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Entscheidung 10 V 10194/21


Metadaten

Gericht FG Berlin-Brandenburg 10. Senat Entscheidungsdatum 19.08.2022
Aktenzeichen 10 V 10194/21 ECLI ECLI:DE:FGBEBB:2022:0819.10V10194.21.00
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen

Tenor

Der Antrag wird abgewiesen.

Die Beschwerde zum Bundesfinanzhof wird zugelassen.

Die Kosten des Verfahrens werden der Antragstellerin auferlegt.

Gründe

I.

Die Antragstellerin begehrt vorliegend die gerichtliche Aussetzung der Vollziehung von in Auswertung einer bei dieser durchgeführten Außenprüfung ergangenen Bescheide.

Die Beteiligten streiten in der Hauptsache im Wesentlichen über die Frage, ob Erlöse aus Forderungen, welche die Antragstellerin an zwei Europäische Wirtschaftliche Interessenvereinigungen (EWIV) abgetreten hat, ihr, der Antragstellerin, dennoch für steuerrechtliche Zwecke zuzurechnen sind und ob auf der Ebene der EWIV steuerfreie Rücklagen gebildet werden durften, um hierdurch einen dauerhaften Steuerstundungseffekt zu erreichen.

Die Antragstellerin ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH), deren Unternehmensgegenstand die Konzeption und Produktion von Veranstaltungen sowie die Erbringung von Werk- und Dienstleistungen im Zusammenhang mit Veranstaltungen sowie der Handel mit technischem Equipment ist.

Die Antragstellerin war im Streitzeitraum an zwei EWIV beteiligt, nämlich der EWIV
B…, C…, und der EWIV D…, E…. Geschäftsführer der EWIV B… sowie aller ihrer Mitglieder war im Streitzeitraum Herr F…. Gesellschafter der Mitglieder der EWIV B… waren ebenfalls Herr F… sowie vereinzelt seine Ehefrau. Fremde Dritte waren, mit Ausnahme von geringen Bruchteilen bei einzelnen Mitgliedern, nicht vertreten.

Gegenstand der EWIV B… war die Kooperation der Mitglieder bei der Verwaltung des Eigentums - Mobilien und Immobilien - und der Betreuung von unternehmerischen Tätigkeiten, insbesondere im Bereich von Bau-, Renovierungs- und Denkmalschutztätigkeit, aber auch in den Bereichen Event- und Veranstaltungsmanagement sowie bei allen damit jeweils zusammenhängenden Beratungsfragen. Der Sachverhalt hinsichtlich der EWIV D… unterscheidet sich nach insofern übereinstimmenden Angaben der Beteiligten nicht vom Sachverhalt der EWIV B….

Die beiden EWIV übernahmen das Inkasso- und Rechnungswesen ihrer Mitglieder und überwachten den Zahlungsverkehr. Die Mitglieder konnten bei den EWIV ohne Bonitätsprüfung und Sicherheiten Darlehen aufnehmen. Die Antragstellerin trat im Wege der Globalzession die ihr gegen eigene Schuldner zustehenden Forderungen jeweils an die EWIV ab. Die beiden EWIV zogen die ihnen jeweils abgetretenen Forderungen auf eigene Rechnung ein. Die EWIV zahlten an die Antragstellerin sog. Betriebskostenerstattungen, welche die Antragstellerin ertragswirksam verbuchte. Die Betriebskostenerstattungen ließen sich weder hinsichtlich der Bezeichnung noch der Höhe bestimmten Aufwendungen der Antragstellerin zuordnen.

Wegen der Einzelheiten der Vereinbarungen wird insbes. auf den Gründungsvertrag der EWIV B… und den Kooperationsvertrag zwischen der Antragstellerin und der EWIV B… Bezug genommen sowie ergänzend auf den Gewinnverteilungsbeschluss der EWIV B… für das Geschäftsjahr 2017 vom 14. Dezember 2019 (s. Anl. 1-3 zum Schriftsatz des Antragsgegners vom 19. Januar 2022). Mit dem genannten Gewinnverteilungsbeschluss wurde der Kooperationsvertrag aufgehoben.

Der Antragsgegner führte bei der Antragstellerin ab 6. August 2020 eine Außenprüfung (BP) für die Jahre 2016 bis 2018 durch. Wegen der Einzelheiten der Feststellungen der BP wird auf den geänderten Bericht vom 28. Juni 2021 Bezug genommen. In diesem Bericht wurde u.a. ausgeführt, dass die von der Antragstellerin jeweils an eine der EWIV abgetretenen Forderungen und die hieraus resultierenden Erträge steuerrechtlich weiterhin der Antragstellerin zuzuordnen seien. Es handele sich insofern nicht um die Übertragung von Einkunftsquellen, sondern um Einkommensverwendung. Ausweislich Tz. 1.5 des BP-Berichts wurde unter Bezugnahme auf den in der Anl. 1 zum Bericht befindlichen „Vermerk zur steuerlichen Behandlung der Europäischen Wirtschafts- und Interessengemeinschaft (EWIV)“ (s. insbes. 1.7.4 des Vermerks) hinsichtlich der Frage der Bilanzierung der Abtretungen der Forderungen aus Lieferungen und Leistungen sowie der Betriebskostenerstattungen bei der Antragstellerin die Auffassung vertreten, dass die Abtretungen der Forderungen aus Lieferungen und Leistungen betrieblichen Aufwand nach § 4 Abs. 4 Einkommensteuergesetz (EStG) darstellten, welchem ein betrieblicher Ertrag, namentlich der Anspruch auf Auszahlung der Rechnungssumme abzüglich einer Provision von 2,5 %, gegenüberstehe. Die Betriebskostenerstattungen stellten dann erfolgsneutrale Zahlungen auf diese Forderungen dar. Demgemäß wurde davon ausgegangen, dass sich die Erfassung der Forderungen aus Lieferungen und Leistungen mit der Abtretung ausglich. Der Anspruch auf Auszahlung der Rechnungssummen abzüglich einer Provision von 2,5 % wurde mit den bisher als Erlös erfassten Betriebskostenerstattungen saldiert und nur die Differenz wurde als Forderung gegen die EWIV erfasst (Berechnung s. Anl. 2 zum BP-Bericht).

Außerdem wurde unter Tz. 1.7.5 des genannten Vermerks (Anl. 1 zum BP-Bericht) ausgeführt, die Bildung einer Kapitalrücklage mit Steuerstundungseffekt bis zur Auszahlung der Gewinne an die Mitglieder der EWIV sei unzulässig und widerspreche dem anzuwendenden Transparenzprinzip. Die von der Antragstellerin behauptete Gesetzeslücke bestehe nicht.

In Auswertung der Feststellungen der BP erließ der Antragsgegner am 5. August 2021 entsprechende Änderungsbescheide für die Streitjahre.

Gegen diese Bescheide legte die Antragstellerin am 24. August 2021 und 7. September 2021 Einsprüche ein, über die bislang noch nicht entschieden wurde. Zugleich beantragte sie die Aussetzung der Vollziehung der streitbefangenen Bescheide, die der Antragsgegner mit Schreiben vom 6. Dezember 2021 ablehnte.

Im vorliegenden Verfahren, das nach Abtrennung des Verfahrens hinsichtlich der Umsatzsteuer 2016 noch die Bescheide über Körperschaft- und Gewerbesteuer für 2017 und 2018 nebst Zinsen und Solidaritätszuschlag betrifft, begehrt die Antragstellerin die gerichtliche Aussetzung der Vollziehung der genannten Bescheide. Sie trägt vor, sie betreibe ein unabhängiges Konzept- und Planungsbüro. Sie gestalte und vermiete u.a. LED-Werbeanzeigen bei großen Sport- und Kulturevents und biete ihren Kunden damit verbundene Dienstleistungen an. Der satzungsmäßige Zweck der beiden EWIV, an denen sie im Streitzeitraum beteiligt gewesen sei, sei zusammengefasst die Kooperation, Unterstützung und Risikoverteilung zwischen den Mitgliedern sowie die Ermöglichung gemeinsamer Projekte gewesen. Nach der Systematik der EWIV würden dazu die Kosten und Lasten, im Gegenzug aber auch die Chancen ihrer Mitglieder vergemeinschaftet.

Die EWIV selbst erziele keine Gewinne und sei kein Steuersubjekt (Art. 3 Abs. 1 2. HS der Verordnung [EWG] Nr. 2137/85 des Rates vom 25. Juli 1985 über die Schaffung einer Europäischen wirtschaftlichen Interessenvereinigung [EWIV] - im Folgenden: EWIV-VO).

Sie, die Antragstellerin, habe von ihr an Kunden erbrachte Leistungen, soweit diese an die EWIV abgetreten gewesen seien, selbst nicht erfolgswirksam erfasst. Sie habe - ebenso wie die übrigen Mitglieder - einen Anspruch auf sog. Betriebskostenerstattung gegen die EWIV, Darlehensgewährung und Überschussbeteiligung gehabt, selbst wenn eigene Erlöse diese nicht gerechtfertigt hätten.

Unstreitig sei, dass im vorliegenden Fall keinerlei Anzeichen bestünden, dass die EWIV selbst gewerbliche Tätigkeiten entfalteten, Feststellungsbescheide nach § 180 Abs. 1 oder Abs. 2 Abgabenordnung (AO) existierten somit nicht.

Zwischen den Beteiligten sei streitig, ob der Antragsgegner Erlöse aus an die EWIV abgetretenen Forderungen bei ihr, der Antragstellerin, wieder als Erträge habe erfassen dürfen, obgleich Feststellungen nach § 180 AO nicht erfolgt seien. Streitig seien insoweit auch die mit der Umsetzung dieser Auffassung verbundenen Feststellungen der BP.

Im Ergebnis würden bei einer EWIV Chancen und Risiken der Mitgliedsunternehmen vergemeinschaftet. Dies sei ein vom europäischen Gesetzgeber gewollter Zweck zur Stärkung von Unternehmen. Diese hätten Anspruch auf Kostenersatz, auch wenn sie Verluste machten. Im Gegenzug eröffne die Mitgliedschaft an einer EWIV die Möglichkeit, Überschüsse anderweitig (u.a. gemeinnützig) zu investieren oder für schlechtere Zeiten anzusparen, um die Mitglieder in der Krise zu unterstützen. Überschüsse auf Ebene der EWIV, die nicht im Rahmen des Betriebskostenersatzes oder einer Überschussverteilung (Art. 21 EWIV-VO) zurück an die Mitglieder flössen, führten zu einer faktischen Steuerstundung, da es die Mitglieder in der Hand hätten, ob und wann ihnen wieder ertragswirksame Mittel zuflössen. Diese Erleichterung für die Mitglieder in guten Zeiten sei das Spiegelbild der gesamtschuldnerischen Einstandspflicht in schlechten Zeiten. Sie sei somit vom europäischen Gesetzgeber bewusst geschaffen worden.

Höchstrichterliche Rechtsprechung betreffend das Verhältnis zwischen EWIV und ihren Mitgliedern und Auswirkungen auf die Besteuerung existiere soweit absehbar noch nicht. Dies impliziere, dass Unsicherheiten rechtlicher Art bestünden. Die Herangehensweise des Antragsgegners finde keine Grundlage im Gesetz. Er habe ihre, der Antragstellerin, Forderungen gegenüber ihren Kunden als Erlöse erfasst, obwohl es eine wirksame, einredefreie, zivilrechtliche Abtretung gebe. Diese Ansprüche seien also durch Globalzession (§ 398 ff. Bürgerliches Gesetzbuch [BGB]) auf die EWIV übergegangen.

Eine bilanziell aktivierbare Gegenleistung für die Forderungszession sei dem System der EWIV fremd. Die Dogmatik der EWIV sei auf Solidarisierung von Chancen und Risiken ausgelegt. Eine Aktivierung einer Gegenforderung für die abgetretenen Leistungen komme dogmatisch überhaupt erst infrage, wenn auf der Ebene der EWIV beschlossen werde, dass Überschüsse zur Unterstützung an ein Mitglied flössen. Zuflüsse in Form der Kostenerstattungen durch die EWIV an sie, die Antragstellerin, würden korrekt als Erträge erfasst.

Das Ergebnis der BP sei falsch, denn sie, die Antragstellerin, könne keine Forderungen bilanzieren, deren Gläubigerin sie nicht mehr sei. Nach § 246 Abs 1 Satz 2 Handelsgesetzbuch (HGB) seien Forderungen beim Inhaber anzusetzen. Da die EWIV insbesondere auch das Bonitätsrisiko der Kunden ihrer Mitglieder trage, bleibe zudem kein Raum für eine anderweitige Zuordnung des wirtschaftlichen Eigentums im Sinne von § 39 AO.

Zudem liege vorliegend eine unbillige Härte vor, weil mit Bescheiden vom 5. August 2021 Steuern und Zinsen i. H. v. 595.774,07 € festgesetzt worden seien. Zusätzlicher Liquiditätsabfluss in dieser Höhe führe bei ihr, der Antragstellerin, zu drohender Zahlungsunfähigkeit. Auf die als Anlage 4 AST 4 zur Antragsschrift beigefügte Liquiditätsplanung werde Bezug genommen. Außerdem sei es im Veranstaltungs- und Eventgeschäft wegen der Corona Pandemie zu erheblichen Umsatzeinbußen gekommen. Das Geschäft mit Werbung bei Sportveranstaltungen laufe erst wieder an.

Die Antragstellerin beantragt,

die Vollziehung der Bescheide über Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer für 2017 und 2018 vom 5. August 2021 bis zur Erledigung des Hauptsacheverfahrens in folgender Höhe auszusetzen:

- Körperschaftsteuer 2017 i. H. v. 110.992,00 €,

- Zinsen zur Körperschaftsteuer 2017 i. H. v. 11.794,00 €,

- Solidaritätszuschlag 2017 i. H. v. 6.105,02 €,

- Gewerbesteuer 2017 i. H. v. 106.173,60 €,

- Zinsen zur Gewerbesteuer 2017 i. H. v. 13.417,00 €,

- Körperschaftsteuer 2018 i. H. v. 77.468,00 €,

- Zinsen zur Körperschaftsteuer 2018 i. H. v. 6.140,00 €,

- Solidaritätszuschlag 2018 i. H. v. 4.260,37 €,

- Gewerbesteuer 2018 i. H. v. 66.875,30 €,

- Zinsen zur Gewerbesteuer i. H. v. 5.445,00 €;

hilfsweise die Vollziehung aufzuheben sowie im Hinblick auf etwa verwirkte Säumniszuschläge die Vollziehung ab Fälligkeit aufzuheben.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Er trägt vor, die Erträge aus den von der Antragstellerin erbrachten Dienstleistungen gegenüber ihren Kunden seien in voller Höhe bei dieser der Besteuerung zu unterwerfen. Die Vereinbarung der Globalzession ändere hieran nichts.

Das Ergebnis der EWIV B… sei laufend aus den Jahresabschlüssen der Gemeinschaft abzuleiten und, sofern steuerbare Einkünfte vorlägen, anteilig bei ihren Mitgliedern zu versteuern. Die Bildung einer Kapitalrücklage mit Steuerstundungseffekt bis zur Auszahlung der Gewinne an die Mitglieder sei unzulässig.

Die EWIV sei eine besondere supranationale Rechtsform, die es Unternehmern ermögliche, grenzüberschreitend zusammen zu arbeiten, ohne diese Zusammenarbeit im nationalen Recht eines der beteiligten Länder zu unterwerfen. Da gemäß § 1 des Gesetzes zur Ausführung der EWG-Verordnung über die Europäische wirtschaftliche Interessenvereinigung (EWIV-Ausführungsgesetz) auf eine EWIV mit Sitz in Deutschland für alle Rechtsgebiete das Recht der OHG anzuwenden sei, unterliege diese als Personengesellschaft nicht der Einkommensteuer und sei nicht Steuersubjekt.

Die EWIV habe nach Art. 3 Abs. 1 Satz 1 der EWIV-VO den Zweck, die wirtschaftliche Tätigkeit ihrer Mitglieder zu erleichtern oder zu entwickeln sowie die Ergebnisse dieser Tätigkeit zu verbessern oder zu steigern. Sie habe nicht den Zweck, Gewinn für sich selbst zu erzielen. Einkünfte im Zusammenhang mit der Beteiligung an der Vereinigung erziele nur das einzelne Mitglied, dem der auf ihn entfallende Ergebnis Anteil unmittelbar zuzuordnen sei, d.h. ohne vorherige Zurechnung bei der EWIV. Dies korrespondiere mit dem in Art. 40 der EWIV-VO normierten Transparenzprinzip. Erwägungsgrund Nr. 14 der Präambel der EWIV-VO führe dazu insbesondere aus, dass im Übrigen das einzelstaatliche Steuerrecht anzuwenden sei, und zwar insbesondere in Bezug auf Gewinnverteilung, Steuerverfahren und alle Verpflichtungen, die durch die einzelstaatlichen Steuervorschriften auferlegt würden (Hinweis auf die Anmerkung Urteil des Finanzgerichts München vom 30. April 2013 13 K 1953/10, Entscheidungen der Finanzgerichte [EFG] 2013, 1551).

Sei die EWIV eine (reine) Hilfsgemeinschaft, seien Betriebseinnahmen und -ausgaben unmittelbar den Beteiligten zuzurechnen. Die Personengesellschaft als solche sei weder Einkommen- noch Körperschaftsteuersubjekt. § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG ordne vielmehr an, dass bei der OHG, KG und anderen Gesellschaften das Einkommen der Personenvereinigung nicht bei dieser, sondern bei deren Gesellschaftern zu versteuern sei. Der von einer Gesellschaft im Sinne dieser Regelung erwirtschaftete Gewinn gehöre anteilig (Gewinnanteil) zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb bei den Gesellschaftern. Die Zurechnung des Gewinnanteils als eigene gewerbliche Einkünfte des Gesellschafters erfolge bereits mit der im Gesellschaftsbereich eingetretenen Vermögensmehrung, unabhängig davon, ob der Gewinnanteil vom Gesellschafter entnommen werde. Somit entfalte die Gesellschaft hinsichtlich der Gewinne keine Abschirmwirkung gegenüber ihren Beteiligten.

Die EWIV B… erbringe nur Hilfsfunktionen und nehme daher nicht am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr teil, wie es § 15 Abs. 2 EStG erfordere. Die Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben seien den Beteiligten somit direkt zuzurechnen und bei ihnen zu versteuern, denn diese erfüllten den Tatbestand der Einkunftserzielung. Die Abtretung der Betriebseinnahmen an die EWIV und deren Einziehung durch die EWIV ändere hieran nichts. Darin könne maximal eine Hilfstätigkeit und damit die EWIV als Hilfsgemeinschaft gesehen werden.

Die Antragstellerin habe sich gegen eine entsprechende Gegenleistung gegenüber fremden Dritten zur Erbringung von Dienstleistungen vertraglich verpflichtet. Mit Erbringung dieser Leistung habe sie einen Anspruch auf die entsprechende Gegenleistung und diesen Anspruch als Ertrag zu bilanzieren. Etwas Anderes ergebe sich auch nicht daraus, dass sie all ihre Forderungen aus Lieferungen und Leistungen im Wege der Globalzession an die EWIV B… abgetreten habe.

Damit diese Abtretung wirksam vollzogen werden könne, müsse eine solche Forderung bei der Antragstellerin zunächst entstanden sein, was die Erbringung der Leistung durch diese gegenüber ihren Kunden voraussetze und damit zu einem Ertrag führe. Die Abtretung stelle somit die Verfügung über Einkünfte dar, nicht aber die Übertragung der Einkunftsquelle selbst. Insofern seien die Erträge aus den unter die Globalzession fallenden Lieferungen und Leistungen bei der Antragstellerin zu versteuern und führten nicht – wie von dieser in der Vergangenheit angenommen – zu Erträgen bei der EWIV B….

Die von der Antragstellerin erzielten Einnahmen und Ausgaben seien bei dieser in der Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung transparent abzubilden durch entsprechende Belege nachzuweisen. Die vorgenommene pauschale Abrechnung der Betriebsausgaben gegenüber der EWIV sei nicht möglich. Steuersubjekt sei die Antragstellerin. Der auf das einzelne Mitglied entfallende Anteil an den Kosten sei unmittelbar bei diesem als Betriebsausgabe abzugsfähig. Die Einstellung des Gewinns der Antragstellerin in eine Rücklage bei der EWIV mit der Folge der Nichtbesteuerung des Überschusses entbehre jeder gesetzlichen Grundlage. Für die EWIV D… gelten diese Ausführungen entsprechend. Die vertraglichen Vereinbarungen seien trotz geringer Abweichungen vergleichbar.

Hinsichtlich der Vermögenssituation der Antragstellerin weist der Antragsgegner darauf hin, dass diese nach Aktenlage zum Zeitpunkt der Fälligkeit der Nachzahlungen aus den Steuerbescheiden vom 5. August 2021 über ausreichende Geldmittel verfügt habe, um die ausstehenden Steuern zu tilgen. Sie habe mit Rechnung vom 30. August 2021 LED Bandensysteme zu einem Nettoerlös i. H. v. 1.570.412,86 € veräußert, wobei die Zahlung bis zum 9. September 2021 habe erfolgen sollen. Außerdem habe die Antragstellerin am 26. August 2021 eine Erstattung zur Umsatzsteuer Dezember 2020 i. H. v. 213.918,54 € erhalten.

Die Antragstellerin trägt zu dem Vorbringen des Antragsgegners ergänzend vor, die Banden seien gegen Schuldübernahme veräußert worden und auch die Umsatzsteuer habe entsprechend abgeführt werden müssen. Die zitierten Vorsteuerguthaben stünden daher nicht als echte liquide Mittel zur Verfügung.

Hinsichtlich der Einbindung der EWIV in ihre, der Antragstellerin, Unternehmensstruktur bzw. den Abruf von Dienstleistungen gegen Forderungszession sei festzustellen, dass die europäische EWIV-VO als Verordnung direkt in Deutschland gelte, also unmittelbare Anwendbarkeit genieße. Unter Bezugnahme auf den von dem Antragsgegner zitierten
14. Erwägungsgrund der EWIV-VO werde darauf hingewiesen, dass auch die Vorschriften des deutschen Steuerrechts nach den Maßstäben des europäischen Rechts auszulegen seien.

II.

Der gerichtliche Antrag auf Aussetzung der Vollziehung der streitbefangenen Bescheide ist unzulässig, soweit er die Bescheide über Gewerbesteuer für 2017 und 2018 betrifft, denn bei diesen Bescheiden handelt es sich um Folgebescheide zu den jeweiligen Bescheiden über den Gewerbesteuermessbetrag. Der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung eines Folgebescheids ist grundsätzlich unzulässig (vgl. Gräber/Stapperfend, FGO, 9. Aufl. 2019, § 69 Rn. 74 m.w.N.). Gleiches gilt für die begehrte Aussetzung der Vollziehung der Zinsen und Solidaritätszuschläge (vgl. Gräber/Stapperfend, a.a.O., § 69 Rn. 139).

Hinsichtlich der Bescheide über Körperschaftsteuer für 2017 und 2018 ist der Antrag zulässig, aber unbegründet.

Gemäß § 69 Abs. 3 Satz 1 i. V. m. Abs. 2 Satz 2 1. Alt. Finanzgerichtsordnung (FGO) kann das Gericht die Vollziehung eines Verwaltungsaktes aussetzen, wenn ernstliche Zweifel an dessen Rechtmäßigkeit bestehen. Dies ist der Fall, wenn die Prüfung der Sach- und Rechtslage auf Grund der präsenten Beweismittel, der gerichtsbekannten Tatsachen und des unstreitigen Sachverhalts in entscheidungserheblicher Weise zu Unsicherheiten in der Beurteilung der Rechtslage oder zu Unklarheiten in der Beurteilung von Tatfragen führt (vgl. Beschluss des Bundesfinanzhofs [BFH] vom 28. Mai 1986 I B 22/86, Bundessteuerblatt [BStBl] II 1986, 656; BFH-Beschluss vom 12. Juli 2017 X B 16/17, Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs [BFH/NV] 2017, 1204; Gräber/Stapperfend,a.a.O., § 69 Rn. 160). Bei der notwendigen Abwägung der im Einzelfall entscheidungsrelevanten Umstände und Gründe sind die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs bzw. des Rechtsmittels zu berücksichtigen. Die Aussetzung der Vollziehung setzt nicht voraus, dass die für die Rechtswidrigkeit sprechenden Gründe überwiegen; irgendeine vage Erfolgsaussicht genügt aber nicht (vgl. BFH-Beschluss vom 12. Juli 2017 X B 16/17, BFH/NV 2017, 1204; Gräber/Stapperfend, a.a.O., m.w.N.).

Bei Anwendung der genannten Grundsätze bestehen aufgrund der gebotenen summarischen Prüfung an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide über Körperschaftsteuer für 2017 und 2018 keine ernstlichen Zweifel.

Der Antragsgegner hat zu Recht die an die EWIV abgetretenen Forderungen und die hieraus resultierenden Erträge steuerrechtlich weiterhin der Antragstellerin zugeordnet.

Die EWIV ist eine besondere supranationale Rechtsform, die es Unternehmen ermöglicht, grenzüberschreitend zusammenzuarbeiten, ohne diese Zusammenarbeit dem nationalen Recht eines der beteiligten Länder zu unterwerfen. Rechtsgrundlagen sind hier insbesondere die EWIV-VO sowie die in Deutschland ergänzend erlassenen Vorschriften des EWIV-Ausführungsgesetzes.

Da die EWIV lediglich als Hilfsinstrument für eine grenzüberschreitende Kooperation ihrer Mitglieder konzipiert ist (z.B. gemeinsame Vertriebsbüros, Personalaustausch, gemeinsame Weiterbildung, Zusammenarbeit bei Forschung und Entwicklung, bei der Abwicklung von Transporten oder bei der Werbung), übt sie vielfach Tätigkeiten aus, mit denen keine Gewinne erzielt, sondern lediglich Aufwendungen reduziert werden sollen (vgl. Urteil des Finanzgerichts [FG] Berlin-Brandenburg vom 14. Februar 2019 13 K 13229/16, EFG 2019, 672).

Auch im vorliegenden Fall ist zwischen den Beteiligten unstreitig, dass die betroffenen EWIVen selbst keine gewerblichen Tätigkeiten entfaltet haben, so dass auch keine Feststellungsbescheide nach § 180 Abs. 1 oder Abs. 2 Abgabenordnung (AO) ergingen.

Die Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben waren demgemäß im Streitzeitraum den Mitgliedern direkt zuzurechnen und bei ihnen zu besteuern, denn diese erfüllten den Tatbestand der Einkunftserzielung. Dies erfordert auch das Transparenzprinzip des Art. 40 EWIV-VO, nach dem das Ergebnis der Tätigkeit einer EWIV nur bei ihren Mitgliedern zu besteuern ist, wobei Einzelheiten der Besteuerung dem einzelstaatlichen Steuerrecht überlassen bleiben sollen (vgl. Klein-Blenkers, Der Betrieb [DB] 1994, 2224).

Der Senat folgt im Ergebnis den Ausführungen des Antragsgegners in seinem BP-Bericht in Verbindung mit dem „Vermerk zur steuerlichen Behandlung der Europäischen Wirtschafts- und Interessengemeinschaft „EWIV“. Die von dem Antragsgegner herangezogene Begründung, die Forderungsabtretungen stellten Betriebsausgaben i.S. des § 4 Abs. 4 EStG dar und diesen stehe ein betrieblicher Ertrag, namentlich der Anspruch auf Auszahlung der Rechnungssumme abzüglich einer Provision von 2,5 %, gegenüber, bildet das Geschehen zwar aus der Sicht des Senats nicht zutreffend ab, kommt aber zu dem richtigen Ergebnis. Nach Auffassung des Senats sind die Umsatzerlöse der Antragstellerin in Höhe der bei ihr zu verzeichnenden Ausgangsrechnungen mit der Erbringung der jeweiligen Sach- oder Dienstleistung realisiert und damit zu versteuern. Darauf hat der Antragsgegner auch schriftsätzlich zutreffend hingewiesen. Als Betriebsausgaben sind die der EWIV für ihre Leistungen geschuldeten 2,5 % der Rechnungssummen zu berücksichtigen. Die Abtretung der Forderungen an die EWIV selbst ist nicht Teil der Gewinnermittlung, sondern stellt – auch das hat der Antragsgegner schriftsätzlich vorgetragen – Gewinnverwendung dar, die für die Besteuerung unmaßgeblich ist. Der Antragstellerin mag zuzugeben sein, dass sie Forderungen, die sie abgetreten hat und die ihr auch nicht wirtschaftlich zuzurechnen sind, nicht aktivieren kann und darf. Sie verkennt aber, dass sie den Gewinn, den sie mit Erlangung dieser Forderungen realisiert hat, versteuern muss, ohne Rücksicht darauf, wie sie dann mit den ihr zustehenden Forderungen verfährt. Das von der Antragstellerin favorisierte Vorgehen – Versteuerung der Gewinne bei Auskehrung durch die EWIV – verletzt nicht nur das Realisationsprinzip des § 252 Abs. 1 Nr. 3 HGB, nach dem der Gewinn aus Umsatzgeschäften mit Erbringung der Sachleistung realisiert ist, sondern auch das Periodisierungsprinzip des § 252 Abs. 1 Nr. 5 HGB, nach dem Erträge in dem Jahr zu berücksichtigen – und für steuerliche Zwecke anzusetzen – sind, in dem sie wirtschaftlich verursacht, also erwirtschaftet wurden.

Ferner wird darauf hingewiesen, dass bereits fraglich ist, ob die vorliegenden Gestaltung dem dargestellten Leitbild der EWIV entspricht, zumal diese im Prüfungszeitraum dazu geführt hat, dass die durch die Antragstellerin erbrachten Leistungen größtenteils nicht bei dieser, sondern bei der EWIV B… ertragswirksam erfasst wurden. Insofern könnte sich zugleich die Frage des Missbrauchs von Gestaltungsmöglichkeiten zur Steuervermeidung im Sinne von § 42 AO stellen. Dies kann jedoch vorliegend im Hinblick auf die nach summarischer Prüfung zutreffende Besteuerung durch den Antragsgegner dahinstehen.

Auch sofern die Antragstellerin vorträgt, sie sei bei Versagung der Aussetzung der Vollziehung gezwungen, einen Insolvenzantrag zu stellen, rechtfertigt dies mangels Vorlage entsprechender Nachweise keine abweichende Entscheidung.

Eine Aussetzung der Vollziehung wegen unbilliger Härte gemäß § 69 Abs. 2 S. 2 FGO käme infrage, wenn der Antragstellerin durch die Vollziehung wirtschaftliche Nachteile drohten, die nicht oder nur schwer wiedergutzumachen wären oder wenn die Vollziehung zu einer Gefährdung ihrer wirtschaftlichen Existenz führen würde. Die diesbezüglichen Umstände können nur insoweit berücksichtigt werden, als sie substantiiert vorgetragen und ggf. durch präsente Beweismittel glaubhaft gemacht worden sind (vgl. Seer in Tipke/Kruse, a.a.O., § 69 FGO Rn. 105, Dokumentenstand 2/2021), was hier nicht geschehen ist. Die vorgelegte Liquiditätsvorschau reicht insoweit nicht aus. Außerdem sind ohnehin die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache zu berücksichtigen. Sind Rechtmäßigkeitszweifel – wie hier – nicht gegeben, kommt auch eine Aussetzung der Vollziehung wegen unbilliger Härte nicht in Betracht (vgl. Gräber/Stapperfend, a.a.O., § 69 Rn. 172 m.w.N.).

Der Senat hat die Beschwerde zum Bundesfinanzhof gemäß § 128 Abs. 3 i. V. m. § 155 Abs. 2 Nr. 2 FGO zugelassen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.