Gericht | OLG Brandenburg 2. Zivilsenat | Entscheidungsdatum | 22.08.2022 | |
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Aktenzeichen | 2 U 12/22 | ECLI | ECLI:DE:OLGBB:2022:0822.2U12.22.00 | |
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen |
1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Klägerin gegen das am 25. Februar 2022 verkündete Urteil des Landgerichts Potsdam zum Aktenzeichen 4 O 138/21 gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.
2. Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen zwei Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses.
I.
Die Klägerin begehrt Ersatz vergeblicher Aufwendungen für ein Bebauungsplanverfahren, das die Beklagte nicht zu Ende geführt hat.
In Rede steht die Errichtung einer Freiflächensolaranlage auf einem Areal, das der maßgebliche Flächennutzungsplan seit 2016 als Fläche für eine derartige Nutzung ausweist. Nach ersten Sondierungsgesprächen zwischen der Projektentwicklerin und der Beklagten im Januar 2018 erklärte die Projektentwicklerin die „Kostenübernahme“ dahingehend, dass sie „für das erforderliche Genehmigungsverfahren der Anlage die anfallenden Kosten komplett übernehmen“ werde. Sie beauftragte eine Planungsgesellschaft mit dem Entwurf eines Bebauungsplans. Der nunmehrige Geschäftsführer der Klägerin erwarb die in Rede stehenden Grundstücke von einer Gesellschaft, zu deren Gesellschaftern auch die Beklagte gehört. Die zweite Kaufpreisrate sollte nach der vertraglichen Regelung fällig werden nach Erteilung der Baugenehmigung für das geplante Bauvorhaben, die zu erlangen allerdings allein Sache des Käufers sei. Nachdem die Stadtverordnetenversammlung der Beklagten zunächst die Aufstellung eines entsprechenden Bebauungsplans ablehnte, stimmte sie der Aufstellung schließlich im Juni 2018 zu. Im Mai 2019 wurde die Stadtverordnetenversammlung neu gewählt. Das Umweltamt beim Landkreis erhob als vorzeitig beteiligter Träger öffentlicher Belange Bedenken gegen einen ersten Planentwurf.
Im März 2020 wurde die Planungsgesellschaft mit weiteren Arbeiten zur Überarbeitung des Plans beauftragt, darunter eine naturschutzfachliche Einschätzung und faunistische Kartierungen. Die Kosten von etwa 27.000 € trug die zwischenzeitlich gegründete Klägerin. Die Beklagte beantragte bei der zuständigen Unteren Naturschutzbehörde eine naturschutzrechtliche Ausnahmegenehmigung für das Vorhaben. Die Projektentwicklerin legte einen überarbeiteten Planentwurf vor. Die Stadtverordnetenversammlung vertagte die Entscheidung über die Auslegung des Plans und lehnte ungeachtet verschiedener Bemühungen der Projektentwicklerin, die Beteiligten von dem Vorhaben zu überzeugen, Ende Oktober 2020 die Offenlegung des Planentwurfs ab. Die Naturschutzbehörde versagte die beantragte Ausnahmegenehmigung. Die Stadtverordnetenversammlung beschloss, den fristgerecht erhobenen Widerspruch nicht weiter zu verfolgen. Die Klägerin forderte die Beklagte im Juli 2021 zum Schadensersatz auf, was diese zurückwies.
Das Landgericht hat die im Juli 2021 erhobene Klage auf Zahlung eines Teilbetrages von 21.500 € nebst Rechtshängigkeitszinsen mit dem angegriffenen Urteil abgewiesen, auf dessen tatsächliche Feststellungen im Übrigen gemäß § 522 Abs. 2 Satz 4 ZPO Bezug genommen wird. Zur Begründung heißt es: Die Klägerin habe keinen Staats- oder Amtshaftungsanspruch. Sie sei schon nicht aktivlegitimiert. Bereits nach ihrem widersprüchlichen Vortrag stünde eine Klageforderung nicht ihr, sondern der Projektentwicklerin zu. Es sei stets diese gewesen, die gegenüber der Beklagten auftrat, und erst nach deren Vermögensverfall die Klägerin. Grundstückseigentümer sei der Geschäftsführer der Klägerin persönlich. Die erstmals in der mündlichen Verhandlung behauptete Abtretung von Ansprüchen sei bestritten, aber nicht weiter substantiiert oder unter Beweis gestellt worden. Zudem habe die Beklagte keine Pflicht gegenüber der Klägerin verletzt. Es habe keine Zusammenarbeit gerade mit ihr gegeben und damit auch kein Näheverhältnis. Ohnehin sei es nicht amtspflichtwidrig, ein Bebauungsplanverfahren wieder einzustellen. Der Grundstückskauf durch einen Dritten ändere hieran nichts, zumal hiermit keine Zusicherungen der Beklagten verbunden gewesen seien. Auch sonst habe es keine vertraglichen Zusagen oder verbindliche Zusicherungen gegeben, die Bebaubarkeit zu ermöglichen. Vorvertragliche Pflichten habe die Beklagte schon mangels abzuschließenden Vertrages nicht verletzt. Die Amtspflicht zu konsequentem Verhalten habe die Beklagte nicht verletzt, insbesondere nicht widersprüchlich gehandelt. Das ganze Vorhaben habe sich von Anfang an als umstritten dargestellt. Aus den Angaben im Flächennutzungsplan könne die Klägerin nichts für sich herleiten.
Das am 25. Februar 2022 verkündete Urteil ist der Klägerin am 3. März 2022 zugestellt worden. Die Berufung der Klägerin ging am Montag, dem 4. April 2022 ein. Ihrem Antrag vom 6. April 2022 auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 7. Juni 2022 hat der Vorsitzende entsprochen. Die Begründung ist an diesem Tag eingegangen.
Die Klägerin ist weiterhin der Auffassung, der Beklagten stünden keine tragfähigen Gründe für die plötzliche Änderung ihrer Planentscheidung zur Seite. Dieser bedürfte es angesichts dessen, dass sie – die Klägerin – die Planungskosten getragen habe. Das habe ihr gesteigertes Vertrauen in den Fortbestand der Planungsabsicht begründet. Diese Aufwendungen seien ohne Grund frustriert. Naturschutzrechtliche Gründe könne die Beklagte nicht heranziehen, da die entsprechende Stellungnahme der Unteren Naturschutzbehörde der Abbruchentscheidung nachgefolgt sei. Lärmschutzbedenken seien ausgeräumt und auch vom Landgericht nicht mehr erwähnt worden. Die unveränderte Ausweisung im Flächennutzungsplan zeige das Festhalten der Beklagten an der Nutzung der Fläche für Solaranlagen. Entgegen der Annahme des Landgerichts sei sie aktivlegitimiert, die Projektentwicklerin stets nur in ihrem Auftrag tätig geworden. Diese und weitere Personen hätten ihre Ansprüche zudem vor Insolvenzeröffnung vorsorglich an die Klägerin abgetreten; diesbezüglich sei das Landgericht seinen Hinweispflichten nicht nachgekommen. Die Beklagte habe ihre Abstimmungs- und Kooperationspflichten im von der Klägerin finanzierten Bauleitverfahren verletzt. Die Beklagte habe keine andere Planungskonzeption und deshalb inkonsequent gehandelt. Der auf die ordnungsgemäße Fortsetzung des Verfahrens vertrauenden Klägerin – der das Wissen der vorher für sie in dem Projekt Tätigen zuzurechnen sei – sei deshalb eine finanzielle Einbuße entstanden.
Die Klägerin hat angekündigt zu beantragen,
1. das Urteil des Landgerichts Potsdam (Az. 4 O 138/21) vom 25.02.2022 aufzuheben und
2. die Beklagte zu verurteilen, an sie 21.500 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte erstrebt
die Zurückweisung der Berufung
unter Verteidigung des angegriffenen Urteils. Die Aktivlegitimation der Klägerin sei weiterhin unklar. Das Bauplanungsverfahren sei allein von der Projektentwicklerin angeschoben worden, die Klägerin erst nach deren Insolvenz auf den Plan getreten. Der Vortrag zur vermeintlichen „hilfsweisen“ bzw. „vorsorglichen“ Abtretung von Forderungen sei noch immer unsubstantiiert und nicht belegt, ohnehin verspätet und führe außerdem unzulässig einen neuen Streitgegenstand ein, soweit nun die Abtretung durch weitere Personen behauptet werde. Der ihnen entstandene Schaden sei unklar angesichts dessen, dass die Klägerin – ohne Rechtspflicht – die streitgegenständliche Rechnung bezahlt habe. Schutz- und Rücksichtnahmepflichten hätten allenfalls gegenüber der Projektentwicklerin bestanden und seien nicht verletzt worden, ebenso wenig wie andere Amtspflichten. Die Nichtfortführung des Planverfahrens sei rein städtebaulich motiviert gewesen. Die Untere Naturschutzbehörde habe schon Ende September 2020 und damit vor dem Beschluss der Stadtverordneten von Oktober 2020 in einem Bescheidentwurf ihre fortbestehenden Bedenken gegen das konkrete Projekt zu erkennen gegeben. Nach ihrer rechtlich nicht zu beanstandenden Einschätzung hätte die Überbauung des geschützten Trockenrasen-Biotops eine Ausgleichsfläche im Umfang fast des gesamten Plangebiets erfordert, was städtebaulich weder sinnvoll noch aus dem Flächennutzungsplan zu entwickeln gewesen wäre. Auf dessen Umsetzung bestehe kein Anspruch. Es habe keinen Anlass für Vertrauen in den reibungslosen Ablauf des Planverfahrens im Sinne der Klägerin gegeben.
Zwischenzeitlich hat die Klägerin ein Mahnverfahren über 1.662.981 € als „weiteren Schadensersatz“ aus diesem „Vorgang“ eingeleitet.
II.
Die Berufung ist zulässig, insbesondere rechtzeitig eingelegt (§ 222 Abs. 2 ZPO) und begründet worden (vgl. Rimmelspacher, in: Münchener Kommentar zur ZPO, 6. Auflage 2020, § 520 ZPO Rdnr. 18; BGH, Beschluss vom 2. Juni 2016 – III ZB 13/16 –, IBR 2016, 742 Rdnr. 7).
Der Senat ist jedoch einstimmig davon überzeugt, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und eine mündliche Verhandlung auch aus sonstigen Gründen nicht geboten ist (§ 522 Abs. 2 ZPO).
Die Berufung ist offensichtlich unbegründet. Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Klage ist – wie von dem Landgericht zutreffend erkannt – unbegründet.
1.
Der Klägerin kommt weder ein Amts- noch ein Staatshaftungsanspruch gegen die Beklagte zu.
Rechtsgrundlage des Amtshaftungsanspruchs ist § 839 Abs. 1 BGB in Verbindung mit § 34 GG. Voraussetzung der auf die Körperschaft übergeleiteten Haftung ist, dass ein Beamter im haftungsrechtlichen Sinne in Ausübung eines ihm von der Beklagten anvertrauten Amtes schuldhaft eine der Klägerin gegenüber obliegende Amtspflicht verletzt und so der Klägerin einen Schaden verursacht hat, für den – bei nur fahrlässigem Handeln des Beamten – die Klägerin nicht auf andere Weise Ersatz zu erlangen vermag. Rechtsgrundlage des Staatshaftungsanspruchs ist § 1 Abs. 1 des gemäß Art. 9 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 des Einigungsvertrags in Verbindung mit dessen Anlage II B Kap. III Sachgeb. B Abschn. III unter den dort genannten Maßgaben in Brandenburg als Landesrecht weitergeltenden Gesetzes zur Regelung der Staatshaftung der Deutschen Demokratischen Republik – Staatshaftungsgesetz (StHG) – vom 12. Mai 1969 in der Fassung des Ersten Brandenburgischen Rechtsbereinigungsgesetzes 3. September 1997 (nachfolgend StHG Bbg). Danach haftet für Schäden, die einer natürlichen oder einer juristischen Person hinsichtlich ihres Vermögens oder ihrer Rechte durch Mitarbeiter oder Beauftragte staatlicher oder kommunaler Organe in Ausübung staatlicher Tätigkeit rechtswidrig zugefügt werden, das jeweilige staatliche oder kommunale Organ.
Diese Voraussetzungen liegen jeweils nicht vor. Die Beklagte hat keine der Klägerin gegenüber obliegende Amtspflicht verletzt und dieser auch nicht rechtswidrig einen Schaden zugefügt.
a)
Hierbei kommt es entgegen der zunächst gewählten Begründung des angegriffenen Urteils und der Auffassung der Klägerin nicht auf ihre Aktivlegitimation in dem Sinne an, ob ihr oder der zunächst allein gegenüber der Beklagten auftretenden Projektentwicklerin ein Schaden in Form frustrierter Aufwendungen entstanden ist. Der neue Vortrag der Klägerin zur Abtretung etwaiger Ansprüche und seine Zulässigkeit nach § 531 Abs. 2 ZPO können daher dahinstehen.
Denn die Beklagte handelte weder gegenüber der Klägerin noch der Projektentwicklerin oder anderen Personen als den möglichen Vorhabenträgern amtspflichtwidrig oder rechtswidrig im Sinne des Staatshaftungsgesetzes.
b)
Die Beklagte verletzte keine der Vorhabenträgerin gegenüber bestehende Amtspflicht oder handelte zu ihren Lasten dadurch rechtswidrig, dass sie das zunächst eingeleitete Bebauungsplanverfahren nicht fortführte. Sie unterlag keiner Amtspflicht, den Bebauungsplan mit dem ursprünglich ins Auge gefassten Inhalt zu erlassen oder überhaupt das Verfahren fortzuführen.
Nach ständiger Rechtsprechung steht schon die nach dem Bauplanungsrecht notwendig ungebundene Abwägung einer rechtlichen oder faktischen Verpflichtung des Planenden auf ein bestimmtes Ergebnis entgegen. Der Abwägungsvorgang muss grundsätzlich ungebunden und umfassend sein. Ein der Einleitung des Planungsverfahrens vorgegebener, mehr oder weniger festgelegter und in dieser Festlegung von einem Begünstigten erzwingbarer Planinhalt würde sich innerhalb des Planungsverfahrens nahezu notwendig als eine zu missbilligende – und daher zur Nichtigkeit des Bebauungsplans führende – Verkürzung der gebotenen Abwägung darstellen. Gleiches gilt für eine Amtspflicht ohne korrespondierenden Erfüllungsanspruch, die nur dem Interesse eines bestimmten Grundeigentümers dient, weil sie die Gewichte der abzuwägenden Belange zugunsten eines Sonderinteresses verfälschen müsste (BGH, Urteil vom 8. Juni 1978 – III ZR 48/76 –, BGHZ 71, 386 = NJW 1978, 1802, Rdnr. 10 bei juris; Urteil vom 22. November 1979 – III ZR 186/77 –, BGHZ 76, 16 = NJW 1980, 826, Rdnr. 76 bei juris).
Es gibt folglich weder einen Anspruch eines Bürgers auf Aufstellung eines Bebauungsplans noch einen auf Weiterführung eines einmal eingeleiteten Planaufstellungsverfahrens (BVerwG, Beschluss vom 3. August 1982 – 4 B 145/82 –, DVBl 1982, 1096, Rdnr. 4 bei juris). Das normiert seit 2004 ausdrücklich § 1 Abs. 3 Satz 2 BauGB (BGH, Urteil vom 18. Mai 2006 – III ZR 396/04 –, NVwZ 2006, 1207, Rdnr. 8 bei juris; Staudinger/Wöstmann (2020) § 839 BGB Rdnr. 138). Gibt es kein subjektives Recht auf eine gemeindliche Bauleitplanung, so kann sich der einzelne nicht mit Erfolg dagegen zur Wehr setzen, dass die Gemeinde ein von ihr eingeleitetes Aufstellungs-, Änderungs-, Ergänzungs- oder Aufhebungsverfahren, aus welchen Gründen auch immer, wieder aufgibt. In welchem Stadium des Verfahrens die Planung abgebrochen wird, spielt dabei keine Rolle. Die Gemeinde soll bei der Entscheidung über die Aufstellung, Änderung, Ergänzung und Aufhebung eines Bauleitplans von äußeren Zwängen frei sein. Die Gründe hierfür wiegen nicht weniger schwer, wenn eine Planung eingeleitet, aber noch nicht abgeschlossen ist. Bricht eine Gemeinde ein von ihr aufgenommenes Planungsverfahren ab, so bringt sie sinnfällig zum Ausdruck, dass sich ihre Planungsvorstellungen gewandelt haben. Die Entscheidung, ob sie an einer bestimmten Planungskonzeption festhält, würde ihr aus der Hand genommen, wenn einzelne Interessenten in der Lage wären, eine Fortführung des Verfahrens zu erzwingen. Das widerspräche ihrer Planungshoheit. Dieser Grundsatz beansprucht Geltung auch dann, wenn ein Planungsverfahren schon so weit gediehen ist, dass nur noch die Planausfertigung und die Bekanntmachung fehlen. Da die Gemeinde nicht durch Rechtsansprüche einzelner daran gehindert wird, einen von ihr beschlossenen Bauleitplan wieder aufzuheben, kann sie nicht gezwungen werden, einen Plan in Kraft zu setzen, der nach ihrer Konzeption sogleich wieder aufgehoben werden müsste (BVerwG, Beschluss vom 9. Oktober 1996 – 4 B 180/96 –, NVwZ-RR 1997, 213, Rdnr. 4 f bei juris).
Demzufolge stellen weder die Entwicklung einer anderen Planungskonzeption, die Änderung oder Aufhebung der bisher getroffenen planerischen Entscheidungen noch die Einstellung aller weiteren Planungsarbeiten eine Amtspflichtverletzung zu Lasten eines Dritten dar, der auf den Fortbestand der bisherigen Planung im Sinne eines ungehinderten und unveränderten Fortgangs des eingeleiteten Planungsverfahrens vertraut hat, mögen sie auch lediglich auf einer Veränderung der bisherigen Mehrheitsverhältnisse in den zuständigen Gremien nach einer Kommunalwahl beruhen (BGH, Urteil vom 1. Dezember 1983 – III ZR 38/82 –, MDR 1984, 471, Rdnr. 20 bei juris; Urteil vom 3. Oktober 1985 – III ZR 60/84 –, NJW 1986, 1109, Rdnr. 34 bei juris; Rönsberg/Krafft in: Rotermund/Krafft, Kommunales Haftungsrecht, 5. Auflage 2013, Kapitel II Öffentliches Baurecht, Rdnr. 822). Das gilt auch dann, wenn nicht die Gemeinde, sondern eine an einem bestimmten Inhalt interessierte Vorhabenträgerin die Kosten für die Planentwicklung trägt; das ist vielmehr eine nicht unübliche Gestaltung (vgl. BGH, Urteil vom 8. Juni 1978 – III ZR 48/76 –, BGHZ 71, 386 = NJW 1978, 1802, Rdnr. 1 und 10 bei juris; Urteil vom 18. Mai 2006 – III ZR 396/04 –, NVwZ 2006, 1207, Rdnr. 2 und 7 f bei juris; Rönsberg/Krafft ebd. Rdnr. 822).
Angesichts dieser Maßstäbe ist es unerheblich, ob die Beklagte tragfähige Gründe für die Entscheidung der Stadtverordneten anführen kann, das Planverfahren nicht fortzusetzen. Es kommt weder darauf an, ob die Bedenken der Unteren Naturschutzbehörde rechtlich und sachlich zutreffen, noch ob diese „kausal“ für die Entscheidung in dem Sinne waren, dass sie vor oder nach der Abstimmung am 28. Oktober 2020 bereits bekannt waren und berücksichtigt wurden. Unmaßgeblich ist ferner, ob die Beklagte einen konkreten anderen Planentwurf für das in Rede stehende Areal entwickelt oder verfolgt. Auch eine Nichtentscheidung ist eine zulässige Entscheidung, und zwar für den Status quo.
c)
Die Beklagte verletzte keine einer Vorhabenträgerin gegenüber bestehende Amts- oder Rechtspflicht dadurch, dass sie aus der Festlegung im Flächennutzungsplan für das in Rede stehende Areal keinen diese umsetzenden Bebauungsplan entwickelt hat.
Ein Flächennutzungsplan hat nach § 5 Abs. 1 Satz 1 BauGB die primäre Aufgabe, die für das ganze Gemeindegebiet sich aus der beabsichtigten städtebaulichen Entwicklung ergebende Art der Bodennutzung nach den voraussehbaren Bedürfnissen der Gemeinde in den Grundzügen darzustellen. Er ist eine besonders ausgestaltete Planstufe und damit eine hoheitliche Maßnahme eigener Art, der keine unmittelbare Außenwirkung zukommt. Zwar entfaltet er für Gemeinden eine gewisse Bindungswirkung in dem Sinne, dass nach § 8 Abs. 2 BauGB ein Bebauungsplan aus dem Flächennutzungsplan zu entwickeln ist (vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 28. Februar 1975 – IV C 74/72, NJW 1975, 1985; Rönsberg/Krafft ebd. Rdnr. 819). Die hierin liegende sachliche Begrenzung ist allerdings keine Verpflichtung dahingehend, dass die Gemeinde zur Aufstellung eines entsprechenden Bebauungsplans verpflichtet wäre. Denn für Dritte begründet das Entwicklungsgebot keine subjektiven öffentlichen Rechte (BVerwG, Urteil vom 29. Juli 1977 – IV C 51.75 –, BVerwGE 54, 211 = NJW 1978, 554 Rdnr. 26 f; Runkel, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, Baugesetzbuch, 144. Ergänzungslieferung Oktober 2021, § 8 BauGB Rdnr. 33). Der Flächennutzungsplan ist zudem keine Rechtsnorm und kein Rechtssatz, sondern nur vorbereitender Bauleitplan ohne verbindliche Festsetzungen (BVerwG, Beschluss vom 20. Juli 1990 – 4 N 3/88, NVwZ 1991, 262; Runkel ebd. Rdnr. 29); solche enthält erst der Bebauungsplan. Anders als dieser schafft ein Flächennutzungsplan damit keinen Vertrauenstatbestand und vermag keine „Verlässlichkeitsgrundlage“ für Dispositionen zu bieten (Senat, Beschluss vom 24. Februar 2022 – 2 U 3/22, Rdnr. 8 bei juris m. w. N.).
d)
Die Beklagte hat nicht die Pflicht zum konsequenten Verhalten verletzt.
Die Amtspflicht zu konsequentem Verhalten besagt, dass die Behörde verpflichtet ist, eine in bestimmter Weise geplante und begonnene Maßnahme auch entsprechend durchzuführen. Sie darf sich nicht zu dem eigenen früheren Verhalten in Widerspruch setzen, wenn die gebotene Rücksichtnahme auf die Interessen der Betroffenen es gebietet, das von diesen in den Bestand der Maßnahme gesetzte Vertrauen zu schützen. Zum Schutzbereich der Amtspflicht zu konsequentem Verhalten gehört grundsätzlich auch der Schutz von Vermögensinteressen der betroffenen Bürger (BGH, Urteil vom 22. Juni 1989 – III ZR 156/86 –, NVwZ-RR 1989, 600 = VersR 1990, 422, Rdnr. 47 bei juris; Urteil vom 18. Mai 2006 – III ZR 396/04 –, NVwZ 2006, 1207, Rdnr. 12 bei juris; Staudinger/Wöstmann (2020) § 839 BGB, Rdnr. 137). Das schutzwürdige Vertrauen kann sich im Bereich der Bauleitplanung allerdings nur darauf erstrecken, dass sich die Gemeinde im Rahmen des ihr gesetzlich zustehenden Planungsermessens hält. Soweit dies der Fall ist, kann ihr der mit der Sanktion des Schadensersatzes bewehrte Vorwurf einer amtspflichtwidrigen Inkonsequenz nicht gemacht werden (BGH, Urteil vom 18. Mai 2006 – III ZR 396/04 –, NVwZ 2006, 1207, Rdnr. 12 bei juris; Wöstmann ebd. Rdnr. 138). Lehnt sie hingegen nach vielen für eine Baugenehmigung erforderlichen rechtlichen Teilschritten den letzten in Form etwa eines Erschließungsvertrages grundlos – wiederum: ohne eine geänderte Planungsentscheidung – ab, kann die Amtspflicht zu konsequentem Verhalten verletzt sein (BGH, Urteil vom 18. Mai 2006 – III ZR 396/04 –, NVwZ 2006, 1207, Rdnr. 12 bei juris; Urteil vom 7. Februar 1980 – III ZR 23/78 –, BGHZ 76, 343, Rdnr. 43 f und 50 bei juris).
Nach diesen Maßstäben hat die Beklagte die Pflicht zu konsequentem Verhalten nicht verletzt. Sie hat sich in ihrer Entscheidung, das Planverfahren nicht fortzusetzen und den Staus quo des Areals zu bewahren, im Rahmen des ihr vorbehaltenen Ermessens gehalten. Auf die Gründe für diese Entscheidung kommt es auch hier nicht an.
e)
Die Beklagte verletzte nicht die Amtspflicht, ihre Aufgaben und Befugnisse im Einklang mit dem objektiven Recht wahrzunehmen (vgl. allgemein Staudinger/Wöstmann (2020) § 839 BGB Rdnr. 126) und entsprechend keine Zusage hinsichtlich des Inhalts eines aufzustellenden Bebauungsplans abzugeben, die geeignet war, das vom Gesetz grundsätzlich als frei von unmittelbaren Zwängen gewollte Aufstellungsverfahren der rechtlichen Einwirkung eines Dritten auszusetzen (BGH, Urteil vom 22. November 1979 – III ZR 186/77 –, BGHZ 76, 16 = NJW 1980, 826, Rdnr. 81 bei juris).
Die Beklagte sicherte der Vorhabenträgerin den Erlass des von ihr gewünschten Bebauungsplans nicht zu. Sie stellte seinen Erlass nicht einmal – wahrheitswidrig – als sicher oder auch nur als wahrscheinlich dar. Die Vorhabenträgerin war vielmehr detailliert über den schwierigen innergemeindlichen Willensbildungsprozess ebenso informiert wie über die zu beachtenden Auffassungen der Träger öffentlicher Belange wie etwa über die Bedenken der Unteren Naturschutzbehörde.
2.
Die Beklagte übernahm (anders als im Falle BGH, Urteil vom 22. November 1979 – III ZR 186/77 –, BGHZ 76, 16 = NJW 1980, 826, Rdnr. 74 f bei juris; siehe auch Rönsberg/Krafft ebd. Rdnr. 825 und Staudinger/Wöstmann (2020) § 839 BGB Rdnr. 139) nicht vertraglich das Risiko einer bestimmten Bauleitplanung. Sie hat weder mit der Klägerin noch mit der Projektentwicklerin eine diesbezügliche vertragliche Abrede getroffen. Der Vertrag über den Erwerb der in Rede stehenden Grundstücke wurde zwischen dem Geschäftsführer der Klägerin und einer Gesellschaft abgeschlossen, an der die Beklagte beteiligt ist. Er belässt zudem ausdrücklich das Bebauungsrisiko mit der Formulierung beim Käufer, „die Schaffung von Baurecht“ sei allein seine Sache, wenngleich die Fälligkeit der zweiten Kaufpreisrate und ein Rücktrittsrecht beider Parteien hiervon abhängt.
3.
Ebenso wenig kommen schließlich Ansprüche aus § 311 Abs. 2 BGB (culpa in contrahendo) in Betracht.
Tritt eine Gemeinde in Verhandlungen über einen städtebaulichen Vertrag, richtet sich der private Vertragspartner üblicherweise für eine gewisse Zeit auf eine Zusammenarbeit mit der Gemeinde mit dem Ziel ein, den gemeinsam erstrebten Erfolg durch eigene Investitionen oder sonstige Geldaufwendungen zu fördern. Diese Vorhaben zeichnen sich durch eine besonders enge Verbindung der beiderseitigen Interessen aus, weshalb dem Grunde nach auch in diesen Fällen der Vertrauensgrundsatz Geltung beansprucht. Zwar sollen in diesen Fällen die Vertragsverhandlungen nicht zu einer vertraglichen Verpflichtung des Planungsträgers führen, einen (bestimmten) Bebauungsplan aufzustellen. Doch richtet sich der private Vertragspartner in der Regel auf die Absichtserklärungen und Wissenserklärungen des Planungsträgers ein. Wenn auch die Gemeinde sich nicht wirksam dahin binden kann, eine Satzung als Ortsgesetz zu erlassen, so kann sie doch im Einzelfall durch ihr Verhalten einen Vertrauenstatbestand setzen, der sie zwar nicht verpflichtet, die Planung überhaupt oder in einer bestimmten Richtung zu betreiben, der aber bei Enttäuschung des dem anderen Teil gewährten und von ihm in Anspruch genommenen Vertrauens zu einem Anspruch auf Ersatz des Vertrauensinteresses führen kann. Mit Blick hierauf schuldet die Gemeinde schon während der Verhandlungen über den Abschluss etwa eines Folgelastenvertrages zumutbare Rücksichtnahme auf dessen berechtigte Belange. Dazu gehört auch, dass sie die Vertragsverhandlungen nicht grundlos (ohne triftigen Grund, aus sachfremden Erwägungen) abbricht, wenn sie zuvor das Vertrauen des anderen Teils erweckt hat, der Vertrag werde mit Sicherheit zustande kommen. Ein schuldhafter Verstoß gegen diese Pflicht kann zu der Verpflichtung führen, dem Verhandlungspartner den dadurch verursachten Vertrauensschaden zu ersetzen.
An einem triftigen Grund und aus sachfremden Erwägungen in diesem Sinne handelt eine Gemeinde aber schon dann nicht, wenn sie sich auch für die Entscheidung über die Fortführung eines begonnenen Planverfahrens innerhalb des ihr zustehenden Planermessens hält. Angesichts der (relativen) Planungsfreiheit des Ortsgesetzgebers kann sich hier die im bürgerlichen Recht zu prüfende Frage, ob der Verhandlungspartner den Vertragsschluss „grundlos“ verweigert hat, sinnvoll nicht stellen. Auch für die Annahme, die Gemeinde könne durch die Verabschiedung eines den gesetzlichen Erfordernissen entsprechenden Bebauungsplans, mit dem sie ihrer Verpflichtung zur Bauleitplanung im Rahmen des Erforderlichen genügt, einem einzelnen gegenüber schuldhaft (§ 276 BGB) handeln, ist hier kein Raum. Ein Verschulden kann in solchen Fällen vielmehr nur in einem Verhalten der Gemeinde gesehen werden, das außerhalb der eigentlichen Bauleitplanung liegt, namentlich in einem Verhalten, das dem Verhandlungspartner unrichtige, seine Vermögensdispositionen nachteilig beeinflussende Eindrücke über den Stand der Bauleitplanung vermittelt. Je umfangreicher dabei der Grundstückseigentümer auf die Erreichung des auch im Interesse der Gemeinde liegenden Ziels „vorleistet“, desto stärker sind die sich aus Treu und Glauben für die Gemeinde ergebenden Pflichten, den anderen Teil über Risiken, die in ihrem Verantwortungsbereich liegen, umfassend aufzuklären (BGH, Urteil vom 8. Juni 1978 – III ZR 48/76 –, BGHZ 71, 386 = NJW 1978, 1802, Rdnr. 14 ff bei juris; Urteil vom 1. Dezember 1983 – III ZR 38/82 –, MDR 1984, 471, Rdnr. 27 bei juris; BGH, Urteil vom 18. Mai 2006 – III ZR 396/04 –, NVwZ 2006, 1207, Rdnr. 9 bei juris). Es kommt hingegen nicht darauf an, ob dem Gemeinderat ein triftiger, sachlich gerechtfertigter Grund zur Seite gestanden hatte, um von der früheren Planungskonzeption abzugehen. Denn die Gemeinde ist aufgrund ihrer Planungsfreiheit berechtigt, auch ein bereits weiter gediehenes Projekt nicht weiterzuverfolgen, solange sie sich nur im Rahmen ihres Planungsermessens hält (BGH, Urteil vom 18. Mai 2006 – III ZR 396/04 –, NVwZ 2006, 1207, Rdnr. 10 bei juris).