Gericht | LG Potsdam 13. Zivilkammer | Entscheidungsdatum | 24.05.2022 | |
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Aktenzeichen | 13 S 18/21 | ECLI | ECLI:DE:LGPOTSD:2022:0524.13S18.21.00 | |
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen |
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Amtsgerichts Potsdam vom 08.09.2021 (Az. 22 C 34 / 21) wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten der Berufung zu tragen (§ 97 Abs. 1 ZPO).
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Die Klägerin macht gegenüber dem Beklagten Regressansprüche nach Regulierung eines KfZ-Haftpflichtschadens geltend.
Am Abend des 05.03.2020 kam es mit dem bei der Klägerin haftpflichtversicherten Pkw … mit dem am Fahrbahnrand der Zeppelinstraße …. in P. abgestellten Pkw Ssangyong mit dem Kennzeichen …. des Geschädigten Sch. zu einem Zusammenstoß. Es wurde an dem Fahrzeug des Geschädigten ein Schaden in Höhe von netto 1.842,78 EUR festgestellt, woraufhin die Klägerin dem Geschädigten einschließlich der Gutachterkosten und einer Kostenpauschale einen Betrag in Höhe von 2.344,11 EUR erstattete.
Am geschädigten Fahrzeug wurde nach der Kollision ein Zettel mit der Mobiltelefonnummer des Beklagten und seinem Namen (Bl. 146 GA) hinterlassen. Gegen ihn wurde ein strafrechtliches Verfahren wegen Unfallflucht gem. § 142 StGB eingeleitet und seitens der Staatsanwaltschaft Potsdam eingestellt.
Mit Schreiben vom 06.11.2020 forderte die Klägerin den Beklagten unter Verweis auf ihre Allgemeinen Bedingungen für die Kfz-Versicherung (AKB) auf, den von ihr erbrachten Regulierungsbetrag bis zum 24.11.2020 an sie zu zahlen.
Die AKB lauten unter „Allgemeine Aufklärungs- und Mitwirkungspflicht“ u.a. wie folgt:
E 1.2 AKB
„Sie müssen alles tun, was zur Feststellung des Schadensfalls und des Umfangs unserer Leistungspflicht erforderlich ist. Sie müssen dabei insbesondere folgende Pflichten beachten:
a) Sie dürfen den Unfallort nicht verlassen, ohne die erforderlichen Feststellungen (z.B. zum Alkohol- und Drogenkonsum des Unfallfahrers oder zur Unfallursache) zu ermöglichen.“
E 7.1. AKB
„Verletzen Sie vorsätzlich eine ihrer in E.1 bis E.5 geregelten Pflichten, haben Sie keinen Versicherungsschutz. Verletzen Sie eine ihrer Pflichten grob fahrlässig, sind wir berechtigt, unsere Leistung in einem der Schwere Ihres Verschuldens entsprechenden Verhältnis zu kürzen. Weisen Sie nach, dass Sie die Pflicht nicht grob fahrlässig verletzt haben, bleibt der Versicherungsschutz bestehen.“
Die Klägerin hat erstinstanzlich vorgetragen, dass der Beklagte das Fahrzeug zum Schadenszeitpunkt geführt habe. Sie hat ferner die Ansicht vertreten, der Beklagte habe eine Unfallflucht und damit eine Obliegenheitspflichtverletzung im Sinne von E 1.2 AKB begangen.
Sie ist davon ausgegangen, dass der Beklagte zum Unfallzeitpunkt nicht in der Lage war, ein Fahrzeug sicher zu führen. Sie war ferner der Ansicht, sie habe einen Nachteil erlitten, indem wegen der vom Beklagten begangenen Unfallflucht weder festgestellt werden konnte, in welchem Zustand der Beklagte sich zum Zeitpunkt des Unfallereignisses befand, noch ob tatsächlich alle Beschädigungen am Pkw des Unfallgegners durch den Kontakt mit dem bei der Klägerin versicherten Fahrzeug verursacht wurden.
Der Beklagte hat behauptet, er habe das Fahrzeug geführt und habe am Unfallort 35 Minuten gewartet, bevor er sich entfernt habe.
Er hat die Ansicht vertreten, er sei nicht passivlegitimiert, da er nicht Versicherungsnehmer sondern nur Mitversicherter sei. Weiterhin scheide die Rückforderung des Schadensersatzes aus, da die mögliche Verletzung der Obliegenheit weder für den Eintritt oder die Feststellung des Versicherungsfalls noch für die Feststellung oder den Umfang der Leistungspflicht des Haftpflichtversicherers ursächlich geworden sei. Das Interesse der Klägerin an der Aufklärung des Unfallhergangs sei durch das Verlassen der Unfallstelle nicht berührt worden, da der Beklagte seine Beteiligung am Unfall nie in Abrede gestellt und keinen Alkohol getrunken habe.
Das Amtsgericht Potsdam hat mit seinem am 08. September 2021 verkündeten Urteil die Klage abgewiesen. In den Gründen seiner Entscheidung hat das Ausgangsgericht zwar angenommen, dass der Beklagte durch sein Entfernen vom Unfallort ohne eine vorherige Information an die Polizei gegen seine Aufklärungspflicht gemäß E 1.2 AKB verstoßen habe. Es hat jedoch ausgeführt, dass die insoweit beweisbelastete Klägerin nicht vorgetragen hat, dass die Obliegenheitsverletzung vorsätzlich erfolgt ist. Unter Hinweis auf das Anbringen des Zettels mit Kontaktdaten am Fahrzeug des Geschädigten führt das Gericht aus, dass der Beklagte alles Notwendige getan hat, um das Interesse der Versicherung an einer vollständigen und wahrheitsgemäßen Aufklärung des Unfallhergangs und seiner Folgen nicht zu beeinträchtigen, sodass ein Regress nicht gerechtfertigt sei. Für das Vorliegen einer Alkoholisierung oder sonstigen Fahruntüchtigkeit fehlten konkrete Anhaltspunkte. Demgegenüber sei dem Beklagten der Kausalitätsgegenbeweis gemäß § 28 III 1 VVG gelungen. Das Verhalten des Beklagten habe sich weder auf den Eintritt oder die Feststellung des Versicherungsfalls noch auf die Feststellung oder den Umfang der Leistungspflicht des Haftpflichtversicherers ausgewirkt. Es entspreche nicht der allgemeinen Lebenserfahrung, dass die Polizeibeamten bei einem Verkehrsunfall stets einen Alkoholtest durchführten. Auch sei nicht ersichtlich, dass eine andere Unfallregulierung erfolgt wäre, wenn der Unfall an Ort und Stelle von der Polizei aufgenommen worden wäre. Einen Ausschluss des Kausalitätsgegenbeweises wegen Arglist habe die beweisbelastete Klägerin ebenfalls nicht bewiesen.
Gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO wird auf die tatsächlichen Feststellungen des Urteils ergänzend Bezug genommen.
Die Klägerin hat gegen dieses ihr am 14.09.2021 zugestellte Urteil am 12.10.2021 Berufung eingelegt. Mit der Berufung verfolgt die Klägerin ihr erstinstanzliches Anliegen weiter.
Die Klägerin stützt ihre Berufung darauf, dass die Entscheidung des Ausgangsgerichts auf einer fehlerhaften Rechtsanwendung beruhe und meint, dass die vom Gericht des ersten Rechtszugs festgestellten Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigten.
Die Klägerin ist der Ansicht, dass sich aus den Entscheidungsgründen des Amtsgerichts nicht ergebe, weshalb der Beklagte die Obliegenheitsverletzung nicht vorsätzlich begangen haben soll. Das Ausgangsgericht habe seine Hinweispflicht nach § 139 ZPO verletzt, indem die Klägerin nicht darauf hingewiesen wurde, dass sie zum vorsätzlichen Verhalten des Beklagten vorzutragen habe. Der Zettel, der laut dem Beklagten an der Windschutzscheibe des beschädigten Pkw befestigt worden sein soll, sei nicht in das streitgegenständliche Verfahren eingebracht worden und dessen Existenz wird nunmehr von der Klägerin bestritten. Außerdem sei der Zettel nicht geeignet gewesen, eine Schadensfeststellung zu ermöglichen, da durch diesen nicht habe festgestellt werden können, ob der Beklagte tatsächlich der Fahrzeugführer gewesen sei und in welchem Zustand er sich befunden habe. Schließlich habe sich das Gericht in seiner Entscheidung nicht mit dem Zustandekommen des Verkehrsunfalls auseinander gesetzt. Da der Beklagte keine Erklärung dafür vorgetragen habe, wie es zu dem Zusammenstoß mit dem geparkten Auto habe kommen können, gebe es Anhaltspunkte für eine Alkoholisierung des Beklagten. Die Beweiswürdigung des Amtsgerichts sei insoweit rechtsfehlerhaft.
Die Klägerin beantragt,
unter Abänderung des Urteils des Amtsgerichts Potsdam vom 08.09.2021 zum Aktenzeichen 22 C 34/21, den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 2.334,11 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 20.11.2020 zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Beklagte verteidigt die angefochtene Entscheidung unter Verweis auf die Ausführungen seines erstinstanzlichen Vorbringens. Dass die Klägerin im Rahmen der Berufung die Existenz bzw. die Verfassung des Zettels durch den Beklagten bestreite, erfolge zu spät. Auch im Übrigen sei die Klägerin mit ihren Behauptungen präkludiert. Der Beklagte behauptet außerdem, dass es zu einer Plausibilitätsprüfung des Schadens am Unfallort nicht gekommen wäre, sondern eine solche Prüfung immer nachträglich durch von der Klägerin beauftragten Sachverständigen erfolge, sodass Vorschäden auch bei sofortigem Rufen der Polizei nicht anders Berücksichtigung gefunden hätten.
Wegen des weiteren Sachvortrags wird auf das Urteil des Amtsgerichts Potsdam sowie auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.
I.
Die Berufung ist zulässig. Sie ist statthaft im Sinne des § 511 ZPO sowie form- und fristgerecht im Sinne der §§ 517, 519 ZPO eingelegt und fristgemäß im Sinne des § 520 II ZPO begründet worden. Die Berufungsbegründungsschrift enthält auch die nach § 520 III 2 ZPO erforderlichen Angaben.
Insbesondere bezeichnet die Klägerin in ihrem Schriftsatz die Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt, indem sie ihre Auffassung deutlich macht, dass die Obliegenheit durch den Beklagten - entgegen der Auffassung des Amtsgerichts - vorsätzlich verletzt worden sei. Das Amtsgericht habe in seinen Entscheidungsgründen weder deutlich gemacht, ob es von einer vorsätzlichen Verletzung ausgehe, noch habe es die Klägerin gem. § 139 ZPO darauf hingewiesen, dass es einen entsprechenden Vortrag der Klägerin für erforderlich halte. Die Annahme des Amtsgerichts, dass der Beklagte erfolgreich den Kausalitätsgegenbeweis gem. § 28 III VVG geführt habe, sei außerdem fehlerhaft, da das Amtsgericht sich nicht mit dem Zustandekommen des Verkehrsunfalls auseinandergesetzt und insoweit Anhaltspunkte für eine Fahruntüchtigkeit des Beklagten zum Zeitpunkt des Versicherungsfalls außer Acht gelassen habe.
I.
Die Berufung hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.
Die Klägerin hat gegen den Beklagten keinen Rückforderungsanspruch gemäß E.7.3 AKB iVm §§ 116 VVG, 426 Abs.2 BGB im Hinblick auf die erfolgte Regulierung.
Der Beklagte ist für den geltend gemachten Regressanspruch zwar passivlegitimiert (dazu A.). Es liegt auch eine vorsätzliche Obliegenheitsverletzung seitens des Beklagten vor (dazu B.). Der Beklagte konnte jedoch den Kausalitätsgegenbeweis führen (dazu C.).
A.
Der Beklagte ist passivlegitimiert.
Ein Anspruch der Klägerin auf Regress kommt auch gegen den Beklagten als lediglich mitversicherten Fahrer im Sinne von A 1.2 lit. c), F 1. AKB aus übergegangenem Recht nach § 116 I 2 VVG in Verbindung mit §§ 426 II 1, 823 I BGB, § 18 StVG in Betracht (vgl. BGH, Urteil vom 20. Januar 1971 – IV ZR 42/69 -, Rn. 5f.; BGH, Urteil vom 10. Juni 1986 – VI ZR 113/85 –, Rn. 10; BGH,Urteil vom 14. September 2005 - IV ZR 216/04 -, Rn. 6, die auf die vorherige Regelung in § 3 Nr. 9 S. 2 PflVG Bezug nehmen(vgl. BT-Drucksache 16/3945 vom 20.12.2006: Entwurf eines Gesetzes zur Reform des Versicherungsvertragsrechts, Begründung zu § 116 I VVG (Gesamtschuldner) S. 50, und insb. 89, 123 mit dem Hinweis, dass § 116 I VVGdie vorherige Regelung in § 3 Nr. 9 PflVG übernehmen soll.).
Soweit die Klägerin in der Berufungsinstanz und insbesondere im nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 11.05.2022 nunmehr ausführt, dass durch das Entfernen vom Unfallort nicht habe geklärt werden können, ob der Beklagte tatsächlich gefahren sei, versteht das Gericht dies nicht als Bestreiten dergestalt, der Beklagte sei tatsächlich nicht gefahren. Andernfalls wäre die Klage mangels Fahrereigenschaft unmittelbar abweisungsreif.
B.
Zutreffend führt das Amtsgericht sodann aus, dass der Beklagte gegen die Aufklärungsobliegenheit aus E.1.2 AKB verstoßen hat, indem er sich am 05.03.2020 vom Unfallort entfernte, ohne die Polizei zu verständigen. Allerdings geht das Berufungsgericht - insoweit abweichend von der erstinstanzlichen Entscheidung - davon aus, dass der Beklagte diese Obliegenheit vorsätzlich verletzt hat.
Der Beklagte hat durch das Entfernen vom Unfallort zumindest billigend in Kauf genommen, dass die erforderlichen Feststellungen am Unfallort nicht getroffen werden können.
Die in den AKB nach 2008 (hier 2017) formulierte Obliegenheit, den Unfallort nicht zu verlassen, ohne die erforderlichen Feststellungen (z.B. zum Alkohol- oder Drogenkonsum des Unfallfahrers) zu ermöglichen, geht ihrem Wortlaut nach über die strafrechtlich sanktionierten Pflichten hinaus (OLG Stuttgart, Urteil vom 16. 10. 2014 - 7 U 121/1 -). Der durchschnittliche Versicherungsnehmer, wird die in den Bedingungen formulierte Forderung aber auf den ihm bekannten Straftatbestand der “Unfallflucht” gemäß § 142 StGB beziehen. Er darf deshalb weiterhin davon ausgehen, dass er seiner Aufklärungsobliegenheit grundsätzlich dann gerecht wird, wenn er die strafrechtlich sanktionierten und allgemein bekannten Handlungspflichten erfüllt. (OLG Saarbrücken, Urteil vom 10.02.2016, Az.: 5 U 75/14, Rn. 50; OLG München r+s 2016, 342, Rn. 5).
Vorliegend wurde jedoch das Strafverfahren wegen eines Verstoßes gegen § 142 StGB gegen den Beklagten von der Staatsanwaltschaft Potsdam gerade eingestellt. Dies führt allerdings für sich genommen noch nicht dazu, dass der Vorsatz für die Aufklärungspflichtverletzung ausgeschlossen ist (LG Berlin, Beschl. v. 12.05.2003, Az. 17 S 11/03; OLG Stuttgart, Urteil vom 16. 10. 2014 - 7 U 121/1). Vielmehr ist nach der Rechtsprechung bei Verlassen der Unfallstelle ohne dass die Polizei hinzugezogen wird, grundsätzlich davon auszugehen, dass dies bedingt vorsätzlich geschah, wenn nicht besondere Anhaltspunkte hinzutreten (vgl. LG Berlin, Hinweis v. 11.04.2006, 17 S 37/06 sowie B.v. 12.05.2003, 17 S 11/03).
Daran ändert nichts, das der Beklagte einen Zettel mit seinem Namen und seiner Mobiltelefonnummer an der Windschutzscheibe des geschädigten Pkw hinterlassen hat, wodurch die Feststellung seiner Personalien, seiner Unfallverursachung und des Schadens erst am darauffolgenden Tag ermöglicht wurde. Das Hinterlassen eines Zettels vermag eine Strafbarkeit nach § 142 StGB nicht generell auszuschließen. Auf die Frage der Präklusion des in der Berufungsinstanz nunmehr erstmalig vorgebrachten Einwandes gemäß §§ 529 I Nr. 2, 531 II 1 Nr. 2 ZPO, der Beklagte habe einen derartigen Zettel nicht hinterlassen, kommt es an dieser Stelle insoweit nicht an.
C.
Der Beklagte konnte jedoch den gemäß § 28 Abs.3 Satz 1 VVG möglichen Kausalitätsgegenbeweis führen.
Zu Recht führt das Amtsgericht in seinem Urteil aus, dass das Verhalten des Beklagten, nämlich dass er nur einen Zettel am geschädigten Fahrzeug nach gegebenenfalls einer gewissen Wartezeit angebracht und nicht die Polizei verständigt hat, sich weder auf den Eintritt und die Feststellung des Versicherungsfalles noch auf die Feststellung oder den Umfang der Leistungspflicht der Versicherung ausgewirkt hat.
Die Klägerin ist mit dem erstmals in der Berufungsinstanz erfolgten Bestreiten, dass überhaupt ein Zettel hinterlassen wurde, präkludiert. Dieser Vortrag hätte ohne weiteres bereits in der 1. Instanz erfolgen können und müssen (§ 531 Abs.1 Nr.3 ZPO).
Das Bestreiten ist im Übrigen im Hinblick auf den insoweit substantiierten Vortrag des Beklagten unter Verweis auf Blatt 2 der polizeilichen Ermittlungsakte (Bl. 146 GA) unerheblich. Der in Bezug genommene Zettel lag demnach der Ermittlungsakte bei und es ist davon auszugehen, dass der Beklagte diesen an der Windschutzscheibe befestigt hat, womit sich der Geschädigte zur Schadensmeldung an die Polizei wenden konnte. Andernfalls wäre auch nicht denkbar gewesen, dass die Polizei am Folgetag den Beklagten telefonisch kontaktiert und dieser die Verursachung eingeräumt hätte
Zwar hat aufgrund der fehlenden Verständigung der Polizei keine Alkoholkontrolle stattfinden können. Eine solche wird jedoch, wie das Amtsgericht zutreffend ausführt, nach allgemeiner Lebenserfahrung nicht zwingend bei jedem Verkehrsunfall durchgeführt. Eine Alkoholkontrolle wird lediglich dann durchzuführen sein, wenn Umstände zu dem Unfall hinzutreten, die Anhaltspunkte für eine Alkoholisierung bieten. Ein entsprechender Anhaltspunkt ist bei dem vorliegenden Unfall nicht ersichtlich.
Zwar ist der Beklagte für die Voraussetzungen des Kausalitätsgegenbeweises beweisbelastet und hat insofern Einwendungen der Klägerin, die hieran Zweifel aufkommen lassen, zu widerlegen. Diese Verpflichtung kann jedoch nicht so weit gehen, für jede denkbare Möglichkeit der Auswirkung den Beweis des Gegenteils erbringen zu müssen. In diesem Fall wäre es für einen Versicherten nie möglich, den Kausalitätsgegenbeweis zu führen, wenn ein Fall des Entfernens vom Unfallort vorliegt. Die bloße Behauptung der Klägerin ins Blaue hinein, der Beklagte sei alkoholisiert gewesen, genügt für einen entsprechenden Anhaltspunkt, der vom Beklagten zu widerlegen wäre, folglich nicht (vgl. BGH, Urt. v. 21. 11. 2012 – IV ZR 97/11, Rn. 32, in dem der BGH ausführt: „Der Kausalitätsgegenbeweis erfordert im Streitfall ebenfalls nicht zwingend den Nachweis, dass der Kl. im Unfallzeitpunkt nicht alkoholisiert gewesen ist […], vielmehr genügte für eine fehlende Kausalität der Obliegenheitsverletzung bereits die Feststellung, dass die Beachtung der aus § 142 II StGB folgenden Rechtspflichten durch den Kl. der Bekl. keine zusätzlichen Aufklärungsmöglichkeiten verschafft hätte.“). Die Rüge, dass das Ausgangsgericht sich nicht mit dem Zustandekommen des Verkehrsunfalls auseinandergesetzt habe, verfängt insoweit ebenfalls nicht. Die Klägerin hat insoweit nicht dargelegt, inwiefern der Unfallhergang einen Anhaltspunkt für eine Fahruntüchtigkeit ergeben haben könnte.
In Übereinstimmung mit dem Amtsgericht, ist für das Gericht zudem nicht ersichtlich, dass eine sofortige Verständigung der Polizei zu einer anderen Unfallregulierung geführt hätte. Durch den Zettel mit den Kontaktdaten war eine Kontaktierung des Beklagten am nächsten Tag möglich, der seine Beteiligung an dem Unfallereignis zugegeben und Feststellungen zu seiner Person ermöglicht hat. Es entspricht nicht der allgemeinen Lebenserfahrung, dass die Polizei noch am Unfallort eine Prüfung dahingehend durchführt, welche der Schäden an dem jeweiligen Kraftfahrzeug von Altschäden herrühren könnten. Eine solche Prüfung findet regelmäßig im Nachgang durch einen Gutachter statt, wie auch hier geschehen.
Schließlich hat das Amtsgericht zutreffend erkannt, dass der Beklagte nicht arglistig gehandelt hat. Die für § 28 III 2 VVG beweisbelastete Klägerin hat nicht darlegen können, dass der Beklagte arglistig gehandelt hat. Selbst bei eindeutigem Vorliegen einer Unfallflucht nach § 142 StGB ist nicht automatisch von einem arglistigen Verhalten auszugehen. Einen allgemeinen Erfahrungssatz des Inhalts, dass derjenige, der sich unerlaubt vom Unfallort entfernt, damit stets einen gegen die Interessen des Versicherers gerichteten Zweck verfolgt, gibt es nicht (LG Bonn, Urteil vom 15.11.2012 – 6 S 63/12 –; AG Emmendingen, Urteil vom 15.03.2016, Az.: 7 C 326/15; AG Bautzen, Urteil vom 26.10.2018 – 20 C 576/16). Vorliegend hat der Beklagte durch das Hinterlassen eines Zettels gerade verhindern wollen, dass eine spätere Feststellung des Schadens unmöglich wird. Auch hat er, nachdem er am nächsten Morgen von der Polizei angerufen worden war, innerhalb eines angemessenen Zeitfensters von einer halben Stunde zurückgerufen und somit selbst die weiteren Feststellungen ermöglicht. Das einfache Bestreiten der Klägerin dieser Tatsache genügt in Anbetracht des von dem Beklagten zur Akte gereichten Vermerks aus der polizeilichen Ermittlungsakte (Bl. 11 EA, Bl. 146 GA) nicht.
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs.1, 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
Die Revision war nicht zuzulassen, nachdem die Voraussetzungen des § 543 Abs.2 ZPO nicht vorliegen.