Gericht | LArbG Berlin-Brandenburg 26. Kammer | Entscheidungsdatum | 02.06.2022 | |
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Aktenzeichen | 26 Sa 841/21 | ECLI | ECLI:DE:LAGBEBB:2022:0602.26SA841.21.00 | |
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 1 EStG, § 11 EStG, § 38a EStG, § 39b EStG, § 1 BUrlG, § 611 BGB, § 2 EFZG |
1. Eine Nettoentgeltklage ist prozessrechtlich möglich (vgl. BAG 24. Februar 2021 – 10 AZR 130/19, Rn. 11, 23. September 2020 - 5 AZR 251/19, Rn. 9; 21. Januar 2020 - 3 AZR 225/19, Rn. 19; 26. Februar 2003 - 5 AZR 223/02, zu I der Gründe).
2. Ohne Nettoentgeltvereinbarung hat das Bundesarbeitsgericht die Verurteilung zu einer Nettozahlung teilweise auch dann für möglich gehalten, wenn sichergestellt ist, dass begehrte Zuschläge steuer- und sozialversicherungsfrei nach § 3b Abs. 1 Nr. 3 EStG bzw. § 1 Abs. 1 Nr. 1 Sozialversicherungsentgeltverordnung (SvEV) sind (vgl. BAG 4. August 2016 - 6 AZR 129/15, Rn. 41).
3. Eine auf eine Entgeltnachzahlung gerichtete Nettoklage ist auch dann als schlüssig angesehen worden, wenn die für den Tag des Zuflusses maßgeblichen elektronischen Steuerabzugsmerkmale iSv. § 39e EStG (ELS-tAM) dargelegt worden waren (vgl. BAG 23. September 2020 - 5 AZR 251/19, Rn. 22; 26. Februar 2003 - 5 AZR 223/02, zu III der Gründe).
4. Lohnnachzahlungen, die ein Arbeitnehmer aufgrund eines arbeitsgerichtlichen Urteils für frühere Jahre erhält, sind als sonstiger Bezug im Jahr der Nachzahlung zu erfassen mit der Folge, dass die persönlichen Verhältnisse des Zuflussjahres zugrundezulegen sind (vgl. BFH 29. Mai 1998 – VI B 275/97).
5. Kann nicht festgestellt werden, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang eine zuzusprechende Vergütung der Besteuerung unterliegt, kann der zu zahlende Betrag im Tenor nicht als Nettobetrag, aber ohne den Zusatz „netto“ zugesprochen werden (ähnlich BAG 15. November 2005 - 9 AZR 626/04, Rn. 45; 26. Mai 1998 - 3 AZR 96/97, zu II der Gründe).
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Eberswalde vom 29. April 2021 – 1 Ca 30/21 – wird auf Kosten der Beklagten mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Tenor zu 1) wie folgt neu gefasst wird:
„Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.302,08 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 2. Januar 2021 zu zahlen.“
II. Die Revision wird nicht zugelassen.
Die Parteien streiten in der Berufungsinstanz noch über Vergütung für den Monat Dezember 2020.
Der Kläger war bei der Beklagten als Rechtsanwalt zu einer monatlichen Bruttovergütung in Höhe von 4.250 Euro angestellt. Bei der Beklagten handelt es sich um eine Rechtsanwaltsgesellschaft. Sie betrieb Büros in Templin, wo der Kläger für die Beklagte tätig war, und in Chemnitz. In den Räumlichkeiten in Templin residiert auch die M. N. E. Insolvenzverwaltung GbR (im Folgenden: MNE GbR). Gesellschafter der MNE GbR sind die Gesellschafter der Beklagten, also auch ein Rechtsanwalt E., und darüber hinaus Herr Dr. A.. Im Zusammenhang mit der Abwicklung von Rechtsstreitigkeiten aus Insolvenzverfahren ist die Beklagte beauftragt worden. Die anwaltliche Tätigkeit in Templin erfolgte allein durch den Kläger. Die übrige anwaltliche Tätigkeit erledigte Frau Rechtsanwältin Melanie M. in Chemnitz. Die Gesellschafter der MNE GbR beschlossen im Jahr 2019 einvernehmlich die Auflösung der Gesellschaft zum 31. Dezember 2020. Hinsichtlich der Gesellschaft der Beklagten gab es keine abschließende Vereinbarung. Die Gesellschafter der Beklagten waren aber im Herbst 2020 übereingekommen, eine Neustrukturierung der Beklagten einschließlich der Übertragung betrieblicher Aktivitäten zu verfolgen. In diesem Zusammenhang ist es zu Spannungen zwischen dem Gesellschafter Frank E. und den anderen Gesellschaftern gekommen.
In einer durch die Beklagte eingereichten eidesstattlichen Versicherung des Klägers im Rahmen eines Eilverfahrens heißt es:
„Im Hinblick auf die geplante Auflösung der Dr. N. & Collegen GbR habe ich zudem am 27.11.2020 und 11.12.2020 vereinbarungsgemäß alle laufenden Mandate zu Insolvenzverfahren der Rechtsanwälte Andre M. (mit Ausnahme der Vorgänge bezüglich des Insolvenzverfahrens Rainer B.) und Dr. Danny A. an das Chemnitzer Büro der Dr. N. & Collegen GbR übermittelt. Am 18.12.2020 befanden sich deshalb an laufenden Rechtsanwaltsvorgängen neben den Mandaten des Rechtsanwalts Falk E. nur noch einige Vorgänge bezüglich Insolvenzverfahren der Rechtsanwältin Susanne M. sowie die Vorgänge zum Insolvenzverfahren Rainer B. im Templiner Büro der Dr. N. & Collegen GbR (von mir bearbeitete laufende Mandate des Rechtsanwalts Dr. Peter N. gab es nicht).“
Zum 1. Januar 2021 ist der Chemnitzer Bereich der Beklagten auf Frau Melanie M. übertragen worden, für Templin war zunächst eine Übertragung auf Rechtsanwalt Falk E. vorgesehen.
Der Kläger hat das Arbeitsverhältnis der Parteien angesichts der beabsichtigten Neustrukturierung zu Ende 2020 gekündigt. Am 18. Dezember 2020 hat der Kläger im Auftrag des Herrn E. Schreiben auf den Schreibtisch des Gesellschafters Nr. N. gelegt, durch die Herr E. sämtliche der Beklagten erteilten Aufträge gekündigt hat. Der Gesellschafter E. hat am 19. und 20. Dezember 2020 Akten aus den Räumlichkeiten der Beklagten entfernt. Inwieweit der Kläger sich daran beteiligt hat, ist unter den Parteien streitig. Die Beklagte ließ nach dem Wochenende umgehend die Schlösser des Büros austauschen.
Einen Teil der Akten musste Rechtsanwalt E. im Ergebnis einer gerichtlichen Auseinandersetzung später zurückgeben.
Der Kläger organisierte seine Arbeit und Arbeitszeit bei der Beklagten unabhängig. Er war diesbezüglich keiner ständigen Kontrolle durch die Beklagte unterworfen. Urlaub gewährte ihm die Beklagte antragsgemäß regelmäßig nicht für längere Zeiträume zusammenhängend, teilweise nur für halbe Tage, wie vom Kläger geltend gemacht. Nach § 8 des Arbeitsvertrags der Parteien hatte der Kläger einen Anspruch auf 25 Arbeitstage Urlaub zuzüglich bezahlter arbeitsfreier Tage am 24. und 31. Dezember. Der Kläger hat am Stück nie mehr als vier Tage Urlaub erhalten.
Ab dem 22. Dezember 2020 hat der Kläger keine Arbeitsleistung mehr für die Beklagte erbracht. Unter den Parteien ist streitig, ob die Beklagte dem Kläger für die Zeit ab dem 22. Dezember 2020 bis zum Jahresende Urlaub gewährt hat und in welchen Umfang die Urlaubsansprüche des Klägers erfüllt waren.
Für den Monat Dezember 2020 hat die Beklagte dem Kläger unter dem Datum des 18. Dezember 2020 eine Abrechnung erstellt. Insoweit wird auf die Anlage K1 zur Klageschrift Bezug genommen. Am 21. Dezember 2020 erstellte sie eine weitere Abrechnung, die nun aber keinen Auszahlungsbetrag mehr vorsah. Mit der bei Gericht am 18. Januar 2021 eingegangenen Klage hat der Kläger zunächst einen Betrag in Höhe von 2.932,07 Euro geltend gemacht. Der Betrag entsprach dem in der ersten Abrechnung vom 18. Dezember 2020 ausgewiesenen Nettobetrag. Für den Monat Februar 2021 (bezogen auf den Monat Dezember 2020) erstellte die Beklagte sodann nochmals eine Abrechnung, die nun einen Abzug vom Bruttobetrag vorsah und mit einem Auszahlungsbetrag in Höhe von 1.785,41 Euro endete. Tatsächlich ausgezahlt hat die Beklagte an den Kläger im März 2021 einen Betrag in Höhe von 1.629,99 Euro. Sie hat das damit begründet, dass es sich insoweit um den unpfändbaren Betrag gehandelt habe.
Mit Gesellschafterbeschluss vom 8. Januar 2021 ist dem Mitgesellschafter E. das Recht entzogen, die Beklagte zu vertreten.
Der Kläger hat behauptet, er habe bis zum 21. Dezember 2020 für die Beklagte seine Arbeitsleistung erbracht. Am 17. und 18. Dezember 2020 habe er dort gearbeitet, nicht zuletzt um geordnete Verhältnisse im Hinblick auf seinen Urlaub und das anstehende Ende des Arbeitsverhältnisses zu hinterlassen. Am 21. Dezember 2020 habe er für die Beklagte noch einen Gerichtstermin bei dem Landgericht Frankfurt (Oder) wahrgenommen, was zuletzt unter den Parteien nicht mehr streitig ist. Für die Zeit ab dem 22. Dezember 2020 sei ihm durch den Gesellschafter Dr. N. Urlaub gewährt worden. Jedenfalls könne er in Höhe des geltend gemachten Betrages Urlaubsabgeltung beanspruchen, da die Beklagte ihm im Jahr 2020 noch keinen Urlaub gewährt gehabt habe. Die ihm gewährten halben Urlaubstage und auch die übrigen nicht zusammenhängenden Urlaubszeiten unter zwölf Tagen seien nicht geeignet seinen Urlaubsanspruch zu erfüllen. Jedenfalls habe die Beklagte auch durch ihre Abrechnung für den Monat Dezember 2020 verdeutlicht, da die Beklagte durch die korrigierte Abrechnung zu verstehen gegeben habe, seine Arbeitsleistung nicht vergüten zu wollen.
Rechtsanwalt E. habe seine Akten mitgenommen, um eine ordnungsgemäße Weiterbearbeitung sicherzustellen. Eine Abrechnung seiner Mandate für die Beklagte sei am 18. Dezember 2020 nicht erfolgt gewesen, da noch keine Vereinbarung über den Abrechnungsmodus vorgelegen habe.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.302,08 Euro netto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 2. Januar 2021 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen, und im Wege der Widerklage Auskunfts- und Schadensersatzansprüche geltend gemacht, die sie in der Berufungsinstanz nicht weiterverfolgt.
Sie hat behauptet, der Kläger habe bereits ab dem 17. Dezember 2020 keine Arbeitsleistung mehr für sie erbracht. Nach dem 17. Dezember 2020 sei der Kläger nicht mehr zur Realisierung von Arbeitsleistung, jedenfalls nicht für sie, im Büro in Templin tätig gewesen. Der Kläger habe sich in einem schwerwiegenden Maße rechtswidrig verhalten. An dem Wochenende um den 20. Dezember 2020 habe er gemeinsam mit dem Gesellschafter E. kollusiv in einer „Nacht und Nebel Aktion“ Akten aus den Büroräumen entwendet und der Beklagten dadurch einen Schaden zugefügt. Er habe am 21. Dezember 2021 für sie auch keinen Gerichtstermin mehr wahrgenommen. Die Wahrnehmung des Termins ist unter den Parteien zuletzt allerdings unstreitig. Der Kläger sei auch am Morgen des 22. Dezember 2020 – unberechtigt – in den Geschäftsräumen der Beklagten in Templin erschienen, als dort eine nichtsahnende Reinigungskraft tätig gewesen sei. Er habe dort rechtswidrige Handlungen vorgenommen, die die Beklagte nicht näher konkretisiert hat. Ohne Arbeitsleistung habe der Kläger keinen Anspruch auf Vergütung für die Zeit ab dem 17. Dezember 2020. Der Kläger habe ihr dadurch, dass er ihr die Akten entzogen und damit deren Abrechnung verhindert habe, einen erheblichen Schaden zugefügt.
Das Arbeitsgericht hat dem Zahlungsantrag des Klägers stattgegeben und das damit begründet, dass der Kläger Vergütung für den 18. Dezember und den 21. Dezember 2020 beanspruchen könne. Das Bestreiten sei unerheblich und in Bezug auf den 21. Dezember 2020 auch wider besseres Wissen erfolgt. Der Kläger habe seine Arbeitskraft selbst organisieren können und sollen. Deshalb wäre es Aufgabe der Beklagten gewesen, substantiiert Tatsachen vorzutragen, aus denen sich ergeben hätte, dass der Kläger am 18. Dezember und am 21. Dezember 2020 keine Arbeitsleistung erbracht hat. Soweit die Beklagte behauptet habe, der Kläger sei am 18. Dezember 2020 im Büro in Templin nicht gesehen worden, beruhe das ersichtlich auf Vermutungen. Außerdem passe der Vortrag nicht zu der Behauptung der Beklagten, der Kläger habe vor dem Wochenende Vorbereitungen zur Verbringung der Akten zu Rechtsanwalt E. getroffen. Dass der Kläger noch am 21. Dezember 2020 für sie einen Termin bei dem Landgericht Frankfurt (Oder) in dem Verfahren 1 O 110/20 wahrgenommen habe, sei der Beklagten auch bekannt gewesen, wie sich aus ihrem eigenen Schreiben an Rechtsanwalt E. vom 18. März 2020 ergebe. Der Vergütungsanspruch des Klägers ergebe sich für die Zeit ab dem 22. Dezember jedenfalls aus § 7 Abs. 4 BurlG. Die Beklagte behaupte selbst nicht, dem Kläger Urlaub gewährt zu haben. Dem Kläger habe daher jedenfalls ein Urlaubsabgeltungsanspruch zugestanden.
Die Beklagte hat gegen das ihr am 17. Mai 2021 zugestellte Urteil am 17. Mai 2021 Berufung eingelegt und diese – nach entsprechender Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist - mit einem am 19. August 2021 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz begründet.
Zur Begründung wiederholt die Beklagte im Wesentlichen unter Auseinandersetzung mit der angefochtenen Entscheidung ihren erstinstanzlichen Vortrag. Das Arbeitsgericht habe sich nur mit der Frage befasst, ob der Kläger in der Zeit vom 18. bis 31. Dezember 2020 gearbeitet habe. Das werde dem vorgetragenen Sachverhalt nicht gerecht. Ein noch nicht bezifferbarer Schaden sei nicht berücksichtigt worden. Zudem ergebe sich aus der eigenen durch den Kläger am 9. Dezember 2020 vorgelegten Berechnung, dass ihm für die Zeit vom 22. bis zum 31. Dezember 2020 nur noch vier Urlaubstage zur Verfügung gestanden hätten. Er habe aber auch in den Tagen davor nicht in Erfüllung seiner Arbeitspflicht gearbeitet. Es sei nicht ihre Sache nachzuweisen, dass der Kläger gearbeitet habe. Der Kläger sei davon ausgegangen, nach dem 18. Dezember 2020 nicht mehr auf seinem Arbeitsplatz zu erscheinen, weil er am 21. Dezember 2020 einen auswärtigen Termin wahrnehmen wollte. Deshalb habe er am 18. Dezember 2020 den Mitgesellschafter E. gefragt, was mit den Handakten geschehen solle. Dieser habe geantwortet, der Kläger möge sie dem jeweiligen Verfahrensbearbeiter übergeben. Tatsächlich habe der Kläger keine einzige Akte übergeben. Nahe liege es daher, dass der Kläger tatsächlich die „Nacht-und-Nebel-Aktion“ vorbereitet habe. Etwaige Zahlungsansprüche des Klägers seien verwirkt. Der Mitgesellschafter E. habe schwerwiegend gegen seine gesellschaftsrechtlichen Treuepflichten verstoßen. Dem Kläger sei das Vorgehen spätestens Ende November/Anfang Dezember 2020 bekannt gewesen. Jedenfalls stehe ihr ein Zurückbehaltungsrecht zu. Der Kläger sei durch den Gesellschafter Dr. N. aufgefordert worden, im Falle unterschiedlicher Weisungen ihn zu informieren, damit unter den Gesellschaftern eine Entscheidung herbeigeführt werden könne. Für den 22. Dezember 2020 sei eine Gesellschafterversammlung anberaumt worden, die mit einer E-Mail vom 18. Dezember 2020 vorbereitet worden sei, was als solches unter den Parteien nicht streitig ist. Der Kläger habe sich an dem Aktenentzug beteiligt, jedenfalls sei ihm dieser bekannt gewesen. Der Kläger hätte die Akten den Gesellschaftern übergeben müssen, eine Übergabe an Herrn E. sei nicht gerechtfertigt gewesen. Außerdem sei der Kläger durch Frau Melanie M. aus Chemnitz aufgefordert worden, über Inhalt und Stand der Akten Auskunft zu erteilen. Das habe der Kläger versäumt und abgelehnt. Der Kläger hätte geordnete Verhältnisse nur dadurch schaffen können, dass er sich mit den Gesellschaftern in Verbindung gesetzt hätte. Zudem seien auch alle Mitarbeiter der MNE GbR nicht mehr zur Arbeit erschienen im Büro der Beklagten, was unter den Parteien nicht streitig ist. Der Kläger habe eine unerlaubte Handlung begangen. Er habe insoweit zumindest psychische Beihilfe geleistet, durch das Bereitstellen der Akten für den Aktenentzug, die Übermittlung der beiden durch den Gesellschafter E. unterzeichneten Schreiben vom 18. Dezember 2020, durch die Kündigung seines Arbeitsverhältnisses und den Abschluss des neuen Arbeitsvertrags mit dem Gesellschafter E., die Bestärkung des Gesellschafters E. sowie das Unterlassen der gebotenen Information gegenüber den Arbeitgebern. Im Übrigen sei jedwede Tätigkeit durch den Kläger im Dezember 2020 für die Beklagte unbrauchbar gewesen. Er sei auch nicht in einen Interessenkonflikt geraten. Er hätte sich vielmehr einfach neutral verhalten können. Die Rechtsverstöße des Klägers seien so gravierend, dass sein Vergütungsanspruch nach § 242 BGB entfallen sei. Der Gesellschafter Dr. N. habe sich die arbeitgeberseitigen Weisungen vorbehalten, was der Kläger nicht bestreitet. Es sei zwar richtig, dass zwischen verschiedenen Weisungen der Gesellschafter keine Rangordnung bestehe. Bei gleichrangigen Weisungen hätte der Kläger sich aber nicht aussuchen können, welcher Weisung er folge. Sie sei auch berechtigt, Vermutungen anzustellen, zu denen sich der Kläger einlassen müsse. Der Kläger könne sich schon deshalb nicht darauf berufen, dass Urlaub nicht ordnungsgemäß gewährt worden sei, da der Urlaub mit Freistellungen verrechnet worden sei. Die Stückelung habe allein dem Wunsch des Klägers entsprochen. Dem Kläger hätten nach Ablauf des 21. Dezember 2020 noch vier Urlaubstage zugestanden, so die Beklagte auf Seite 4 ihres Schriftsatzes vom 15. Oktober 2021. Jedenfalls habe der Kläger daher einen Tag ohne Urlaub nicht gearbeitet. Entsprechend der Absprache mit Herrn E. habe er (der Kläger) in den Räumen nach dem 21. Dezember 2020 nicht mehr erscheinen sollen. Hinsichtlich der dem Kläger vorgeworfenen Pflichtverletzungen wird ergänzend auf Seiten 11 ff. des Schriftsatzes der Beklagten vom 15. Oktober 2021 Bezug genommen. Durch den Aktenentzug habe sie (die Beklagte) Abrechnungen nicht vornehmen können. Die Klage sei unzulässig, da der Kläger die im Zeitpunkt des Zuflusses maßgeblichen Steuerabzugsmerkmale nicht dargelegt habe.
Sie bestreitet zuletzt auch noch eine Übertragung von Urlaubsansprüchen aus Vorjahren. Ein Tag fehle dem Kläger jedenfalls, unabhängig davon, ob Urlaub richtig gewährt worden sei oder nicht. Für die Tage, an denen der Kläger – angeblich urlaubsbedingt – von der Arbeit ferngeblieben sei, hätte sie ihm zu Unrecht Vergütung gezahlt. Mit den Bereicherungsansprüchen hat sie hilfsweise gegen den durch den Kläger geltend gemachten Anspruch aufgerechnet. Dem Urlaubsanspruch könne auch die Einrede unzulässiger Rechtsausübung entgegengehalten werden, da die Stückelung gerade seinem Wunsch entsprochen habe. Der durch sie an den Kläger ausgezahlte Betrag decke den nicht pfändbaren Teil seiner Forderung ab.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Eberswalde vom 29. April 2021 – 1 Ca 30/21 - teilweise abzuändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
1. die Berufung zurückzuweisen,
2. hilfsweise, die Beklagte zu verurteilen, an ihn einen Betrag in Höhe von 4.946,75 Euro brutto abzüglich bereits gezahlter 3.644,67 Euro zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 2. Januar 2021 zu zahlen.
Auch er wiederholt im Wesentlichen seinen erstinstanzlichen Vortrag. Einwände gegen seine Urlaubsplanung seien zu keinem Zeitpunkt erhoben worden. Weisungsbefugt sei auch der Gesellschafter E. gewesen, eine Rangordnung der Gesellschafter untereinander sei ihm nicht bekannt gewesen. Es sei widersprüchlich, wenn ihm einerseits vorgeworfen werde, er habe unlautere Handlungen zugunsten des Gesellschafters E. vorgenommen, ihm zugleich aber vorgehalten werde, eine Weisung des Gesellschafters E. nicht umgesetzt zu haben. Außerdem lasse sich daraus nicht darauf schließen, dass er überhaupt keine Tätigkeit ausgeführt habe. Im Dezember 2020 seien keinerlei anwaltliche Tätigkeiten unerledigt geblieben. Zudem habe er mit dem Gesellschafter Dr. N. besprochen, wie weiter vorgegangen werden solle, auch dass eine Auskunft über Inhalt und Stand der Verfahren unterbleiben könne, weil zu aufwändig. Der Vortrag der Beklagten bestehe aus reinen Mutmaßungen. Es seien weder vorsätzliche Handlungen zum Nachteil der Beklagten erfolgt noch sei der Beklagten ein Schaden entstanden. Allen Beteiligten sei bekannt gewesen, dass eine Einstellung des Geschäftsbetriebs der Beklagten zum Jahresende vorgesehen gewesen sei und dass Rechtsanwalt E. seinen neuen Betrieb am 1. Januar 2021 aufnehmen werde. Daher sei ein Großteil der Akten bereits zur Überarbeitung nach Chemnitz transferiert gewesen, was die Beklagte nicht bestreitet. Die verbliebenen Akten seien ohnehin ganz überwiegend weiterhin durch ihn bei Herrn E. weiterzubearbeiten gewesen. Das Templiner Büro sei durch den Aktentransfer bereits faktisch lahmgelegt gewesen. Jedenfalls seien die Akten – entgegen der Darstellung der Beklagten – nicht für die Abrechnungen durch diese erforderlich gewesen, da sie über den Inhalt des IT-Systems die Abrechnungen hätte erstellen können. Im Falle eines Verstoßes gegen § 7 Abs. 2 Nr. 2 BurlG liege keine wirksame Urlaubsgewährung vor mit der Folge, dass der Urlaubsanspruch nicht erloschen sei. Hinsichtlich der Anträge meint der Kläger, an sich handele es sich ja auch bei dem Hauptantrag um einen Bruttolohnantrag.
Mit seinem Schriftsatz vom 18. November 2021 errechnet der Kläger seine Klageforderung. Hier komme es darauf aber gar nicht an, da in dem der Rechtsprechung des BAG zugrundliegenden Entscheidung nicht zuvor eine Abrechnung erstellt und die SV-Beiträge und Steuern berechnet und abgeführt worden seien. Im Übrige sei unstreitig, dass sich der geltend gemachte Betrag aus dem Bruttobetrag abzüglich der unstreitig bereits abgeführten Steuern und Sozialversicherungsbeiträge ergebe.
Wegen der Einzelheiten wird Bezug genommen auf die Schriftsätze der Parteien im Rahmen des Berufungsverfahrens.
Die Parteien haben sich auf Anregung des Gerichts mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren einverstanden erklärt.
I. Die Berufung ist zulässig. Sie ist statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.
II. Die Berufung ist jedoch unbegründet, da die Klage zulässig und begründet ist.
1) Bedenken gegen die Zulässigkeit der Klage ergeben sich nicht aus dem Umstand, dass der Kläger mit dem Klageantrag eine Nettozahlung begehrt. Eine Nettoentgeltklage ist prozessrechtlich möglich (vgl. BAG 24. Februar 2021 – 10 AZR 130/19, Rn. 11, 23. September 2020 - 5 AZR 251/19, Rn. 9; 21. Januar 2020 - 3 AZR 225/19, Rn. 19; 26. Februar 2003 - 5 AZR 223/02, zu I der Gründe).
2) Die Klage ist mit dem Hilfsantrag, nicht aber mit dem Hauptantrag begründet.
a) Der Kläger beantragt mit dem Hauptantrag, die Beklagte zu verurteilen, an ihn einen Nettobetrag zu zahlen. Die Gerichte für Arbeitssachen können jedoch nicht mit Bindung für die Steuerbehörden und Finanzgerichte sowie die Krankenkassen festlegen, ob ein Betrag abgabenpflichtig ist oder nicht. Deshalb ist in eine Entscheidungsformel das Wort „netto“ nur dann aufzunehmen, wenn der Arbeitgeber aus arbeitsrechtlichen Gründen gehalten ist, alle etwaigen Abgaben zu tragen, die auf eine von ihm geschuldete Geldleistung zu entrichten sind (vgl. BAG 15. November 2005 - 9 AZR 626/04, Rn. 45; 26. Mai 1998 - 3 AZR 96/97, zu II der Gründe).
aa) Es ist anerkannt, dass eine Nettoklage erhoben werden kann, wenn die Parteien eine Nettoentgeltvereinbarung getroffen haben (vgl. BAG 23. September 2020 - 5 AZR 251/19, Rn. 10; MüKoBGB/Spinner § 611a Rn. 749). Eine Nettoentgeltvereinbarung ist eine Abrede des Inhalts, dass der Arbeitgeber im Innenverhältnis zum Arbeitnehmer alle auf das Arbeitsentgelt entfallenden Steuern und Beiträge zur Sozialversicherung trägt. Nettoentgeltvereinbarungen sind die Ausnahme und müssen deshalb einen entsprechenden Willen klar erkennen lassen. Der Arbeitnehmer ist im Hinblick auf die Nettoentgeltvereinbarung darlegungs- und gegebenenfalls beweispflichtig (vgl. BAG 23. September 2020 - 5 AZR 251/19, Rn. 11).
bb) Ohne Nettoentgeltvereinbarung hat das Bundesarbeitsgericht die Verurteilung zu einer Nettozahlung teilweise auch dann für möglich gehalten, wenn sichergestellt ist, dass begehrte Zuschläge steuer- und sozialversicherungsfrei nach § 3b Abs. 1 Nr. 3 EStG bzw. § 1 Abs. 1 Nr. 1 Sozialversicherungsentgeltverordnung (SvEV) sind (vgl. BAG 4. August 2016 - 6 AZR 129/15, Rn. 41). Eine auf eine Entgeltnachzahlung gerichtete Nettoklage ist auch dann als schlüssig angesehen worden, wenn die für den Tag des Zuflusses maßgeblichen elektronischen Steuerabzugsmerkmale iSv. § 39e EStG (ELStAM) dargelegt worden waren (vgl. BAG 23. September 2020 - 5 AZR 251/19, Rn. 22; 26. Februar 2003 - 5 AZR 223/02, zu III der Gründe).
cc) Bei der vom Kläger begehrten Nettolohnnachzahlung handelt es sich lohnsteuerrechtlich nicht um laufenden Arbeitslohn, sondern um einen "sonstigen Bezug" iSv. § 38a Abs. 1 Satz 3 EStG. Lohnnachzahlungen, die ein Arbeitnehmer aufgrund eines arbeitsgerichtlichen Urteils für frühere Jahre erhält, sind als sonstiger Bezug im Jahr der Nachzahlung zu erfassen mit der Folge, dass die persönlichen Verhältnisse des Zuflussjahres zugrundezulegen sind (vgl. BFH 29. Mai 1998 – VI B 275/97).
(1) Gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 EStG sind Einnahmen innerhalb des Kalenderjahres bezogen, in dem sie dem Steuerpflichtigen zugeflossen sind. Für Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit, wie sie im Streitfall vorliegen, verweist § 11 Abs. 1 Satz 4 EStG auf § 38a Abs. 1 Sätze 2 und 3 EStG. Dort wird unterschieden zwischen laufendem Arbeitslohn, der dem Arbeitnehmer regelmäßig zufließt. Für sonstige Bezüge verbleibt es nach § 38a Abs. 1 Satz 3 EStG beim Zuflussprinzip des § 11 EStG (vgl. BFH 15. Dezember 2011 – VI R 26/11, Rn. 12).
(2) Ein sonstiger Bezug wird in dem Kalenderjahr bezogen, in dem er dem Arbeitnehmer zufließt. Für die einzubehaltende Lohnsteuer sind die für den Tag des Zuflusses geltenden Besteuerungsmerkmale auf der Lohnsteuerkarte zugrunde zu legen. Der Kläger bezieht zum Zeitpunkt der Zahlung von dritter Seite Arbeitslohn. Der sonstige Bezug ist nur dann auf der Grundlage der ersten Lohnsteuerkarte zu besteuern, wenn der Kläger zum Zahlungszeitpunkt keinen Arbeitslohn von einem anderen Arbeitgeber bezieht. Die Höhe der einzubehaltenden Lohnsteuer ist nach Maßgabe von § 39b Abs. 3 EStG zu ermitteln. Zur Überprüfung der Richtigkeit der Lohnsteuerberechnung und damit zur Prüfung der Schlüssigkeit der Nettolohnklage ist im Hinblick auf die komplizierten Berechnungsgrundlagen in § 39b Abs. 3 EStG regelmäßig die Hinzuziehung eines Sachverständigen in Betracht ziehen (vgl. BAG 26. Februar 2003 – 5 AZR 223/02, Rn. 36).
(3) Die Begriffe „laufender Arbeitslohn“ und „sonstige Bezüge“ im EStG sind allerdings nicht legal definiert. § 38a Abs. 1 Satz 3 EStG bestimmt als sonstige Bezüge lediglich Arbeitslohn, der nicht als laufender Arbeitslohn gezahlt wird. Als laufenden Arbeitslohn hat der BFH in einem Beschluss vom 29. Mai 1998 (VI B 275/97, Rn. 3) unter Bezugnahme auf die LStR Arbeitslohn bezeichnet, "der dem Arbeitnehmer regelmäßig zufließt". Die LStR erläutern beide Begriffe unter Darstellung von Anwendungsbeispielen. Für die konkrete Zuordnung übernehmen sie dabei die im EStG vorgegebene Zweiteilung danach, ob die Bezüge "laufend" gewährt werden oder nicht. Laufender Arbeitslohn ist nach der LStR R 39b.2 Abs 1 Arbeitslohn, der dem Arbeitnehmer regelmäßig fortlaufend zufließt, wie zB Monatsgehälter oder Wochen- und Tageslöhne. Zum laufenden Arbeitslohn gehören gegebenenfalls auch Nachzahlungen und Vorauszahlungen, wenn sich diese ausschließlich auf Lohnzahlungszeiträume beziehen, die im Kalenderjahr der Zahlung enden, und Arbeitslohn für Lohnzahlungszeiträume des abgelaufenen Kalenderjahres, der innerhalb der ersten drei Wochen des nachfolgenden Kalenderjahres zufließt. Zu den sonstigen Bezügen zählen also insbesondere auch Nachzahlungen, wenn sich der Gesamtbetrag oder ein Teilbetrag der Nachzahlung oder Vorauszahlung auf Lohnzahlungszeiträume bezieht, die in einem anderen Jahr als dem der Zahlung enden, oder, wenn Arbeitslohn für Lohnzahlungszeiträume des abgelaufenen Kalenderjahres später als drei Wochen nach Ablauf dieses Jahres zufließt (vgl. BSG 27. Juni 2019 – B 10 EG 2/18 R, Rn. 26 ff.).
dd) Danach war hier eine Verurteilung zu einer Nettozahlung nach den Grundsätzen der zitierten Rechtsprechung nicht möglich. Aufgrund der mit dem Haupantrag verfolgten Antragstellung war eine Besteuerung der begehrten Zahlung nicht auszuschließen. Die Nachzahlung konnte nicht mehr in einem Zeitraum erfolgen, der eine Einordnung als laufender Arbeitslohn ermöglicht hätte.
Da von einer Bruttolohnvereinbarung auszugehen ist, hätte der Kläger - da die begehrte Nachzahlung einen sonstigen Bezug iSv. § 38 Abs. 1 Satz 3 EStG darstellt und im Jahr des Zuflusses zu besteuern ist - zur schlüssigen Begründung seiner Nettolohnklage die für den Tag des Zuflusses maßgeblichen elektronischen Steuerabzugsmerkmale iSv. § 39e EStG (ELStAM) darlegen müssen (vgl. BAG 26. Februar 2003 - 5 AZR 223/02, zu III der Gründe). Dem ist er ungeachtet eines entsprechenden Hinweises der Kammer nicht nachgekommen (vgl. BAG 23. September 2020 – 5 AZR 251/19, Rn. 22). Die Rechtsansicht des Klägers, es handele sich um laufenden Arbeitslohn, ist unzutreffend. Die Behauptung, es habe sich nichts geändert, ist nicht ausreichend, zumal zum Jahresanfang 2021 ein Arbeitgeberwechsel vorgelegen hat.
b) Der Kläger verfolgt die Klagen nach dem Hinweis der Kammer hilfsweise mit einem Bruttoantrag. Insoweit ist die Klage begründet. Der Kläger hat jedenfalls gegen die Beklagte einen Anspruch auf Vergütung in Höhe der Differenz zwischen dem mit dem Antrag verfolgten Bruttobetrag und dem in Abzug gebrachten Betrag.
aa) Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung der Vergütung für den Monat Dezember 2020 in Höhe 4.946,75 Euro brutto abzüglich der nach dem Antrag des Klägers gezahlten und daher in Abzug gebrachten 3.644,67 Euro. Der Bruttobetrag in Höhe von 4.946,75 Euro setzt sich zusammen aus dem vereinbarten Bruttogehalt in Höhe von 4.250 Euro, einem Zuschuss zum Beitrag für das Versorgungswerk und einem Fahrtkostenersatz in Höhe von 301,50 Euro.
(1) Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Vergütung für den 17., 18. Und 21. Dezember 2020 gem. § 611 Abs. 1, § 611a Abs. 2 BGB.
Der Kläger hat insoweit vorgetragen, am 17. und 18. Dezember 2020 vor dem Hintergrund seines Ausscheidens und des anstehenden Urlaubs die notwendigen Aufräum- und Abschlussarbeiten vorgenommen zu haben. Die Beklagte hat zuletzt auch nicht bestritten, dass der Kläger an diesen Tagen im Büro in Templin tätig gewesen ist. Angesichts der Ereignisse an den Folgetagen vermutet sie jedoch, dass der Kläger bereits für Rechtsanwalt E. gearbeitet hat und nicht mehr für sie, sondern den Aktenauszug des Herrn E. vorbereitet habe. Dass der Kläger am 18. Dezember 2020 vor Ort war, ergibt sich bereits aus dem Umstand, dass er unstreitig die Kündigungsschreiben des Herrn E. auf den Schreibtisch des Gesellschafters Dr. N. gelegt hat. Der Vortrag des Klägers, wonach er die angesichts der Beendigung des Arbeitsverhältnisses und des anstehenden Urlaubs noch notwendigen Arbeiten durchgeführt habe, ist aber gut nachvollziehbar. Den dagegen seitens der Beklagten vorgebrachten Gesichtspunkten fehlt es an der notwendigen Substanz. Soweit sie sich darauf beruft, der Kläger sei einer Weisung des Gesellschafters E. nicht nachgekommen, Akten zusammenzustellen, steht das einer Arbeitsleistung des Klägers für sie an diesem Tag nicht entgegen. Er hat sich auf die Erbringung anderer Arbeitsleistungen berufen. Der Kläger war auch berechtigt, seine Arbeitszeit frei einzuteilen. Allerdings wird daran deutlich, dass die Beklagte davon ausgegangen sein muss, dass eine Trennung unmittelbar bevorstand. Andernfalls hätte das Sortieren der Akten keinen Sinn gemacht. Im Übrigen ergeben sich aus dem Vortrag der Beklagten keine Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger für sie an diesem Tag nicht gearbeitet hat. Der Auszug soll nicht am 18., sondern am 19. und 20. Dezember 2020 sowie uU auch noch an einem der Folgetage stattgefunden haben.
(2) Der Kläger hat auch einen Anspruch auf Vergütung für den 21. Dezember 2020. Entgegen der ursprünglichen Behauptung der Beklagten, von der sie im Rahmen des Verfahrens Abstand genommen hat, hat der Kläger auch am 21. Dezember 2020 noch gearbeitet. Er hat für die Beklagte noch einen Termin beim Landgericht wahrgenommen. Die Behauptung der Beklagten, der Kläger habe beabsichtigt, nach dem 17. Dezember 2020 für sie keine Arbeitsleistung zu erbringen, kann daher so nicht zutreffen.
(3) Der Kläger hat zudem gemäß § 2 Abs. 1 EFZG sowie § 1 BUrlG, § 11 Abs. 1 Satz 1 BUrlG auch für die feiertags- und urlaubsbedingt ausgefallenen Arbeitstage bzw. –zeiten Anspruch auf Vergütung.
(a) Der Entgeltfortzahlungsanspruch für die Weihnachtsfeiertage folgt aus § 2 Abs. 1 EFZG. Nach dem dieser Bestimmung zugrundeliegenden Entgeltausfallprinzip hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer für die Zeit, die infolge eines gesetzlichen Feiertags ausfällt, das Entgelt zu zahlen, das er ohne den Arbeitsausfall bei Erbringung der Arbeitsleistung erhalten hätte.
(b) Für Zeiten des Erholungsurlaubs folgt der Anspruch des Klägers auf Urlaubsentgelt in Höhe des geltend gemachten Betrages aus § 611 Abs. 1 BGB iVm. § 1 BUrlG, § 11 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 BUrlG, sowie dem Arbeitsvertrag des Klägers.
(aa) Die Berechnung des Urlaubsentgeltanspruchs des Klägers erfolgt für den gesetzlichen und den übergesetzlichen Urlaub nach § 611 Abs. 1 BGB iVm. § 1 BUrlG, § 11 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 BUrlG. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass die Parteien für den übergesetzlichen Urlaubsanspruch eine von den Bestimmungen des Bundesurlaubsgesetzes abweichende Vereinbarung über die Bemessung des Urlaubsentgelts getroffen haben (vgl. BAG 20. September 2011 - 9 AZR 416/10, Rn. 43 mwN).
(bb) Dem Kläger standen nach dem Arbeitsvertrag 25 Urlaubstage zu sowie zwei arbeitsfreie und zu vergütende Tage (24. Und 31. Dezember 2020). Die Beklagte hat im Schriftsatz vom 15. Oktober 2021 vorgetragen, für die Zeit nach dem 21. Dezember 2020 habe der Kläger noch vier Tage Urlaub beanspruchen können. Sie hat allerdings nicht vorgetragen, inwieweit sie zuvor die sich aus dem Arbeitsvertrag ergebenden Urlaubsansprüche des Klägers den gesetzlichen Anforderungen entsprechend erfüllt hat. Der Kläger beruft sich insoweit darauf, sein Urlaubsanspruch sei durch die ihm gewährten halben Urlaubstage nicht erfüllt worden, zumal ihm Urlaub entgegen der gesetzlichen Regelung auch nicht im gesetzlich geforderten Umfang am Stück gewährt worden sei. Soweit kein Bruchteil von Urlaubstagen geschuldet ist, kann gemäß § 7 Abs. 2 BUrlG die Arbeitsbefreiung durch Erteilung von Urlaub nur für den ganzen Tag gewährt werden (vgl. BAG 19. Juni 2018 – 9 AZR 615/17, Rn. 33). Der Kläger trägt unwidersprochen vor, dass die „Urlaubnahme“ nicht vollkommen frei möglich war, sondern nach Maßgabe der betrieblichen Belange an maximal vier Tagen am Stück und im Übrigen nur an halben Tagen. Das steht jedenfalls einem freien Selbstbeurlaubungsrecht entgegen, weshalb es nicht darauf ankommt, ob in einem solchen Fall der Urlaubsanspruch auch entgegen der gesetzlichen Regelung erfüllt werden kann, wogegen manches spricht. Für die Beklagte bestand eine Mitwirkungspflicht, der sie ursprünglich offenbar auch gerecht werden wollte, wie die Abrechnung vom 18. Dezember 2020 verdeutlicht. Für den dem Kläger noch zustehenden Urlaub verblieben nur die Tage vom 22. Dezember 2022 bis zum Jahresende. Die Aufrechnung der Beklagten mit einer Gegenforderung im Hinblick auf zu viel gewährte Freizeit ist unzulässig.
(4) Unabhängig davon wäre der Kläger auch gar nicht in der Lage gewesen, noch eine Arbeitsleistung für die Beklagte zu erbringen, da dem Kläger der Zugang zu den Räumlichkeiten verwehrt war, was Annahmeverzugsansprüche ausgelöst hätte.
(5) Den sich danach bestehenden Ansprüchen und ihrer Durchsetzung steht ein treuwidriges Verhalten des Klägers nicht entgegen.
Insoweit behauptet die Beklagte, der Kläger habe praktische, jedenfalls aber psychische Beihilfe zum Aktenauszug durch Rechtsanwalt E. geleistet. Der Vortrag der Beklagten zur angeblichen Beteiligung des Klägers an einer Aktenentziehung durch den Gesellschafter E. beruht allerdings im Wesentlichen auf Vermutungen.
Unter den Parteien ist nicht streitig, dass im Herbst 2020 Änderungen unter den Gesellschaftern besprochen worden waren. Nicht streitig ist allerdings auch, dass es noch nicht zu einem Einvernehmen unter ihnen bezüglich der Umsetzung gekommen und daher eine Besprechung für den 22. Dezember 2020 vorgesehen war. Einen Teil der Akten hatte die Beklagte nach dem eigenen und durch sie nicht bestrittenen Vortrag des Klägers bereits in das Büro in Leipzig zur Bearbeitung verbringen lassen. Der Insolvenzverwalter E., zugleich Gesellschafter der Beklagten und der daneben existierenden Insolvenzverwaltergesellschaft, hatte sich entschieden, seine Aufträge aus seiner Tätigkeit als Insolvenzverwalter nicht weiter an die Beklagte zu vergeben, um sie durch diese anwaltlich bearbeiten zu lassen. Dem dienten seine Kündigungen vom 18. Dezember 2020, nachdem ein Einvernehmen unter den Gesellschaftern zu diesem Zeitpunkt noch nicht zustande gekommen war.
Die Mitarbeiter der Beklagten – und damit auch der Kläger – standen in dieser Auflösungssituation vor der Entscheidung, bei wem sie künftig weiter tätig werden wollten. Viele – wie der Kläger - haben sich offenbar entschieden, dem weiter vor Ort ansässigen Insolvenzverwalter E. zu folgen, bei der Beklagten zu kündigen und ein Arbeitsverhältnis mit Herrn E. einzugehen. Der Kläger hat vorgetragen, in dieser Situation noch die vor der Beendigung des Arbeitsverhältnisses notwendigen Arbeiten durchgeführt zu haben. Allen Mitarbeitern sei angesichts der Entwicklung unter den Gesellschaftern bewusst gewesen, dass ein Wechsel zum Jahresende bevorstehe. Für sie kam es danach eher nicht darauf an, wie sich die Gesellschafter untereinander – eventuell am 22. Dezember 2020 - auseinandersetzen würden. Am 19./20. Dezember 2020 sind dann nach Darstellung der Beklagten auch Akten aus den Kanzleiräumen entfernt worden, die der Beklagten nicht hätten entzogen werden dürfen. Das kann zu ihren Gunsten als richtig unterstellt werden. Weder ist aber auch gerade nach dem Vortrag der Beklagten erkennbar, inwieweit der Kläger dabei konkret unterstützend tätig geworden sein soll, dh welchen konkreten Tatbeitrag der Kläger geleistet haben soll, noch ist erkennbar, ob es sich bei den Handlungen des Klägers um zulässige oder um unzulässige Maßnahmen gehandelt hätte. Der Kläger hat eine unerlaubte Beteiligung an der Aktion abgestritten. Soweit die Beklagte dem Kläger auch psychische Unterstützung unterstellt und in diesem Zusammenhang eine Meinungsäußerung des Klägers zugunsten des Herrn E. vorträgt, handelt es sich um eine nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts auch im Rahmen der konkreten Situation ohne weiteres zulässige Meinungsäußerung, die insbesondere nicht geeignet ist, Vergütungsansprüchen des Klägers entgegenzustehen. Der Umstand, dass der Kläger die Beklagte über die beabsichtigte Entfernung der Akten nicht informiert hat, steht der Durchsetzbarkeit des Vergütungsanspruchs hier ebenfalls nicht entgegen. Die Beklagte hat in Kenntnis der Umstände von dem Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung abgesehen. Materielle Gegen- bzw. Schadensersatzansprüche hätte die Beklagte im Wege der Widerklage geltend machen oder aufrechnen können. Solche sind ihr aber rechtskräftig aberkannt worden. Die Widerklage der Beklagten auf Schadensersatz ist erstinstanzlich abgewiesen worden, das Urteil des Arbeitsgerichts ist insoweit rechtskräftig geworden.
bb) Der Kläger hat es im Rahmen des Hilfsantrags allerdings nicht dabei belassen, von dem Bruttobetrag den bereits ausgezahlten Nettobetrag abzuziehen. Vielmehr reduziert er die Bruttoforderung um einen Betrag, bei dessen Abzug gerade der mit der Nettolohnklage (Hauptantrag) verfolgte Betrag in Höhe von 1.308,02 Euro übrigbleibt. Das ist hier aber unschädlich, da der in Abzug gebrachte Betrag so hoch ist, dass davon ausgegangen werden kann, dass dem Kläger der durch ihn noch geltend gemachte Betrag in jedem Fall zusteht. Das ist unproblematisch, da es sich nicht um eine Teilklage handelt, sondern der Kläger mit dem Antrag alle ihm im Zusammenhang mit seiner Forderung für den Zeitraum bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses noch zustehenden Vergütungsansprüche verfolgt. Die Forderung ist daher auch ausreichend bestimmt. Ihr steht insbesondere nicht entgegen, dass sich aus dem Vortrag des Klägers eventuell noch weitergehende Ansprüche ergeben. Der Kläger hat durch seinen Vortrag erkennen lassen, dass sämtliche aus seinem Vortrag ergebenden Vergütungsansprüche, auch Urlaubsabgeltungsansprüche, erfasst sein sollten.
cc) Festgestellt werden konnte allerdings nicht, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang die Differenzvergütung der Besteuerung unterliegt. Daher konnte der Differenzbetrag dem Kläger nicht als Nettobetrag, aber in vollem Umfang nur ohne den Zusatz „netto“ zugesprochen werden. Der Tenor des Arbeitsgerichts konnte daher zwar hinsichtlich der Höhe des zugesprochenen Betrags beibehalten werden, allerdings ohne die Formulierung „netto“ (ähnlich BAG 15. November 2005 - 9 AZR 626/04, Rn. 45; 26. Mai 1998 - 3 AZR 96/97, zu II der Gründe).
3) Der Zinsanspruch folgt aus § 286 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1, § 288 Abs. 1 BGB.
III. Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
IV. Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.