Gericht | FG Berlin-Brandenburg 6. Senat | Entscheidungsdatum | 20.06.2022 | |
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Aktenzeichen | 6 K 6197/19 | ECLI | ECLI:DE:FGBEBB:2022:0620.6K6197.19.00 | |
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen |
Die Festsetzung des Steuerabzugs für Bauleistungen im Sinne des §§ 48 ff. EStG für die Monate Mai 2010 bis August 2014 sowie Oktober 2014 bis September 2015 und November 2015 durch Steueranmeldung vom 22. Mai 2017, beim Finanzamt eingegangen am 23. Mai 2017, und in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 17. Oktober 2019 wird aufgehoben.
Die Kosten des Verfahrens werden dem Beklagten auferlegt.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der Klägerin abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Beschluss:
Die Zuziehung eines Bevollmächtigten zum Vorverfahren wird für notwendig erklärt.
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin von der B… d.o.o., einer Gesellschaft slowenischen Rechts, in den Zeiträumen Mai 2010 bis August 2014, Oktober 2014 bis September 2015 und November 2015 Bauleistungen im Sinne von §§ 48 ff. des Einkommensteuergesetzes – EStG – empfangen hatte und deshalb verpflichtet war, Bauabzugsteuer in Höhe von 15 % der – der Höhe nach zwischen den Beteiligten unstreitigen - Gegenleistung einzubehalten sowie an den Beklagten abzuführen.
Die Klägerin ist in der Automobilindustrie tätig. Sie programmiert die von anderen Unternehmen in die Werkhallen von Automobilherstellern gestellten Fertigungsroboter (nachfolgend: die Roboter) zur Produktion von Automobilen. U.a. zur Verlegung der für die Stromzufuhr und Steuerung der Roboter benötigten Kabel bedient sich die Klägerin verschiedener Subunternehmen. Eines dieser Subunternehmen war im Streitzeitraum die B… d.o.o., die ihre Tätigkeiten auf der Grundlage diverser Werkverträge mit der Klägerin erbrachte und die zu keinem Zeitpunkt über eine Freistellungsbescheinigung zum Steuerabzug bei Bauleistungen gemäß § 48b EStG verfügte.
Erfüllungs- und Ausführungsorte der Leistungen der Klägerin und der Subunternehmen waren massiv erbaute Werkhallen der verschiedenen Automobilhersteller, die typischerweise etwa 6 ha Grundfläche und etwa 15 m Höhe aufwiesen, Flachdächer hatten und mit einem industriegeeigneten Estrichfußboden ausgestattet waren (nachfolgend: die Werkhallen). Die Werkhallen befanden sich verteilt auf ganz Deutschland.
Aufgrund der durchschnittlich nur zwei bis drei Jahre dauernden Automobilmodellzyklen bei den Auftraggebern der Klägerin, zu denen im Streitzeitraum etwa Daimler, Audi und Opel gehörten, wurden die Produktionsanlagen für die Automobilmodelle in den Werkhallen zyklisch vollständig auf- und wieder abgebaut. Zwischen dem Abbau der alten Produktionsanlagen für das abgelöste Automobilmodell und dem Aufbau der neuen Produktionsanlagen für das neue Automobilmodell wurden die Werkhallen in der Regel vollständig leergeräumt.
Die Produktionsanlagen in diesen Werkhallen bestanden typischerweise aus sog. automatisierten Fertigungsstraßen, bestehend aus zahlreichen Robotern, Schaltkästen, Bedien-Pulten und Lüftungs- und Reinigungsanlagen. All diese vorgenannten Bestandteile der Fertigungsstraßen wurden elektrisch oder hydraulisch betrieben und waren miteinander verkabelt oder mittels Schläuchen verbunden. Sie ruhten aufgrund ihres hohen Eigengewichts auf den Estrichböden der Werkhallen, waren jedoch zum Teil auch zusätzlich – für Zwecke der für die Fertigung erforderlichen präzisen Fixierung der Anlagen – mit den Estrichböden der Werkhallen oder sich darauf befindlichen Beton- oder Stahlsockeln verschraubt und verdübelt.
Weder die Klägerin noch die B… d.o.o. waren beim Bau, der Renovierung oder der Sanierung der Werkhallen selbst tätig. Ihre Tätigkeiten betrafen lediglich Teile der in den Werkhallen zyklisch auf- und abgebauten Produktionsanlagen der Automobilhersteller.
Die Tätigkeit der B… d.o.o. bestand zu einem Zeitanteil von etwa 83% (gemittelt auf den gesamten Streitzeitraum) aus den folgenden Tätigkeiten (nachfolgend: die Verkabelungsarbeiten):
a) Die B… d.o.o. verband von anderen Unternehmen in die Werkhallen gestellte Roboter per vorkonfektionierten Kabeln mit Schaltschränken/Schaltkästen/Bedienpulten oder verband mit solchen Kabeln die Roboter untereinander per Steck- oder Schraubverbindungen.
b) Die B… d.o.o. kürzte nichtvorkonfektionierte Kabel von der Rolle per Schnittwerkzeugen auf die passende Länge, isolierte die so zugeschnittenen Kabel dann am anderen Ende so ab, dass die Enden für die Steck- oder Schraubverbindung vorbereitet waren und verband damit dann ebenfalls wie unter a) Roboter mit Schaltschränken/Schaltkästen/Bedienpulten beziehungsweise Roboter untereinander per Steck- oder Schraubverbindungen.
c) Die unter a) und b) genannten Kabel, die die Roboter mit Schaltschränken/Schaltkästen/Bedienpulten beziehungsweise Roboter untereinander verbanden, verlegte die B… d.o.o. in aus Leichtmetall hergestellten Kabelrinnen oder PVC-Kabelhalterungen.
Zu einem Zeitanteil von etwa 17% (gemittelt auf den gesamten Streitzeitraum) bestand die Tätigkeit der B… d.o.o. aus der folgenden Tätigkeit (nachfolgend: die Kabelrinnenmontage):
d) Die B… d.o.o. verlegte die Kabelrinnen, in denen die unter a) bis c) genannten Kabel zur Sicherheit und Sauberkeit zwischen den Robotern, Schaltkästen und Bedienpulten geführt wurden. Die verzinkten oder aus Edelstahl oder aus PVC bestehenden Kabelrinnen wurden dabei weder unter Putz noch anderweitig in Substanz der Werkhallen hineingelegt, sondern auf 10 cm hohen Metallständerkonstruktionen verschraubt. Die Metallständer selbst wurden zur präzisen Fixierung mittels 8 mm durchmessenden Bohrlöchern, 8 cm langen Gewindestangen sowie passenden Dübeln und Muttern fest mit dem Estrichboden der Werkhallen verbunden.
In den einzelnen Tätigkeitsmonaten ergaben sich die nachfolgenden Detailaufteilungen der entweder mit Verkabelungsarbeiten oder der Kabelrinnenmontage erbrachten Zeitanteile bei der Tätigkeit der B… d.o.o., wobei die Tätigkeit zumeist im Folgemonat abgerechnet und vergütet wurde (vgl. die Einzelheiten der Anmeldungen für die Jahre 2010 bis 2015 in der Steuerakte „Steuerabzug bei Bauleistungen“):
Tätigkeitsmonat | Verkabelungsarbeiten | Kabelrinnenmontage |
April 2010 | 100 % | 0 % |
Mai 2010 | 100 % | 0 % |
Juni 2010 | 83 % | 17 % |
Juli 2010 | 85 % | 15 % |
August 2010 | 80 % | 20 % |
September 2010 | 75 % | 25 % |
Oktober 2010 | 75 % | 25 % |
November 2010 | 76 % | 24 % |
Dezember 2010 | 78 % | 22% |
Januar 2011 | 76 % | 24 % |
Februar 2011 | 75 % | 25 % |
März 2011 | 81 % | 19 % |
April 2011 | 78 % | 22 % |
Mai 2011 | 76 % | 24 % |
Juni 2011 | 76 % | 24 % |
Juli 2011 | 78 % | 22 % |
August 2011 | 73 % | 27 % |
September 2011 | 77 % | 23 % |
Oktober 2011 | 76 % | 24 % |
November 2011 | 82 % | 18 % |
Dezember 2011 | 83 % | 17 % |
Januar 2012 | 91 % | 9 % |
Februar 2012 | 87 % | 13 % |
März 2012 | 81 % | 19 % |
April 2012 | 88 % | 12 % |
Mai 2012 | 91 % | 9 % |
Juni 2012 | 88 % | 12 % |
Juli 2012 | 91 % | 9 % |
August 2012 | 91 % | 9 % |
September 2012 | 92 % | 8 % |
Oktober 2012 | 97 % | 3 % |
November 2012 | 93 % | 7 % |
Dezember 2012 | 99 % | 1 % |
Januar 2013 | 100 % | 0 % |
Februar 2013 | 100 % | 0 % |
März 2013 | 100 % | 0 % |
April 2013 | 81 % | 19 % |
Mai 2013 | 100 % | 0 % |
Juni 2013 | 100 % | 0 % |
Juli 2013 | 100 % | 0 % |
August 2013 | 66 % | 34 % |
September 2013 | 100 % | 0 % |
Oktober 2013 | 100 % | 0 % |
November 2013 | 100 % | 0 % |
Dezember 2013 | 66 % | 34 % |
Januar 2014 | 67 % | 33 % |
Februar 2014 | 66 % | 34 % |
März 2014 | 100 % | 0 % |
April 2014 | 100 % | 0 % |
Mai 2014 | 100 % | 0 % |
Juni 2014 | 100 % | 0 % |
Juli 2014 | 100 % | 0 % |
August 2014 | 100 % | 0 % |
Oktober 2014 | 66 % | 34 % |
November 2014 | 100 % | 0 % |
Dezember 2014 | 100 % | 0 % |
Januar 2015 | 71 % | 29 % |
Februar 2015 | 66 % | 34 % |
März 2015 | 66 % | 34 % |
April 2015 | 71 % | 29 % |
Mai 2015 | 100 % | 0 % |
Juni 2015 | 66 % | 34 % |
Juli 2015 | 66 % | 34 % |
August 2015 | 71 % | 29 % |
September 2015 | 100 % | 0 % |
Im Juni 2010 gehörte zur Tätigkeit der B… d.o.o. auch, dass sie vor der Erbringung der Kabelrinnenmontage und der Verkabelungsarbeiten acht der anzuschließenden Schaltschränke selbst in die Werkhalle hineintransportierte. Im Dezember 2010 stellte sie 12 derartige Schaltschränke in die Werkhalle.
Verkabelungsarbeiten und die Kabelrinnenmontage erbrachte die B… d.o.o. nicht nur im Rahmen des Auf- und Abbaus ganzer Produktionsanlagen beim zwei- bis dreijährigen Austausch der produzierten Automobilmodelle, sondern auch zwischendurch im Rahmen von – etwa defektbedingten – Roboteraustauscharbeiten oder produktionseffizienzsteigernden Fertigungsstraßenumbauten oder im Rahmen von Veränderungen der Fertigungsstraßen bei sog. „Faceliftings“ ein und desselben Automobilmodells. Schließlich erbrachte sie die Arbeiten auch anlässlich der vollständigen Verlegung der Produktionsanlagen und Fertigungsstraßen an andere Standorte des Automobilherstellers mit anderen dort befindlichen Werkhallen. Beim Modelltausch wurde Produktionsanlagen also regelmäßig nicht entsorgt, sondern an anderen Standorten unter Verwendung vieler Einzelteile wiederaufgebaut.
Da die Bestandteile der Produktionsanlagen – also auch die Roboter, die Schaltkästen, die Bedienpulte und die diese verbindenden Kabel mitsamt Kabelrinnen – aus vorgenannten Gründen häufig ab- und neumontiert werden mussten, bestanden in technischer Hinsicht hohe Mobilitätsanforderungen an die zur Montage der Produktionsanlagen benutzten Bauteile.
Nachdem der Beklagte sie mehrfach dazu aufgefordert hatte, gab die Klägerin am 22. Mai 2017 (Eingang beim Beklagten am 23. Mai 2017) Anmeldungen über den Steuerabzug bei Bauleistungen gemäß §§ 48 ff. EStG für die Jahre 2010 bis 2015 ab.
Aus den Angaben in den übermittelten Anmeldungen zu den jeweiligen Gegenleistungen und Zuflusszeitpunkten ergaben sich die nachfolgenden – zwischen den Beteiligten der Höhe nach nicht streitigen – Steuerabzugsbeträge für die Klägerin in den Streitjahren:
2010: Mai: 986,39 EUR; Juni: 583,96 EUR; Juli: 2.263,56 EUR; August: 7.654,35 EUR; September: 3.275,48 EUR; Oktober: 9.062,58 EUR; November: 10.255,41 EUR; Dezember: 9.068.74 EUR.
2011: Januar: 11.076,73 EUR; Februar: 8.465,05 EUR; März: 14.983,51 EUR; April: 8.761,89 EUR; Mai: 13.655,34 EUR; Juni: 10.093,37 EUR; Juli: 11.688,06 EUR; August: 8.041,16 EUR; September: 10.994,17 EUR; Oktober: 8.077,84 EUR;
November: 8.113,76 EUR; Dezember: 8.004,74 EUR.
2012: Januar: 7.733,60 EUR; Februar: 9.580,32 EUR; März: 4.562,33 EUR; April: 9.358,35 EUR; Mai: 4.614,05 EUR; Juni: 4.229,07 EUR; Juli: 5.734,58 EUR; August: 6.444,07 EUR; September: 6.247,10 EUR; Oktober: 7.142,28 EUR; November: 4.949,64 EUR; Dezember: 4.847,97 EUR.
2013: Januar: 4.029,19 EUR; Februar: 3.918,52 EUR; März: 3.649,61 EUR; April: 4.174,66 EUR; Mai: 4.369,50 EUR; Juni: 4.008,31 EUR; Juli: 5.054,41 EUR; August: 5.236,25 EUR; September: 4.150,53 EUR; Oktober: 2.801,02 EUR; November: 2.715,83 EUR; Dezember: 1.586,15 EUR.
2014: Januar: 2.077,47 EUR; Februar: 1.897,18 EUR; März: 860,46 EUR; April: 1.439,69 EUR; Mai: 1.088,67 EUR; Juni: 1.444,78 EUR; Juli: 1.071,71 EUR; August: 975,06 EUR; Oktober: 1.468,65 EUR; November: 2.587,89 EUR; Dezember: 2.559,69 EUR.
2015: Januar: 3.637,83 EUR; Februar: 2.986,31 EUR; März: 2.922,05 EUR; April: 2.782,82 EUR; Mai: 2.483,83 EUR; Juni: 3.250,49 EUR; Juli: 3.287,08 EUR;
August: 1.924,23 EUR; September: 1.428,00 EUR; November: 965,69 EUR.
Am selben Tag legte die Klägerin Einspruch gegen die Steueranmeldungen ein, mit dem sie geltend machte, die B… d.o.o. erbringe keine Bauleistungen im Sinne von § 48 EStG. Bauleistungen lägen nur vor, wenn die Leistungen der Herstellung, Instandsetzung, Instandhaltung, Änderung oder Beseitigung von Bauwerken dienten. Dies entspreche Rz. 6 des BMF-Schreibens vom 27. Dezember 2002 (BStBl. I 2002, 1399). Hingegen bezögen sich die Elektroarbeiten der B… d.o.o. nur auf Maschinen, die Betriebsvorrichtungen darstellten. Soweit dabei Arbeiten am Gebäude vorgenommen worden sein sollten, teilten diese das Schicksal der Hauptleistung. Die Maschinen seien keine Gebäudebestandteile. Die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs – BFH – zu § 13b Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 Umsatzsteuergesetz – UStG – a.F., wonach Betriebsvorrichtungen keine Bauwerke seien (Verweis auf BFH-Urteil vom 28. August 2014 – V R 7/14 – BStBl. II 2015, 682), könne entsprechend auf § 48 EStG übertragen werden. Auch die Finanzverwaltung habe diese Auffassung bis zum 31. Dezember 2015 vertreten (Verweis auf die Verfügung des Bayerischen Landesamts für Steuern vom 16. September 2015 für Photovoltaikanlagen).
Der Beklagte wies zunächst den Einspruch hinsichtlich der Anmeldung der Bauabzugsteuer für September 2014 mit Einspruchsentscheidung vom 5. März 2018 als unbegründet zurück. Er führte zur Begründung aus, die Produktionsanlagen seien aufgrund ihrer Komplexität und Schwere als Bauwerk anzusehen. Daher komme es auf die Qualifizierung als Betriebsvorrichtung oder Gebäudebestandteil nicht an. Arbeiten, die sich auf das Herstellen von Kabelanschlüssen bzw. auf Anschlüsse von Stromleitungen beschränkten, seien nach Tz. 1.1 des BMF-Schreibens vom 27. Dezember 2002 Bauleistungen gem. § 48 EStG. Dem BFH-Urteil vom 28. August 2014 – V R 7/14 – habe ein anderer Sachverhalt zu Grunde gelegen. Die Verfügung des Bayerischen Landesamts für Steuern vom 16. September 2015 habe sich nur auf Photovoltaikanlagen bezogen.
Dagegen richtete sich die erledigte Klage zum Aktenzeichen 6 K 6063/18, in deren mündlichen Verhandlung vom 6. November 2018 der Vorsitzende des erkennenden Senats nach Zwischenberatung zu Protokoll gab:
"Der Vorsitzende weist darauf hin, dass aus dem Leistungsverzeichnis der B… d.o.o. für den Monat September 2014 keine Bauleistungen erkennbar sind, weil sich die B… d.o.o. ganz überwiegend auf das Verlegen von Kabeln für die Produktionsanlage beschränkt hat.“
Der Beklagtenvertreter sagte für den damaligen Streitmonat September 2014 eine Nullfestsetzung zu, woraufhin die Beteiligten den Rechtstreit für erledigt erklärten.
Mit Schreiben vom 25. Juli 2019 teilte der Beklagte der Klägerin mit, nach einer erneuten Prüfung der Sach- und Rechtslage könne sie für die übrigen, damals noch im Einspruchsverfahren und nunmehr hier streitgegenständlichen Monate nicht an der Auffassung festhalten, nur der Einbau von Kabelkanälen sei als Bauleistung qualifizierbar; denn auch die Roboter in den Fertigungsstraßen seien eigenständige Bauwerke und deren Verbindung mittels Kabel sei die Schaffung eines betriebsbereiten Zustands dieses Bauwerks, also eine Bauleistung.
Diesem Standpunkt widersprach die Klägerin und verwies u.a. darauf, dass nach dieser Auffassung auch Tische in den Werkhallen eigenständige Bauwerke sein könnten.
Mit Einspruchsentscheidung vom 17. Oktober 2019 wies der Beklagte die Einsprüche für die Streitmonate als unbegründet zurück. Zur Begründung verwies er erneut darauf, es handele sich zumindest bei den einzelnen Industrierobotern um Bauwerke; denn diese seien mit dem Erdboden der Werkhalle verbunden bzw. ruhten aufgrund ihrer eigenen Schwere darauf. Die Verkabelungsarbeiten dienten deren Inbetriebnahme und seien somit als Bauleistungen im Sinne des § 48 EStG zu qualifizieren. Die Ansicht des BFH in umsatzsteuerrechtlichen Verfahren (etwa BFH-Urteil vom 28. August 2014 – V R 7/14 – BStBl. II 2015, 682), Betriebsvorrichtungen seien keine Bauwerke, sei allein zu § 13b Abs. 1 Nr. 4 UStG a.F. ergangen und strahle normativ nicht auf die Qualifikationsfragen der einkommensteuerlichen Bauabzugssteuer aus.
Hiergegen hat die Klägerin am 8. November 2019 erneut Klage beim Finanzgericht Berlin-Brandenburg erhoben. Sie hat zur Begründung zunächst im Wesentlichen ausgeführt, die Sachverhaltsdarstellung in der Einspruchsentscheidung sei falsch, sofern der B… d.o.o. Tätigkeiten über die Verkabelungsarbeiten und Kabelrinnenmontage hinaus – etwa die Installation der Roboter oder Schaltschränke – zugeschrieben worden seien. Solche Arbeiten habe die B… d.o.o. nicht geschuldet oder ausgeführt. Nach zwischenzeitlicher Veröffentlichung des BFH-Urteils vom 7. November 2019 – I R 46/17 –, BStBl. II 2020, 552 ff., hat die Klägerin ergänzt, entgegen der in der BFH-Entscheidung streitgegenständlichen Freiland-Photovoltaikanlage handele es sich bei den hier gegenständlichen Robotern und Schaltschränken auch bei der vom BFH vorgegebenen weiten Auslegung nicht um Bauwerke im Sinne des § 48 EStG. Der BFH habe im Übrigen auch nur entschieden, dass es sich bei Betriebsvorrichtungen und ähnlichen Anlagen um Bauwerke im Sinne des § 48 EStG handeln könne, nicht aber müsse. Die Roboter und Schaltschränke seien bei normspezifischer Auslegung Elektrogeräte und eher vergleichbar mit einer High-End-Hifi-Anlage, die im Privatwohnzimmer zu verkabeln sei, als mit dem, was ein Normalbürger unter einem Bauwerk verstehe. Im Hinblick auf die vom BFH in dem jüngsten Urteil zur Begründung hilfsweise herangezogenen „Klassifikation der Wirtschaftszweige des Statistischen Bundesamtes, Ausgabe 2008“ sei eine Zuordnung zu deren „Abschnitt F: Baugewerbe“ für die beschriebene Tätigkeit der B… d.o.o. nicht begründbar. Die Tätigkeit der B… d.o.o. sei im Sinne dieser Klassifikation vielmehr dem „Abschnitt C: Verarbeitendes Gewerbe“ zuzuordnen (Ziffer 33.20.0 „Installation von Maschinen, die keine festen Bestandteile eines Gebäudes sind).
Die Klägerin beantragt,
die Festsetzung des Steuerabzugs für Bauleistungen im Sinne des §§ 48 ff. EStG für die Monate Mai 2010 bis August 2014 sowie Oktober 2014 bis September 2015 und November 2015 durch Steueranmeldung vom 22. Mai 2017, beim Finanzamt eingegangen am 23. Mai 2017, und in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 17. Oktober 2019 aufzuheben,
die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären sowie
hilfsweise die Revision zuzulassen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen und
hilfsweise, die Revision zuzulassen.
Zur Begründung verweist er zunächst auf die Begründung der Einspruchsentscheidung. Ergänzend nimmt er Bezug auf das ausdrücklich weit und normspezifisch – das heißt unabhängig vom Umsatzsteuerrecht und vom Zivilrecht – verstandene Bauwerksverständnis, das der BFH seinem Urteil vom 7. November 2019 – I R 46/17 –, BStBl. II 2020, 552 ff., zu Grunde gelegt habe. Die Roboter und Produktionsstraßen in den Werkhallen seien unabhängig von ihrer möglichen Qualifikation als Scheinbestandteile im Sinne des § 95 Bürgerliches Gesetzbuch – BGB – oder als Betriebsvorrichtungen im Sinne des § 68 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Bewertungsgesetz – BewG – als technische Anlagen Bauwerke im Sinne des § 48 EStG. Im Sinne der Klassifikation der Wirtschaftszweige vom Statistischen Bundesamt, Stand 2008, sei die Tätigkeit der B… d.o.o. dem „Abschnitt F: Baugewerbe“ zuzuordnen; denn es handele sich um Elektroinstallationen, die innerhalb des Baugewerbes ausdrücklich in Unterklasse 43.21.0 erfasst seien.
Für weitere Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte des hiesigen Verfahrens sowie der beigezogenen Gerichtsakte zum Verfahren 6 K 6063/18 und der beigezogenen Steuerakten verwiesen (1 Bd. Bilanzakte, 1 Bd. Steuerabzug bei Bauleistungen, 2 Heftungen Rb.-Vorgang).
Die Klage hat Erfolg; denn sie ist zulässig und begründet.
I. Die Festsetzung von Bauabzugsteuer auf die in den Streitmonaten von der B… d.o.o. erbrachten Leistungen ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung – FGO –); denn die Klägerin war nicht gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 EStG zum Steuerabzug verpflichtet.
Erbringt jemand im Inland eine Bauleistung (Leistender) an einen Unternehmer im Sinne des § 2 des UStG oder an eine juristische Person des öffentlichen Rechts (Leistungsempfänger), ist der Leistungsempfänger gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 EStG verpflichtet, von der Gegenleistung einen Steuerabzug i.H.v. 15 % für Rechnung des Leistenden vorzunehmen, wenn – die hier unstreitig nicht einschlägigen – Ausnahmetatbestände des § 48 Abs. 2 EStG – das Vorliegen einer Freistellungsbescheinigung oder das Nichtüberschreiten bestimmter Beträge – nicht erfüllt sind.
Die B… d.o.o. erbrachte in den Streitzeiträumen zur Überzeugung des erkennenden Senats weder durch die Verkabelungsarbeiten (gemittelt 83 % der erbrachten Leistungen) noch durch die Kabelrinnenmontage (gemittelt 17 % der erbrachten Leistungen) und auch nicht durch den in Zeitanteilen marginalen Hineintransport der Schaltschränke in die Werkhalle (12 bzw. 8 Schaltschränke in zwei einzelnen Streitmonaten) Bauleistungen im Sinne dieser Steuerabzugsvorschrift an die Klägerin.
Bauleistungen sind nach der Legaldefinition des § 48 Abs. 1 Satz 3 EStG alle Leistungen, die der Herstellung, Instandsetzung, Instandhaltung, Änderung oder Beseitigung von Bauwerken und deren bestimmungsgemäßer Nutzung dienen.
1. Der Begriff des Bauwerks ist zwar nicht gesetzlich definiert, jedoch durch die höchstrichterliche Rechtsprechung zu § 48 Abs. 1 Satz 3 EStG, von der der erkennende Senat abzuweichen keine Veranlassung sieht, jüngst wie folgt konturiert worden (vgl. hierzu und zum Folgenden Bundesfinanzhof, Urteil vom 7. November 2019 – I R 46/17 –, BStBl. II 2020, 552 ff. m.w.N.):
a) Im Rahmen der gebotenen normspezifischen Auslegung ist danach entscheidend, dass der in der Gesetzesbegründung zur Einführung der Bauabzugsteuer formulierte Zweck, im (gesamten) Baugewerbe die illegale Beschäftigung einzudämmen und Steueransprüche zu sichern (BT-Drucks. 14/4658, S. 1 und 8), für ein weites Begriffsverständnis spricht. Dies ist auch vom Wortlaut der Norm gedeckt, da der Begriff des Bauwerks im allgemeinen Sprachgebrauch nicht nur für größere, durch ihre architektonische Gestaltung beeindruckenden Bauten (vgl. Wortbedeutung nach Duden, Das große Wörterbuch der deutschen Sprache), sondern darüber hinaus in einem sehr umfassenden Sinn verwendet wird (vgl. Wahrig, Deutsches Wörterbuch).
Aus diesem normspezifischen Verständnis folgt, dass ein Bauwerk i.S. des § 48 Abs. 1 Satz 3 EStG weder auf Gebäude noch allgemein auf unbewegliche Wirtschaftsgüter beschränkt ist. Vielmehr können darunter auch Scheinbestandteile i.S. des § 95 des Bürgerlichen Gesetzbuchs – BGB – und Betriebsvorrichtungen i.S. des § 68 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 des BewG fallen. Technische Anlagen können danach ebenfalls ein Bauwerk i.S. des § 48 Abs. 1 Satz 3 EStG darstellen.
Weder die engere umsatzsteuerrechtliche und von Motiven des europäischen Umsatzsteuerrechts getragene Auslegung des Bauwerksbegriffs durch den V. Senat des BFH noch das engere Verständnis des Bundesgerichtshofs zur Auslegung des Gebäudebegriffs im Rahmen der kaufrechtlichen Gewährleistungsvorschriften spricht gegen ein eigenständig weites Bauwerksverständnis bei der Bauabzugssteuer im Sinne des § 48 Abs. 1 Satz 3 EStG.
b) Das zu Freiland-Photovoltaikanlagen ergangene Urteil des BFH beschränkte seine darin aufgestellten normspezifischen Auslegungsgrundsätze – insbesondere im Hinblick auf die Auslegungsgrundsätze zur Erfassung von Betriebsvorrichtungen und Scheinbestandteilen durch den Bauwerksbegriff in § 48 Abs. 1 Satz 3 EStG – ausdrücklich auf Fälle, in denen die isolierte Qualifikation eines Werks als Bauwerk streitig ist. Der BFH ließ ausdrücklich offen (vgl. Rz. 17 des Urteils vom 7. November 2019 – I R 46/17 –, BStBl. II 2020, 552 ff.), ob diese Grundsätze auch gelten würden, wenn Tätigkeiten im Zusammenhang mit Betriebsvorrichtungen i.S.d. BewG oder Scheinbestandteilen i.S.d. BGB „an, in oder auf einem bereits vorhandenen Bauwerk“ streitig seien. Ebenso begründete der BFH in seinem Urteil vom 7. November 2019 – I R 46/17 –, BStBl. II 2020, 552 ff., die Widerspruchsfreiheit zum weiten Bauerwerksverständnis des V., für Umsatzsteuerrecht zuständigen Senats beim BFH damit, dass die für umsatzsteuerrechtliche Zwecke ausgenommenen Betriebsvorrichtungen in den Entscheidungen des V. Senats nur solche Anlagen seien, die in bereits vorhandene Gebäude eingebaut wurden. Es sei dort gerade nicht um eigenständige, auf dem Erdboden ruhende und mit diesem verbundene (wie etwa die Freiland-Photovoltaikanlage unter freiem Himmel errichtete) Anlagen gegangen.
c) Im Lichte dieser höchstrichterlichen Auslegungsgrundsätze stellen zur Überzeugung des Senats im hiesigen Sachverhalt nur die Werkhallen (hierzu [1]), nicht jedoch die Roboter, Schaltschränke oder Bedienungspulte in den Fertigungsstraßen (hierzu [2]) Bauwerke im Sinne des § 48 Abs. 1 Satz 3 EStG dar.
(1) Da es sich bei den massiv gebauten Werkhallen der Automobilhersteller, in denen sich die Fertigungsstraßen befanden, zweifellos sogar um Gebäude handelte, die darüber hinaus mit einer typischen Grundfläche von ca. 6 ha aus Sicht des erkennenden Senats sogar groß und beeindruckend waren, sind diese selbst bei Heranziehung enger vom BFH erwogener Wortbedeutungen des Bauwerksbegriffs im allgemeinen Sprachgebrauch erfasst (vgl. die vom BFH in seinem Urteil vom 7. November 2019 – I R 46/17 –, BStBl. II 2020, 552 ff., zitierte Definition des Dudens: „größere, durch ihre architektonische Gestaltung beeindruckenden Bauten“).
(2) Nicht zu den Bauwerken im Sinne dieser BFH-Rechtsprechung handelt es sich zur Überzeugung des erkennenden Senats – insofern ausdrücklich entgegen der Auffassung des Beklagten – bei den Robotern, Schaltschränken oder Bedienpulten in den Werkhallen, die im Rahmen der Fertigungsstraße für den Zusammenbau von Automobilmodellen genutzt wurden.
Bei diesen Anlagen handelt es sich nach dem – durch Visualisierung mit Fotos und der Ansicht der in die mündliche Verhandlung am 20. Juni 2022 mitgebrachten Einzelbestandteile der Kabel und Kabelrinnen erlangtem – Verständnis des Senats lediglich um elektrisch betriebene Maschinen, die aufgrund ihrer Größe und Gewichts innerhalb der Werkhallen zwar fest auf dem Estrichboden der Werkhallen standen und mit diesem Estrichboden zum Teil sogar vorübergehend – etwa bis zum nächsten Fertigungsstraßenumbau im Rahmen eines aller zwei bis drei Jahre stattfindenden Modellwechsels oder bis zum nächsten „Facelifiting“ der produzierten Modelle – mittels Verdübelung und Verschraubung verbunden waren.
Im zivilrechtlichen Sinne dürfte es sich deswegen um Scheinbestandteile der Werkhallen als Gebäude im Sinne des § 95 Abs. 1 Satz 2 BGB gehandelt haben. Dafür, dass es sich darüber hinaus auch um Betriebsvorrichtungen i.S. des § 68 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BewG gehandelt hat, spricht aus Sicht des Senats, dass die Roboter, Schaltschränke und Bedienpulte unmittelbar der in den Werkhallen betriebenen Automobilproduktion dienten.
Der erkennende Senat ist auch nicht durch die im Urteil des BFH vom 7. November 2019 – I R 46/17 –, BStBl. II 2020, 552 ff, aufgestellten normspezifisch weiten Auslegungsgrundsätze zur Anwendung des § 48 Abs. 1 Satz 3 EStG daran gehindert, die Qualifizierung von in einer Werkhalle stehenden Robotern, Schaltschränken und Bedienpulten als Bauwerke zu verneinen; denn insofern handelt es sich beim hier streitgegenständlichen Sachverhalt um den vom BFH in seinen Urteilsgründen ausdrücklich unter Rz. 17 des Urteils ausgenommenen Fall, dass Scheinbestandteile und/oder Betriebsvorrichtungen „an, in oder auf einem“ – hier konkret „in“ einem – bereits vorhandenen Bauwerk, nämlich den Werkhallen der Automobilhersteller, als Bauwerk qualifiziert werden sollen. Der BFH sah insofern einen – womöglich aus seiner Sicht maßgeblichen – Unterschied zur im Freien, auf unüberdachtem Grund und Boden stehenden Freiland-Photovoltaikanlagen bzw. den dazu aufgestellten Auslegungsgrundsätzen zum Bauwerksbegriff.
Zwar ist der erkennende Senat nicht der Auffassung, dass die Nichterfassung der Konstellation durch die vorgenannte BFH-Leitentscheidung dazu führt, die Scheinbestandteil- und/oder Betriebsvorrichtungsqualifizierung im Sinne der Rechtsprechung des V. Senats des BFH zum Umsatzsteuerrecht und des darin enthaltenen Bauwerksbegriffs (vgl. etwa das Urteil vom 28. August 2014 – V R 7/14 –, BStBl. II 2015, 682), die Betriebsvorrichtungen per se vom Bauwerksbegriff ausschließt, auch auf den hiesigen, die Bauabzugssteuer betreffenden Fall zu übertragen ist; denn auch im Falle von Betriebsvorrichtungen innerhalb anderer Bauwerke gilt, dass die Auffassung des V. Senats auch mit spezifischen Vorgaben der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem begründet wurde, die hier im Bereich der Bauabzugssteuer keine normative Wirkung entfalten können.
Dennoch ist der erkennende Senat zur Überzeugung gelangt, dass es sich bei Robotern, Schaltschränken und/oder Bedienpulten oder gar den diese Maschinen miteinander verbindenden Kabeln – wenn sie in einer Werk- oder Produktionshalle zur vorübergehenden Verwendung aufgebaut sind – unter keiner noch so weitgehenden Wortbedeutung des Bauwerks im allgemeinen und besonderen (juristischen) Sprachgebrauch – auch nicht unter Heranziehung derjenigen vom BFH im Urteil vom 7. November 2019 – I R 46/17 –, BStBl. II 2020, 552 ff. als besonders weitgehend angesehenen Wortbedeutung im „Wahrig, Deutsches Wörterbuch“ – um Bauwerke handelt. Die im „Wahrig“ (Ausgabe 2011) befindliche, weiteste Wortbedeutung des Begriffs Bauwerk lautet „das Erbaute“, was der Senat für Zwecke der Bauwerksabgrenzung im Innenraum eines anderen Gebäude für unbrauchbar erachtet; denn dann wäre – wie die Klägervertreter zutreffend angedeutet haben – jede etwas schwerere Maschine innerhalb eines Bauwerks (etwa eines Wohngebäudes), also auch eine High-End-Hifi-Anlage mit Lautsprecherboxen, ein schwerer, zusammengeschraubter Massivholztisch oder ein Klavier, als Bauwerk zu qualifizieren, weil es sich zweifellos um „Erbautes“ handelt.
Ein solches zur Überzeugung des Senats zu weitgehendes Begriffsverständnis des Bauwerks würde neben dem Baugewerbe (Abschnitt F der Klassifikationen der Wirtschaftszweige des Statistischen Bundesamtes, Stand 2008, vgl. auch die argumentative Heranziehung der Industrieklassifikationen durch den BFH im Urteil vom 7. November 2019 –
I R 46/17 –, BStBl. II 2020, 552 ff.), auf das § 48 EStG nach Gesetzgebungsgeschichte und Regelungszweck abzielt, auch das gesamte Verarbeitende Gewerbe (Abschnitt C der Klassifikationen der Wirtschaftszweige des Statistischen Bundesamtes, Stand 2008) und damit auch einen nicht einmal im weiteren Sinne von einer Tätigkeit „am Bau“ umfassten Industriebereich erfassen.
d) Darüber hinaus sind die von der B… d.o.o. übernommenen Verkabelungsarbeiten, die Kabelrinnenmontage bzw. das in zwei Streitmonaten auch vereinzelt übernommene Hineintragen der Schaltschränke im Hinblick auf die einzig als Bauwerk zu qualifizierenden Werkhallen (hierzu soeben c) keine „Erbringung von Bauleistungen“ im Sinne des § 48 Abs. 1 Satz 3 EStG.
(1) Der Senat orientiert sich dabei an den folgenden vom BFH in seinem Urteil vom
7. November 2019 – I R 46/17 –, BStBl. II 2020, 552, hierfür aufgestellten Grundsätzen, von denen abzuweichen der erkennende Senat keine Veranlassung sieht:
Die Legaldefinition in § 48 Abs. 1 Satz 3 EStG, wonach Bauleistungen alle Leistungen sind, die der Herstellung, Instandsetzung, Instandhaltung, Änderung oder Beseitigung von Bauwerken dienen, entspricht der Definition der Bauleistung innerhalb der Regelungen zur Arbeitsförderung in § 211 Abs. 1 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch a.F., an die in der Gesetzesbegründung ausdrücklich angeknüpft wird (BT-Drucks. 14/4658, S. 10). Darüber hinaus wird in der Gesetzesbegründung auf die Aufzählung der Gewerke in der Baubetriebe-Verordnung vom 28. Oktober 1980 (BGBl. I 1980, 2033, zuletzt geändert durch das Gesetz zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt vom 20. Dezember 2011, BGBl. I 2011, 2854) verwiesen. Dabei sollen für die Bauabzugsteuer auch solche Tätigkeiten einbezogen werden, die nach § 2 Baubetriebe-Verordnung von der Arbeitsförderung ausgeschlossen sind.
Wie schon beim Begriff des „Bauwerks“ ist eine weite Auslegung des Begriffs Bauleistung geboten. Hierfür spricht neben der dargelegten Gesetzesbegründung insbesondere der auf ein umfassendes Begriffsverständnis gerichtete Wortlaut des § 48 Abs. 1 Satz 3 EStG ("alle", "dienen"). Außerdem ist auch insoweit der Zweck der Bauabzugsteuer zu berücksichtigen, im (gesamten) Baugewerbe die illegale Beschäftigung einzudämmen und Steueransprüche zu sichern.
Hiernach bietet die Baubetriebe-Verordnung einen zutreffenden Ansatzpunkt zur Konkretisierung der Bauleistungen. Sie enthält eine detaillierte Aufzählung denkbarer Bautätigkeiten, um diese in Bezug auf Fördermaßnahmen in begünstigte und nicht begünstigte Tätigkeiten aufzuteilen. Allerdings ist diese Aufzählung für Zwecke der Bauabzugsteuer nicht abschließend. Als zusätzlicher Anknüpfungspunkt kann deshalb auch die vom Statistischen Bundesamt herausgegebene Klassifikation der Wirtschaftszweige, Ausgabe 2008 (WZ 2008), einbezogen werden, die in Abschnitt F ebenfalls eine detaillierte Aufzählung der Tätigkeiten des Baugewerbes enthält.
(2) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist der Senat zur Überzeugung gelangt, dass die von der B… d.o.o. übernommenen Verkabelungsarbeiten, die Kabelrinnenmontage bzw. das in zwei Streitmonaten auch übernommene Hineintragen der Schaltschränke weder unter die in der Baubetriebe-Verordnung genannten Tätigkeiten noch unter „Abschnitt F: Baugewerbe“ der vom Statistischen Bundesamt herausgegebene Klassifikation der Wirtschaftszweige, Ausgabe 2008 (WZ 2008) gefasst werden können.
aa) Flüchtig betrachtet kommt der unter § 1 Abs. 2 Ziff. 23 der Baubetriebe-Verordnung zum Bauhauptgewerbe gezählte „Kabelleitungstiefbau“ zwar begrifflich den Verkabelungsarbeiten oder der Kabelrinnenmontage der B… d.o.o. nahe. Bei näherer Betrachtung der Tätigkeit der B… d.o.o. berücksichtigt der Senat jedoch, dass deren kabelbezogenen Tätigkeiten in den Werkhallen keinerlei Erdaushub oder Ähnliches erfordern, was eine Zuteilung zu einer Unterart des Tiefbaus erforderlich machen würde.
bb) Isoliert betrachtet könnte man die streitgegenständlichen Arbeiten auch unter die in § 2 Ziff. 6 der Baubetriebe-Verordnung genannten Tätigkeiten des „Installationsgewerbes, insbesondere der Klempnerei, des Klimaanlagenbaues, der Gas-, Wasser-, Heizungs-, Lüftungs- und Elektroinstallation, sowie des Blitzschutz- und Erdungsanlagenbaus“ fassen, wobei jedoch allen darin beispielhaften Installationsmaßnahmen ein Bezug zu Gebäudetechnik gemein ist. Dieser Installationsbezug zu Gebäudetechnik fehlt den streitgegenständlichen Arbeiten der B… d.o.o. gerade; denn die Verkabelung betrifft keinerlei Haustechnik der Werkhallen oder Ähnliches, sondern nur die in der Halle freistehend fixierten Roboter, Schaltschränke und Bedienpulte für die Fertigungsstraßen der Automobilindustrie. Auch ohne diese Roboter, Schaltschränke oder Bedienpulte kann die Werkhalle
jedoch als Gebäude genutzt werden. Einen den Begriffen des § 2 Ziff. 6 der Baubetriebe-Verordnung immanenter Gebäudebezug kann der Senat bei den streitgegenständlichen Tätigkeiten der B… d.o.o. nicht erkennen.
cc) Schließlich wird dieses Ergebnis auch mittels flankierender Heranziehung der vom Statistischen Bundesamt herausgegebenen Klassifikation der Wirtschaftszweige, Ausgabe 2008 (WZ 2008), bestätigt. In den einführenden methodischen Maßgaben einer Zuordnung zum „Abschnitt F: Baugewerbe“ heißt es dort auf Seite 346 unten ausdrücklich:
„ […] Zielen die Bautätigkeiten nicht auf einen späteren Verkauf der Bauwerke, sondern auf deren Nutzung ab (z. B. durch die spätere Vermietung von Räumen in diesen Gebäuden oder die Nutzung von Anlagen zu Produktionszwecken), sind die Einheiten nicht hier einzuordnen, sondern nach ihren operativen Tätigkeiten, z. B. Grundstück- und Wohnungswesen, Herstellung von Waren usw. […] “
Da die Tätigkeiten der B… d.o.o. bei der Maschinenverkabelung und Kabelrinnenmontage allein auf die Gebäudenutzung für Zwecke der Automobilproduktion abzielen, dürfte nach dieser Zuordnungsregel auch die Klassifikation bei der Herstellung von Waren (hier Automobilherstellung), nicht dagegen das in „Abschnitt F“ geregelte „Baugewerbe“ die zutreffende volkswirtschaftliche Zuordnungseinheit sein.
Noch deutlicher wird diese Zuordnung bei einem Blick auf den einführenden Abschnitt 3.3.2. (überschrieben mit „Vor Ort Aufbau“) auf Seite 36 der Wirtschaftszweigklassifikation unten sowie Seite 37 oben, wenn es dort ausdrücklich heißt:
„Einheiten, die hauptsächlich in Gebäuden zu deren Betrieb bestimmte Geräte
oder Anlagen einbauen oder zusammenbauen, werden im Abschnitt F (‚Baugewerbe‘), Abteilung 43 (‚Vorbereitende Baustellenarbeiten, Bauinstallation und sonstiges Ausbaugewerbe‘) der WZ 2008 klassifiziert.
Der Einbau von Maschinen und anderen Ausrüstungen, die nicht dem Betrieb von Bauwerken (Hoch- oder Tiefbauten) dienen, wird der Unterklasse 33.20.0 (‚Installation von Maschinen und Ausrüstungen a. n. g.‘) der WZ 2008 zugeordnet.“
Der Senat ordnet die hier streitgegenständliche Tätigkeit dem vorstehend zitierten zweiten Absatz und somit der Unterklasse 33.20.0 zu; denn die Verkabelungsarbeiten und die Kabelrinnenmontage dienen nicht der Werkhallennutzung, sondern der Nutzung der Roboter, Schaltschränke und Bedienpulte in den Werkhallen, die weder dem Hoch- noch dem Tiefbaubegriff zugeordnet werden können.
Abschließend wird dieses Ergebnis bestätigt von einem Blick in die vom Beklagten für zutreffend erachtete Unterklasse der Wirtschaftszweigklassifikation, Unterklasse 43.21.0 (überschrieben mit „Elektroinstallation“). Dort werden zwar diverse kabelbezogene Tätigkeiten beschrieben, die den Verkabelungsarbeiten oder Kabelrinnenmontage der B… d.o.o. auf den ersten Blick nahe kommen dürften (etwa Installation von Leitungen und Armaturen, Leitungen für Computernetze, usw.). Ausdrücklich ausgenommen ist jedoch die „Installation gewerblicher Maschinen und Ausrüstungen“, die der Unterklasse 33.20.0 im „Abschnitt C: Verarbeitenden Gewerbe“ statt des Baugewerbes (Abschnitt F) zugeordnet werden soll. Zur Überzeugung des Senats betreffen die hier streitgegenständlichen Arbeiten zur Verkabelung und der Kabelrinnenmontage allenfalls die Installation der Roboter, Schaltschränke und Bedienpulte als Maschinen im Sinne dieser außerhalb des Baugewerbes angesiedelten Unterklasse 33.20.0 im Bereich des Verarbeitenden Gewerbes.
Eine darüber hinaus gehende, werkhallenbezogene Verkabelung (wie etwa Kabelverlegung für Aufzüge oder automatischen Türen) nahm die B… d.o.o. im Übrigen nicht vor.
II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die Entscheidung zur notwendigen Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren beruht auf § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO. Die Sach- und Rechtslage war nicht so einfach, dass die Klägerin im Vorverfahren sich selbst vertreten konnte. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 151 FGO in Verbindung mit § 708 Nr. 10, § 711 Zivilprozessordnung.
III. Die Revision war hier gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache zuzulassen. Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO, wenn die für die Beurteilung des Streitfalls maßgebliche Rechtsfrage das Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Dabei muss die Rechtsfrage klärungsbedürftig und in dem angestrebten Revisionsverfahren klärungsfähig sein. Als grundsätzlich bedeutsame Rechtsfrage hat der erkennende Senat hier die Frage identifiziert, ob Scheinbestandteile im Sinne des § 95 BGB bzw. Betriebsvorrichtungen im Sinne des BewG, die sich innerhalb eines bestehenden Bauwerks im Sinne des § 48 EStG befinden – hier innerhalb der Werkhallen der Automobilhersteller –, auch isoliert betrachtet Bauwerk im Sinne des § 48 Abs. 1 Satz 3 EStG sein können („Bauwerk im Bauwerk“).
Die Frage ist klärungsbedürftig; denn in seinem Urteil vom 7. November 2019 –
I R 46/17 –, BStBl. II 2020, 552 hatte der BFH diese Frage unter Rz. 17 ausdrücklich von seinen dort dargelegten Grundsätzen zur Auslegung des Bauwerksbegriffs im Rahmen des § 48 Abs. 1 Satz 3 EStG ausgenommen. Sie ist im Hinblick auf den hiesigen Rechtsstreit auch klärungsfähig; denn der erkennende Senat sieht die Roboter, Bedienpulte und Schaltschränke hier entscheidungserheblich nicht als Bauwerke im Sinne des § 48 Abs. 1 Satz 3 EStG an.
Die Rechtsfrage hat auch eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung; denn ihre Beantwortung dürfte für in der Praxis weit verbreitete Konstellationen bedeutsam sein, die im Schrifttum zur Rezeption des BFH-Urteils vom 7. November 2019 – I R 46/17 –, BStBl. II 2020, 552, von der dort gegenständlichen Konstellation abgegrenzt wurden (so etwa bei dachintegrierten Photovoltaikanlagen statt freistehenden Freiland-Photovoltaikanlagen, vgl. ausdrücklich etwa Witt, HFR 2020, 801, 806, Anm. Ziff. 1).