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Entscheidung OVG 3 B 73/20


Metadaten

Gericht OVG Berlin-Brandenburg 3. Senat Entscheidungsdatum 05.10.2022
Aktenzeichen OVG 3 B 73/20 ECLI ECLI:DE:OVGBEBB:2022:1005.OVG3B73.20.00
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen § 6 Abs 3 AufenthG, § 30 AufenthG, § 32 AufenthG, Art 11 Abs 2 Richtlinie 2003/86/EG

Tenor

Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 10. November 2020 wird zurückgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst tragen.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Kläger dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 v.H. des jeweils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 v.H. des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Kläger sind eritreische Staatsangehörige, die sich in Äthiopien aufhalten. Sie begehren die Erteilung von Visa zum Familiennachzug zu dem in Deutschland lebenden Beigeladenen zu 2 (im Folgenden: Beigeladener).

Dem Beigeladenen wurde mit Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 9. November 2015 die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt. Daraufhin beantragte er für die Kläger mit E-Mail vom 5. Februar 2016 bei der Deutschen Botschaft in Addis Abeba die Erteilung von Visa zum Familiennachzug. Die Kläger legten der Botschaft bei ihrer Vorsprache am 22. November 2016 u.a. Kopien einer am 12. Januar 2003 ausgestellten kirchlichen Heiratsurkunde der E. sowie von Taufbescheinigungen vor. Nach einem im Visumverfahren eingeholten Abstammungsgutachten ist „praktisch erwiesen“, dass der Beigeladene Vater und die Klägerin zu 1 Mutter der Kläger zu 2 bis 5 ist. Die Botschaft lehnte die Visumanträge mit Bescheiden vom 26. September 2017 im Wesentlichen mit der Begründung ab, dass nach eritreischem Recht eine religiöse Eheschließung im Eheregister eingetragen werden müsse, eine solche Registrierung aber nicht vorgelegt worden sei. Hiergegen wandten sich die Kläger, indem sie eine Urkunde vom 11. April 2018 über die staatliche Registrierung der Eheschließung vorlegten, wonach die Eheleute im Jahr 2018 persönlich vorgesprochen hätten. Mit Remonstrationsbescheid vom 10. August 2018 hob die Botschaft die Bescheide vom 26. September 2017 auf, hielt jedoch an der Versagung fest, weil die Urkunde über die zivilrechtliche Registrierung der kirchlichen Eheschließung gefälscht sei.

Mit ihrer am 10. September 2018 erhobenen Klage haben die Kläger im Wesentlichen geltend gemacht, es bedürfe nach der Gesetzeslage in Eritrea nicht zwingend einer zivilrechtlichen Registrierung der Ehe. Die Beklagte hat erklärt, dass es sich nach ihrer aktuellen Rechtsauffassung bei der standesamtlichen Registrierung von religiösen Eheschließungen zwar um eine Anforderung im eritreischen Familienrecht handele, dies aber nicht notwendige Voraussetzung für die materiell-rechtliche Gültigkeit der Ehe sei. Es fehle jedoch an einer hinreichenden Grundlage, um hier von einer religiösen Eheschließung ausgehen zu können. Sie hat ferner darauf hingewiesen, dass die Klägerin zu 1 bei der behaupteten Eheschließung am 12. Januar 2003 erst zwölf Jahre alt gewesen sein müsse, wenn man ihr im Visumverfahren angegebenes Geburtsdatum (9. April 1990) zugrunde lege. Danach bestünden auch Zweifel an der Wirksamkeit der behaupteten Eheschließung, jedenfalls widerspräche deren Anerkennung dem ordre public des Art. 6 EGBGB.

Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 10. November 2020 abgewiesen. Die Klägerin zu 1 habe keinen Anspruch auf Erteilung eines Visums zum Ehegattennachzug, weil sie entgegen § 30 Abs. 1 Satz 1 AufenthG eine wirksame Ehe mit dem Beigeladen nicht nachgewiesen habe. Zwar setze das eritreische Familienrecht eine Beurkundung der religiösen Eheschließung im Zivilstandsregister voraus, damit diese wirksam sei. Die eritreische Rechtspraxis, auf die es (auch) maßgeblich ankomme, verlange dies jedoch nicht. Das Gericht habe aber nicht die Überzeugung davon gewinnen können, dass die Klägerin zu 1 und der Beigeladene, wie von ihnen behauptet, am 12. Januar 2003 getraut worden seien. Bei der vorgelegten Urkunde über die staatliche Registrierung der kirchlichen Eheschließung handele es sich um eine Fälschung. Dies habe der in der mündlichen Verhandlung befragte Beigeladene letztlich bestätigt, weil die beurkundete persönliche Anwesenheit der Eheleute nicht zutreffe. An der Echtheit der kirchlichen Eheurkunde über eine am 12. Januar 2003 vollzogene Trauung bestünden ebenfalls erhebliche Zweifel. Ferner habe sich der Beigeladene mit seinen Angaben zum Alter der Klägerin zu 1 bei der Eheschließung und zu den Gründen für das in ihrer Identitätskarte genannte abweichende Geburtsdatum in zahlreiche Widersprüche verstrickt.

Mit der von dem Verwaltungsgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassenen Berufung machen die Kläger im Wesentlichen Folgendes geltend: An der gelebten familiären Lebensgemeinschaft bestünden ebenso wenig Zweifel wie an der nachgewiesenen Abstammung der Kläger zu 2 bis 5, die das Verwaltungsgericht nicht hinreichend berücksichtigt habe. Es habe sich allein darauf beschränkt, die eingereichten Urkunden selbstständig zu würdigen. Die Kläger und der Beigeladene versuchten nunmehr seit vielen Jahren ohne Erfolg, die familiäre Lebensgemeinschaft wiederherzustellen. Die Beklagte habe nicht dargelegt, warum die Urkunde über die staatliche Registrierung der Ehe gefälscht sei. Der Europäische Gerichtshof habe mit Urteil vom 13. März 2019 - C-635/17 - für Fälle wie den vorliegenden entschieden, dass es nicht zwingend der Einreichung von Urkunden bedürfe. Sowohl die staatlichen als auch die kirchlichen Registrierungen und Urkundenausstellungen variierten in Eritrea von Ort zu Ort, es bestehe keine einheitliche Praxis. Deutschen Behörden reiche, wenn die Eheleute aus Ländern mit unsicherem Urkundenwesen wie Eritrea stammten, die Vorlage einer eidesstattlichen Versicherung der Eheleute aus, aus der sich ergebe, dass die Ehe im Herkunftsstaat geschlossen worden sei.

Die Kläger beantragen,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 10. November 2020 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 10. August 2018 zu verpflichten, den Klägern Visa zum Zwecke des Familiennachzugs zu erteilen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angegriffene Urteil.

Die Beigeladenen haben sich im Berufungsverfahren nicht zur Sache geäußert und keine Anträge gestellt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Streitakten sowie die beigezogenen Visumvorgänge der Beklagten (5 Hefte) und die von der Beigeladenen zu 1 vorgelegten Verwaltungsvorgänge (2 Hefte) verwiesen. Diese haben vorgelegen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidungsfindung.

Entscheidungsgründe

Der Senat konnte verhandeln und entscheiden, obwohl für die Kläger und die Beigeladenen niemand zur mündlichen Verhandlung erschienen ist, denn auf diese Möglichkeit sind sie in den ordnungsgemäß bewirkten Ladungen hingewiesen worden (vgl. § 102 Abs. 2 VwGO).

Die zulässige Berufung der Kläger ist nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Remonstrationsbescheid der Botschaft Addis Abeba vom 10. August 2018 ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten. Die Kläger haben keinen Anspruch auf Erteilung der beantragten Visa zum Zwecke des Familiennachzugs zu dem Beigeladenen oder auf erneute Bescheidung ihres dahin gehenden Antrags (vgl. § 113 Abs. 5 VwGO).

Als Rechtsgrundlage für die Erteilung des von der Klägerin zu 1 beantragten Visums kommt unter Berücksichtigung des tatsächlichen Vorbringens der Kläger allein die Vorschrift zum Ehegattennachzug in § 30 Abs. 1 AufenthG (i.V.m. § 6 Abs. 3 AufenthG sowie §§ 27, 29 AufenthG) in Betracht. Die zum Nachzug berechtigende Aufenthaltserlaubnis kann danach nur dem Ehegatten eines Ausländers erteilt werden. An der deshalb erforderlichen Erteilungsvoraussetzung einer wirksamen Ehe mit dem zusammenführenden Ausländer fehlt es jedoch. Die Kläger haben die vom Verwaltungsgericht zu Recht angenommenen erheblichen Zweifel an der unter Vorlage eritreischer Urkunden behaupteten kirchlichen Trauung der Klägerin und des Beigeladenen im Berufungsverfahren nicht ausräumen können.

Die widersprüchlichen Angaben des Beigeladenen bei seiner Befragung vor dem Verwaltungsgericht und die Vorlage der von der Klägerin und dem Beigeladenen entgegen dem Inhalt der Urkunde erst nachträglich unterschriebenen staatlichen Registrierungsurkunde ergeben erhebliche Zweifel an der behaupteten kirchlichen Trauung am 12. Januar 2003.

Das hierauf bezogene Vorbringen lässt sich schon wegen der vom Verwaltungsgericht zutreffend herausgearbeiteten Widersprüche in den Angaben des Beigeladenen zum Alter der Klägerin zu 1 im Zeitpunkt der Trauung und zu den Gründen des in der Identitätskarte vom Mai 2010 beurkundeten Geburtsjahres nicht als glaubhaft bewerten. Die Ausführungen des Beigeladenen in der mündlichen Verhandlung, wonach seine Ehefrau, die bereits 1988 geboren sei, sich bei der Ausstellung der Identitätskarte um zwei Jahre habe älter machen müssen, weil auch ihre zwei Jahre jüngere Schwester, die ebenfalls eine Identitätskarte beantragt habe, wegen des erforderlichen Mindestalters von 18 Jahren ein um zwei Jahre höheres Alter habe angeben müssen, ist bereits nicht schlüssig, weil eine Falschangabe bei einer Geburt der Klägerin im Jahre 1988 gar nicht notwendig gewesen wäre (die Klägerin wäre hiervon ausgehend bei Ausstellung ihrer im Visumverfahren vorgelegten Identitätskarte im Mai 2010 bereits 22 oder 21 und ihre zwei Jahre jüngere Schwester folglich 20 oder 19 Jahre alt gewesen). Zudem hätte sich die Klägerin durch die Angabe des Geburtsjahres mit 1990 statt 1988 nicht älter sondern jünger gemacht. Der Beigeladene hat diese Unstimmigkeiten nicht dadurch ausgeräumt, dass er auf Nachfrage der Beklagten bekundet hat, die Klägerin sei bei Ausstellung der Identitätskarte 22 Jahre alt gewesen, habe aber angegeben, 20 Jahre alt zu sein. Dieses ad hoc geänderte Vorbringen bleibt seinerseits ohne plausible Begründung und steht im Widerspruch zu dem angegebenen Altersunterschied der Schwestern von zwei Jahren. Nicht stimmig ist ferner die Angabe des Beigeladenen, er selbst sei bei der Eheschließung 19 Jahre alt gewesen, denn nach seinem gegenüber den deutschen Behörden angegebenen Geburtsdatum (25. Oktober 1982) wäre er im Januar 2003 bereits 20 Jahre alt gewesen.

Die unterschiedlichen, nicht in Einklang zu bringenden Angaben sowie ferner die Vorlage der – ohne dass dies kenntlich gemacht worden wäre – erst nachträglich unterschriebenen Registrierungsurkunde vom 11. April 2018 ergeben darüber hinaus Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Klägerin zu 1 und des Beigeladenen. Die Registrierungsurkunde erweist sich jedenfalls als inhaltlich unrichtig, denn sie bekundet, dass die auf ihr enthaltenen Unterschriften der Braut und des Bräutigams bereits vor Ort bei der Erstellung der Urkunde geleistet wurden, während der Beigeladene gegenüber dem Verwaltungsgericht eingeräumt hat, dass er und die Klägerin zu 1 bei der Ausstellung der Urkunde nicht zugegen waren, sondern ihre Unterschriften erst nachträglich beigefügt haben, nachdem ihm die Urkunde von seinem Vater nach Deutschland übersandt worden war.

Der Senat hat auch unter Berücksichtigung der weiteren Ergebnisse des Verfahrens nicht die Überzeugung davon gewinnen können, dass die Trauung, wie von den Klägern angegeben, im Januar 2003 vollzogen wurde. Die Kläger haben dazu im Berufungsverfahren keine weiteren substanziierten Angaben gemacht. Sie waren in der mündlichen Verhandlung nicht vertreten. Da auch der Beigeladene nicht erschienen ist und deshalb nicht befragt werden konnte, war eine Klärung der aufgetretenen erheblichen Unstimmigkeiten nicht möglich.

Ob die von den Klägerin vorgelegte kirchliche Heiratsurkunde vom 12. Januar 2003 und die Registrierungsurkunde vom 11. April 2018 aufgrund der von der Beklagten und von dem Verwaltungsgericht angenommenen Fälschungsmerkmale verlässlich als unecht beurteilt werden können, bedarf keiner abschließenden Entscheidung, da auch unabhängig davon aufgrund der Widersprüche im Vorbringen der Kläger und des Beigeladenen sowie im Hinblick auf die eingereichte Identitätskarte der Klägerin zu 1 durchgreifende Zweifel an ihrer inhaltlichen Richtigkeit bestehen.

Ebenso wenig kann, schon mangels eines entsprechenden Vorbringens der Kläger, angenommen werden, die Ehe sei zu einem späteren Zeitpunkt geschlossen worden. Auch den weiteren Indizien für eine familiäre Lebensgemeinschaft kommt bei der gebotenen Gesamtwürdigung keine hinreichende Aussagekraft zu. Der Senat berücksichtigt insbesondere, dass mit dem im Visumverfahren eingeholten DNA-Gutachten praktisch erwiesen ist, dass die Kläger zu 2 bis 5 die gemeinsamen Kinder der Klägerin zu 1 und des Beigeladenen sind. Dies erlaubt indes, zumal angesichts der hier zutage getretenen Zweifel am Vorbringen der Kläger und des Beigeladenen, nicht den Rückschluss auf eine wirksame Eheschließung. Das gleiche gilt für die vorgelegten Taufurkunden und die u.a. durch Vorlage von Reiseunterlagen aus dem Jahr 2019 sowie von Fotos belegten persönlichen Kontakte, deren Fortdauer im Übrigen nicht aktuell nachgewiesen ist. Die im erstinstanzlichen Verfahren vorgelegten „Child Health And Growth Promotion Card(s)“ besitzen ebenfalls keine erhebliche Aussagekraft für die Frage der Eheschließung, auch weil die Dokumente auf den zur Akte gelangten Ausdrucken nicht vollständig lesbar sind und die Kläger sie trotz Hinweises hierauf und wiederholter Bitte nicht in lesbarer Form eingereicht haben.

Eine andere Würdigung ist nicht im Hinblick auf das von den Klägern im Berufungsverfahren benannte Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 13. März 2019 - C-635/17 - zu den Anforderungen an den Nachweis familiärer Bindungen im Rahmen der Familienzusammenführung von Flüchtlingen gerechtfertigt. Art. 11 Abs. 2 der Richtlinie 2003/86/EG betreffend das Recht auf Familienzusammenführung (Familienzusammenführungsrichtlinie vom 22. September 2003, ABl. L 251,12) erleichtert die Familienzusammenführung von Flüchtlingen dadurch, dass danach der Mitgliedstaat andere Nachweise für das Bestehen familiärer Bindungen zu prüfen und zu bewerten hat, wenn ein Flüchtling diese nicht mit amtlichen Unterlagen belegen kann und dass die Ablehnung eines Antrags nicht ausschließlich mit dem Fehlen von Belegen begründet werden kann. Nach dem genannten Urteil des Europäischen Gerichtshofs sind die zuständigen nationalen Behörden zu einer individualisierten Beurteilung der beigebrachten Beweismittel bzw. abgegebenen Erklärungen oder Erläuterungen verpflichtet, bei der alle relevanten Faktoren sowie die Persönlichkeit des Zusammenführenden und seines Familienangehörigen, die konkrete Situation, in der sie sich befinden und die besonderen Schwierigkeiten, mit denen sie konfrontiert sind, zu berücksichtigen sind. Dabei müssen die Anforderungen an die Beweiskraft oder Plausibilität der Elemente, die von dem Zusammenführenden oder seinen Familienangehörigen insbesondere zum Nachweis des Unvermögens vorgetragen werden, amtliche Unterlagen über familiäre Bindungen vorzulegen, verhältnismäßig sein und von der Art und dem Ausmaß der Schwierigkeiten abhängen, denen sie ausgesetzt sind. Wenn nicht der Zusammenführende eklatant gegen die ihm obliegenden Mitwirkungspflichten verstößt oder anhand objektiver Nachweise ganz offensichtlich erkennbar ist, dass der Antrag auf Familienzusammenführung betrügerischen Charakter hat, sind das Fehlen amtlicher Unterlagen zum Nachweis familiärer Bindungen sowie der etwaige Mangel an Plausibilität der insoweit abgegebenen Erklärungen als einfache Faktoren anzusehen, die bei der individualisierten Beurteilung aller relevanten Faktoren des Einzelfalles zu berücksichtigen sind und die Behörden nicht von der Verpflichtung nach Art. 11 Abs. 2 der Familienzusammenführungsrichtlinie, andere Nachweise zu prüfen, befreien (vgl. EuGH, Urteil vom 13. März 2019 - C-635/17 – juris Rn. 63 ff.). Im vorliegenden Verfahren trifft die Beklagte indes nicht der Vorwurf, das Unvermögen der Kläger zum Nachweis amtlicher Unterlagen nicht hinreichend berücksichtigt und sich einer alternativen Glaubhaftmachung durch andere Nachweise verschlossen zu haben. Vielmehr ist der Sachverhalt hier dadurch gekennzeichnet, dass die Kläger Urkunden ihres Heimatlandes zum Nachweis familiärer Bindungen vorgelegt haben, deren inhaltliche Richtigkeit aber wegen der Widersprüche in den von ihnen hierzu abgegebenen Erklärungen und Erläuterungen auch unter Berücksichtigung der weiteren Umstände des Falles durchgreifend in Frage gestellt wird. Weitere Erkenntnisse oder andere tragfähige Nachweise, die eine abweichende Beurteilung hätten rechtfertigen können, konnten im Berufungsverfahren, nicht zuletzt aufgrund der fehlenden Mitwirkung der Kläger und des Beigeladenen, die in der mündlichen Verhandlung nicht vertreten und erschienen waren, nicht gewonnen werden.

Lässt sich danach die behauptete kirchliche Eheschließung schon tatsächlich nicht feststellen, so bedarf es im Ergebnis keiner Entscheidung, ob es für die nach eritreischem Recht zu beurteilende Wirksamkeit einer religiösen Eheschließung auf die staatliche Registrierung ankommt. Für die Erteilung von Visa zum Familiennachzug besteht insoweit kein grundsätzlicher Klärungsbedarf mehr, denn die Beklagte geht inzwischen, wie sie in der mündlichen Verhandlung nochmals bestätigt hat, davon aus, dass die Wirksamkeit einer kirchlichen Eheschließung in Eritrea nach der dortigen Rechtspraxis nicht von deren staatlicher Registrierung abhängt.

Die nach § 32 AufenthG i.V.m. § 6 Abs. 3 AufenthG zu beurteilenden Voraussetzungen für die Visumerteilung an die Kläger zu 2 bis 5 sind ebenfalls nicht gegeben. Nach § 32 Abs. 1 AufenthG ist dem minderjährigen ledigen Kind eines Ausländers eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn beide Eltern oder der allein personensorgeberechtigte Elternteil eine der dort aufgezählten, zum Kindernachzug berechtigenden Aufenthaltserlaubnisse besitzen. Die Klägerin zu 1 verfügt jedoch weder über eine derartige Aufenthaltserlaubnis noch kann sie eine solche beanspruchen. Ebenso wenig kann ein Nachzug allein zu dem Beigeladenen zugelassen werden. Weder lässt sich feststellen, dass er für die Kinder, die sich seit Jahren in der Obhut ihrer Mutter befinden, das alleinige Sorgerecht besitzt, noch liegen die Voraussetzungen des § 32 Abs. 3 AufenthG für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis bei gemeinsamem Aufenthaltsrecht der Eltern vor. Es fehlt dafür nicht allein an einer hinreichenden Grundlage für die Feststellung eines gemeinsamen Sorgerechts, sondern auch an dem erforderlichen Einverständnis der Kindesmutter damit, dass allein die Kinder zu dem Vater nachziehen. Wegen der gebotenen Berücksichtigung des Kindeswohls und der familiären Situation lassen sich aus denselben Gründen auch die Voraussetzungen für die Erteilung eines Visums nach § 32 Abs. 4 AufenthG nicht feststellen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, § 162 Abs. 3 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 10, § 711 der Zivilprozessordnung.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Gründe vorliegt.

Beschluss

Der Wert des Streitgegenstandes wird für die zweite Rechtsstufe auf 25.000 Euro festgesetzt.

Gründe

Die Wertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 1, § 52 Abs. 1 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).