Gericht | OLG Brandenburg 6. Zivilsenat | Entscheidungsdatum | 19.09.2022 | |
---|---|---|---|---|
Aktenzeichen | 6 W 54/22 | ECLI | ECLI:DE:OLGBB:2022:0919.6W54.22.00 | |
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen |
1. Die sofortige Beschwerde des Beklagten gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Cottbus - Rechtspfleger - vom 25.07.2022, Az. 2 O 18/21, wird zurückgewiesen.
2. Der Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
I.
Die Beteiligten des Rechtsstreits haben in einem mit Beschluss vom 04.10.2021 gemäß § 278 Abs. 6 ZPO vom Landgericht festgestellten Prozessvergleich zu Ziffer 2. eine ausdrückliche Kostenregelung getroffen, in der geregelt ist: „Der hiesige Beklagte und Frau V… F… verpflichten sich, in beiden Verfahren keinen Kostenantrag zu stellen und tragen die gesamten Verfahrenskosten sowie die Kosten dieses Vergleichs als Gesamtschuldner“. In Ziffer 1. des Vergleichs werden zwei rechtshängige Klagen näher bezeichnet, und zwar der hiesige Rechtsstreit vor dem Landgericht Potsdam und ein weiterer vor dem Amtsgericht Potsdam. In Ziffer 3. folgt eine sogenannte große Abgeltungsklausel für „sämtliche Ansprüche zwischen der Klägerin auf der einen Seite und dem Beklagten (...) sowie Frau V… F… auf der anderen Seite, gleich aus welchem Rechtsgrund (...)“ (Bl. 137 f. d.A.). Für den weiteren Sachverhalt wird insbesondere auf den Kostenfestsetzungsantrag der Klägerin vom 18.05.2022 (Bl. 216 f. d.A.), den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 18.05.2022 (Bl. 244 ff. d.A.), die sofortige Beschwerde des Beklagten vom 04.08.2022 (Bl. 249 ff. d.A.), die Beschwerdeerwiderung der Klägerin vom 05.09.2022 (Bl. 257 f. d.A.) sowie den Nichtabhilfebeschluss des Landgerichts vom 07.09.2022 (Bl. 261 d.A.) verwiesen.
II.
Die nach § 11 Abs. 1 RPflG, § 104 Abs. 3, § 567 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2, § 569 ZPO zulässige sofortige Beschwerde des Beklagten ist unbegründet.
a) Mit der Kostenregelung des Vergleichs haben die Parteien einen rechtsgeschäftlich konstituierten Rechtsgrund für den prozessualen Kostenerstattungsanspruch geschaffen, der einen Kostentitel im Sinne von § 103 Abs. 1 ZPO darstellt, aufgrund dessen die Festsetzung erstattungsfähiger Kosten zugunsten der nach der Kostenregelung erstattungsberechtigten Partei erfolgt. Er ist auch dann Grundlage der Kostenfestsetzung, wenn das Gericht den Inhalt der Kostenregelung deklaratorisch respektive wie hier nach § 276 Abs. 6 ZPO auf übereinstimmenden Antrag der Parteien festgestellt hat (vgl. MünchKommZPO/Schulz, 6. Auflage, 98 Rn. 12). Nur soweit sich ergibt, dass die Parteien eine ganz oder teilweise fehlende Kostengrundentscheidung weder dem Gericht überlassen noch eine eigene Regelung dazu vereinbaren wollten, greift die Vermutungsregelung des § 98 ZPO ein, wonach die Kosten eines abgeschlossenen Vergleichs sind als gegeneinander aufgehoben anzusehen, wenn nicht die Parteien ein anderes vereinbart haben (BeckOK ZPO/Jaspersen, 45. Ed. 01.07.2022, § 98 Rn. 3). Auch eine nur konkludent von den Parteien getroffene Kostenregelung ist dabei allerdings vorrangig. Erforderlichenfalls ist der Vergleichswortlaut dafür nach den allgemeinen Methoden der Rechtsgeschäftslehre gemäß §§ 133, 157 BGB auszulegen (Musielak/Voit/Flockenhaus, ZPO, 19. Auflage, § 98 Rn. 3; Saenger/Gierl, ZPO, 9. Auflage, § 98 Rn. 15). Führt auch die Auslegung zu keinem eindeutigen Ergebnis und weist der Vergleich danach im Kostenpunkt eine Regelungslücke auf, kommt noch eine ergänzende Vertragsauslegung in Betracht. Nur wenn sich auch eine ergänzende Vertragsauslegung als nicht möglich erweist, fehlt es an einer Bestimmung der Parteien im Sinne von § 98 Satz 1 ZPO mit der Folge, dass insoweit die gesetzliche Kostenfolge eintritt, mithin eine Kostenaufhebung bezüglich der nach der Kostenregelung unverteilten Kosten (vgl. MünchKommZPO/Schulz, aaO Rn. 12).
b) Zuständig für die Auslegung eines Prozessvergleichs ist grundsätzlich das Gericht, vor dem der Vergleich geschlossen wird (MünchKommZPO/Schulz, aaO Rn. 13). Dieses hat in Zweifelsfällen, insbesondere bei einem Streit der Parteien über das von ihnen Vereinbarte, den Inhalt der Kostenregelung (bzw. den Eintritt der gesetzlichen Kostenfolge, falls eine Auslegung nicht in Betracht kommt) auf Antrag einer Partei durch einen deklaratorischen Beschluss festzustellen (vgl. OLG Köln, NJW-RR 1995, 509; OLG Hamm, JurBüro 1992, 493; OLG Köln, Rpfleger 1987, 429; Saenger/Gierl, aaO Rn. 15). Dagegen ist entsprechend § 91a Abs. 2 ZPO die sofortige Beschwerde eröffnet. Gleiches gilt, wenn das Gericht ein Tätigwerden ablehnt (MünchKommZPO/Schulz, aaO Rn. 20).
c) Im Rahmen des Kostenfestsetzungsverfahrens ist die Auslegung einer mehrdeutigen Kostenregelung hingegen nur in sehr engen Grenzen zulässig, weil das Verfahren nach §§ 103 ff. ZPO im Allgemeinen keinen Raum für eine materiell-rechtliche Prüfung lässt. Für die Auslegung kann nur ein im Vergleichswortlaut selbst klar zum Ausdruck kommender Parteiwillen zugrunde gelegt werden, denn nicht erkennbare Begleitumstände sind vom Rechtspfleger nicht zu ermitteln. Erforderlich für eine etwaige Begründung, Erstreckung oder Begrenzung einer Kostentragungspflicht ist daher zumindest eine hinreichend eindeutige Andeutung im Wortlaut des Kostentitels (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 08.08.1979 - 20 W 446/79, juris = MDR 1980, 60). Fehlt es daran und ist ein auf den Vergleichswortlaut gestütztes eindeutiges Ergebnis nicht zu erzielen, so ist der Rechtspfleger entweder an einer Kostenfestsetzung ganz oder teilweise gehindert, wenn sich dem Wortlaut kein entsprechender Erstattungsanspruch der antragstellenden Partei entnehmen lässt, oder er ist an einer vom Wortlaut abweichenden Kostenfestsetzung gehindert, soweit nach dem Vergleichswortlaut eine bestimmte Regelung augenscheinlich positiv getroffen ist. Vorliegend ist der letzgenannte Fall gegeben und die Festsetzung der Kosten des hiesigen Rechtsstreits gegen den Beklagten - als Gesamtschuldner neben der Streithelferin - zu Recht auf Antrag der Klägerin erfolgt.
aa) Soweit der Beklagte meint, die Kostenregelung im vorliegenden Vergleichstext beziehe sich nur auf „Verfahrenskosten“ und damit nicht (auch) auf Kosten des hiesigen Zivilrechtsstreits, ist das unbehelflich, weil in Ziffer 1. ähnlich einer Präambel zwei Rechtsstreitigkeiten genannt werden, auf die die Kostenregelung mit den dort in Bezug genommenen „beiden Verfahren“ unmittelbar verweist. Es ist zudem nicht unüblich, dass auch Rechtsstreitigkeiten vor Zivilgerichten allgemein als „Verfahren“ bezeichnet werden und die Kosten solcher Rechtsstreitigkeiten entsprechend als „Verfahrenskosten“. Schließlich werden in der Kostenregelung auch die Kosten des Vergleichs genannt, die gerade in dem hiesigen Rechtsstreit angefallen sind.
bb) Soweit der Beklagte meint, in der Kostenregelung fehle vor Nennung der betreffenden Verfahrens- und Vergleichskosten jeweils das Wort „eigene“, weil er und seine Streithelferin lediglich die eigenen (Verfahrens-)Kosten tragen wollten, ist auch die damit behauptete Auslassung nicht eindeutig. Vielmehr steht diesem Verständnis eher entgegen, dass der Beklagte und seine Streithelferin die Kosten beider Verfahren als „Gesamtschuldner“ tragen sollen, was kaum Sinn ergäbe, wenn sich die Kostenregelung nur auf ihre jeweils „eigenen“ Kosten bezöge. Mit dem Verständnis des Beklagten bliebe zudem nach dem Vergleichswortlaut offen, wer dann die Gerichtskosten zu tragen hätte, denn unter eigenen Kosten einer Beklagtenpartei und ihrer Streithelfer werden gemeinhin nur deren außergerichtliche (Anwalts-)Kosten verstanden. Andererseits lässt sich zwar zugunsten des Beklagten anführen, dass der vorangestellte Zusatz, er und die Streithelferin würden keinen Kostenantrag - meint: nach Klagerücknahme im Sinne von § 269 Abs. 4 Satz 1 ZPO - stellen, eigentlich überflüssig wäre, wenn sie ohnehin sämtliche Verfahrenskosten tragen sollten, mithin zwangsläufig einschließlich ihrer eigenen Kosten. Dieser Widerspruch ergibt sich aber genauso für die Lesart des Beklagten selbst, wonach gerade auch nur „eigene“ Kosten von der Regelung erfasst sein sollen; eine gewisse Verdoppelung ergibt sich daher in jedem Fall.
cc) Soweit der Beklagte schließlich meint, die große Abgeltungsklausel in Ziffer 3. stünde dem geltend gemachten Kostenerstattungsanspruch entgegen, ist auch dies keinesfalls klar und eindeutig. Vielmehr werden große Abgeltungsklauseln typischerweise nur für die Hauptsacheansprüche getroffen. Davon ist jedenfalls dann auszugehen, wenn - wie auch vorliegend in Ziffer 2. - Ansprüche zur verfahrensbezogenen Kostentragung von den Vergleichsparteien vorab gesondert geregelt worden sind, und zwar hier einschließlich der neu entstandenen Vergleichskosten.
dd) Ist damit aber das von dem Beklagten vorgetragene Verständnis des Vergleichswortlauts keinesfalls klar und eindeutig, ist die allein nach dem Vergleichswortlaut zu Lasten des Beklagten erfolgte Festsetzung zu Recht erfolgt und obliegt eine davon etwaig abweichende Auslegung nach den oben dargestellten Grundsätzen dem Prozessgericht und nicht dem Rechtspfleger im Kostenfestsetzungsverfahren.
2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO. Die Festsetzung eines Gegenstandswerts ist entbehrlich, weil für die Gerichtskosten eine Festgebühr anfällt (vgl. § 63 Abs. 1 Satz 1 GKG i.V.m. Nr. 1812 VV GKG).
3. Die Zulassung der Rechtsbeschwerde ist nicht veranlasst, weil die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO hierfür nicht vorliegen.