Gericht | VG Cottbus 3. Kammer | Entscheidungsdatum | 06.09.2022 | |
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Aktenzeichen | 3 L 285/21 | ECLI | ECLI:DE:VGCOTTB:2022:0906.3L285.21.00 | |
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 6 Abs 10 S 1 Nr 2 BauO BB 2018 |
Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragsteller vom 21. Mai 2021 gegen die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung des Antragsgegners vom 23. April 2021 wird angeordnet.
Der Antragsgegner und die Beigeladene tragen die Kosten des Verfahrens je zur Hälfte mit Ausnahme ihrer außergerichtlichen Kosten, die sie jeweils selbst tragen.
Der Streitwert wird auf 7.500,00 Euro festgesetzt.
Der sinngemäße Antrag der Antragsteller,
die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs vom 21. Mai 2021 gegen die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung vom 23. April 2021 anzuordnen,
hat Erfolg.
Der Antrag ist zulässig. Dem Widerspruch der Antragsteller gegen die der Beigeladenen erteilten Baugenehmigungen kommt nach § 212a Abs. 1 des Baugesetzbuches (BauGB) i.V.m. § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 VwGO keine aufschiebende Wirkung zu, so dass das Gericht der Hauptsache gemäß § 80a Abs. 3, Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 80 Abs. 5 S. 1 VwGO die aufschiebende Wirkung eines Rechtsmittels ganz oder teilweise anordnen kann.
Den Antragstellern steht auch ein Rechtsschutzbedürfnis zur Seite.
Hierfür ist entscheidend, ob die Einstellung der Bauarbeiten die Antragsteller noch begünstigen kann. Das Vorliegen des Rechtsschutzbedürfnisses als Prozessvoraussetzung ist Ausfluss des allgemeinen Verbots des Rechtsmissbrauchs. Anders als die Klage- bzw. Antragsbefugnis schützt sie nicht den Gegner, sondern die Gerichte, die vor überflüssigen, nutzlosen und mutwilligen Prozessen bewahrt werden sollen. Das Rechtsschutzbedürfnis ist deshalb zu verneinen, wenn kein Bedürfnis für die Anrufung des Gerichts besteht, also wenn der Rechtsschutzsuchende seine Rechtsstellung mit der begehrten gerichtlichen Entscheidung in keiner Hinsicht verbessern kann und die Inanspruchnahme des Gerichts für ihn nutzlos ist (so auch: OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 10. April 2018 – OVG 10 S 40.17 –, juris, Rn. 3; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 17. Oktober 2000 – 10 B 1053/00 –, juris, Rn. 2). Das Gericht darf die Gewährung von Rechtsschutz nur verweigern, wenn ein rechtlich anerkennenswertes Interesse an der erstrebten gerichtlichen Entscheidung unter keinem denkbaren Gesichtspunkt in Betracht kommt, wobei in entsprechender Anwendung der für Klageverfahren geltenden Grundsätze ein strenger Maßstab anzulegen und im Zweifel das Rechtsschutzinteresse zu bejahen ist (vgl. zu alldem: Hessischer VGH, Beschl. v. 24. März 2020 – 4 B 2146/19 –, juris, Rn. 34; Schoch, in: ders./Schneider, Verwaltungsrecht, Werkstand: 42. EL Februar 2022, VwGO, § 80a, Rn. 71).
Ein atypischer Fall ergibt sich auch nicht daraus, dass vorliegend die baulichen Änderungen größtenteils bereits durchgeführt sind. Das Rechtsschutzziel kann entfallen, wenn der von der Baugenehmigung Begünstigte von dieser durch die Errichtung der genehmigten baulichen Anlage durch Fertigstellung des Rohbaus Gebrauch gemacht hat mit der Folge, dass der vorläufige Rechtsschutz dem Dritten keinen rechtlich relevanten Vorteil mehr bringen kann. Wann dies der Fall ist, richtet sich wesentlich nach den jeweiligen Verhältnissen im Einzelfall. Soweit eine Verletzung von Rechten des Dritten allein durch die Bausubstanz der genehmigten baulichen Anlage als solche in Rede steht, ist in aller Regel jedenfalls nach Erstellung des Rohbaus die etwaige Verletzung der Rechte bereits eingetreten mit der Folge, dass dann kein Rechtsschutzbedürfnis des Dritten mehr an der Anordnung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs besteht. Das Rechtsschutzinteresse für den Antrag besteht hingegen auch nach Fertigstellung der baulichen Anlage des Vorhabens fort, wenn der Dritte Beeinträchtigungen geltend macht, die nicht (nur) in der Durchführung der Baumaßnahme mit der Errichtung des Baukörpers, sondern (auch) in der bestimmungsgemäßen Nutzung der baulichen Anlage liegen, und diese Nutzung fortdauert (st. Rspr., vgl. nur: OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 10. April 2018 – OVG 10 S 40.17 –, juris, Rn. 3; Beschl. v. 7. Juli 2016 – OVG 10 S 15.16 –, juris, Rn. 5; Beschl. v. 18. März 2015 – OVG 10 S 22.14 –, juris, Rn. 3, m.w.N.; vgl. auch VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 15. Januar 2013 – 3 S 2259/12 –, juris, Rn. 1).
Danach sind die Antragsteller hier rechtsschutzbedürftig. Sie wenden sich nicht ausschließlich gegen die Bausubstanz, sondern vorwiegend gegen die Nutzung des grenzständigen Anbaus als Küche (statt als Abstellraum). Zwar sind die baulichen Veränderungen abgesehen von der Errichtung einer Gebäudeabschlusswand bereits vollzogen und kann – worauf die Beigeladene richtigerweise hinweist – die Nutzungsänderung erst aufgenommen werden, wenn die bauliche Änderung der grenzständigen Wand erfolgt ist, was momentan an der Duldung der Baumaßnahmen durch die Antragsteller scheitert. Der diesbezüglich geführte zivilrechtliche Streit dauert offenbar an. Allein die Tatsache, dass der Begünstigte von der ihm erteilten Baugenehmigung noch keinen Gebrauch gemacht hat, reicht allerdings für die Annahme eines atypischen Falls, in dem das Rechtsschutzbedürfnis zu verneinen wäre, nicht aus (OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 14. März 2019 – OVG 10 S 17.18 –, juris, Rn. 8). Einzustellen ist auch, dass, sobald der zivilrechtliche Streit zugunsten der Beigeladenen gelöst sein sollte (oder aber der Vollzug der Baugenehmigung auf andere Weise möglich sein sollte), es unmittelbar nach Ertüchtigung der Außenwand auch zum Vollzug der Änderung der Nutzung von Abstellraum zur Küche kommen wird. Aus diesen Gründen kann auch– anders als der Antragsgegner meint – keine Rede davon sein, dass die Vollziehung keine Fakten schaffen würde, welche die Durchsetzung von Nachbarrechten im Hauptsacheverfahren unverhältnismäßig erschweren kann (das Rechtsschutzbedürfnis ausnahmsweise verneinend, wenn die angegriffene Baugenehmigung nicht zu einer erkennbaren Änderung der Art der Nutzung führt: OVG Hamburg, Beschl. v. 21. Oktober 2009 – 2 Bs 152/09 –, juris, Rn. 4 f.; Kalb/Külpmann, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, Baugesetzbuch, Werkstand: 145. EL Februar 2022, § 212a, Rn. 39). Die Änderung der Nutzung vom Abstellraum zur Küche ist derart erheblich und mit andersartigen Beeinträchtigungen für die Antragsteller verbunden, dass diese nicht auf das Hauptsacheverfahren verwiesen werden können. Dies gilt auch, wenn sich die Ausgestaltung des Brandschutzes im Ergebnis für die Antragsteller verbessern sollte. Den Antragstellern kann nicht zugemutet werden, die Nutzungsänderung des Anbaus vom Abstellraum zur Küche allein aus diesen Gründen hinnehmen zu müssen.
Der Antrag ist auch begründet. Bei der im summarischen Verfahren zu treffenden Ermessensentscheidung hat das Gericht die Interessen der Antragsteller, des Antragsgegners und die der Beigeladenen unter Berücksichtigung der Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache gegeneinander abzuwägen. Insoweit stehen sich das Suspensivinteresse des intervenierenden Dritten und das Interesse des Bauherrn, von der Baugenehmigung sofort Gebrauch zu machen, grundsätzlich gleichwertig gegenüber. Deshalb ist bei der Entscheidung über den Antrag nach § 80 Abs. 5 S. 1 VwGO in erster Linie auf die Erfolgsaussichten des Drittwiderspruchs abzustellen. Fällt die Erfolgsprognose zugunsten des Dritten aus, erweist sich also nach summarischer Prüfung die angefochtene Baugenehmigung gegenüber dem Dritten als rechtswidrig, so ist die Vollziehung der Genehmigung regelmäßig auszusetzen (dies bei „gewichtigen Zweifeln“ an der rechtlichen Unbedenklichkeit annehmend: OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 29. April 2019 – OVG 10 S 17.19 –, juris, Rn. 6). Erscheint der Drittwiderspruch dagegen als offensichtlich aussichtslos, so ist der Rechtsschutzantrag abzulehnen. Stellen sich die Erfolgsaussichten nach summarischer Überprüfung als offen dar, findet eine reine Interessenabwägung statt (vgl. zum Prüfungsmaßstab: OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 19. August 2014 – OVG 10 S 57.12 –, juris, Rn. 3; OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 19. Dezember 2012 – OVG 2 S 44.12 –, juris, Rn. 14; OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 28. September 2012 – OVG 10 S 21.12 –, juris, Rn. 4; zu einem Vorrang für das „Bauen auf eigenes Risiko“: OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 11. Juli 2018 – 2 S 50.17 – juris, Rn. 33).
Nach der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes allein möglichen, aber auch nur gebotenen summarischen Überprüfung der Sach- und Rechtslage überwiegt hiernach das Aussetzungsinteresse der Antragsteller das Vollzugsinteresse des Antragsgegners und der Beigeladenen. Der Widerspruch der Antragsteller gegen die der Beigeladenen erteilten Baugenehmigungen des Antragsgegners vom 23. April 2021 wird voraussichtlich Erfolg haben.
Der Widerspruch der Antragsteller ist zulässig. Die zugunsten der Beigeladenen ergangene Baugenehmigung ist ihnen am 08. Mai 2021 bekannt gegeben worden. Der hiergegen am 25. Mai 2021 bei dem Antragsgegner eingegangene Widerspruch erfolgte fristgerecht. Die Antragsteller haben ihr Widerspruchsrecht auch nicht verwirkt. Die Verwirkung eines Rechts setzt außer der Untätigkeit des Berechtigten während eines längeren Zeitraums voraus, dass besondere Umstände hinzutreten, welche die verspätete Geltendmachung als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen lassen. Das ist insbesondere der Fall, wenn der Verpflichtete infolge eines bestimmten Verhaltens des Berechtigten darauf vertrauen durfte, dass dieser das Recht nach so langer Zeit nicht mehr geltend machen würde (Vertrauensgrundlage), der Verpflichtete ferner darauf vertraut hat, dass das Recht nicht mehr ausgeübt werde (Vertrauenstatbestand) und sich infolgedessen in seinen Vorkehrungen und Maßnahmen so eingerichtet hat, dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstünde (vgl. BVerwG, Beschl. v. 11. September 2018 – BVerwG 4 B 34.18 –, juris, Rn. 14).
Besondere Umstände, welche die Ausübung des verfahrensrechtlichen Widerspruchsrechts durch die Antragsteller als treuwidrig erscheinen lassen, sind für den Zeitraum nicht erkennbar. An Anhaltspunkten dafür, dass die Antragsteller dem Vorhaben ausdrücklich oder konkludent zugestimmt hätten, fehlt es ebenfalls. Die Gesprächsnotiz vom 18. April 1998 bietet dafür jedenfalls keine belastbare Grundlage, weil der Antragsteller danach Vorbehalte geäußert hat, die in der Folge nicht vollständig ausgeräumt worden sind (vgl. so auch zu den der Beigeladenen bzw. ihren Rechtsvorgänger vorher erteilten Baugenehmigungen: OVG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 24. Oktober 2019 – OVG 10 B 2-15 –, Entscheidungsausfertigung, S. 27). So heißt es dort, der Antragsteller trage vor, eine bauliche Veränderung der Grenzbebauung abzulehnen. Bei Umgestaltung der Veranda zu Wohnzwecken sei vor Baubeginn eine brandschutztechnische Unbedenklichkeit einzuholen. Hinzu kommt, dass die Notiz ausschließlich der Antragsteller unterschrieb, nicht aber die Antragstellerin, die hier ebenso Widerspruchsführerin ist. Jedenfalls sie dürfte auf ihr Widerspruchsrecht auch nach Vortrag des Antragsgegners und der Beigeladenen nicht verzichtet haben.
Der Widerspruch der Antragsteller wird voraussichtlich auch in der Sache erfolgreich sein.
Dies ergibt sich jedoch nicht bereits daraus, dass durch die Entscheidung des OVG Berlin-Brandenburg (Urt. v. 24. Oktober 2019, a.a.O.) die vorigen Baugenehmigungen zu baulichen Änderung des Anbaus sowie der Nutzungsänderung von einem Abstellraum zur Küche aufgehoben worden sind. Eine Umgehung der Rechtskraft dieser Entscheidung liegt nicht vor, da nicht das identische Vorhaben zur Genehmigung gestellt worden ist, sondern die hier angegriffene Genehmigung (zusätzlich) die Errichtung einer Gebäudeabschlusswand umfasst. Auch aus dem zeitlichen Ablauf der Einreichung der Genehmigungsunterlagen und der Behördenbeteiligung können die Antragsteller nichts herleiten.
Die angefochtene Baugenehmigung vom 23. April 2021 verstößt aber nach summarischer Prüfung voraussichtlich gegen bauordnungsrechtliche Vorschriften, die auch dem Schutz der Antragsteller zu dienen bestimmt sind.
Die nach § 6 Abs. 1 Brandenburgische Bauordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 15. November 2018, zuletzt geändert durch Gesetz vom 09. Februar 2021 (BbgBO) erforderlichen Abstandsflächen werden nicht eingehalten, ohne dass die Beigeladene eine Privilegierung aus § 6 Abs. 10 BbgBO in Anspruch nehmen könnte. Nach § 6 Abs. 10 S. 1 Nr. 2 BbgBO sind bei rechtmäßig errichteten Gebäuden die sich ergebenden Abstandsflächen unbeachtlich bei Nutzungsänderungen, wenn der Abstand des Gebäudes zu den Nachbargrenzen mindesten 2,50 Meter beträgt oder die Außenwand als Gebäudeabschlusswand ausgebildet ist.
Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Der Abstand zur Nachbargrenze ist geringer als 2,50 m und die Außenwand des Anbaus ist nicht als Gebäudeabschlusswand ausgebildet. Die Eigenschaft der Außenwand muss im Zeitpunkt der Nutzungsänderung bereits erfüllt sein. Die Ertüchtigung der Wand kann nicht Gegenstand der Nutzungsänderung sein (vgl. so auch: Otto, Brandenburgische Bauordnung, 5. Aufl. 2021, § 6, Rn. 211; Otto/Kemper/Schulz, Abstandsflächenrecht für Berlin und Brandenburg, 1. Auflage 2017, S. 136). Vorliegend wird aber nicht ausschließlich die Nutzungsänderung genehmigt, sondern auch bauliche Änderungen. So ist dem Grundriss des Erdgeschosses zu entnehmen, dass die zu dem Grundstück der Antragsteller gerichtete Außenwand ertüchtigt werden soll („zur Erfüllung des baulichen Brandschutzes nach Umnutzung“, Bl. 21 der Verwaltungsvorgänge, Beiakte I). Auch dem mit Grünstempel versehenen Brandschutznachweis ist zu entnehmen, dass Gegenstand der Genehmigung die Ausgestaltung der Außenwand als Gebäudeabschlusswand ist (Bl. 27 ff. der Verwaltungsvorgänge, Beiakte I). So wird dort die Erforderlichkeit der Ertüchtigung betont und im Einzelnen beschrieben, welche Baumaterialien an welcher Stelle zu verwenden sind. Auch die weiteren Bauzeichnungen gehen von einem Neubau zur Erfüllung des Brandschutzes aus. Letztlich dürfte angesichts des zwischen den Antragstellern und der Beigeladenen geführten zivilrechtlichen Verfahrens zur Notwendigkeit der Nutzung des Grundstücks der Antragsteller für die Ertüchtigung der Außenwand unstreitig sein, dass derzeit keine Gebäudeabschlusswand vorhanden ist.
Für die Annahme, dass die Gebäudeabschlusswand zum Zeitpunkt der Beurteilung des Vorliegens der Privilegierung des § 6 Abs. 10 S. 1 BbgBO bereits vorhanden sein muss, spricht zunächst der Wortlaut der Norm. So heißt es dort, „wenn (...) die Außenwand als Gebäudeabschlusswand ausgebildet ist“ und nicht etwa „ausgebildet wird“. Die Nutzung des Präsens zeigt, dass der Verordnungsgeber als Voraussetzung der Privilegierung ansieht, dass eine Gebäudeabschlusswand vorhanden ist. Zudem sprechen systematische Erwägungen für diese Annahme. Wäre es möglich, die Privilegierung des § 6 Abs. 10 S. 1 Nr. 2 BbgBO auch in Anspruch zu nehmen, wenn erst im Rahmen der Durchführung der Nutzungsänderung die Voraussetzung derselben erfüllt werden, könnte letztlich jedes Grenzgebäude einer privilegierten Nutzungsänderung zugeführt werden. Das würde den Anwendungsbereich des § 6 Abs. 10 S. 1 Nr. 2 BbgBO grenzenlos ausweiten. Die Kammer ist jedoch der Auffassung, dass die Privilegierungstatbestände des § 6 Abs. 10 BbgBO eng auszulegen sind.
Darüber hinaus ist fraglich, ob hier noch von einem rechtmäßig errichteten Gebäude ausgegangen werden kann. Zwar ist die Anlage ursprünglich (rechtmäßig) als Abstellraum errichtet worden und auch die Schließung der vorhandenen Terrasse durch Zustimmung der Gemeinde Z... vom 09. November 1981 rechtmäßig erfolgt. Diesen Status könnte die Anlage allerdings durch die bereits vollzogenen, zwischenzeitlich aber gerichtlich aufgehobenen Baugenehmigungen vom 01. September 1998 und 21. April 2010 (OVG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 24. Oktober 2019, a.a.O) verloren haben. Es spricht viel dafür, dass für die Anwendbarkeit des § 6 Abs. 10 BbgBO nicht genügt, dass ein irgendwie gearteter Gebäudebestand einmal rechtmäßig war. Jede bauliche Veränderung ohne die entsprechende Legalisierung dürfte schädlich sein. Andernfalls könnte jedes Gebäude, das einmal legal errichtet später aber rechtswidrig – unter Verlust des Bestandsschutzes – verändert wurde, wiederum zu Lasten des Nachbarn verändert werden. Bei der Frage der Beurteilung des „rechtmäßig errichteten“ Gebäudes kommt es nicht darauf an, ob die Veränderungen ohne Baugenehmigung (Schwarzbau) oder aber mit einer Baugenehmigung vorgenommen wurden, die später eine Aufhebung erfahren hat. Diese Fälle stehen einander gleich. Die Aufhebung der Baugenehmigung wirkt auf den Zeitpunkt des Erlasses zurück und hat zur Folge, dass der Verwaltungsakt als nicht ergangen zu behandeln ist (vgl. zu § 6 Abs. 12 BbgBO a.F.: Beschl. d. Kammer v. 21. November 2005 – 3 L 211/05 –, juris, Rn. 8). Anderes ergibt sich auch nicht aus der von der Beigeladenen zitierten Entscheidung des OVG Berlin Brandenburg, denn auch diese stellt darauf ab, dass Gegenstand der Privilegierung Gebäude sind, die Bestandsschutz genießen und führt aus, woraus der Bestandschutz abgeleitet werden kann (Beschl. v. 27. November 2020 – OVG 10 N 68/20 –, juris, Rn. 12). Der Entscheidung ist nicht zu entnehmen, dass Nutzungsänderungen an rechtmäßig errichteten Gebäuden unerheblich wären. Im Übrigen sei der Hinweis erlaubt, dass neben der Nutzungsänderung vom Abstellraum zur Küche auch bauliche Änderungen Gegenstand der aufgehobenen Baugenehmigungen waren (Baugenehmigung vom 01. September 1998: u.a. Veränderungen am Grundriss, Nutzungsänderung des Abstellraums zur Küche, Schließen der Fenster zur klägerischen Grundstücksgrenze, Einbau eines Fensters auf der Straßenseite; Baugenehmigung vom 21. April 2010: u.a. Veränderungen um Grundriss, Wärmedämmmaßnahmen am Dach des Anbaus). Diese baulichen Änderungen dürften derart erheblich sein, dass der ursprünglich durch die Zustimmungen der Gemeinde Z... von 09. November 1981 vermittelte Bestandsschutz erloschen sein dürfte, mit der Folge, dass es auch an einem rechtmäßig errichteten Gebäude fehlen dürfte. Dies kann aber letztlich mit Blick auf die fehlende Erfüllung der Voraussetzung einer Gebäudeabschlusswand dahinstehen.
Die Kostentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1 u. Abs. 3, 162 Abs. 3 VwGO.
Der Streitwert ist gemäß §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG in Anlehnung an den Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit, Stand Juli 2013, Textziffern 1.5 und 9.7.1 mit dem im Tenor genannten Betrag zu bestimmen.