Gericht | VG Frankfurt (Oder) 5. Kammer | Entscheidungsdatum | 05.10.2022 | |
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Aktenzeichen | 5 L 270/22 | ECLI | ECLI:DE:VGFRANK:2022:1005.5L270.22.00 | |
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen |
1. Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, gegenüber dem jeweiligen Tierhalter eine Ordnungsverfügung des Inhalts zu erlassen, den auf dem Grundstück S..., Flurstück zwischen den Hausnummern 11b und 13 in M...gehaltenen Hahn in der Zeit der Nachtruhe von 22:00 Uhr bis 6:00 Uhr in einem vollständig geschlossenen, möglichst abgedunkelten und schallisolierten Stall unterzubringen.
Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragsgegnerin.
2. Der Wert des Verfahrensgegenstandes wird für das vorläufige Rechtsschutzverfahren auf 5.000,00 € festgesetzt.
I.
Die Antragstellerin begehrt von der Antragsgegnerin immissionsschutzrechtliche Maßnahmen zur Durchsetzung von den Schutz der Nachtruhe bezweckenden Vorschriften.
Sie bewohnt ein Grundstück in 1..., S.... In unmittelbarer Nachbarschaft in ca. 20m Entfernung werden in einem nicht isolierten Holzstall mit Kunststoffabdeckung Hühner und ein Hahn gehalten, der nach Darstellung der Antragstellerin ihre Nachtruhe stört. Sie leide infolge der durch den Hahn hervorgerufenen Lärmimmissionen unter Schlafstörungen. Zur Begründung bezieht sich die Antragstellerin auf das von ihr erstellte Lärmprotokoll.
Die Antragsgegnerin verweist auf die Ortsüblichkeit der Kleintierhaltung und darauf, dass die Allgemeinheit nicht betroffen sei. Im Übrigen seien Belästigungen durch das „Hahnkrähen“ seitens der Nachbarschaft verneint worden.
II.
A.
Der Verwaltungsrechtsweg ist gemäß § 40 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO - gegeben. Denn die streitentscheidenden Anspruchsgrundlagen ergeben sich hier aus dem Landesimmissionsschutzgesetz – LImschG. Dieses Gesetz regelt u.a. öffentlich-rechtliche Immissionsschutzpflichten, die von den örtlichen Ordnungsbehörden überwacht werden, § 21 Abs. 1 Satz 2 LImschG. Rechtsschutzbegehren aufgrund von Anspruchsgrundlagen des öffentlichen Rechts können unabhängig von zivilrechtlichen Klagen bzw. Anträgen auf Erlass einer einstweiligen Verfügung nach § 935 Zivilprozessordnung - ZPO - hier wegen Zuführung unwägbarer Stoffe (§ 906 Bürgerliches Gesetzbuch) - erhoben werden, da unterschiedliche Streitgegenstände vorliegen. Es besteht vielmehr eine Zweispurigkeit des Rechtsschutzes (Vieweg/Regenfus in: Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, 9. Aufl., § 906 BGB (Stand: 01.07.2020), Rn. 180). Mithin blieb es der Antragstellerin als betroffene Nachbarin unbenommen, Rechtsschutz auf dem Verwaltungsrechtsweg zu suchen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 17. Juli 2003 – 4 B 55/03 –, Rn. 6, juris).
B.
Das Passivrubrum ist im Hinblick auf § 8 Abs. 2 des brandenburgischen Verwaltungsgerichtsgesetzes (in entsprechender Anwendung) von Amts wegen berichtigt worden.
C.
Der sinngemäße Antrag der Antragstellerin,
die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, gegenüber dem jeweiligen Tierhalter eine Ordnungsverfügung des Inhalts zu erlassen, den auf dem Grundstück S..., Flurstück zwischen den Hausnummern 11b und 13 in 1... gehaltenen Hahn in der Zeit von 19:00 Uhr bis 8:00 Uhr in einem vollständig geschlossenen, möglichst abgedunkelten und schallisolierten Stall sowie in angemessener Entfernung zum Grundstück der Antragstellerin unterzubringen,
hat im tenorierten Umfang Erfolg. Im Übrigen war der Antrag abzulehnen.
I.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin in vollem Umfang zulässig. Er war gemäß § 88 VwGO sinngemäß dahin zu verstehen, dass unmittelbares Ziel des Begehrens der Antragstellerin nicht ausschließlich der Erlass eines bestimmten Verwaltungsakts, sondern auch die Durchführung von dem Auswahlermessen der Antragsgegnerin überlassenen Maßnahmen ist, um den Schutz der Nachtruhe der Antragstellerin vor durch die Tierhaltung verursachten Lärmimmissionen durchzusetzen. Die Antragstellerin kann sich in diesem Zusammenhang zum einen auf § 10 Abs. 1 LImschG berufen, wonach von 22:00 Uhr bis 6:00 Uhr Betätigungen verboten sind, welche die Nachtruhe zu stören geeignet sind, und zum anderen auf § 3 Abs. 2 S. 1 LImschG, wonach Tiere so zu halten sind, dass niemand durch die Immissionen, die durch sie hervorgerufen werden, mehr als nur geringfügig belästigt wird. Diese Verbote haben, soweit sie andere in ihrer Ruhe und zumindest auch vor Lärm schützen sollen, drittschützenden Charakter, auf den sich die Antragstellerin als Anwohnerin und Nachbarin berufen kann. Im Hinblick darauf, dass die Antragstellerin gesundheitliche Beeinträchtigungen befürchtet, die auf monatelange Schlafstörungen zurückzuführen sein könnten, kann der Antragstellerin auch ein Anspruch unmittelbar aus dem Grundrecht auf Schutz der Gesundheit aus Art. 2 Abs. 2 S. 1 Grundgesetz - GG - zustehen. Für den so verstandenen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist ein Rechtsschutzbedürfnis nicht zweifelhaft, nachdem die Antragsgegnerin vorgerichtlich einem solchen Begehren unter Hinweis auf die fehlende Betroffenheit der Allgemeinheit entgegengetreten ist und dieses sinngemäß abgelehnt hat. Mithin kann hier dem Bedürfnis für die Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes im Wege eines Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung auch nicht die fehlende Vorbefassung der Behörde entgegengehalten werden (vergleiche zu § 123 VwGO auch BVerwG, Beschl. vom 22. November 2021 – 6 VR 4/21, NVwZ-RR 2022, 164).
II.
Der vorläufige Rechtsschutzantrag ist im Hauptantrag und zwar im tenorierten Umfang begründet.
Einstweilige Anordnungen ergehen gemäß § 123 Abs. 1 und 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2, § 294 ZPO, wenn der mit der Anordnung zu sichernde Anspruch in der Hauptsache (Anordnungsanspruch) und die Dringlichkeit einer vorläufigen Regelung (Anordnungsgrund) glaubhaft gemacht wurden und deshalb hinreichend wahrscheinlich vorliegen. Bleiben die Erfolgsaussichten in der Hauptsache offen, ist über die Dringlichkeit der einstweiligen Anordnung aufgrund einer Folgenabwägung zu entscheiden.
Dies zugrunde gelegt hat die Antragstellerin einen Anordnungsanspruch im Sinne überwiegender Erfolgsaussichten dahin glaubhaft gemacht, dass der Antragstellerin nicht nur ein Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung durch die Antragsgegnerin zusteht, sondern diese eine Ordnungsverfügung mit dem tenorierten Inhalt gegenüber den Tierhaltern erlassen müsste. Im Einzelnen:
1. Für den Erlass einer Sicherungsanordnung nach § 123 Abs. 1 S. 1 VwGO ist vorliegend zwar kein Raum, weil es im Hinblick auf die von der Antragstellerin sinngemäß begehrte Ordnungsverfügung nicht um die Frage der Verwirklichung eines von der Antragstellerin bereits innegehaltenen Rechts geht, sondern diese mit dem Erlass einer Ordnungsverfügung zugleich eine Veränderung des bestehenden Zustandes anstrebt.
2. Allerdings kommt hier der Erlass einer Regelungsanordnung nach § 123 Abs. 1 S. 2 VwGO mit dem Rechtsschutzziel, eine Ordnungsverfügung mit dem von der Antragstellerin begehrten Inhalt zu erlassen, in Betracht.
Der Sicherungszweck einer einstweiligen Anordnung nach vorgenannter Regelung verbietet es zwar grundsätzlich, der Behörde bereits im einstweiligen Rechtsschutzverfahren den Erlass des – hier jedenfalls sinngemäß – beantragten Verwaltungsakts in Form einer Ordnungsverfügung aufzugeben und damit die Hauptsache vorwegzunehmen (vgl. VGH Kassel, Beschluss vom 22. Mai 2003 – 9 TG 1187/03, NVwZ-RR 2003, 814). Denn die Entscheidung durch Verwaltungsakt würde eine der einstweiligen Verbindlichkeit widersprechende Möglichkeit schaffen, durch einen Widerspruch gegen den Verwaltungsakt die gerichtliche Entscheidung systemwidrig wieder infrage zu stellen (so Eyermann/Happ, VwGO, § 123 Rn. 66d).
Indes steht das Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache einer Ordnungsverfügung dann nicht entgegen, wenn der Antragstellerin durch das Abwarten der Entscheidung in der Hauptsache einerseits unzumutbare und irreparable Nachteile entstünden, und sich andererseits mit hinreichender Wahrscheinlichkeit voraussehen lasse, dass die Antragstellerin im Verfahren der Hauptsache obsiegen werde. So liegt der Fall hier. Es bestehen mit überwiegender Wahrscheinlichkeit zwingende Gründe, die die Vorwegnahme der Hauptsache ausnahmsweise rechtfertigen. Denn die von der Antragstellerin vorgetragenen gesundheitlichen Beeinträchtigungen nach monatelangen Schlafstörungen bedeuten zugleich, dass das Abwarten der Entscheidung in der Hauptsache für sie mit unzumutbaren und irreparablen Nachteilen verbunden ist.
3. Nach § 15 S. 1 LImschG kann die nach § 21 LImschG zuständige Behörde im Einzelfall anordnen, dass Zustände beseitigt werden, die diesem Gesetz oder den aufgrund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnungen widersprechen. Für die Durchführung des § 10 Abs. 1 S. 1 und des § 3 Abs. 2 S. 1 LImschG besteht eine Zuständigkeit der örtlichen Ordnungsbehörde, § 21 Abs. 1 S. 1 und 2 LImschG, mithin der Antragsgegnerin. Im Hinblick auf das der Ordnungsbehörde zukommende Ermessen („kann“) vermittelt die immissionsschutzrechtliche Generalklausel des § 15 LImschG grundsätzlich einen Anspruch auf fehlerfreie Ermessensentscheidung. So kann das Entschließungsermessen der Behörde über das „Ob“ des Einschreitens in pflichtgemäßer Weise dahin ausgeübt werden, dass ein Einschreiten aus sachgerechten Gründen versagt wird. Unter besonderen Voraussetzungen, insbesondere bei hoher Intensität der Störung oder Gefährdung, kann aber der an sich nur auf ermessensfehlerfreie Entschließung der Behörde gehende Rechtsanspruch im praktischen Ergebnis einem strikten Rechtsanspruch auf ein Verwaltungshandeln gleichkommen, weil dann nur eine einzige ermessensfehlerfreie Entschließung, nämlich die zum Einschreiten, denkbar ist und höchstens für das „wie“ des Einschreitens noch ein ausnutzbarer Ermessensspielraum der Behörde verbleibt. In diesen Ausnahmefällen kann das Entschließungsermessen auf Null schrumpfen und sich der Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung zu einem Anspruch auf Einschreiten verdichten; je hochwertiger die schützenswerten Rechtsgüter, je intensiver die Rechtsgutgefährdung und je geringer die mit dem Eingriff verbundenen Risiken für Beteiligte und Unbeteiligte, desto mehr spricht dies für eine Ermessensreduzierung auf Null (vgl. OVG Bautzen, Beschluss vom 25. Juli 2022 – 6 B 16/22, BeckRS 2022, 18223 Rn. 14). Genauso verhält es sich hier mit den von der Antragstellerin gerügten Lärmimmissionen durch eine Tierhaltung.
4. Was an Lärm, der von einer Tierhaltung ausgeht, von der Nachbarschaft hinzunehmen ist, bestimmt sich nach § 3 Abs. 2 LImschG. Danach sind Tiere so zu halten, dass niemand durch die Immissionen, die durch sie hervorgerufen werden, mehr als nur geringfügig belästigt wird. Nach dem korrespondierenden § 117 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten - OWiG - handelt ordnungswidrig und stört mithin die öffentliche Sicherheit, wer ohne berechtigten Anlass oder in einem unzulässigen oder nach den Umständen vermeidbaren Ausmaß Lärm erregt, der geeignet ist, die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft erheblich zu belästigen oder die Gesundheit eines anderen zu schädigen. In den Blick zu nehmen ist außerdem der öffentlich-rechtlich garantierte Schutz der Nachtruhe, denn von 22:00 Uhr bis 6:00 Uhr sind Betätigungen verboten, welche die Nachtruhe zu stören geeignet sind.
a) Dem folgend ist für die Annahme einer erheblichen Belästigung der Nachbarschaft durch Hundegebell aufgrund dessen Eigenart als ungleichmäßiges, lautes Geräusch nach herrschender Auffassung nicht erforderlich, dass bestimmte Immissionsrichtwerte überschritten werden (vgl. m.w.N. Oberverwaltungsgericht für das Land Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 10. Januar 2022 – 1 M 495/21 OVG –, Rn. 19, juris). Lautes Hundegebell ist grundsätzlich per se geeignet, das körperliche Wohlbefinden eines Menschen zu beeinträchtigen. Denn bei Hundegebell handelt es sich um ein Geräusch, das wegen seiner Eigenart ganz besonders die Aufmerksamkeit auf sich zieht. Ob sich Hundegebell innerhalb des Rahmens verhält, der durch Immissionsrichtwerte der Technischen Anleitung zum Schutz gegen Lärm oder sonstige einschlägige technische Richtlinien vorgegeben wird, spielt in diesem Zusammenhang keine entscheidungserhebliche Rolle. Eine erhebliche Belästigung von Nachbarn ist auch bei deutlich geringeren als dort vorgegebenen Grenzwerten möglich (so Sächsisches Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 17. Juli 2017 – 3 B 87/17 –, Rn. 10, juris).
b) Für das Krähen eines Hahns gilt Entsprechendes. Nach gesicherter Erfahrung krähen Hähne ab 3 Uhr morgens (LG Kleve DWW 1989, 362) bis zu 50 mal mit einer Durchschnittslautstärke von 47 Phon (Übersicht bei Wiethaup, RdL 1970, 117). Noch in einer Entfernung von 8 bis 10 m wurde ein Schallpegel von 75 db(A) gemessen. Das Hahnenkrähen ist von kurzzeitigen Impulsen mit hoher Frequenz gekennzeichnet, die im Vergleich mit Dauergeräuschen als wesentlich lästiger empfunden werden. Hinzu kommt die Erwartungshaltung des Gestörten, „aus der heraus die plötzlichen und schrillen Töne des Krähens als besonders lästig empfunden werden“ (LG Ingolstadt, NJW-RR 1991, 654; LG München, NJW-RR 1989, 1178; LG Bad Kreuznach 15.1.2019 - 1 S 83/18, BeckRS 2019, 134 [einstweiliges Verfügungsverfahren]; AG Sondershausen, NJOZ 2004, 4362, 4363). Es ist daher neben der Lautstärke insbesondere zu berücksichtigen, dass durch das periodische Krähen des Hahnes sich bei dem Gestörten eine Erwartungshaltung (ein Erwartungseffekt) einstellt, aus der heraus die plötzlichen und schrillen Töne des Krähens als besonders lästig empfunden werden. Regelmäßig sind Lärmstörungen durch Hahnenkrähen geeignet, bei den Betroffenen unmittelbar gesundheitliche Gefahren wie Schlafstörungen herbeizuführen (vgl. m.w.N. Staudinger/Roth (2020) BGB § 906, Rn. 154).
c) Daher unterstellt die Kammer vorliegend, wie auch der Lärmprotokoll-Ausschnitt für den 17. Juli, 13. August und 16. August 2022 nahelegt, dass der Hahn - je nach Sonnenaufgang - auch schon zwischen 3.00 Uhr und 6.00 Uhr morgens kräht, und dass dieser Lärm im Schlafzimmer der Antragstellerin deutlich zu hören ist. Bei den in Rede stehenden Tiergeräuschen handelt es sich schon wegen der sich aus der Unregelmäßigkeit des Hahnenkrähens ergebenden Lästigkeit um eine wesentliche Beeinträchtigung i.S.d. § 906 Abs. 1 BGB (LG Kleve Urt. v. 17.1.1989 – 6 S 311/88, BeckRS 1989, 112933 Rn. 9, beck-online) und um eine mehr als geringfügige Belästigung i. S. von § 3 Abs. 2 LImschG. Es ist schon auf Grund der allgemeinen Lebenserfahrung bekannt, dass Hähne nicht nur „zur Morgenstund“, sondern zu völlig unterschiedlichen, nicht vorherbestimmbaren Tages- und Nachtzeiten krähen, was zu einer lästigen Beeinträchtigung auch des durchschnittlich empfindenden Menschen führt. Das völlig unterschiedliche und unregelmäßige Krähen führt insbesondere in den Zeiten der Nachtruhe schon deswegen zu einer mehr als nur geringfügigen Belästigung - auch eines durchschnittlich empfindenden Nachbarn -, da der betroffene Nachbar zu keiner Zeit sicher sein kann, auch nur mit einigen Stunden der Ruhe rechnen zu dürfen. Jedenfalls schafft diese Belästigung, die sich aus dem Bewusstsein einer jederzeit möglichen erheblichen Ruhestörung ergibt, gerade in den Zeiten der Nachtruhe schon für sich gesehen einen höchst unangenehmen Zustand der „Lärmerwartung“ (vgl. z.B. AG Geldern, Urt. v. 21.7.1988 – 14 C 346/88, BeckRS 1988, 113544 Rn. 9, beck-online). Wie oben dargestellt kommt es bei der Beurteilung der Störeignung des Hahnenkrähens nicht nur auf die Lautstärke an, weil diese nur eine Komponente für die Beurteilung darstellt, ob ein Nachbar in unzumutbarer Weise gestört wird. Wenn das Krähen eines Hahnes auch vor und bei Tagesanbruch nicht von jedem Menschen als unangenehm empfunden wird, störend ist es gleichwohl, weil es die zur Gesundheit unabdingbare Nachtruhe unterbricht.
d) Solche lärmbedingte Schlafstörungen dürfen nicht nur subjektiv beurteilt werden, sondern sie zählen zu den schwerstwiegenden gesundheitlichen Belastungen durch Lärm. Die Störung der durch den Schlaf bewirkten Erholungsvorgänge muss als ernste Gesundheitsbeeinträchtigung bezeichnet werden, so dass in Wohngebieten unbedingt für nächtliche Ruhe zu sorgen ist. Regelmäßig werden von der Rechtsprechung bereits die von einem Hahn ausgehenden Geräusche als eine wesentliche Beeinträchtigung angesehen, die nicht geduldet werden muss. Es ist für die nachteiligen Folgen der Nachtruhestörung irrelevant, ob ein Mensch in den frühen Morgenstunden durch das Krähen eines einzigen Hahnes aus dem Schlaf geweckt und bis zum Aufstehen am Einschlafen gehindert wird, oder ob dieser Effekt durch zwei oder mehr krähende Hähne bewirkt wird (siehe Gaisbauer, Tierlärm in der Wohnnachbarschaft, NZM 1999, 982, beck-online).
e) Gemessen an all dem sind die auf das Wohngrundstück der Antragstellerin einwirkenden Geräuschimmissionen nicht lediglich geringfügig und von der Antragstellerin hinzunehmen, da sie ortsüblich sind. Zwar handelt es sich nach Angaben der Antragsgegnerin um eine Wohnbaufläche in einem Siedlungsbereich, in dem Kleintierhaltung üblich sei. Es handelt sich jedoch nicht um ein Dorfgebiet bzw. eine landwirtschaftlich genutzte Gegend. Mithin ist das Krähen eines Hahns während der Nacht und in den frühen Morgenstunden aus den oben dargelegten Gründen unzumutbar. Es liegt in der Natur der Sache, dass das Krähen des Hahns auf dem Grundstück der Antragstellerin und in ihren Wohnräumen hörbar ist. Dazu kommt, dass zwischen dem Wohngrundstück der Antragstellerin und dem auf dem Nachbargrundstück befindlichen Käfig keinerlei schalldämmende Einflüsse vorhanden sind, so dass sich der von dem einzelnen Hahn ausgehende Lärm ungehindert auf das nach Angabe der Antragstellerin nur ca. 20 Meter entfernte Wohnhaus der Antragstellerin hin ausbreiten kann (vgl. LG Ingolstadt, NJW-RR 1991, 654, beck-online). Die von der Antragsgegnerin sinngemäß aufgestellte Behauptung, die Antragstellerin fühle sich als einzige von dem Gekrähe gestört, alle anderen Nachbarn jedoch nicht, führt ebenso zu keiner anderen Beurteilung. Selbst wenn das tatsächlich so als richtig unterstellt wird, kann diese Diskrepanz zu einem erheblichen Teil darauf beruhen, dass Menschen auf subjektiv empfundene Einwirkungen wie Geräusche von Natur aus unterschiedlich reagieren. Auch könnten sich die Nachbarn alle nicht in einer derart unmittelbaren Nachbarschaft zur Lärmquelle wie die Antragstellerin (bezogen auf die Wohnräume) befinden, so dass die hier festzustellenden Lärmwerte wesentlich abweichen können. Auf die subjektive Einschätzung ist deshalb nicht abzustellen (zutreffend LG München I, Urteil vom 03.03.1989 - 30 O 1123/87, NJW-RR 1989, 1178, beck-online). Aber selbst bei einer unterstellten Ortsüblichkeit der Hahnhaltung hat die Antragsgegnerin als zuständige Ordnungsbehörde nichts dazu vorgetragen, dass die Störung der Nachtruhe der Antragstellerin nur durch Maßnahmen verhindert werden kann, die einem Hobbynutzer wirtschaftlich unzumutbar sind. Im Hinblick auf den tenorierten Inhalt der zu erlassenden Ordnungsverfügung stehen ohne weiteres wirtschaftlich zumutbare Maßnahmen im Raum, durch die die Beeinträchtigung der Antragstellerin durch das Hahnengeschrei auf das zumutbare Maß zurückgedrängt werden kann. Wegen des gesetzlichen Schutzes der Nachtruhe gemäß § 10 Abs. 1 LImschG erscheint mithin eine einstweilige Regelung – wie tenoriert – geboten. Da die einstweilige Anordnung sich auf die Zeiten der Nachtruhe beschränkt, war der Antrag im Übrigen abzulehnen.
III.
Ein Anordnungsgrund im Sinne einer Dringlichkeit der Sache liegt vor. Die erforderliche Eilbedürftigkeit folgt aus dem glaubhaft gemachten Vortrag der Antragstellerin, wonach der auf dem Grundstück der Nachbarn gehaltene Hahn jede Nacht in erratischer Weise kräht und sie in der Nachtruhe stört. Es ist nicht auszuschließen, dass von dem Hahn auch in Zukunft entsprechende Geräusche ausgehen (vgl. LG Bad Kreuznach Urt. v. 15.1.2019 – 1 S 83/18, BeckRS 2019, 134 Rn. 10, beck-online).
D.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 S. 3 VwGO, die Streitwertfestsetzung findet ihre Grundlage in den §§ 52 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 1 des Gerichtskostengesetzes. Im Hinblick auf die Vorwegnahme der Hauptsache war der anzusetzende Auffangwert nicht zu ermäßigen.