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Entscheidung 12 U 58/22


Metadaten

Gericht OLG Brandenburg 12. Zivilsenat Entscheidungsdatum 14.07.2022
Aktenzeichen 12 U 58/22 ECLI ECLI:DE:OLGBB:2022:0714.12U58.22.00
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen

Tenor

1. Der Tenor des am 16.03.2022 verkündeten Urteils der 11. Zivilkammer - Einzelrichter - des Landgerichts Potsdam, Az. 11 O 385/20, wird hinsichtlich des Zinsausspruchs in Ziffer 1 gemäß § 319 ZPO wegen einer offensichtlichen Unrichtigkeit wie folgt berichtigt:

„1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 6.000,00 € zuzüglich Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz, maximal jedoch 4 % p.a. seit dem 01.04.2018 zu zahlen. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.“

2. Der Senat beabsichtigt, die Berufung des Klägers gegen das am 16.03.2022 verkündete Urteil der 11. Zivilkammer - Einzelrichter - des Landgerichts Potsdam, Az. 11 O 385/20, hinsichtlich der Rechtsverfolgungskosten gemäß § 522 Abs. 1 ZPO zu verwerfen und die Berufung im Übrigen und die des Beklagten gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.

3. Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen vier Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses.

Gründe

I.

Der Kläger erwarb am 02.05.2007 bei … AG mit Sitz in … Genussscheine mit Gewinn- und Verlustbeteiligung im Wert von insgesamt 6.000 €. Dem Vertrag lagen die Genussrechtsbedingungen „…“ zugrunde. Aus der Emittentin ist die ..GmbH (im Folgenden GmbH) hervorgegangen.

Mit Schreiben vom 21.06.2013 kündigte der Kläger seine Beteiligung. Die Kündigung wurde durch die GmbH anerkannt.

Die GmbH ist aufgrund eines Beschlusses der Generalversammlung vom 25.09.2018 mit der Beklagten verschmolzen. Die Verschmelzung erfolgte zum Stichtag (Wirksamkeitstag) 31.12.2018 rückwirkend zum 31.12.2017 (Verschmelzungsstichtag). Die GmbH wurde am 15.02.2019 aus dem Register gelöscht.

Mit einem Schreiben aus Februar 2019 teilte die Beklagte mit, dass sich der Kläger entscheiden müsse, ob er an der Kündigung festhalte oder diese zurücknehmen und dadurch Aktien an der Beklagten erhalten wolle. In dem Schreiben gab sie einen rechnerischen Wert der Genussrechte per 31.12.2018 von 6.413,65 € an. Der Kläger lehnte die Rücknahme der Kündigung ab und forderte mit anwaltlichem Schreiben vom 09.05.2019 zur Zahlung bis zum 23.05.2019 auf.

Wegen des Sachverhalts wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.

Das Landgericht hat die Beklagte zur Zahlung von 6.000,00 €, sowie Zinsen in Höhe von 4 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz verurteilt und im Übrigen die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, das Rechtsverhältnis der Parteien bestimme sich nach österreichischem Recht. Die Kündigung des Klägers sei zum 31.12.2017 wirksam geworden und begründe einen Anspruch auf Rückzahlung der Genussrechte zu 100 % des Nennbetrages von 6.000 €. Einen Verlustvortrag könne die insoweit darlegungs- und beweisbelastete Beklagte nicht geltend machen; ebenso wenig einen Jahresfehlbetrag, der in der dafür erforderlichen Gewinn- und Verlustrechnung für das Jahr 2017 mit 0,00 € ausgewiesen werde. Warum es der Anlageverwaltung erlaubt sei, die Genussrechte „temporär“ abzuwerten, sei nicht ersichtlich. Substantiierter Vortrag zum Verlustanteil fehle. Allerdings bestehe der Zinsanspruch lediglich in Höhe von 4 % p.a.. Rechtsanwaltskosten könne der Kläger nicht geltend machen, da er nach dem Bestreiten die Zahlung nicht vorgetragen habe. Ergänzend wird auf die rechtlichen Ausführungen im Urteil Bezug genommen.

Die Beklagte hat gegen das ihren Prozessbevollmächtigten am 18.03.2022 zugestellte Urteil mit am gleichen Tag beim Brandenburgischen Oberlandesgericht eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und diese nach antragsgemäßer Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 17.06.2022 an diesem Tag begründet. Sie trägt vor, sie bestreite weiterhin die internationale Zuständigkeit des Gerichts. Die Klage sei auch unbegründet. Der Kläger habe seinem Rückzahlungsanspruch lediglich einen rechnerischen Wert der Genussrechte zugrunde gelegt. Dieser sei im Falle der Kündigung jedoch nicht vereinbart. Maßgeblich sei nach § 6 Abs. 4 der Jahresabschluss und der Buchwert und nicht lediglich der nicht realisierte Unternehmenswert, der sich in den Aktiva widerspiegele. Da ohne Verlustbeteiligung im Jahresabschluss für 2017 ein Jahresfehlbetrag auszuweisen gewesen wäre, sei ein Ertrag aus Verlustübernahme gebildet und ein Jahresergebnis von 0,00 € ausgewiesen worden. Im Übrigen weise auch die IFRS-Bilanz für den 31.12.2017 ein Ergebnis von 0,00 € aus. Insoweit bestehe kein Widerspruch zu den im Februar 2019 mitgeteilten Werten.

Die Beklagte hat angekündigt zu beantragen,

das Urteil des Landgerichts Potsdam, Aktenzeichen 11 O 385/20, abzuändern und die Klage abzuweisen; ferner, die Berufung des Klägers als unzulässig zu verwerfen, sowie hilfsweise die Berufung des Klägers als unbegründet zurückzuweisen.

Der Kläger hat ebenfalls gegen das seinen Prozessbevollmächtigten am 17.03.2022 zugestellte Urteil mit am 06.04.2022 beim Brandenburgischen Oberlandesgericht eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt, diese am 16.05.2022 begründet und hat angekündigt zu beantragen,

unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Potsdam vom 16.03.2022 zum Aktenzeichen 11 O 385/20 die Beklagte zu verurteilen, über den bereits zugesprochenen Betrag von 6.000 € hinaus Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.04.2018 an ihn zu zahlen, sowie den verbleibenden Rest der entstandenen außergerichtlichen Geschäftsgebühr gemäß §§ 13, 14 Nr. 2300 VV RVG i.H.v. 578,04 € nebst 4 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen; ferner, die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Er führt aus, es bestehe nach österreichischem Recht ein Anspruch von mindestens 4 % Zinsen. Zudem seien als Verzugsschaden auch die Rechtsanwaltskosten erstattungsfähig. Im Übrigen verteidigt er die angefochtene Entscheidung.

II.

1.

Der Tenor der landgerichtlichen Entscheidung zu Ziffer 1 ist hinsichtlich des Zinsausspruchs wie erfolgt gemäß § 319 ZPO zu berichtigen. Wie aus den Entscheidungsgründen zweifelsfrei hervorgeht, beabsichtigte das Landgericht, Zinsen in Höhe von maximal 4 % p.a. gemäß § 1000 Abs. 1 ABGB zuzusprechen. Dieser Zinsausspruch ist naturgemäß begrenzt durch die Antragstellung des Klägers mit Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz. Bei der Tenorierung kam es offensichtlich zu einer Vermischung der Zinshöhe.

2.

Die Berufungen sind form- und fristgerecht eingelegt worden. Die Berufung des Klägers erreicht auch nach der Berichtigung die Berufungsbeschwer von über 600 €. Neben den Rechtsverfolgungskosten von 578,04 € begehrt der Kläger auch - ohne Begrenzung auf 4 % - Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz. Insoweit liegt bezüglich der Zinsen eine knapp über 22 € liegende Beschwer vor.

Die Berufung des Klägers ist jedoch, soweit er die Abänderung der landgerichtlichen Entscheidung hinsichtlich der Rechtsanwaltskosten begehrt, mangels ausreichender Begründung unzulässig.

Nach § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO muss die Berufungsbegründung die Umstände bezeichnen, aus denen sich nach Ansicht des Berufungsklägers die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergeben. Dazu gehört eine aus sich heraus verständliche Angabe, welche bestimmten Punkte des angefochtenen Urteils der Berufungskläger bekämpft und welche tatsächlichen oder rechtlichen Gründe er ihnen im Einzelnen entgegensetzt. Besondere formale Anforderungen bestehen nicht; für die Zulässigkeit der Berufung ist es insbesondere ohne Bedeutung, ob die Ausführungen in sich schlüssig oder rechtlich haltbar sind. Jedoch muss die Berufungsbegründung auf den konkreten Streitfall zugeschnitten sein. Es reicht nicht aus, die Auffassung des Erstgerichts mit formularmäßigen Sätzen oder allgemeinen Redewendungen zu rügen oder lediglich auf das Vorbringen erster Instanz zu verweisen. Dabei muss die Berufung die tragenden Erwägungen des Erstgerichts angreifen und darlegen, warum diese aus Sicht des Berufungsklägers nicht zutreffen; die Begründung muss also - ihre Richtigkeit unterstellt - geeignet sein, das gesamte Urteil in Frage zu stellen. Hat das Erstgericht die Abweisung der Klage auf mehrere voneinander unabhängige, selbständig tragende rechtliche Erwägungen gestützt, muss die Berufungsbegründung jede tragende Erwägung angreifen; andernfalls ist das Rechtsmittel unzulässig (BGH, Beschluss vom 21. Juli 2016 – IX ZB 88/15 –, Rn. 5 - 6, juris). Diesen Anforderungen wird die Berufungsbegründung in dem genannten Umfang nicht gerecht.

Das Landgericht stützt sich zur Abweisung des Antrags auf Erstattung der Rechtsverfolgungskosten selbständig tragend darauf, dass der Kläger die Zahlung und damit den Schaden nicht nachgewiesen habe. Die Berufungsbegründung verhält sich zu dieser Frage mit keinem Wort. Vielmehr erfolgen lediglich allgemeine Ausführungen zur grundsätzlichen Erstattbarkeit, die hier jedoch nicht maßgebend werden. Dies genügt nicht.

2. Im Übrigen ist die Berufung des Klägers zulässig, jedoch ebenso wie die zulässige Berufung der Beklagten offensichtlich unbegründet und gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen. Es geht weder um eine Rechtssache von grundsätzlicher Bedeutung, noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung die Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil. Die Rechtsmittel bieten zudem schon aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung keine Aussicht auf Erfolg. Denn das Urteil beruht weder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von § 546 ZPO, noch rechtfertigen die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten und nach § 529 ZPO vom Senat seiner Entscheidung zu Grunde zu legenden Tatsachen eine abweichende Beurteilung (§ 513 Abs. 1 ZPO). Ebenso wenig ist eine mündliche Verhandlung über die Sache gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 ZPO geboten.

2.1.

Wie der Senat – rechtskräftig – in seinem Beschluss vom 13.04.2021 in einem Parallelverfahren zum Aktenzeichen 12 U 202/20 festgestellt hat, ist die internationale und örtliche Zuständigkeit der erkennenden Gerichte gegeben.

Das Landgericht Potsdam ist international und örtlich zuständig. Die Beklagte hat ihren Sitz in Großbritannien. Die internationale Zuständigkeit bestimmt sich daher nach den Regeln der EuGVVO, die zum Zeitpunkt der Klageerhebung gemäß Art. 127 Abs. 1 des Abkommens über den Austritt des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland aus der Europäischen Union und der Europäischen Atomgemeinschaft vom 24.01.2020 weiterhin Anwendung findet. Nach Art. 4 Abs. 1 EuGVVO sind Personen, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates haben, ohne Rücksicht auf ihre Staatsangehörigkeit vor den Gerichten dieses Mitgliedstaates zu verklagen. Nach Art. 5 Abs. 1 EuGVVO können sie vor den Gerichten eines anderen Mitgliedstaates nur gemäß den Vorschriften der Kapitel 2-7 EuGVVO verklagt werden.

a)
Zu Recht hat das Landgericht im Streitfall den Verbrauchergerichtsstand nach Art. 17 Abs. 1 c) i.V.m. Art. 18 Abs. 1 EuGVVO bejaht.

Art. 17 Abs. 1 c) EuGVVO setzt voraus, dass ein Vertrag, den ein Verbraucher zu einem Zweck geschlossen hat, der nicht seiner beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit zugerechnet werden kann, und einem Vertragspartner, der in dem Mitgliedstaat, in dessen Hoheitsgebiet der Verbraucher seinen Wohnsitz hat, eine berufliche oder gewerbliche Tätigkeit ausübt oder eine solche auf diesen Mitgliedstaat ausgerichtet und der Vertrag in den Bereich dieser Tätigkeit fällt, den Gegenstand des Verfahrens bildet.

aa) Der Kläger ist unzweifelhaft Verbraucher im Sinne des Art. 17 Abs. 1 EuGVVO. Nach der Rechtsprechung des EuGH sind Verbraucher natürliche Personen, die zu einem privaten Zweck einen Vertrag schließen, der nicht einer beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit zugerechnet werden kann (vgl. EuGH, Urteil vom 20.01.2005, C 464/01; BGH, Urteil vom 09.02.2017 – IX ZR 67/16, Rn. 13; Urteil vom 09.02.2017 – IX ZR 103/16, Rn. 52; BGHZ 167, 81 Rn. 18; Zöller/Geimer, ZPO 34. Aufl. Art. 17 EuGVVO Rn. 5; Geimer/Schütze, Internationaler Rechtsverkehr in Zivil- und Handelssachen, Stand Januar 2022, Art. 17 EuGVVO Rn. 23). Es fallen nur Verträge unter dieser Sonderregelung, die eine Einzelperson ohne Bezug zu einer beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit oder Zielsetzung und unabhängig von einer solchen schließt (vgl. EuGH a.a.O.). Hierbei sind alle tatsächlichen Umstände des Falles zu berücksichtigen. Im Streitfall sind keinerlei Hinweise darauf ersichtlich, dass der Kläger die Namensgenussrechte zu einem beruflichen oder gewerblichen Zweck erworben hat. Auch mit der Berufungsbegründung werden solche Zwecke nicht geltend gemacht. Über die berufliche Stellung des Klägers oder ein etwaiges von ihm ausgeübtes Gewerbe ist nichts weiter bekannt. Dass der Kläger die Namensgenussrechte erworben hat, um damit sein Vermögen zu verwalten und zu vermehren, macht ihn noch nicht zum Unternehmer. Insbesondere steht das Vorliegen eines Gewinninteresses einer Einordnung seiner Person als Verbraucher nicht entgegen (vgl. BGH, Urteil vom 09.02.2017 – IX ZR 67/16, Rn. 18; Urteil vom 09.02.2017 – IX ZR 103/16, Rn. 53).

bb) Die Rechtsvorgängerin der Beklagten, die … AG, hatte ihre gewerbliche Tätigkeit auch auf Deutschland ausgerichtet.

Maßgeblich ist der Zeitpunkt des Vertragsschlusses, sodass es auf die jetzige Tätigkeit der Beklagten nicht ankommt. Nach der Rechtsprechung des EuGH kommt es für das Merkmal des „Ausrichtens“ darauf an, ob bereits vor dem Vertragsschluss mit dem konkreten Verbraucher objektive Anhaltspunkte dafür vorlagen, dass der Unternehmer Geschäfte mit Verbrauchern in dem Wohnsitzstaat des betreffenden Verbrauchers tätigen wollte, und zwar in dem Sinne, dass der Unternehmer zu einem Vertragsschluss mit diesen Verbrauchern bereit war. Dies ist im Rahmen einer Gesamtschau und Würdigung aller maßgeblichen Umstände zu ermitteln, unter denen der Vertrag geschlossen wurde und die Ausdrucksformen dieses Willens sind. Anhaltspunkte dafür, dass ein Gewerbetreibender seine Tätigkeit auf den Wohnsitzmitgliedstaat des Verbrauchers ausgerichtet hat, können sich aus dem internationalen Charakter der Tätigkeit des Gewerbetreibenden, der Marktbedeutung und dem Zuschnitt des werbenden Unternehmens, der Ausgestaltung seiner Vertriebs- oder Liefermodalitäten, der ausdrücklichen Bezugnahme auf bestimmte Rechtsnormen einer ganz bestimmten Rechtsordnung oder der inhaltlichen Ausgestaltung der Werbemaßnahme und dem Unterhalten einer international erreichbaren Internetseite ergeben (vgl. EuGH, Urteil vom 07.12.2010 – C-585/08 und C-144/09, NJW 2011, 505 Rn. 76 ff.; BGH, Urteil vom 09.02.2017 a.a.O. Rn. 23 ff.; Geimer/Schütze a.a.O. Rn. 58 ff.).

Nach diesen Maßstäben kann kein Zweifel daran bestehen, dass die Thomas … AG ihre gewerbliche Tätigkeit auch auf Deutschland ausgerichtet hatte, in dem sie unstreitig mit einer Vielzahl in Deutschland ansässiger privater Anleger entsprechende Kapitalanlageverträge über den Erwerb von Genussscheinen schloss, wie sich auch aus den vom Kläger zu den Gerichtsakten gereichten Gerichtsentscheidungen ergibt. Sie verfügte über Bankkonten bei deutschen Kreditinstituten und führte die Korrespondenz mit ihren Kunden in deutscher Sprache. Unerheblich ist auch, ob die Beklagte als Rechtsnachfolgerin heute noch auf dem deutschen Markt tätig ist. Der Verbrauchergerichtsstand entfällt nicht nachträglich dadurch, dass vertragliche Ansprüche ohne Mitwirkung oder Zustimmung des Verbrauchers im Wege der Unternehmensverschmelzung auf Dritte übergehen. Der Vertragspartner des Verbrauchers könnte sich sonst durch Fusionen der Bindung des Verbrauchergerichtsstandes entziehen (vgl. BGH, Urteil vom 09.02.2017 a.a.O. Rn. 53).

cc) Der Verbrauchergerichtsstand nach Art. 17 EuGVVO erfasst „Ansprüche aus einem Vertrag“, also auch aus einem Vertrag resultierende Sekundäransprüche wie Schadensersatz- oder Rückabwicklungsansprüche (vgl. Geimer/Schütze, a.a.O. Rn. 35; Zöller/Geimer a.a.O. Rn. 14). Dazu gehören somit sowohl der in der Hauptsache geltend gemachte Anspruch auf Auszahlung der Genussrechtsbeteiligung als auch der hilfsweise geltend gemachte Anspruch auf Abrechnung und der als Nebenforderung geltend gemachte Anspruch auf Erstattung der Geschäftsgebühr der Prozessbevollmächtigten des Klägers.

b)
Die in § 13 der Genussrechtsbedingungen enthaltene Gerichtsstandsvereinbarung steht der internationalen Zuständigkeit ebenfalls nicht entgegen.

Nach dem eindeutigen Wortlaut handelt es sich bei der Klausel in § 13 der Genussrechtsbedingungen bereits nicht um die Vereinbarung eines ausschließlichen Gerichtsstandes. Es heißt dort ausdrücklich, dass der Sitz der Gesellschaft „ebenfalls“ Gerichtsstand ist, dieser also neben anderen, ebenfalls zulässigen Gerichtsständen tritt. Satz 3 stellt ausdrücklich klar, dass die Einleitung von Verfahren an einem (zulässigen) Gerichtsstand die Einleitung von Verfahren an einem anderen Gerichtsstand nicht ausschließt, soweit dies rechtlich zulässig ist. Das Recht des Klägers, an dem für ihn zuständigen Verbrauchergerichtsstand Klage zu erheben, wird somit dadurch nicht eingeschränkt oder ausgeschlossen. Auf die Frage der Wirksamkeit der Klausel kommt es daher nicht an.

c)
Die örtliche Zuständigkeit des angerufenen Landgerichts ergibt sich aus Art. 18 Abs. 1 EuGVVO, da der Kläger seinen Wohnsitz im Gerichtsbezirk des Landgerichts Potsdam hat.

2.2.

Aus den Gründen der landgerichtlichen Entscheidung, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird, und von der Berufung nicht beanstandet, findet nach der getroffenen Rechtswahl gemäß § 13 Nr. 1 der Genussrechtsbedingungen das materielle Recht der Republik Österreich Anwendung, Art. 27 ff. EGBGB a.F. (vgl. nur Brandenburgisches Oberlandesgericht, Urteil vom 27. April 2022 – 7 U 63/21 –, Rn. 32ff; OLG Stuttgart, Urteil vom 31. März 2021 – 20 U 24/20 –, Rn. 53; EuGH, Urteil vom 7. April 2016 – C-483/14 –, Rn. 59, juris).

2.3.

Der Kläger hat nach § 6 Abs. 4 der Genussrechtsbedingungen einen vertraglichen Anspruch auf Rückzahlung seiner Einlage in Höhe von 6.000 €. Den Ausführungen des Landgerichts ist auch insoweit zu folgen.

a) Der Kläger erwarb bei der … AG Genussscheine mit Gewinn- und Verlustbeteiligung im Wert von insgesamt 6.000 € zu den Genussrechtsbedingungen „…“. Die Einlage ist gezahlt. Aus der Emittentin ist zunächst die …. GmbH hervorgegangen, deren Aktiva und Passiva aufgrund der zum 31.12.2018 wirksam gewordenen Verschmelzung auf die Beklagte übergegangen sind.

b) Mit Schreiben vom 21.06.2013 kündigte der Kläger seine Beteiligung mit Wirkung zum 31.12.2017. Wie sich aus dem Schreiben der … Anlageverwaltung vom Februar 2019 ergibt, ist die Kündigung entsprechend angenommen und bestätigt worden. Deren Wirksamkeit bedarf deshalb keiner weiteren Erörterung. Zugleich ist damit der Rückzahlungsanspruch des Klägers 3 Monate nach Vertragsende, mithin am 31.03.2018, fällig geworden.

c) Gemäß § 6 Abs. 4 der Genussrechtsbedingungen folgt bei Beendigung des Rechtsverhältnisses ein Anspruch auf Rückzahlung der Genussrechte zu 100 % des Nennbetrages abzüglich etwaiger Verlustanteile, die gemäß § 5 Abs. 4 der Genussrechtsbedingungen (Rückzahlungsbetrag) bestimmt werden. Maßgeblich für die Berechnung des Verlustanteils ist der in der nach den Rechnungslegungsvorschriften IFRS erstellten Gewinn- und Verlustrechnung für das jeweilige Geschäftsjahr auszuweisende Jahresfehlbetrag und nicht etwa – worauf die Beklagte maßgebend abstellt – der Buchwert des Genussrechts. An einem etwaigen Verlustvortrag nehmen die Genussrechte nicht teil.

Der Nennbetrag in diesem Sinne entspricht unstreitig dem Anlagebetrag von 6.000 €. Der Jahresfehlbetrag ist für das Geschäftsjahr 2017 mit 0,00 € ausgewiesen.

Im Übrigen hat die für einen Verlustabzug jedenfalls im Rahmen der sekundären Darlegungslast belastete Beklagte nicht hinreichend Verluste für 2017 dargetan. Allein eine bilanzielle Abwertung des Wertes der Genussrechte ohne weitere Ausführungen genügt insoweit nicht. Dies vor allem vor dem Hintergrund, dass sie in ihrem Schreiben aus Februar 2019 selbst ausgeführt hat: „Um diese langfristig vorteilhafte und alternativlose Neustrukturierung umsetzen zu können, war es u.a. aus rechtlichen und steuerrechtlichen Gründen unvermeidlich, die Beteiligungsbuchwerte aller Genussrechts/-schein-Inhaber zum Stichtag 31.12.2017 temporär auf ein Minimum abzuwerten.“ Inwieweit dieser Abwertung ein realer, im Rahmen der allein für die Berechnung maßgebenden jährlich durchzuführenden Gewinn- und Verlustrechnung nach den Grundsätzen des IFRS zu berücksichtigender Jahresverlust zugrunde liegt, erschließt sich nach dem Vortrag nicht. Vielmehr fehlt es bereits an jeglicher Darstellung der Entwicklung der Genussrechte der Anleger und damit auch der Kläger bis zum Geschäftsjahr 2017 (vgl. zu den entsprechenden Anforderungen auch OLG Brandenburg, Urteil vom 27. April 2022, a. a. O.). Allein der Hinweis auf den Buchwert im Falle der Kündigung von 0,00 € im Mitteilungsschreiben aus Februar 2019 ist ebenfalls nicht ausreichend und ersetzt keinen substantiierten Vortrag. Angesichts des dem Kläger von der Gesellschaft ausdrücklich – wenn auch unter Vorbehalt und ohne Anerkenntnis – als „rechnerischen Wertes der Genussrechte“ erfolgten Mitteilung, genügt auch die von ihr vorgenommenen Vorlage einer Aufstellung zum 31. Dezember 2017 nicht. Soweit dort das Genussrechtskapital der Anleger mit 0 € bewertet wird, besteht zudem nach wie vor ein nicht aufgelöster Widerspruch zu der an die Anleger gerichteten Mitteilung vom Februar 2019, wonach von einem erheblichen rechnerischen Wert der Genussrechte zum 31. Dezember 2018 auszugehen war und die „Abwertung der Beteiligungsbuchwerte“ lediglich „temporär“ zur „langfristig vorteilhaften und alternativlosen Neustrukturierung aus rechtlichen und steuerlichen Gründen“ erfolgen sollte (OLG Celle, Beschluss vom 29. Januar 2021 – 9 U 66/20 –, Rn. 23 - 25, juris). Zugleich ergibt sich aus der vorgelegten Gewinn- und Verlustrechnung 2017 (Blatt 71 GA), dass schon im Jahre 2016 für die GmbH Erträge aus der Herabsetzung des Genussrechtskapitals von 9.409.561,94 € erzielt worden sein sollen. Eine anteilige Umlage auf die Genussrechte des Klägers ist hingegen in keiner Weise nachvollziehbar gemacht. Vielmehr weisen die Transaktionsübersichten betreffend den Kläger für den Zeitraum vom 01.01. bis 31.12.2016 einen Beteiligungsbuchwert per 31.12.2016 von 5.393,50 € und einen Rückzahlungsbetrag für das gleiche Datum von 5.807,15 € aus, wobei zugleich unverbuchte Beträge aus der Gewinn- und Verlusteinnahme von 0,00 € ausgewiesen werden. Ohne Erfolg bleibt insoweit auch der Hinweis der Beklagten, dass im Jahr 2016 die Verluste aus diesem Geschäftsjahr noch nicht verbucht werden konnten. Die Transaktionsübersichten stammen vom 21.12.2017, ohne dass nachvollziehbar ist, dass auch zu diesem Zeitpunkt entsprechende Erkenntnisse nicht vorgelegen haben.

d) Die Verschmelzung der GmbH mit der Beklagten hat auf den Rückzahlungsanspruch keinen Einfluss, da diese dem Wirksamwerden der Kündigung nachfolgte.

2.4.

Der Zinsanspruch folgt aus §§ 1333 Abs. 1, 1334 Sätze 1 und 3 i.V.m. § 1000 Abs. 1 östABGB unter Berücksichtigung des begrenzten Antrages des Klägers und beträgt 4 % p.a.. Der Rückzahlungsanspruch ist 3 Monate nach Vertragsende, mithin am 31.03.2018 fällig. Mithin ist nach der Berichtigung die weitergehende Berufung des Klägers unbegründet.

Zur Reduzierung von Kosten des Berufungsverfahrens wird angeregt, die Rechtsmittel zurückzunehmen.