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Entscheidung 3 L 147/22


Metadaten

Gericht VG Cottbus 3. Kammer Entscheidungsdatum 05.09.2022
Aktenzeichen 3 L 147/22 ECLI ECLI:DE:VGCOTTB:2022:0905.3L147.22.00
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen § 5 HuHV BB 2004, § 13 Abs 1 OBG BB, § 8 HuHV BB 2004, § 10 HuHV BB 2004

Tenor

1. Der Antrag wird abgelehnt.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

2. Der Streitwert wird auf 2.500 Euro festgesetzt.

Gründe

Der sinngemäße Antrag des Antragstellers,

die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs vom 30. Mai 2022 gegen die Ziffern 1 und 2 der Ordnungsverfügung des Antragsgegners vom 25. Mai 2022 wiederherzustellen,

ist zulässig, aber unbegründet.

Die Vollziehungsanordnung hinsichtlich der Regelungen in Ziffern 1 und 2 der Verfügung (Ziffer 3) erfolgte formell ordnungsgemäß. Nach § 80 Abs. 1 VwGO haben Widerspruch und Anfechtungsklage grundsätzlich aufschiebende Wirkung. Diese entfällt allerdings unter anderem dann, wenn die Behörde – wie hier – gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO die sofortige Vollziehung der Verfügung im öffentlichen Interesse anordnet, wobei dieses Interesse nach Abs. 3 Satz 1 der Vorschrift schriftlich zu begründen ist. Die dazu im Bescheid angeführte Begründung genügt noch den einschlägigen formalen Anforderungen. Der Antragsgegner hat das überwiegende Interesse an der sofortigen Vollziehung insgesamt begründet mit der potentiellen Gefährlichkeit des Hundes „T...“ und daraus resultierender Gefahren für die Allgemeinheit. Diese Begründung ist weder formelhaft noch erweckt sie Zweifel, dass sich der Antragsgegner des Ausnahmecharakters der sofortigen Vollziehung bewusst war. Ob diese Erwägungen auch inhaltlich in jeder Hinsicht überzeugen, insbesondere der von dem Antragsteller gehaltene Hund tatsächlich als gefährlich zu gelten hat, ist an dieser Stelle, also für die Einhaltung des Begründungserfordernisses, ohne Bedeutung.

Die Anordnung der sofortigen Vollziehung ist auch in materieller Hinsicht nicht zu beanstanden. Im Rahmen der nach § 80 Abs. 5 VwGO vorzunehmenden Interessenabwägung überwiegt das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung das private Interesse des Antragstellers an einem Aufschub von Vollzugsmaßnahmen. Die Ordnungsverfügung vom 25. Mai 2022 stellt sich nach der im vorliegenden Verfahren nur möglichen und gebotenen summarischen Prüfung als offensichtlich rechtmäßig dar.

Dabei dürfte mit dem Bescheid vom 25. Mai 2022 die Ziffern 3 bis 5 der Ordnungsverfügung vom 23. Mai 2022 gemäß § 1 Abs. 1 des Verwaltungsverfahrensgesetzes für das Land Brandenburg (VwVfGBbg) in Verbindung mit §§ 48, 49 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) jedenfalls für die Zukunft konkludent aufgehoben worden sein. Die Möglichkeit der konkludenten Aufhebung eines Verwaltungsaktes ist grundsätzlich anerkannt (vgl. BVerwG, Urteil vom 9. Mai 2012 – 6 C 3/11 – juris Rn. 37), sowohl hinsichtlich einer Rücknahmeentscheidung (Schoch in: Schoch/Schneider, 2. EL April 2022, VwVfG § 48 Rn. 336) als auch hinsichtlich einer Widerrufsentscheidung (Sachs in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG § 49 Rn. 115). Vorliegend bringt der Antragsgegner zum Ausdruck, dass er die gegenüber dem Antragsteller zuvor verfügten Regelungen nicht weiterhin bestehen lassen und durch neue Regelungen ersetzen wollte, nämlich durch die Ziffern 1 und 2 der Ordnungsverfügung vom 25. Mai 2022. Die fehlenden Ausführungen zu dahingehenden Ermessenserwägungen sind vorliegend nicht zu beanstanden. Das Ermessen dürfte insoweit auf Null reduziert gewesen sein. Denn die vom Antragsgegner anzuwendende Norm der im Land Brandenburg geltenden Ordnungsbehördlichen Verordnung über das Halten und Führen von Hunden (HundehV) beinhaltet – wie sich im Folgenden ergibt – eine zwingende Rechtsfolge für die Gefahrenabwehrbehörde.

Rechtsgrundlage für die Haltungsuntersagung (Ziffer 1 der Ordnungsverfügung) ist § 5 Abs. 1 HundehV. Danach hat die örtliche Ordnungsbehörde das Halten eines Hundes schriftlich zu untersagen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass die Erlaubnisvoraussetzungen des § 7 Abs. 1 Satz 4 oder des § 10 Abs. 2 nicht erfüllt werden (1. Alternative) oder durch das Halten eine Gefahr für Leben oder Gesundheit von Menschen oder Tieren ausgeht, wobei dies insbesondere anzunehmen ist, wenn der Hund von einer Person gehalten wird, die die erforderliche Zuverlässigkeit für den Umgang mit Hunden nicht besitzt (2. Alternative).

Es kann offenbleiben, ob durch das Halten des Hundes „T...“ eine Gefahr für Leben oder Gesundheit von Menschen oder Tieren ausgeht. Auf die Frage, ob die 2. Alternative des § 5 Abs. 1 HundehV insoweit auf eine vom Hund ausgehende Gefahr abstellt oder vielmehr auf die Person des Hundehalters bzw. dessen Voraussetzungen für die Haltung eines Hundes, kommt es nicht an. Denn für das ausgesprochene Haltungsverbot dürften jedenfalls die Voraussetzungen der 1. Alternative der Norm vorliegen. Es ist davon auszugehen, dass Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass die Erlaubnisvoraussetzungen des § 10 Abs. 2 HundehV, der die Erlaubniserteilung zum Halten eines gefährlichen Hundes regelt, nicht erfüllt werden.

Nach derzeitiger Erkenntnislage spricht alles dafür, dass der Hund des Antragstellers als gefährlich und bissig im Sinne des § 8 Abs. 1 Nr. 2 Halbs. 1 HundehV gilt. Danach gelten Hunde als gefährliche Hunde im Sinne der Verordnung, die als bissig gelten, weil sie einen Menschen oder ein Tier durch Biss geschädigt haben, ohne selbst angegriffen oder dazu durch Schläge oder in ähnlicher Weise provoziert worden zu sein. Es bestehen nach summarischer Prüfung keine ernstlichen Zweifel, dass die Voraussetzungen eines Beißvorfalls i. S. d. § 8 Abs. 1 Nr. 2 Halbs. 1 HundehV in Gänze erfüllt sind. Unstreitig ist, dass der Hund „T...“ das 7-jährige Kind A...bei dem anlassgebenden Vorfall gebissen hat und diesem dadurch multiple, teils schwere Verletzungen zufügte, es also in erheblicher Weise in seiner körperlichen Unversehrtheit beeinträchtigte. Dies ergibt sich aus dem Entlassungsbrief der S... vom 13. Mai 2022 sowie aus der in dem Verwaltungsvorgang befindlichen Fotodokumentation der Verletzungen der Geschädigten. Daneben kommt es darüber hinaus maßgeblich auf den Geschehensablauf an, der zu dem Bissvorfall geführt hat (OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 27. April 2020 – OVG 5 S 11.19 – juris Rn. 5). Vorliegend ist nichts dafür vorgetragen oder sonst ersichtlich, dass die Geschädigte den Hund angegriffen oder provoziert haben könnte. Ausgehend vom zeitlichen Ablauf über eine nur sehr kurze Zeitspanne hinweg dürfte für ein Einwirken des Opfers auf den Hund dergestalt, dass dieser sich nur durch Bisse hätte verteidigen können und damit keine über das natürliche Maß hinausgehende Aggressivität gezeigt hätte, auch kaum Gelegenheit bestanden haben. So schilderte der Antragsteller selbst, dass sein Hund binnen „Sekundenbruchteilen“ von dem Grundstück entwich und „unmittelbar“ nach dem Entweichen des Hundes von dem Grundstück die größere Schwester des Opfers ihm schon entgegengelaufen sei und um Hilfe ersucht habe.

Erfüllt nach alledem der Hund des Antragstellers die tatbestandlichen Voraussetzungen von § 8 Abs. 1 Nr. 2 HundehV und gilt er damit als gefährlicher Hunde im Sinne des Gesetzes, so ist diese Vermutung unwiderlegbar (OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 3. Juli 2015 – OVG 5 S 44.14 – juris Rn. 5). Damit kommt es auf das Ergebnis des am 24. Mai 2022 durchgeführten Wesenstests an dem Hund „T...“ durch den Sachverständigen Herrn Dr. med. vet. H... und dessen unter dem 26. Juni 2022 erstellten Gutachten nicht an. Nach der Systematik der Hundehalterverordnung des Landes Brandenburg begründet die Bissigkeit eines Hundes unmittelbar die Erlaubnispflichtigkeit seiner Haltung (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 2. August 2016 – OVG 3 L 468/15 – juris Rn. 6).

Die Erlaubnisvoraussetzungen des § 10 Abs. 2 HundehV werden nicht erfüllt. Die Erlaubnis darf nach § 10 Abs. 2 HundehV unter anderem nur erteilt werden, wenn sie die erforderliche Sachkunde nach § 11 HundehV besitzt (Nr. 2), keine Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass die antragstellende Person die erforderliche Zuverlässigkeit nach § 12 HundehV nicht besitzt (Nr. 3), die dem Halten, der Ausbildung und dem Abrichten dienenden Räumlichkeiten, Einrichtungen und Freianlagen eine verhaltensgerechte und ausbruchsichere Unterbringung ermöglichen (Nr. 4), die körperliche Unversehrtheit von Menschen und Tieren nicht gefährdet wird (Nr. 5) und die antragstellende Person, soweit diese das Halten eines gefährlichen Hundes beantragt hat, ein berechtigtes Interesse daran nachweist; ein berechtigtes Interesse an dem Halten eines gefährlichen Hundes kann insbesondere vorliegen, wenn das Halten der Bewachung eines besonders gefährdeten Besitztums dient (Nr. 6). Die vorliegenden Tatsachen lassen daran zweifeln, dass der Antragsteller ein berechtigtes Interesse an der Haltung seines Hundes nachweisen kann (§ 10 Abs. 2 Nr. 6 HundehV. Das erkennbare Ziel des Verordnungsgebers ist es, den Bestand an gefährlichen Hunden zurückzudrängen. Das Tatbestandsmerkmal des berechtigten Interesses beschränkt die Haltung auf solche Fälle, in denen gewichtigen Individualrechtsgütern wie dem Eigentumsschutz ausnahmsweise der Vorrang vor dem Allgemeininteresse an der Verminderung der von der Haltung solcher Hunde ausgehenden Gefahren einzuräumen ist (vgl. hierzu insgesamt OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 20. Juni 2002 – 4 D 89/00.NE – juris Rn. 266). Zu einem berechtigten Interesse, welches neben anderen Voraussetzungen nach § 10 Abs. 2 HundehV das Halten eines gefährlichen Hundes möglicherweise erlauben könnte, hat der Antragsteller mit seinem unter dem 30. Mai 2022 insoweit vorsorglich gestellten Antrag weder vorgetragen noch den insoweit erforderlichen Nachweis erbracht. Auch über einen Sachkundenachweis verfügt er nach Aktenlage nicht (§ 10 Abs. 2 Nr. 2, § 11 S. 2 HundehV).

Auch die Regelung der Ziffer 2 der Ordnungsverfügung, den Hund „T...“ unverzüglich an ein Tierheim als geeignete Einrichtung zu übergeben, begegnet keinen rechtlichen Bedenken.

Die Regelung dient der Umsetzung des Haltungsverbotes und findet seine Ermächtigungsgrundlage in den Regelungen der Hundehalterverordnung und des § 13 Abs. 1 des Ordnungsbehördengesetzes für das Land Brandenburg (BbgOBG). Eine derartige Abgabeverpflichtung ist dabei nur logische Konsequenz des Haltungsverbots (vgl. VG Ansbach, Urteil vom 20. Juni 2006 – AN 5 K 06.00075 – juris Rn. 20). Es liegen konkrete Anhaltspunkte vor, die den hinreichenden Verdacht einer Gefahr der öffentlichen Sicherheit begründen, nämlich einer weiteren Gefährdung von Leben und Gesundheit von Menschen. Die oben dargestellten Umstände des Geschehensablaufs sprechen auch für eine zukünftige Unberechenbarkeit und Nichtbeherrschbarkeit des Hundes „T...“. Denn dieser Hund vermag mit hinreichender Wahrscheinlichkeit höherrangige Rechtsgüter wie die Gesundheit zu schädigen und möglicherweise sogar das Leben von Menschen zu beenden, auch wenn er nur für Sekunden oder „Sekundenbruchteile“ außer Acht gelassen wird.

Offen bleiben kann, ob die vollzogene Maßnahme tatsächlich auf der nach dem Wortlaut in Ziffer 2 verfügten Anordnung der Übergabe basiert oder ob tatsächlich eine Sicherstellung des Hundes erfolgte. Hierfür wäre entscheidend, ob der Antragsteller aufgrund der Ordnungsverfügung vom 25. Mai 2022 den Hund an den Antragsgegner bzw. an Mitarbeiter bzw. Mitarbeiterinnen des Tierheims herausgab oder ob der Hund von diesen Personen ohne eine Herausgabe (zwangsweise) entzogen wurde. Für eine Herausgabe spricht, dass ausweislich des Verwaltungsvorgangs dem Antragsteller die Ordnungsverfügung am 25. Mai 2022 um 14.30 Uhr zunächst übergeben und damit bekanntgegeben wurde und nach einer „Bescheinigung über die Sicherstellung oder Beschlagnahme von Tieren“ der Tierschutzliga Stiftung Tier und Natur der Hund am 25. Mai 2022 (erst) um 15.45 Uhr übernommen wurde. Für einen solchen Geschehensablauf spricht auch die Aussage des Antragstellers in seiner Eidesstattlichen Versicherung vom 30. Juni 2022. Demnach sei ihm sein Hund „im Rahmen der Ordnungsverfügung unter Anordnung der sofortigen Vollziehung weggenommen“ worden. Die vom Antragsteller verwendete Begrifflichkeit der „Wegnahme“ könnte ebenso wie die vom Tierheim unter der Bezeichnung „Bescheinigung über Sicherstellung oder Beschlagnahme von Tiere“ ausgestellte Urkunde nebst handschriftlichen Anlassvermerk „Sicherstellung aufgrund Beißvorfall“ jedoch auch für eine vom Antragsgegner vorgenommene Sicherstellung sprechen.

Eine Sicherstellung des Hundes wäre jedenfalls durch die in der Ziffer 2 verfügten Anordnung gedeckt. Zwar enthält die angefochtene Regelung des Antragsgegners nur die Aufforderung, den Hund an eine geeignete Stelle abzugeben. Vor dem Hintergrund, dass derjenige, dem die Haltung seines Hundes untersagt wurde und der nicht über eine entsprechende Erlaubnis zum Halten des Tieres verfügt, mit dem Tier nicht mehr umgehen soll, spricht viel dafür, dass die Sicherstellung auch ohne ausdrückliche Tenorierung in der Ordnungsverfügung von der ausgesprochenen Abgabeaufforderung mit umfasst ist, weil die Abgabe des Hundes denknotwendig dessen Entzug voraussetzt (vgl. zu einer Einziehung: VG Düsseldorf, Beschluss vom 4. Mai 2020 – 18 L 470/20 – juris Rn. 51, m.w.N.). Die in Ziffer 2 getroffene Anordnung ist damit vorliegend zugleich als Sicherstellung des Hundes gemäß § 5 Abs. 2 HundehV zu verstehen. Danach kann die zuständige Behörde die Sicherstellung des Tieres anordnen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Hund auch in Zukunft eine Gefahr für Leben und Gesundheit von Mensch oder Tier darstellt. Eine Gefahr im Sinne des § 5 Abs. 2 HundehV verlangt entsprechend dem ordnungsbehördlichen Gefahrenbegriff das Vorliegen einer Sachlage, bei der im einzelnen Fall die hinreichende Wahrscheinlichkeit besteht, dass in absehbarer Zeit ein Schaden für die genannten Rechtsgüter eintreten wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 3. Juli 2002 – 6 CN 8.01 –, juris Rn. 35), wobei angesichts des Wortlauts der Norm („auch in Zukunft“) das prognostische Element eine besondere Betonung erlangt. § 5 Abs. 2 Hs. 1 HundehV schwächt die Voraussetzungen für eine Sicherstellung auf Grundlage der allgemeinen ordnungsbehördlichen Bestimmungen des § 23 Nr. 1 lit. g) OBG i.V.m. § 25 BbgPolG mithin insofern ab, als dass sie keine gegenwärtige Gefahr erfordert, sondern nur eine Gefahr für bestimmte Rechtsgüter (Beschluss der Kammer vom 19. Februar 2019 – 3 L 629/18 –, juris Rn. 10; Urteil der Kammer vom 13. Januar 2017 – 3 K 1079/16 –, n.v.). Hiervon ist wegen des benannten Beißvorfalls und der aufgrund der Umstände anzunehmenden Nichtbeherrschbarkeit des Hundes prognostisch auch zukünftig auszugehen.

Hinsichtlich dieser Übergabeverpflichtung bzw. Sicherstellung des Hundes „T...“ dürfte das behördliche Ermessen auf Null reduziert sein. Soweit der Antragsteller die Regelung in Ziffer 2 rügt, weil andere, mildere Maßnahmen möglich seien, insbesondere die Abgabe des Hundes an einen Dritten, folgt die Kammer dieser Ansicht nicht. Die Hundehalterverordnung lässt der zuständigen Behörde zunächst keinen Ermessensspielraum bei der Frage, welche Folgen die Einstufung eines Hundes als gefährlich haben soll. Sowohl die Erlaubnispflicht als auch die Verpflichtung zur Übergabe eines gefährlichen Hundes mit dem Ziel der Aufgabe der – nicht erlaubten – Hundehaltung und die Pflicht zur unverzüglichen Anzeige der Aufgabe der Hundehaltung sind bindend durch die §§ 10 bis 13 HundehV vorgeschrieben. Aufgrund dieser Vorschriften kam im vorliegenden Fall – entgegen der Auffassung des Antragstellers – ausschließlich die Abgabe des Hundes an ein Tierheim in Betracht. Denn § 13 Abs. 1 Satz 1 HundehV bestimmt, dass die Übergabe eines gefährlichen Hundes mit dem Ziel der Aufgabe der Hundehaltung nur an Personen zulässig ist, die über eine Erlaubnis nach § 10 HundehV zum Halten dieses Hundes verfügen. Dass eine Person bereitstünde, die über eine Erlaubnis zum Halten des Hundes des Antragstellers verfügt, ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Die Aussage des Antragstellers beschränkt sich insoweit lediglich darauf, dass ein Herr W... Polizeihundeausbilder sei und sich des „formbaren“ Hundes annehmen bzw. diesen betreuen würde können. Es war auch nicht zu erwarten, dass sich eine geeignete Person i. S. d. § 13 Abs. 1 Satz 1 HundehV in kurzer Zeit finden würde. Die Erteilung einer Erlaubnis zum Halten gefährlicher Hunde setzt nämlich eine individuelle Prüfung aller Tatbestandsmerkmale nach § 10 Abs. 2 HundehV durch die örtliche Ordnungsbehörde in Bezug auf den jeweiligen Hund voraus, die z. B. aufgrund des Sachkundenachweises, des Nachweises eines berechtigten Interesses oder des Nachweises einer Haftpflichtversicherung erfahrungsgemäß nicht in kurzer Zeit möglich ist. Tierheimen hingegen kann von der örtlichen Ordnungsbehörde eine allgemeine Erlaubnis zum Halten gefährlicher Hunde erteilt werden (§ 10 Abs. 5 HundehV), die eine individuelle Überprüfung entbehrlich macht, sodass der Hund des Antragstellers dort sofort untergebracht werden kann. Es ist auch nichts dafür vorgetragen oder im Übrigen ersichtlich, dass der Hund außerhalb des Landes Brandenburg gehalten werden sollte, sodass er abweichend von den Voraussetzungen des § 13 Abs. 1 Satz 1 HundehV übergeben werden dürfte (§ 13 Abs. 3 HundehV). Die Regelung in Ziffer 2 der Ordnungsverfügung bedeutet nicht, dass der Antragsteller gehindert wäre, bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen ein rechtmäßiges, insbesondere geeignetes Austauschmittel gegenüber dem Antragsgegner vorzuschlagen, mit welcher die Gefahr beseitigt wird.

Aufgrund der Gefährlichkeit des Hundes des Antragstellers und der sich daraus ergebenden Gefahr für das Leben und die Gesundheit von Menschen und Tieren, ist auch das besondere Vollziehungsinteresse (§ 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO) gegeben. Die von dem Hund ausgehende Gefahr, die sich in dem Beißvorfall mit sehr erheblichen Verletzungsfolgen verwirklicht hat, wiegt so schwer, dass das private Interesse an der weiteren Haltung des Hundes „T...“ vorläufig zurückzustehen hat.

Soweit der Antrag des Antragstellers so zu verstehen sein sollte, dass er die Herausgabe des Hunds „T...“ begehrt, hat auch dieser keinen Erfolg. Er ist zwar zulässig. Denn es erscheint angesichts des einleitenden Satz der Antragsbegründung („Der Antragsteller begehrt die Herausgabe seines einjährigen Hundes“) sachgerecht, den Antrag einschließlich der Begründung gemäß §§ 122, 88 VwGO dahingehend auszulegen.

Soweit der Antragsteller den Hund an den Antragsgegner bzw. an Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Tierheims übergab, kommt eine Herausgabe (etwa im Wege der Aufhebung der Vollziehung nach § 80 Abs. 5 S. 3 VwGO) wegen der Rechtmäßigkeit der Ziffern 1 und 2 des angegriffenen Bescheids nicht in Betracht.

Soweit der Hund vom Antragsgegner sichergesellt worden sein sollte, wäre das Begehren als Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 123 Abs. 1 VwGO zu verstehen. Ein solcher Antrag ist statthaft und wohl auch im Übrigen zulässig. Insbesondere dürfte der Antragsteller rechtsschutzbedürftig sein, weil er die Behörde zuvor mit der Sache befasst hat. Ausweislich der Schreiben vom 30. Mai 2022 dürfte er konkludent die Herausgabe des Hundes verlangt haben, soweit er die Abgabeverpflichtung des Tieres als sinngemäß rechtswidrig erachtete (vgl. zu diesem Erfordernis: BVerwG, Beschluss vom 22. November 2021 – 6 VR 4/21 – juris Rn. 8 f.).

Ein solcher Antrag ist aber unbegründet. Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann das Gericht zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis eine einstweilige Anordnung treffen, wenn diese Regelung notwendig erscheint, um wesentliche Nachteile abzuwenden. Dies setzt voraus, dass nach summarischer Prüfung eine überwiegende Wahrscheinlichkeit für das Bestehen des geltend gemachten Rechts (Anordnungsanspruch) und die Gefahr einer Vereitelung bzw. wesentlicher Erschwerung dieses Rechtes (Anordnungsgrund) besteht (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 27. Aufl. 2018, § 123 Rn. 23). Die Voraussetzungen sind vom Antragsteller glaubhaft zu machen (§ 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. §§ 920 Abs. 2, 294 Zivilprozessordnung [ZPO]). Glaubhaftmachung bedeutet, dass für die richterliche Überzeugung vom Vorliegen des Anordnungsgrunds und Anordnungsanspruchs eine überwiegende Wahrscheinlichkeit erforderlich ist (vgl. Huber, in: Musielak/Voit, ZPO, 19. Aufl. 2022, § 920 Rn. 9).

Hier hat der Antragsteller bereits das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs nicht hinreichend glaubhaft gemacht. Für die begehrte Herausgabe ist keine Rechtsgrundlage ersichtlich, welche dem Antragsteller einen solchen Anspruch vermitteln könnte. Soweit der Hund vom Antragsgegner sichergestellt worden ist, scheitert ein etwaiges Herausgabeverlangen an § 23 Nr. 1 lit. g BbgOBG i. V. m. § 28 Abs. 1 Satz 3 Brandenburgisches Polizeigesetz (BbgPolG). Demnach ist die Herausgabe ausgeschlossen, wenn dadurch erneut die Voraussetzungen für eine Sicherstellung eintreten würden. Die Voraussetzungen für eine Sicherstellung gemäß § 25a Abs. 4 BbgOBG i. V. m. § 5 Abs. 2 HundehV liegen aus den gleichen Gründen (weiterhin) vor.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Für die Festsetzung des Streitwertes hat die Kammer für die Haltungsuntersagung einschließlich der Abgabeverpflichtung insgesamt den Regelstreitwert von 5.000 Euro zu Grunde gelegt und diesen Wert angesichts der Vorläufigkeit des Verfahrens halbiert (§ 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz i. V. m. dem Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013, dort Ziffern 35.2 bzw. 1.5).