längere Weg über die Innenstadt oder der kürzere Weg über den Außenbereich gewählt wird.

dd. Nicht abzustellen ist schließlich auf den Versorgungsbedarf solcher Personen, die den an die Gaststätte angrenzenden Außenbereich zu Erholungszwecken nutzen. Der abweichend strukturierte Außenbereich ist schon kein durch Wohnbebauung geprägtes Gebiet, um dessen Versorgung willen die Bewohner des faktischen allgemeinen Wohngebietes Störungen in Kauf nehmen müssten. Ebenso wenig prägt die angrenzende Erholungsnutzung aus den vorgenannten Gründen hier den Gebietscharakter des faktischen allgemeinen Wohngebietes selbst.

c. Der Versorgung dieser Wohnbevölkerung der nordwestlichen Vorstadt von B ... dient die Gaststätte vorliegend nicht in einem ins Gewicht fallenden Umfang.

aa. Maßgeblich für die Qualifizierung als gebietsbezogene Anlage sind nicht primär die Absichten des Betreibers der Gastwirtschaft, sondern vielmehr objektive Kriterien, insbesondere die Größe und sonstige Beschaffenheit der Anlage, die daraus sich ergebenden Erfordernisse einer wirtschaftlich tragfähigen Ausnutzung, die örtlichen Gegebenheiten und die – möglicherweise regional unterschiedlichen – typischen Verhaltensweisen in der Bevölkerung. Danach ist zu beurteilen, ob die Anlage absehbar nur oder zumindest in einem erheblichen Umfang von den Bewohnern des umliegenden Gebiets besucht wird oder ob ein darüber hinausgehender Besucherkreis zu erwarten ist, der zum Verlust des Gebietsbezugs führt. Das Betriebskonzept ist zwar nicht belanglos, hat jedoch nur indizielle Bedeutung, etwa im Hinblick auf seine bisherige und künftige wirtschaftliche Tragfähigkeit (BVerwG, Urteil vom 29. Oktober 1998 – BVerwG 4 C 9.97 –, juris Rn. 11); spricht es eine andere Sprache als die objektiven Verhältnisse, gibt daher nicht den Ausschlag (Stock in: König/ Röser/ Stock, BauNVO, 4. Aufl. 2019, § 4 Rn. 16). Da das Gebietsversorgungsmerkmal bodenrechtlichen Charakter hat, kommt es nicht darauf an, ob in dem Baugebiet ein konkreter Bedarf für einen bestimmten Betrieb besteht; maßgeblich sind hingegen situationsbedingte Faktoren wie Gebietsgröße, Bevölkerungsdichte, Kaufkraft und Konsumverhalten sowie betriebsbedingte Faktoren wie die Verkaufsfläche, Warenangebot, Raumaufteilung und Ausstattung und die sich daraus ergebenden Erfordernisse für eine wirtschaftlich tragfähige Ausnutzung (Hornmann in: Spannowsky/ Hornmann/ Kämper, BauNVO, 2. Aufl. 2021, § 4 Rn. 47).

bb. Nach dieser Maßgabe erweisen folgende objektive Umstände, dass die Gaststätte auf einen überörtlichen Nutzerkreis ausgerichtet ist:

Relevant ist zum einen die erhebliche Nutzfläche der Gaststätte. Mit 42,99 m² für den Gastraum I, 87,64 m² für den Gastraum Tenne und 33,31 m² für den ursprünglich als Gastraum II konzipierten Windfang bietet sie nach der Erweiterung objektiv Platz für mehr als 100 Personen. Es entspricht betriebswirtschaftlicher Vernunft, diese Kapazität nach Möglichkeit auszunutzen, um den erheblichen Investitionskosten und Nebenkosten größtmögliche Einnahmen gegenüberzustellen.

Maßgebliches Indiz für den gebietsübergreifenden Charakter nach Erweiterung ist die Schaffung eines Raumes für größere Veranstaltungen. Der “Gastraum Tenne“ eröffnet dem Beigeladenen die objektive Möglichkeit, größere Veranstaltungen privater und dienstlicher Art abzuhalten. Da solche Events für den Betreiber besonders attraktiv sind, weil sich damit bei planbarem Personal- und Warenbedarf erhebliche Umsätze generieren lassen, steht objektiv zu erwarten, dass diese nach Möglichkeit durchgeführt werden. Für derartige Veranstaltungen verzeichnet ein Wohngebiet mit allenfalls 150 Haushalten indes keinen adäquaten Bedarf der Bewohner. Unabhängig davon, ob der Einladende aus der Nachbarschaft stammt, ziehen solche Veranstaltungen zudem regelmäßig einen über die Nachbarschaft hinausgehenden Teilnehmerkreis an, so dass sie mit einer erhöhten Verkehrsbelastung verbunden sind. Zwar ist grundsätzlich auch das Feiern Teil des Wohnens, weshalb eine durch Feiern in der eigenen Wohnung entstehende Verkehrsbelastung in einem allgemeinen Wohngebiet hinzunehmen ist; externe Feiern mit einer über das in der eigenen Wohnung mögliche Maß hinausgehenden Gästezahl stellen jedoch keine dem Wohnen zuzurechnende Gebietsversorgung mehr dar.

Relevant ist ferner der in der Umgebung angelegte Bedarf einer gebietsübergreifenden Versorgung und der Umstand, dass die Gaststätte sich aufgrund ihrer Lage für dessen Deckung anbietet. Die „B ... “ stellt die dem Friedhof nächstgelegene Möglichkeit dar, Trauerfeiern abzuhalten und bietet dafür mit drei Räumen unterschiedlicher Größe jeden erforderlichen Rahmen. Ferner eignet sie sich, um den anwohnerfremden Versorgungsbedarf zu decken, der durch den Betrieb des B ... entsteht und durch diesen nicht selbst gedeckt wird. Dieser bietet weder für die Hotelgäste noch für die Tagesbesucher, welche das Tier- und Wildgehege und die Bootsstation ansteuern oder an Veranstaltungen wie der jährlichen Brandenburger Landpartie teilnehmen, eine Verpflegungsangebot. Insbesondere war der Hofladen in der Vergangenheit nur halbjährlich einmal wöchentlich geöffnet und bot keine verzehrfertigen Speisen und Getränke an. Dabei rechnet der Senat die Bewirtung solcher Veranstaltungen dem familiären Gesamtbetrieb und damit auch der Gaststätte des Beigeladenen unabhängig davon zu, ob diese innerhalb der Gasträume oder in für Großveranstaltungen eigens aufgestellten Verpflegungszelten erfolgt. Da ein Hotelbetrieb von der Größe des B ... eine solche Veranstaltung nicht aus eigener Kraft durchzuführen vermag, ein gastronomisches Angebot indes erforderlich ist, damit sich eine solche Veranstaltung trägt, entspricht es sowohl betriebswirtschaftliche Vernunft als auch familiärer Solidarität, diese gemeinsam durchzuführen. Ebenso macht die idyllische, kinderfreundliche Umgebung der Gaststätte sie für private Feiern wie Hochzeiten, Geburtstage, Taufen, Einschulungen und Jugendweihen sowie nichtprivate Events wie Klassen- und Betriebsausflüge, Weihnachtsfeiern, Firmenjubiläen und Parteiveranstaltungen attraktiv. Schließlich liegt die Gaststätte in unmittelbarer Nähe der S ... und des Radwanderweges, für deren touristische Nutzer sie sich deshalb als Versorgungsmöglichkeit anbietet.

cc. Ebenso entsprach und entspricht es dem subjektiven Betriebskonzept des Beigeladenen, die Gaststätte auf gebietsfremde Nutzer auszurichten. Dies erweisen die folgenden Umstände:

Die Werbung der Gaststätte richtete sich in der Vergangenheit an ein gebietsexternes Publikum. So inserierte der B ... im Oktober 2013 das Angebot der Gaststätte zur Herbstschlachtzeit und wies auf mögliche Bestellungen für Familienfeiern hin. Zu Ostern 2013, 2014 und 2015 inserierte der B ... im W ... gemeinsame Angebote der Tiergehege, des Hofladens und der Gaststätte im Wochenkurier. Zum Muttertag 2014 gab es einen Werbeaufsteller für die Gaststätte an der B 1 ... . Im September 2014 inserierte die „B ... als „beliebtes Ausflugsziel“ im S ... Zur Brandenburger Landpartie im Juni 2015 inserierte der B ... im W ... u.a. einen Frühschoppen. Zu Himmelfahrt 2015 inserierte die Gaststätte ihre gutbürgerliche Küche und ein Grillangebot. Dass diese Anzeigen in lokalen Zeitungen erschienen und sich nicht an ein überregionales Publikum richteten, ist entgegen der Ansicht des Beklagten nicht maßgeblich, denn auch die damit angesprochene Zielgruppe reichte über die für den Gebietsbezug maßgebliche Bewohnerschaft der nordwestlichen Vorstadt hinaus.

Auch der Internetauftritt des B ... richtete sich an ein gebietsexternes Publikum. Dort wurden das Hotel und die Gaststätte ehemals gemeinsam beworben. Die Seite w ..., Stand Januar 2017, wies unter mehrfacher Bezugnahme auf die Gaststätte auf ein umfassendes touristisches Angebot hin. Auf der Startseite hieß es unter Abbildung von Signets für Hotel und Gaststätte: „Willkommen auf unserem idyllisch in der Niederlausitzer Heidelandschaft gelegenen, wunderschönen Hof. Der familiengeführte Betrieb besteht aus dem Landhotel 'B ... ', dem Gasthaus 'B ... ', dem ökologisch orientierten Landwirtschaftsbetrieb und dem Weinbaubetrieb L ... .“; im Reiter „Service“ wurden Gutscheine für Hotelaufenthalt, Wellness, Gaststätte und Bootstouren angeboten und im Reiter „Gaststätte ... “ hieß es, das schöne Ambiente werde gern für Familienfeste, Vereinsfeiern, Betriebsjubiläen gebucht. Der Hinweis des Beklagten, ein solcher Internetauftritt entspreche zeitgemäßer Betriebsführung, ändert nichts daran, dass dessen Fokus vorliegend nicht gebietsversorgend, sondern touristisch war. Auch die Frage, ob das Hotel mit Hofladen und Wildgehege oder der Bootsverleih eine besondere touristische Attraktion darstellt, die überörtliche Besucher anzieht, ist ohne Belang, es genügt, dass im Schwerpunkt andere Personen als die Vorstadtbewohner angesprochen werden sollten. Ebenso wenig kommt es darauf an, ob das Angebot einzigartig ist und eine ausschließlich touristische Ausrichtung gewinnbringend erlauben würde.

Nichts anderes folgt daraus, dass der Internetauftritt, Stand Juni 2022, nur noch eine einzelne Bezugnahme auf die Gaststätte aufweist, indem es im Reiter „Der B ... “ heißt: „ Herzlich Willkommen auf dem B ... - Landwirtschaftsbetrieb, Tiergehege, Landhotel 'B ... ', Gaststätte 'B ... ' Wassertourismus und Weinbaubetrieb! … Regelmäßige Veranstaltungen und Feste mit Gästen aus Nah und Fern zeugen von der Beliebtheit des Hofes und der Qualität unserer Erzeugnisse.“ Nach Überzeugung des Senates geht mit der Entfernung des früheren Reiters „Gaststätte B ... “ nicht eine tatsächliche Trennung von Hotel- und Gaststättenbetrieb einher. Zum einen haben die Mitglieder der Familie laut eines Artikels in der „L ... “ vom 26. September 2019 nach dem Tod des ehemaligen Beigeladenen beschlossen, den Familienbetrieb gemeinsam fortzusetzen. Zum anderen konnte sich der Senat im Ortstermin davon überzeugen, dass weiterhin eine gemeinsame Bewirtschaftung erfolgt. Das Hotel und die Gaststätte werden weiterhin durch ein gemeinsames Schild beworben, die Hotelgäste parkten auf den nächstgelegenen Parkplätzen der Gaststätte, und sowohl der durch den Beigeladenen terminsbevollmächtigte Halbbruder als auch sein im Termin anwesender Großvater sprachen in der „Wir“-Form über die einzelnen Aktivitäten des Familienunternehmens.

Für eine Ausrichtung des Betriebskonzepts der Gaststätte auf gebietsfremde Nutzer spricht weiter, dass dort seit der Erweiterung eine hohe Zahl von Feiern und Veranstaltungen stattgefunden hat. So wurden nach den detaillierten Aufzeichnungen der Klägerin und der Kläger des Parallelverfahrens OVG 10 B 4.17, die seitens der übrigen Beteiligten nicht substantiell Zweifel gezogen worden sind, im Jahr 2013 mindestens 30 Feiern, im Jahr 2014 mindestens 50 Feiern und im ersten Halbjahr 2015 mindestens 20 Feiern veranstaltet. Ebenso hat der B ... jedenfalls zwischen 2005 und 2019 mit einem umfangreichen touristischen und gastronomischen Angebot an der Brandenburger Landpartie teilgenommen und bewirbt diesen Umstand weiterhin in seinem Internetauftritt. Gerade solche Veranstaltungen, die nicht nur vereinzelt durchgeführt werden und mit Blick auf die hohe Anzahl von Gästen wesentlich zur wirtschaftlichen Auslastung der Gaststätte beitragen, sind mit einer Vielzahl gebietsübergreifender An- und Abreisen mit Fahrzeugen verbunden.

dd. Schließlich vermögen die der Baugenehmigung beigefügten Nebenbestimmungen bereits ihrem Inhalt nach den gebietsübergreifenden Charakter der Gaststätte nicht in Frage zu stellen, ohne dass es auf die seitens des Verwaltungsgerichts problematisierte Effektivität ihrer behördlichen Durchsetzung ankommt.

Die endgültigen Betriebszeiten (Änderungsgenehmigung Nr. 1 vom 17. Januar 2017) führen nicht zu einer Reduzierung des Anteils auswärtiger Besucher, denn sie schließen lediglich vormittägliche Schulausflüge und Trauerfeiern aus, die nur einen marginalen Teil des Umsatzes ausmachen dürften. Auch die ursprünglichen Betriebszeiten (Ziff. 5 des Bescheides vom 30. Januar 2013) führten nur zu einer geringfügigen Reduzierung des Anteils auswärtiger Besucher, denn sie schlossen zwar wochentägliche Schulausflüge und Beerdigungsfeiern aus, offen stand die Gaststätte jedoch wochentags in den Abendstunden, zu denen Feiern und Veranstaltungen im Schwerpunkt stattfinden und am Wochenende, das den Schwerpunkt des Tages- und Kurzzeittourismus bildet, war sie an einem Tag und zwei Abenden geöffnet.

Die Beschränkung der Zahl von Veranstaltungen mit mehr als 30 Personen auf zwei bzw. vier pro Monat, deren vorherige Anzeige und nachfolgende Dokumentation (Änderungsgenehmigung Nr. 2 vom 31. Januar 2017) führt ebenfalls nur zu einer geringfügigen Reduzierung des Anteils auswärtiger Besucher, denn neben zwei bzw. vier dieser Großveranstaltungen kann der Beigeladene eine unbegrenzte Zahl kleinerer Veranstaltungen durchführen. Auch für solche kleineren Feiern besteht in der maßgeblichen Umgebung kein hinreichender Bedarf, der zu einer erheblichen Auslastung der Gaststätte führen könnte, wohingegen ein entsprechender gebietsübergreifender Bedarf in der Umgebung angelegt ist, weil insbesondere Beerdigungsfeiern diese Grenze regelmäßig unterschreiten. Ebenso bleibt die touristische Nutzung der Gaststätte von dieser Vorgabe unberührt, da sie regelmäßig individuell oder in Kleingruppen erfolgt.

Ebenso vermag die Beschränkung der zulässigen Platzkapazität auf 49 Personen (Ziff. 4 des Bescheides vom 30. Januar 2013), unabhängig von der erstinstanzlich verneinten Frage, ob damit auch die Anzahl der Besucher beschränkt wird, nicht zu steuern, zu welchem Anteil sich die Gästezahl aus Anwohnern rekrutiert.

Auch die Vorgaben, die Zufahrt über die F ... ab 22 Uhr zu schließen und durch Beschilderung an der F ... darüber zu informieren, die Immissionsgrenzen und die Messvorgaben (Ziff. 6 bis 9 des Bescheides vom 30. Januar 2013) haben keinen Einfluss auf den Anteil überörtlicher Gäste, denn sie hindern nicht, dass diese die Gaststätte aufsuchen.

3. Schließlich stellt das genehmigte Vorhaben keinen nichtstörenden Gewerbebetrieb i.S.d. § 4 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO dar, der in dem faktischen allgemeinen Wohngebiet ausnahmsweise genehmigt werden könnte.

Gaststätten, die nicht der Versorgung des Gebiets dienen, können nicht über Abs. 3 Nr. 2 als „sonstige nicht störende Gewerbebetriebe“ zugelassen werden; der speziellere Anlagenbegriff der gebietsversorgenden Speisewirtschaft mit seinen besonderen Voraussetzungen sperrt insoweit den allgemeineren Anlagenbegriff des nichtstörenden Gewerbes (Stock in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, Baugesetzbuch, Stand: 143. EL August 2021 § 2 Rn. 69, 88; Stock in: König/ Roeser/ Stock, BauNVO 4. Aufl. 2019, § 4 Rn. 73a und 74; Fickert/ Fieseler, BauNVO, 13. Aufl 2018 § 2 Rn. 13.21; Vietmeier in: Bönker/Bischopink, BauNVO 2. Aufl 2018, § 2 Rn. 41; § 4 Rn. 22; Ziegler in: Brügelmann, BauNVO § 2 Rn. 77 f).

Der vereinzelt gebliebenen Ansicht, ein nicht gebietsversorgendes Fastfood-Restaurant könne im Wege der Einzelfallprüfung als nichtstörender Gewerbebetrieb zugelassen werden (OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 16. März 2005 – 10 B 1350/04 –, juris Rn. 11), folgt der Senat aus den nachfolgenden Erwägungen des Bundesverwaltungsgerichts nicht:

Die Baunutzungsverordnung konkretisiert in ihrer Baugebietstypologie u.a. die an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse zu stellenden Anforderungen sowie das Interesse an einer verbrauchernahen Versorgung der Bevölkerung. Von maßgeblicher Bedeutung für die Bestimmung des jeweiligen Gebietscharakters sind die Anforderungen des Vorhabens an ein Gebiet, die Auswirkungen des Vorhabens auf ein Gebiet und die Erfüllung des spezifischen Gebietsbedarfs. Der Verordnungsgeber will durch Zuordnung von Nutzungen zu Baugebieten die so oft gegenläufigen Ziele zu einem schonenden Ausgleich im Sinne überlegener Städtebaupolitik bringen. Dieses Ziel kann nur erreicht werden, wenn die vom Verordnungsgeber dem jeweiligen Baugebiet zugewiesene allgemeine Zweckbestimmung den Charakter des Gebietes eingrenzend bestimmt. Das Erfordernis der Gebietsverträglichkeit bestimmt nicht nur die regelhafte Zulässigkeit, sondern erst recht den vom Verordnungsgeber vorgesehenen Ausnahmebereich. Zwischen der jeweiligen spezifischen Zweckbestimmung des Baugebietstypus und dem jeweils zugeordneten Ausnahmekatalog besteht ein gewollter funktionaler Zusammenhang. Das bedeutet: die normierte allgemeine Zweckbestimmung ist auch für die Auslegung und die Anwendung der tatbestandlich normierten Ausnahme bestimmend. Das allgemeine Wohngebiet dient gemäß § 4 Abs. 1 BauNVO "vorwiegend dem Wohnen". Es soll nach Möglichkeit ein ungestörtes Wohnen gewährleisten. Das prägt seinen Gebietscharakter. Die Gebietsunverträglichkeit beurteilt sich für § 4 BauNVO in erster Linie nach dem Kriterium der gebietsunüblichen Störung. (BVerwG, Urteil vom 21. März 2002 – BVerwG 4 C 1/02 –, juris Rn. 12-15).

§ 4 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO trägt dem in § 1 Abs. 6 Nr. 2 BauGB formulierten Grundsatz Rechnung, dass die Bauleitplanung den Wohnbedürfnissen der Bevölkerung entsprechen soll. Die Vorschrift greift darüber hinaus den in § 1 Abs. 6 Nr. 8a) BauGB genannten Gesichtspunkt der verbrauchernahen Versorgung der Bevölkerung auf. Im Interesse der Wahrung dieser Belange nimmt sie die Störungen in Kauf, die Gaststätten in einem Wohngebiet regelmäßig schon deshalb hervorrufen, weil sie auch zu Zeiten betrieben zu werden pflegen, zu denen dem Ruhebedürfnis der Nachbarschaft besonderes Gewicht zukommt. Die Beschränkung auf die Gebietsversorgung dient als Mittel dazu, den zusätzlichen Beeinträchtigungen nach Möglichkeit vorzubeugen, die bei einem Verzicht auf eine Eingrenzung des Einzugsbereichs absehbar wären. Durch die Ausrichtung auf die Gebietsversorgung soll mithin sichergestellt werden, dass die Schank- und Speisewirtschaft nur in einem ins Gewicht fallenden Umfang von einem Personenkreis aufgesucht wird, der die mit einem Gaststättenbetrieb ohnehin verknüpften nachteiligen Folgen für die Anwohner in der Umgebung der Betriebsstätte nicht noch dadurch erhöht, dass er durch An- und Abfahrtverkehr Unruhe erzeugt, die von einem Wohngebiet ferngehalten werden soll (BVerwG, Beschluss vom 3. September 1998 – BVerwG 4 B 85/98 –, juris Rn. 5) . Ist die Schank- und Speisewirtschaft auf gebietsfremde Gäste ausgerichtet, so ist sie in einem allgemeinen Wohngebiet daher gebietsunverträglich und damit unzulässig (BVerwG, Urteil vom 20. März 2019 – BVerwG 4 C 5.18 –, juris Rn. 16).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 und 3 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Gründe vorliegt.