Gericht | OVG Berlin-Brandenburg 10. Senat | Entscheidungsdatum | 13.10.2022 | |
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Aktenzeichen | OVG 10 S 51/21 | ECLI | ECLI:DE:OVGBEBB:2022:1013.OVG10S51.21.00 | |
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 1 Abs 3 BauGB, § 1 Abs 6 Nr 10 BauGB, § 1 Abs 7 BauGB, § 9 Abs 1 Nr 2 BauGB, § 14 BauGB, § 15 BauGB, § 19 BauGB, § 34 BauGB, § 42 BauGB, § 214 Abs 1 S 1 Nr 1 BauGB, § 214 Abs 3 S 2 BauGB, § 19 BauNVO, § 22 BauNVO, § 23 BauNVO, § 4 GBO, § 47 Abs 6 VwGO |
Der Bebauungsplan 2... „Wohngebiet U... Straße“ der Gemeinde S... vom 7. September 2021, öffentlich bekanntgemacht im Amtsblatt für die Gemeinde S... vom 15. Oktober 2021, neu bekanntgemacht im Amtsblatt für die Gemeinde S... vom 28. Januar 2022, wird bis zu einer Entscheidung im Normenkontrollverfahren OVG 10 A 13/21 vorläufig außer Vollzug gesetzt, soweit er die Flurstücke 6... der Gemarkung S..., Flur 7..., erfasst.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Streitwert wird auf 15.000,00 EUR festgesetzt.
I.
Die Antragstellerin begehrt die vorläufige Außervollzugsetzung eines Bebauungsplans.
Ihre Mutter und ihr Stiefvater waren Miteigentümer des 1150 m2 großen, im rückwärtigen Teil mit einem Einfamilienhaus bebauten Grundstücks U...(Gemarkung S..., Flur 7..., Flurstücke 6...eingetragen im Grundbuch von ...Blatt 2.... Nachdem die Mutter der Antragstellerin im Jahr 2016 verstorben war und sich eine Demenzerkrankung ihres Stiefvaters abzeichnete, schlossen der Stiefvater als Alleinerbe sowie die Antragstellerin und ihr Bruder als Pflichtteilsberechtigte im Oktober 2018 einen notariellen Überlassungsvertrag. In diesem vereinbarten sie die Teilung des 1100 m2 großen Flurstücks 6...in das rückwärtige, ca. 600 m2 große Grundstück 1 (das spätere Flurstück ..., welches – unter Einräumung eines Wohnrechts an dem aufstehenden Haus an den Stiefvater – auf den Bruder übertragen wurde, sowie das zur Straße gelegene, ca. 500 m2 große Grundstück 2 (das spätere Flurstück ..., das mit dem 50 m2 großen Flurstück 6...– unter Einräumung eines Geh-, Fahr- und Leitungsrechts für das Grundstück 1 – auf die Antragstellerin übertragen wurde. Bereits zu diesem Zeitpunkt war die Errichtung eines Einfamilienhauses auf dem Grundstück 2 beabsichtigt und ein entsprechender Bauantrag gestellt worden, welcher im Lauf des nachfolgenden Planverfahrens zurückgenommen wurde.
Die Zerlegung des Flurstücks ...in die Flurstücke ...und 2...wurde im Februar 2019 auf dem Grundbuchblatt 2...eingetragen. Im April 2020 wurden die Flurstücke 2...und 6... auf dem Grundbuchblatt 2...vereinigt und die Antragstellerin als Eigentümerin eingetragen, zeitgleich wurde das Flurstück ...abgeschrieben und auf das Grundbuchblatt 8... übertragen.
Das Grundstück U... liegt in dem ca. 2,2 ha großen Baublock... Straße, der Teil der im Jahr 1903 gegründeten Kolonie G... war. Der Baublock war ursprünglich in dreizehn Parzellen – vier innenliegende Längsgrundstücke (darunter das ehemalige Flurstück 6...), fünf innenliegende Quergrundstücke und vier Eckgrundstücke – unterteilt, die – mit Ausnahme des rund 1900 m2 großen und quadratischen nordöstlichen Eckgrundstücks (Flurstück 6...) – rechteckig geschnitten waren und Größen zwischen 900 und 1.100 m2 aufwiesen. Elf der Parzellen sind heute noch in ihrer ursprünglichen Form vorhanden. Sechs davon sind in unterschiedlicher Tiefe mit Einfamilienhäusern bebaut, auf den verbleibenden fünf finden sich Wochenendhäuser oder keine Bebauung. Neben dem ehemaligen Flurstück 6... wurde auch das südwestliche Eckgrundstück geteilt in die Flurstücke 2..., welche jeweils rund 550 m2 groß und mit einem Einfamilienhaus bebaut sind.
Der verfahrensgegenständliche Bebauungsplan 2... „Wohngebiet U... Straße“ hat folgenden Inhalt: Die Planzeichnung teilt den von einer Straßenverkehrsfläche umgebenen Baublock in sechs allgemeine Wohngebiete auf, innerhalb derer jeweils Baugrenzen festgelegt werden, in denen nur Einfamilienhäuser zulässig sind. Für die vier innenliegenden Längsgrundstücke – einschließlich des nunmehr geteilten Flurstücks 6... – umfassen diese jeweils ein Baufenster von rund 14x30 Metern, welches das vorhandene Wohnhaus umfasst. Die Baugrenzen der fünf innenliegenden Quergrundstücke umfassen ebenfalls Baufenster von 14x30 Metern, die des nordwestlichen und südöstlichen Eckgrundstücks Baufenster von 36x19 bzw. 36x16 Metern, und für das nordöstliche Eckgrundstück sind zwei gesonderte Baufenster von 19 x 36 und 11x 30 Metern festgelegt; diese orientieren sich jeweils an der vorderen Grundstückskante. Für die beiden aus dem südwestlichen Eckgrundstück hervorgegangenen Teilgrundstücke sind jeweils gesonderte Baugrenzen mit Flächen von 16x16 bzw. 16x13 Metern festgelegt. Für letztere wird eine Grundflächenzahl von 0,25 bestimmt, im Übrigen eine Grundflächenzahl von 0,15. Die textlichen Festsetzungen sehen vor (Ziff. 3.1), dass in den allgemeinen Wohngebieten WA 2.1, WA 2.2 und WA 3 – den innenliegenden Längs- und Quergrundstücken – die erforderliche Mindesttiefe der Abstandsflächen, mit Ausnahme der „seitlichen Abstandflächen“, zehn Meter beträgt. Sie sehen ferner vor (Ziff. 3.2), dass in den allgemeinen Wohngebieten WA 1.1, WA 1.2 und WA 1.3 – den ungeteilten Eckparzellen – die erforderliche Mindesttiefe der Abstandsflächen, mit Ausnahme der unmittelbar an einer Baugrenze errichtete Außenwände,15 Meter beträgt. Die Planbegründung vom 2. August 2021 führt aus (S. 27), in jedem ausgewiesenen Baufenster könne im Zusammenspiel mit den Festsetzungen zu Abstandsflächen und Grundflächenzahl jeweils nur ein Hauptgebäude entstehen.
Dem verfahrensgegenständlichen Bebauungsplan lag im Wesentlichen folgende Entstehung zu Grunde:
Im Juli 2018 beschloss die Gemeindevertreterversammlung der Antragsgegnerin das „Integrierte Ortsentwicklungskonzept S... 2030“ – INOEK –. In diesem wird unter „2.2 Alleinstellungsmerkmale, Regionsspezifika, externe und interne Herausforderungen“ (S. 15) ausgeführt, charakteristisch für die Waldgartenkulturgemeinde S... seien ein hoher Anteil an öffentlichen Grün- und Freiflächen sowie naturnaher privater Gärten und ein erhaltenswerter Altbaumbestand. Die S... Bevölkerung und mit ihr die Knappheit an Wohnraum wachse, der Waldgartencharakter gerate durch Nachverdichtungstendenzen in Gefahr und die zentrale Herausforderung bestehe in einer bedarfsgerechten nachhaltigen Kommunalentwicklung. Zentrales Ziel der Ortsentwicklung sei daher die behutsame quantitative und qualitative Anpassung und Erweiterung des erforderlichen Angebotes an Wohnraum und Infrastruktureinrichtungen. Hieraus abgeleitet wird das Konzept, vorhandene Wohnbaupotenzialflächen bereitzustellen und zu entwickeln (S. 46) und zugleich eine bauliche Verdichtung durch das Bauen in zweiter Reihe durch die Einleitung von Bauplanungsverfahren zu verhindern bzw. einzuschränken (S. 41), um im Spannungsfeld zwischen Erhalt des Waldgartencharakters und erhöhtem Wohnraumbedarf eine nachhaltige und ökologische Gemeindeentwicklung durch behutsame Nachverdichtung und geringfügige Arrondierung im Außenbereich zu verfolgen (S. 118 These 11).
Am 22. August 2018 fasste die Gemeindevertretung der Antragsgegnerin den Beschluss zur Aufstellung des Bebauungsplanes 24/18 „Wohngebiet U... Straße“ (ABl. Nr. 9 S. 4). Anlass für den Aufstellungsbeschluss war ausweislich der Planbegründung vom 2. August 2021 (S. 6 und 21 ff.) der Umstand, dass mit der Teilung des Grundstücks 6... und der beantragten Errichtung eines Einfamilienhauses auf dem vorderen Grundstücksteil, welche die Bauordnungsbehörde im unbeplanten Innenbereich für genehmigungsfähig erachtete, eine Zweite-Reihe-Bebauung entstehen würde. Deren Vorbildcharakter habe perspektivisch eine Verdichtung des Baublocks in Form der Hinterliegerbebauung zur Folge, die von der Gemeinde nicht gewünscht sei, für städtebaulich nicht verträglich erachtet werde und deshalb eine Planung erforderlich mache, um eine Fehlentwicklung zu verhindern und die städtebaulich geordnete Entwicklung des Wohngebietes zu ermöglichen. Mit dem Bebauungsplan sollten die planungsrechtlichen und erschließungsrechtlichen Voraussetzungen für eine behutsame Verdichtung des Baugebietes unter Wahrung des für S... bei Berlin typischen Gartenstadtcharakters geschaffen werden.
In der Folge erwirkte die Antragsgegnerin eine Zurückstellung des Bauantrages für das Einfamilienhaus und beschloss am 7. November 2018 eine Veränderungssperre unter anderem für das Flurstück 6... (ABl. Nr. 14 S. 5), die mit Beschluss vom 4. November 2020 um ein Jahr verlängert wurde (ABl. Nr. 17 S. 13).
Im Rahmen der Auslegung des ersten Entwurfes verwies die Antragstellerin mit Schreiben vom 18. Dezember 2019 auf die erfolgte Grundstücksteilung, reklamierte die Bebaubarkeit beider Teilungsgrundstücke und rügte eine Ungleichbehandlung bezüglich der Geschossflächenzahl sowie der auf die Eckgrundstücke beschränkten Verdichtung. Ebenso wandte die Bauordnungsbehörde im Rahmen der Behördenbeteiligung ein, mit dem Plan werde die Privatnützigkeit von Grundstücken in ungleicher Weise beschränkt bzw. ausgeschlossen, insbesondere sei das bereits vor der Planaufstellung geteilte Flurstück 2... nicht bebaubar. In der Abwägung zum ersten Entwurf führte die Antragsgegnerin aus, die Zurücksetzung der Baufenster auf den „Flurstücken 6... (vor Teilung)“ entspreche der Bestandsbebauung, gebe diesen Entwicklungsmöglichkeiten und fördere die Typik unterschiedlicher Bautiefen, ferner stehe dem Eingriff in das private Eigentum die städtebaulich geordnete Entwicklung auf der konzeptionellen Grundlage des INOEK gegenüber.
Im Rahmen der Auslegung des zweiten Entwurfes machte die Antragstellerin geltend, die infolge der ortsunüblich niedrigen Grundflächenzahl stark eingeschränkte Bebaubarkeit des Grundstücks 2...führe zu einer absoluten Wertminderung und erzwinge eine Enteignung (Schreiben vom 12. August 2020), ferner werde mit der Festlegung einer Abstandsfläche von 10 m eine Verhinderungsplanung bezüglich der nach § 34 BauGB zulässigen zweireihigen Bebauung betrieben (Schreiben vom 10. September 2020). Ebenso wandte die Bauordnungsbehörde im Rahmen der Behördenbeteiligung ein, weiterhin werde der Eingriff in das private Eigentum und eine offensichtliche Ungleichbehandlung dem Gemeinwohl untergeordnet. In der Abwägung zum zweiten Entwurf führte die Antragsgegnerin aus, bezogen auf die untereinander vergleichbaren Baugrundstücke lasse sich keine Ungleichbehandlung feststellen.
Nach Auslegung und Behördenbeteiligung des dritten Entwurfes wurde am 2. August 2021 die endgültige Planfassung erstellt. In deren Begründung wird ausgeführt (S. 33 f.), eine Eigentumsbeschränkung hinsichtlich der Ausnutzung des bestehenden Baurechts liege u.a. darin, dass eine Bebauung der großzügigen Parzellen mit einem zweiten Hauptgebäude ausgeschlossen werde. Dieser Eingriff in das Privateigentum sei mit den öffentlichen Belangen einer geordneten städtebaulichen Entwicklung abzuwägen. Eine Verdichtung, wie sie im unbeplanten Innenbereich nach § 34 BauGB möglich wäre, sei als städtebaulich unverträglich zu bewerten. Ihr stünden Belange erhaltenswerter Ortsteile und der Schutz des Orts- und Landschaftsbildes entgegen, da das INOEK eine Siedlungsentwicklung unter Berücksichtigung des Charakters der Waldgartenkulturgemeinde vorsehe und vorgebe, eine bauliche Verdichtung durch das Bauen in zweiter Reihe mittels Bebauungsplanverfahren zu verhindern bzw. einzuschränken. Weiter abzuwägen sei der öffentliche Belang der Berücksichtigung der Leistungsfähigkeit vorhandener Verkehrsinfrastruktur und der sozialen Infrastruktur, insoweit würde die nach § 34 BauGB mögliche Nachverdichtung innerhalb des Ortsteils G... zu einer Verdoppelung der Einwohnerzahl mit der Folge einer nicht zu bewältigenden Verkehrszunahme und unerfüllbaren Pflicht zur Bereitstellung von Kita- und Kindertagesstätten- und Grundschulplätzen führen. Ferner seien öffentliche Belange des Umweltschutzes zu berücksichtigen sowie private Belange sowohl der an einer lockeren und durchgrünten Siedlungsstruktur als auch der an einer möglichst hohen Ausnutzung des Grundstücks interessierten Grundeigentümer zu berücksichtigen. Unter Berücksichtigung der gegenläufigen privaten Interessen und im Abgleich mit den genannten öffentlichen Belangen werde den öffentlichen Belangen einer geordneten städtebaulichen Entwicklung der Vorzug vor privaten Einzelinteressen der maximalen wirtschaftlichen Ausnutzung der Baugrundstücke eingeräumt.
Der Bebauungsplan wurde von der Gemeindevertretung S... am 7. September 2021 als Satzung beschlossen und am 10. September 2021 durch den Bürgermeister ausgefertigt. Seine öffentliche Bekanntmachung erfolgte im Amtsblatt für die Gemeinde S... vom 15. Oktober 2021 (Nr. 14 S. 11) und erneut im Amtsblatt für die Gemeinde S... vom 28. Januar 2022 (Nr. 2 S. 6).
Die Antragstellerin hat am 16. November 2021 einen Normenkontrollantrag gestellt – OVG 10 A 13/21 – und zugleich beantragt, den Bebauungsplan bis zur Entscheidung über diesen im Wege der einstweiligen Anordnung außer Vollzug zu setzen. Sie rügt einen Verstoß gegen das Erforderlichkeitsgebot des § 1 Abs. 3 BauGB im Hinblick darauf, dass die Antragsgegnerin bestrebt sei, ihr Bauvorhaben zu verhindern, ohne ein positives Planungskonzept zu verfolgen, sie dadurch unter Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz benachteilige und zu Unrecht eine negative Vorbildwirkung ihres Bauvorhabens unterstelle. Ferner geht sie von einem Verstoß gegen das Abwägungsgebot des § 1 Abs. 7 BauGB im Hinblick darauf aus, dass die Planung, welche in ihrem Fall die Baufreiheit vollständig aufhebe, enteignungsgleiche Wirkung habe, eine unverhältnismäßige Belastung darstelle und das Gebot einer gerechten Abwägung verletze. Schließlich erachtet sie die textliche Festsetzung bezüglich der seitlichen Abstandsflächen für nicht hinreichend bestimmt.
II.
Das Gericht entscheidet über den Antrag ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung durch Beschluss (§ 47 Abs. 6 VwGO i.V.m. § 123 Abs. 4, § 101 Abs. 3 VwGO) in der Besetzung von drei Richterinnen und Richtern (§ 4 Abs. 3 S. 2 BbgVwGG). Bei dem Beschluss wirken die ehrenamtlichen Richterinnen bzw. Richter nicht mit (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 28. März 2022 – OVG 10 S 31/21 –, juris Rn. 13).
Der Antrag auf vorläufige Außervollzugsetzung des Bebauungsplans hat Erfolg. Er ist zulässig (1.) und mit der Maßgabe begründet, dass die Vollziehung des Bebauungsplanes a...bezogen auf die Flurstücke 6... der Gemarkung S..., Flur 7... vorläufig auszusetzen ist (2.).
1. Bedenken gegen die Zulässigkeit des Antrags nach § 47 Abs. 6 VwGO bestehen nicht. Insbesondere ist die Antragstellerin für das Begehren der vorläufigen Außervollzugsetzung des Bebauungsplans vor der Entscheidung über ihren fristgerecht erhobenen Normenkontrollantrag entgegen der Annahme der Antragsgegnerin antragsbefugt. Ausweislich des vorgelegten Grundbuchauszugs ist sie seit April 2020 Eigentümerin der im Plangebiet liegenden Flurstücke 6... und kann als solche eine mögliche Verletzung ihrer aus dem Abwägungsgebot des § 1 Abs. 7 BauGB folgenden Rechte geltend machen. Ihr allgemeines Rechtsschutzinteresse, dessen Bestehen nur im Fall besonderer Umstände zu verneinen ist, resultiert daraus, dass sie im Fall der Außervollzugsetzung des Bebauungsplans auf der dann maßgeblichen Grundlage des § 34 BauGB mit einer Genehmigung der von ihr dort weiterhin beabsichtigten Errichtung eines Einfamilienhauses rechnen kann.
2. Nach § 47 Abs. 6 VwGO kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung erlassen, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten ist.
Dabei ist im Hinblick auf die in der Regel weitreichenden Folgen einer vorläufigen Außervollzugsetzung einer Rechtsvorschrift wie hier der Rechtsverordnung über den Bebauungsplan und des damit verbundenen Eingriffs in die Gestaltungsfreiheit des Verordnungsgebers ein strenger Maßstab anzulegen (OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss des Senats vom 25. Januar 2022 – OVG 10 S 17/21 –, juris Rn. 19 m.w.N.) Prüfungsmaßstab im Verfahren nach § 47 Abs. 6 VwGO sind, jedenfalls bei Bebauungsplänen, zunächst die Erfolgsaussichten des in der Sache anhängigen Normenkontrollantrages, soweit sich diese im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes bereits absehen lassen. Ergibt diese Prüfung, dass der Normenkontrollantrag voraussichtlich unzulässig oder unbegründet sein wird, ist der Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht im Sinne von § 47 Abs. 6 VwGO zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten. Erweist sich dagegen, dass der Antrag nach § 47 Abs. 1 Nr. 1 VwGO zulässig und (voraussichtlich) begründet sein wird, so ist dies ein wesentliches Indiz dafür, dass der Vollzug des Bebauungsplans bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache suspendiert werden muss. In diesem Fall kann eine einstweilige Anordnung ergehen, wenn dessen (weiterer) Vollzug vor einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren Nachteile befürchten lässt, die unter Berücksichtigung der Belange des Antragstellers, betroffener Dritter und/oder der Allgemeinheit so gewichtig sind, dass eine vorläufige Regelung mit Blick auf die Wirksamkeit und Umsetzbarkeit einer für den Antragsteller günstigen Hauptsacheentscheidung unaufschiebbar ist. Lassen sich die Erfolgsaussichten des Normenkontrollverfahrens nicht abschätzen, ist über den Erlass einer beantragten einstweiligen Anordnung im Wege einer Folgenabwägung zu entscheiden: Gegenüberzustellen sind die Folgen, die eintreten würden, wenn eine einstweilige Anordnung nicht erginge, der Normenkontrollantrag aber Erfolg hätte, und die Nachteile, die entstünden, wenn die begehrte einstweilige Anordnung erlassen würde, der Antrag nach § 47 Abs. 1 Nr. 1 VwGO aber erfolglos bliebe. Die für den Erlass der einstweiligen Anordnung sprechenden Erwägungen müssen die gegenläufigen Interessen dabei deutlich überwiegen, mithin so schwer wiegen, dass der Erlass der einstweiligen Anordnung - trotz offener Erfolgsaussichten der Hauptsache - dringend geboten ist (BVerwG, Beschlüsse vom 5. Februar 2015 - BVerwG 4 VR 5.14 –, juris Rn. 12 und vom 30. April 2019 – 4 VR 3/19 –, juris Rn. 4; OVG Berlin-Brandenburg, Senatsbeschlüsse vom 6. Mai 2016 – OVG 10 S 16.15 –, juris Rn. 46 f. und vom 25. Januar 2022 – OVG 10 S 17/21 –, juris Rn. 20).
Unter Anwendung dieser Grundsätze ist der Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 47 Abs. 6 VwGO vorliegend dringend geboten. Der Normenkontrollantrag der Antragstellerin wird voraussichtlich erfolgreich sein, denn das aus den vorgenannten Gründen zulässige Hauptsacheverfahren – OVG 10 A 13/21 – ist nach der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nur möglichen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung voraussichtlich begründet. Danach war die Aufstellung des Bebauungsplanes zwar erforderlich (a.), hat die Antragsgegnerin jedoch die Interessen der Antragstellerin fehlerhaft abgewogen (b.), ist dieser Fehler beachtlich (c.) und hat voraussichtlich die partielle Unwirksamkeit des Bebauungsplanes bezüglich der Flurstücke 6... zur Folge (d.). Ebenso drohen der Antragstellerin Nachteile, die eine vorläufige Regelung unaufschiebbar machen (e.).
a. Entgegen der Annahme der Antragstellerin war die Aufstellung des Bebauungsplanes i.S.d. § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB für die städtebauliche Entwicklung und Ordnung erforderlich.
aa. Nach dieser Vorschrift haben die Gemeinden Bebauungspläne aufzustellen, sobald und soweit es für die städtebauliche Entwicklung und Ordnung erforderlich ist. Dies gilt für die Planung insgesamt und für jede ihrer Festsetzungen, hier also auch für die Baukörperfestsetzung, die ihre Grundlage in § 9 Abs. 1 Nr. 2 BauGB (Festsetzung über die überbaubaren und die nicht überbaubaren Grundstücksflächen) findet. Was im Sinne des § 1 Abs. 3 BauGB erforderlich ist, bestimmt sich nach der planerischen Konzeption der Gemeinde. Ausgefüllt wird der Begriff der Erforderlichkeit insbesondere durch vorausgehende planerische Entscheidungen der Gemeinde über die örtlich anzustrebenden städtebaulichen Ziele (vgl. BVerwG, Urteil vom 26. März 2009 - BVerwG 4 C 21.07 -, juris Rn. 17). Festsetzungen, die nicht oder nicht vollständig der Realisierung der mit der Planung verfolgten städtebaulichen Zielsetzung dienen, sind nicht erforderlich. § 1 Abs. 3 BauGB gebietet es insofern, dass sich die Gemeinde im Hinblick auf die von ihr selbst formulierten städtebaulichen Zielsetzungen konsistent verhält (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 28. März 2012 - 7 A 40/10 -, juris Rn. 56 und Ls. 1; Urteil vom 24. April 2013 - 7 D 24/12.NE -, juris Rn. 48; OVG Berlin-Brandenburg, Urteil des Senats vom 18. Mai 2021 – OVG 10 A 19.17 –, juris Rn. 55 m.w.N.; aus dem Schrifttum etwa Külpmann in: Bischopink/ Külpmann/ Wahlhäuser, Der sachgerechte Bebauungsplan, 5. Aufl. 2021, Rn. 395 f.). Folge einer fehlenden Erforderlichkeit und damit Planungsbefugnis i.S.v. § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB ist die Unwirksamkeit des Bebauungsplans (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urteil des Senats vom 18. Mai 2021 – OVG 10 A 19.17 -, a.a.O.).
Nicht erforderlich im Sinne des § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB sind u.a. Pläne, die einer positiven städtebaulichen Planungskonzeption entbehren und ersichtlich der Förderung von Zielen dienen, für deren Verwirklichung die Planungsinstrumente des Baugesetzbuches nicht bestimmt sind. In dieser Auslegung setzt § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB der Bauleitplanung eine erste, wenn auch strikt bindende Schranke, die lediglich grobe und einigermaßen offensichtliche Missgriffe ausschließt. Die Einzelheiten der konkreten planerischen Lösung unterfallen demgegenüber dem Abwägungsgebot des § 1 Abs. 7 BauGB und werden auch dann nicht Teil der städtebaulichen Erforderlichkeit im Sinne des § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB, wenn die Gemeinde ihre planerischen Zielsetzungen mit einer konkreten Planung nur teilweise umsetzt. Eine Bindung der Gemeinde im Sinne eines Alles-oder-nichts-Prinzips gibt es insoweit nicht, vielmehr kann es im Rahmen einer ordnungsgemäßen Abwägung geboten sein, die planerischen Zielsetzungen nicht oder nur mit Abstrichen zu verfolgen. Die Gemeinde betreibt auch dann noch eine von der gesetzlichen Ermächtigung in § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB getragene städtebauliche Planung, wenn die getroffenen Festsetzungen jedenfalls geeignet sind, einen Beitrag zur Förderung der Planungsziele zu leisten und ihre nur teilweise Umsetzung die planerische Zielsetzung nicht konterkariert (BVerwG, Urteil vom 10. September 2015 – BVerwG 4 CN 8.14 –, juris Rn. 11 ff.; Külpmann a.a.O. Rn. 396 f.)
Auch ein generelles Verbot negativer Festsetzungen besteht dabei nicht. Vielmehr haben Planungen im Regelfall gleichzeitig einen positiven und einen negativen Inhalt, denn wenn die Gemeinde eine bestimmte bauliche Nutzung beabsichtigt, bedeutet dies zugleich, dass andere Nutzungen ausgeschlossen sein sollen. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist anerkannt, dass negative Zielvorstellungen nicht von vornherein illegitim sind und sogar den Hauptzweck einer konkreten Planung bilden können. Eine Gemeinde darf mithin auch städtebauliche Ziele verfolgen, die mehr auf Bewahrung als auf Veränderung der vorhandenen Situation zielen, weil auch ein solcher Plan eine positive planerische Aussage über die zukünftige Funktion der betreffenden Fläche im städtebaulichen Gesamtkonzept der Gemeinde zum Inhalt hat und sich nicht auf die bloße Abwehr jeglicher Veränderung durch Aufnahme bestimmter Nutzungen beschränkt. Nicht selten wird eine konkrete Planung zudem erst dadurch ausgelöst, dass Bauanträge für Grundflächen gestellt werden, die die Gemeinde nicht in der beantragten Weise nutzen lassen möchte. Der Gemeinde ist es keineswegs verwehrt, auf derartige Bauanträge mit der Aufstellung eines Bebauungsplans zu reagieren, der ihnen die materielle Rechtsgrundlage entzieht. Der Zweck der Einvernehmensregelung des § 36 Abs. 1 BauGB besteht vielmehr auch darin, der Gemeinde aus Anlass eines konkreten Bauantrages die Möglichkeit zu geben, die rechtlichen Voraussetzungen der Zulässigkeit des Vorhabens noch zu verändern (BVerwG, Beschluss vom 18. Dezember 1990 – 4 NB 8.90 –, juris Rn. 13 ff. ).
bb. Nach dieser Maßgabe bestand vorliegend ein Planerfordernis.
Eine positive städtebauliche Planungskonzeption formuliert der Bebauungsplan in seiner Begründung vom 2. August 2021 damit (S. 7), zentrales Ziel der Planung sei einerseits die Bewahrung der städtebaulichen Struktur, die durch eine einzeilige lockere Bebauung der Grundstücke geprägt sei, und andererseits die Schaffung von Verdichtungspotentialen unter Berücksichtigung des für S... typischen Gartenstadtcharakters; dementsprechend solle ein Wohngebiet mit einer grundsätzlich am prägenden Bestand orientierten Grundfläche einzelner Gebäude festgesetzt werden. Diese duale Zielsetzung einer Verdichtung unter Wahrung der Struktur deckt sich mit der vorausgehenden, in der Planbegründung ebenfalls in Bezug genommenen planerischen Entscheidung der Gemeinde im „Integrierten Ortsentwicklungskonzept S... Berlin 2030“, welches sich im „Spannungsfeld“ zwischen dem Erhalt des Waldgartencharakters und dem erhöhten Wohnraumbedarf für eine „behutsame“ Nachverdichtung unter Verhinderung bzw. Einschränkung des Bauens in zweiter Reihe entschieden hat. Vor diesem Hintergrund vermag der in der Planbegründung offengelegte Umstand (S. 6 und 21), dass Anlass für die Planaufstellung die Bauantragstellung für das spätere Flurstück 2...war, anders als die Antragstellerin meint, keine unzulässige reine Verhinderungsplanung zu belegen. Vielmehr aktualisierte sich vorliegend spätestens mit dieser Antragstellung die Gefahr einer Verdichtung in der von der Gemeinde unerwünschten Form einer Zweite-Reihe-Bebauung, was diese zum Anlass nehmen durfte, ihre planerische Vorstellung, die von großzügigen Freiflächen gekennzeichnete Waldgartenstruktur zu bewahren, durch den Erlass eines Bebauungsplanes durchzusetzen, der die auch von ihr intendierte Verdichtung nur noch in der von ihr gewünschten behutsamen, d.h. einreihigen Form zuließ.
Ferner hat die Antragsgegnerin ihre planerische Vorstellung, dass das bisher gemischt genutzte Gebiet künftig dem Wohnen dienen (S. 25), dabei die historisch vorgegebene Parzellengröße von mindestens 900 m2 erhalten bleiben (S. 21, 23) und pro Grundstück dieser Größe nur ein Hauptgebäude zulässig sein solle (S. 23, 27), auch in positiver Hinsicht dadurch konkretisiert, dass sie im Bebauungsplan mehrere allgemeine Wohngebiete ausgewiesen, entsprechende Baufenster, Grundflächenzahlen und Mindestabstände festgelegt und die Errichtung von Einzelhäusern vorgegeben hat. Dieser Umstand unterscheidet den vorliegenden Fall von dem in der Antragsschrift in Bezug genommenen Urteil vom 9. September 2021 – OVG 10 A 25.19 – (dort juris Rn. 53 f.). In jenem Fall war der Senat von einer reinen Verhinderungsplanung gerade deshalb ausgegangen, weil der Plangeber jedwede Konkretisierung des Maßes einer Nutzung unterlassen hatte, die ihrer Art nach (als Windanlagengebiet) bereits feststand.
Auch sonstige Anhaltspunkte für eine nur vorgeschobene Planungsvorstellung der Gemeinde legt der Antrag weder dar noch sind sie sonst ersichtlich. Dass der Plangeber sich dafür entschieden hat, die bereits eingetretene Verdichtung auf dem südwestlichen Eckgrundstück durch Ausweisung zweier gesonderter Baufenster „im Sinne des Bestandserhaltes“ zu perpetuieren (S.23), weist nicht darauf hin, dass die Gemeinde eine solche Form der Verdichtung generell hätte zulassen wollen. Dies hatte sie vielmehr allein für die ohne Hinterliegerbebauung teilbaren Eckgrundstücke erwogen und davon im Zuge des Abwägungsprozesses zugunsten des Erhalts der historischen Parzellengröße Abstand genommen (S. 24). Dass auf dem nordöstlichen Eckgrundstück 6... dennoch zwei gesonderte Baufenster ausgewiesen wurden, erklärt sich durch dessen atypische Größe, welche die erstrebte Großzügigkeit von mindestens 900 m2 pro Baugrundstück auch im Nachgang einer Teilung wahrt (S. 10 und 24). Auch mit diesen Einschränkungen war der Bebauungsplan zudem geeignet, einen Beitrag zur Förderung des dualen Planungsziels einer die Gartenstadtstruktur wahrenden Wohnbauentwicklung zu leisten. Denn eine weitere Verdichtung ermöglicht der Plan gerade in denjenigen Teilen des Plangebietes, in denen auf Parzellen der historischen Größe von mindestens 900 m2 bislang keine Wohngebäude vorhanden sind.
Dass die Festlegungen des Bebauungsplanes sich nicht damit decken, welche Bebauung sich bisher in die Eigenart der näheren Umgebung einfügte und deshalb im unbeplanten Innenbereich gemäß § 34 BauGB zulässig war, belegt entgegen der Ansicht der Antragstellerin keine unzulässige Negativplanung, sondern erweist vielmehr, dass vorliegend zur Umsetzung der städtebaulichen Vorstellungen der Gemeinde tatsächlich ein Planerfordernis i.S.d. § 1 Abs. 3 BauGB bestand. Einen Planungsgrundsatz, nach dem die vorhandene Bebauung eines Gebiets nach Art und Maß bei einer Überplanung weiterhin zugelassen werden muss, besteht weder auf der Ebene der Planabwägung (BVerwG, Beschluss vom 5. Oktober 2015 – BVerwG 4 BN 30.15 –, juris Rn. 5) noch auf der vorgelagerten Ebene der Planerforderlichkeit. Dementsprechend ist eine Gemeinde, die anlässlich eines konkreten Bauantrages erkennt, dass ein geplantes und nach bisheriger Rechtslage zulässiges Vorhaben ihren legitimen städtebaulichen Vorstellungen zuwiderläuft, entgegen der Ansicht der Antragstellerin nicht dazu verpflichtet, dieses Vorhaben hinzunehmen, in dem sie das gemeindliche Einvernehmen i.S.d. § 36 BauGB erteilt bzw. von der Genehmigungsbehörde ersetzen lässt. Vielmehr eröffnet das Bauplanungsrecht ihr in einem solchen Fall die Möglichkeit, das Vorhaben dadurch zu verhindern, dass sie einen ihren städtebaulichen Vorstellungen entsprechenden Bebauungsplan i.S.d 30 BauGB aufstellt, zur Sicherung ihrer künftigen Planung eine Veränderungssperre i.S.d. § 14 BauGB erlässt und erforderlichenfalls bis dahin eine Zurückstellung des Baugesuchs i.S.d. § 15 BauGB beantragt.
Es sind auch keine Gründe ersichtlich, die die Antragsgegnerin daran hindern würden, an der historischen Parzellengröße von mindestens 900 m2 festzuhalten. Ob diese „für eine heutige allgemeine Wohnnutzung noch Relevanz entfalten“, hängt entgegen der Ansicht der Antragstellerin im Wesentlichen davon ab, ob die Gemeinde eine entsprechende Planungsvorstellung verfolgen will. Insbesondere steht dem Planungsziel einer nur behutsamen Nachverdichtung nicht entgegen, dass der Bundesgesetzgeber mit dem Baulandmobilisierungsgesetz vom 14. Juni 2021 nach Ansicht der Antragstellerin „einen deutlichen Akzent dahin gesetzt hat, bestehende Wohnbauflächen nachzuverdichten“. Denn das betreffende Gesetzesvorhaben erweitert zwar die baubehördlichen Handlungsmöglichkeiten, begründet jedoch keine gemeindliche Verpflichtung auf bestimmte Planziele oder -inhalte.
Schließlich betreffen die von der Antragstellerin weiter thematisierten Fragen der Gleichbehandlung und negativen Vorbildwirkung Einzelheiten der konkreten planerischen Lösung, die für die städtebauliche Erforderlichkeit im Sinne des § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB nicht maßgeblich sind, sondern ausschließlich dem Abwägungsgebot des § 1 Abs. 7 BauGB unterfallen.
b. Gegen dieses Abwägungsgebot des § 1 Abs. 7 BauGB verstößt der Bebauungsplan indes, weil das Vorbringen der Antragstellerin durchgreift, dass die Antragsgegnerin ihre Eigentümerbelange, eine Bebauung ihres Grundstücks 2... vorzunehmen, fehlerhaft abgewogen habe.
Nach § 1 Abs. 7 BauGB sind bei der Aufstellung der Bauleitpläne die öffentlichen und privaten Belange gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen. Das Gebot gerechter Abwägung ist verletzt, wenn eine (sachgerechte) Abwägung überhaupt nicht stattfindet – sog. Abwägungsausfall – oder wenn in die Abwägung an Belangen nicht eingestellt wird, was nach Lage der Dinge in sie eingestellt werden muss – sog. Abwägungsdefizit –. Es ist ferner verletzt, wenn die Bedeutung der betroffenen privaten Belange verkannt oder wenn der Ausgleich zwischen den von der Planung berührten privaten und öffentlichen Belangen in einer Weise vorgenommen wird, die zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange außer Verhältnis steht – sog. Abwägungsdisproportionalität –. Maßgebender Zeitpunkt für die Prüfung der Abwägung ist gemäß § 214 Abs. 3 Satz 1 BauGB die Beschlussfassung der Gemeindevertretung (st. Rspr, vgl. u.a. OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 5. März 2020 - OVG 10 A 8.15 -, juris Rn. 107 m.w.N.).
Nach diesen Maßstäben hat die Antragsgegnerin hier in ihrer Abwägung den von ihr als abwägungserheblich erkannten Eigentümerbelangen der Antragstellerin nicht das ihnen zukommende Gewicht beigemessen, denn sie hat das Grundstück U... im Rahmen der Abwägung als einheitliches Baugrundstück behandelt (aa.), obwohl mit der Grundstücksteilung zwei Grundstücke im bauplanungsrechtlichen Sinn entstanden waren (bb.), und sie hat infolgedessen die Belange der beiden Grundstückseigentümer nicht ihrer Bedeutung entsprechend in die Abwägung eingestellt (cc.).
aa. Die Antragsgegnerin hat das Grundstück U... (vor Teilung: Flurstücke 6..., danach: Flurstücke 6...) lediglich als ein „Baugrundstück“ in die Abwägung eingestellt.
Dies erweist bereits der Umstand, dass die Planzeichnung für beide aus der Teilung hervorgegangenen Grundstücke ein gemeinsames Baufenster ausweist, welches in der Gesamtschau der weiteren planerischen Festsetzungen (Einzelhaus und Mindestabstand) nur alternativ von einem der beiden Grundstücke in Anspruch genommen werden kann. Auch benennt die Planbegründung den maßgeblichen Unterschied der Teilung der Innenparzelle U... an keiner Stelle, während sie die übrigen Sonderfälle – insbesondere die Teilung des südwestlichen Eckgrundstücks – im Einzelnen würdigt.
Ebenso lassen die Ausführungen der Planbegründung, dass eine hohe Flexibilität bezüglich der Situierung der Wohngebäude „auf den Baugrundstücken erhalten“ bleibe (S. 27), der Bebauungsplan verhindern solle, dass „zwei Wohnhäuser auf einem Baugrundstück möglich“ seien (S. 28) und die Grundflächenzahl von 0,15 „abhängig von den Baugrundstücksgrößen“ Gebäude mit Grundflächen von 135 m2 und 185 m2 ermögliche – was auf Grundstücksgrößen zwischen 900 m2 und 1.250 m2 Bezug nimmt – erkennen, dass der Plangeber als „Baugrundstück“ das Grundstück U... im ungeteilten Zustand angesehen hat.
Dieses Verständnis liegt auch den Ausführungen in der Abwägung zum ersten Entwurf zugrunde, das Baufenster auf dem Flurstück „6... (vor Teilung)“ entspreche der Bestandsbebauung und gebe diesem Entwicklungsmöglichkeiten (S. 11) sowie seiner Gleichsetzung mit den ungeteilten Nachbarparzellen 6... (S. 11) ungeachtet der mit der einheitlichen Baufensterfestsetzung intendierten Verhinderung einer Bebauung des straßenseitigen Teilungsgrundstücks 2... (S. 5). Dies deckt sich mit den Ausführungen in der Abwägung zum zweiten Entwurf, bezogen auf die untereinander vergleichbaren Baugrundstücke lasse sich keine Ungleichbehandlung feststellen (S. 3) und für das 1150 m2 große, aus den Flurstücken 6... bestehende „Baugrundstück U...“ und die übrigen, gleich großen innenliegenden Längsgrundstücke seien identischeBaufenstergrößen und Grundflächenzahlen festgesetzt worden (S. 5).
bb. Diese Betrachtungsweise verkennt, dass spätestens mit der im Nachgang der Grundstücksteilung erfolgten Abschreibung und Übertragung des Flurstücks... auf ein gesondertes Grundbuchblatt im April 2020 und damit bereits vor der Planbeschlussfassung am 7. September 2021 zwei Grundstücke im bauplanungsrechtlichen Sinn entstanden waren.
(1) Als Baugrundstück ist grundsätzlich das Grundstück im grundbuchrechtlichen Sinne zu verstehen (BVerwG, Urteil vom 14. Februar 1991 – BVerwG 4 C 51.87 –, juris Rn. 25; Beschluss vom 30. November 2000 – BVerwG 4 BN 57.00 –, juris Rn. 6). Weder das Baugesetzbuch noch die Baunutzungsverordnung enthalten eine Definition des dort verwendeten Grundstücksbegriffs (vgl. § 1 Abs. 1, § 19 BauGB, (§ 19 ff., § 23 BauNVO), sondern knüpfen an die grundbuchrechtliche Definition an, mithin an einen räumlich abgegrenzten Teil der Erdoberfläche, der auf einem besonderen Grundbuchblatt (§ 3 GBO) - oder bei identischem Eigentümer auch auf einem gemeinschaftliches Grundbuchblatt (§ 4 GBO) - unter einer besonderen Nummer im Grundstücksverzeichnis gebucht ist. Davon zu unterscheiden ist das Flurstück (die Katasterparzelle), d.h. eine Bodenfläche, die vermessungstechnisch in dem amtlichen Verzeichnis der Grundstücke (Liegenschaftskataster) eine besondere Nummer erhält. Das Grundstück kann aus mehreren Flurstücken bestehen, namentlich bei einer erfolgten Vereinigung oder Zuschreibung, nicht aber kann umgekehrt ein Flurstück mehrere Grundstücke im Rechtssinn darstellen (Grziwotz in: Spannowsky/Uechtritz, BauGB, Stand 1.1.2022, § 19 BauGB Rn. 3; Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand: Oktober 2021, § 19 BauGB Rn. 26).
Nach dieser Maßgabe ist das Flurstück 2... einerseits – das zum maßgeblichen Zeitpunkt der Planbeschlussfassung bereits im Eigentum des Bruders der Antragstellerin stand – und sind die Flurstücke 2... anderseits – die zu diesem Zeitpunkt bereits im Eigentum der Antragstellerin standen – als eigenständige Grundstücke zu betrachten. Denn seit April 2020 waren diese jeweils auf gesonderten Grundbuchblättern – den Blättern 8171 bzw. 2609 des Grundbuchs von S..._ – verzeichnet. Zeitgleich war das Flurstück 6...mit dem Flurstück 2... vereinigt und als laufende Nummer 7 im Bestandsverzeichnis des Grundbuchblattes 2609 eingetragen worden.
(2) Ausnahmen von der grundbuchrechtlichen Maßgeblichkeit sind nur dort vertretbar, dann allerdings auch geboten, wo bei Verwendung des grundbuchrechtlichen Begriffs die Gefahr entstände, dass der Sinn einer bestimmten bodenrechtlichen Regelung handgreiflich verfehlt würde (BVerwG, Urteil vom 14. Februar 1991 – BVerwG 4 C 51.87 –, juris Rn. 25; Beschluss vom 30. November 2000 – BVerwG 4 BN 57.00 –, juris Rn. 6; Grziwotz in: Spannowsky/Uechtritz, BauGB, Stand 1.1.2022, § 19 BauGB Rn. 3; Söfker in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand: Oktober 2021, § 19 BauGB Rn. 26). Dabei ist der Umstand, dass derzeit vorhandene Parzellen früher ein Grundstück bildeten und die jetzigen Eigentümer Verwandte sind, nicht geeignet, vom grundbuchrechtlichen Grundstücksbegriff abzugehen, denn eine bloße persönliche Verbundenheit erfüllt offensichtlich nicht die nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts erforderlichen Voraussetzungen (BVerwG, Beschluss vom 30. November 2000 – BVerwG 4 BN 57.00 –, juris Rn. 7).
Ebenso wenig sind vorliegend andere Gründe ersichtlich, die eine zusammenfassende Betrachtung der Flurstücke 6... mit dem Flurstück 2... gebieten würden. Dass bei Anknüpfung an die grundbuchrechtlichen Gegebenheiten der Sinn einer bestimmten bodenrechtlichen Regelung handgreiflich verfehlt würde, liegt bereits deshalb fern, weil die im Plan eigenständig berücksichtigten Flurstücke 2... in Größe und Zuschnitt vergleichbar sind. Auch die Antragsgegnerin behauptet nicht, dass einer getrennten Bebaubarkeit der Flurstücke 6... bzw. des Flurstücks 2... deren zu geringe Größe oder ein ungünstiger Zuschnitt im Wege steht. Dass sie gleichwohl von Bebauung frei gehalten bleiben sollen, beruht vielmehr darauf, dass es das ausdrückliche Ziel der Antragsgegnerin ist, eine in tatsächlicher Hinsicht mögliche zweireihige Bebauung in rechtlicher Hinsicht zu verhindern. Die Flurstücke 6... sind in diesem planerischen Konzept lediglich formal Bestandteil des festgesetzten allgemeinen Wohngebiets, sie sollen jedoch nach dem Willen der Antragsgegnerin nicht für eine Bebauung zur Verfügung stehen, solange das Flurstück 2... bebaut ist und umgekehrt.
cc. War danach vorliegend für die Anwendung der bauplanungsrechtlichen Bestimmungen und die vom Plangeber vorzunehmende Abwägung getrennt auf das nördliche Vorderliegergrundstück der Antragstellerin (Flurstück 6...) und das südliche Hinterliegergrundstück ihres Bruders (Flurstück 2...) abzustellen, so hat die Antragsgegnerin die diesbezüglichen Eigentümerbelange nicht ihrer Bedeutung entsprechend in die Abwägung eingestellt.
Abwägungsfehlerhaft hat die Antragstellerin zum einen unberücksichtigt gelassen, dass die Festsetzungen des Bebauungsplanes nicht – wie in der Planbegründung ausgeführt – zu einer bloßen Beschränkung der Bebaubarkeit des früheren Gesamtgrundstücks, sondern vielmehr zu einem vollständigen Ausschluss der Bebaubarkeit des eigenständigen Vorderliegergrundstücks der Antragstellerin führt, solange das eigenständige Hinterliegergrundstück ihres Bruders bebaut ist und umgekehrt. Sie hat mithin unberücksichtigt gelassen, dass die Planregelung die Antragstellerin ungleich härter trifft als die Eigentümer der übrigen geteilten und ungeteilten Parzellen, deren Baufreiheit lediglich auf ein Hauptgebäude reduziert wird, während sie für die Antragstellerin aktuell und auf unabsehbare Zeit vollständig aufgehoben wird.
Abwägungsfehlerhaft war es ferner, dass die Antragsgegnerin dabei davon ausgegangen ist, das Bauvorhaben der Antragstellerin sei schon bisher unzulässig. Eine solche fehlerhafte Ermittlung des bisher zulässigen Umfangs der Bebaubarkeit stellt einen Abwägungsfehler dar (vgl. Külpmann in: Bischopink/ Külpmann/ Wahlhäuser, Der sachgerechte Bebauungsplan, 5. Aufl. 2021, Rn. 810). In der Abwägung zum ersten Entwurf vom 14. Februar 2020 (S. 10), welche in der Abwägung zum zweiten Entwurf vom 7. Juni 2021 (S. 11) bestätigt wird und in der Abwägung zum dritten Entwurf sowie in der Planbegründung vom 2. August 2021 keine Änderung erfährt, hat die Antragsgegnerin angenommen, dass sich das von Antragstellerin beabsichtigte Einfamilienhaus entgegen § 34 Abs. 1 BauGB nach dem Maß der baulichen Nutzung nicht in die nähere Umgebung des unbeplanten Innenbereichs einfüge. Dies geht bei summarischer Betrachtung fehl, denn mit den Einfamilienhäusern, die auf den geteilten Flurstücken 2... errichtet worden sind, ist im selben Baublock gleich mehrfach ein vergleichbares Bebauungsmaß vorhanden. Der von der Antragsgegnerin an anderer Stelle für eine Differenzierung bemühte Umstand, dass die Bebauung dort nebeneinander auf einer Eckparzelle und vorliegend hintereinander auf einer Innenparzelle erfolgt, hat dabei keinen Einfluss auf die das Maß der Bebauung bestimmenden Parameter (§§ 16 ff. BauNVO). Wie die Antragsgegnerin zutreffend erkannt hat, weist der Baublock zudem verschiedene Baufluchten auf, so dass sich in der näheren Umgebung auch Vorbilder bezüglich der Bauweise und überbaubaren Grundstücksfläche finden. Schließlich bleibt die Erschließung des Hinterliegergrundstücks auch im Fall der Bebauung des Vorderliegergrundstücks durch das dingliche Geh-, Fahr- und Leitungsrecht gesichert.
Abwägungsfehlerhaft hat die Antragsgegnerin schließlich die Bedeutung der hier betroffenen Eigentumsbelange verkannt. In der Abwägung ist bei Einschränkungen des privaten Eigentums den besonderen verfassungsrechtlichen Vorgaben Rechnung zu tragen. Das in § 1 Abs. 7 BauGB festgelegte Abwägungsgebot erlaubt bei einer Planungsentscheidung einen besonders flexiblen und dem Einzelfall gerecht werdenden Interessenausgleich unter maßgeblicher Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit. Dabei fordert die Bestandsgarantie des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG, dass in erster Linie Vorkehrungen getroffen werden, die eine unverhältnismäßige Belastung des Eigentümers real vermeiden und die Privatnützigkeit des Eigentums soweit wie möglich erhalten, weshalb zu prüfen ist, ob der mit der Festsetzung zulässigerweise verfolgte Zweck auch unter weitergehender Schonung privaten Eigentums zu erreichen wäre. Besteht ein Recht zur Bebauung, kommt der normativen Entziehung desselben erhebliches Gewicht zu. Beim Erlass eines Bebauungsplans müssen daher im Rahmen der planerischen Abwägung das private Interesse am Erhalt bestehender baulicher Nutzungsrechte mit dem öffentlichen Interesse an einer städtebaulichen Neuordnung des Plangebiets abgewogen werden. Dabei ist in die Abwägung einzustellen, dass sich der Entzug der baulichen Nutzungsmöglichkeiten für den Betroffenen wie eine (Teil-) Enteignung auswirken kann (BVerfG, Beschluss vom 19. Dezember 2002 - 1 BvR 1402/01 -, juris Rn. 14, 17 f.).
Diesen Anforderungen werden die Erwägungen der Antragsgegnerin (S. 33 der Planbegründung vom 2. August 2021) – die im Ausschluss zweireihiger Bebauung liegende Eigentumsbeschränkung sei gegen den öffentlichen Belang einer geordneten städtebaulichen Entwicklung abzuwägen, die perspektivisch mögliche Verdichtung sei städtebaulich unverträglich und berühre Belange des Umweltschutzes, weshalb den öffentlichen Belangen einer geordneten städtebaulichen Entwicklung der Vorzug vor privaten Einzelinteressen der maximalen wirtschaftlichen Ausnutzung der Baugrundstücke eingeräumt werde – nicht gerecht. Die Antragsgegnerin ist damit ersichtlich davon ausgegangen, sie könne die Baurechte durch den strittigen Bebauungsplan ohne weiteres entziehen und brauche insoweit lediglich die für und gegen den Erhalt der Baurechte sprechenden öffentlichen (städtebaulichen) Belange gegenüberzustellen. Dies ist eine mit den angeführten verfassungsrechtlichen Anforderungen des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG nicht zu vereinbarende Fehleinschätzung des Gewichts der betroffenen Eigentümerbelange.
Die Ausführungen lassen nicht erkennen, dass sich die Antragsgegnerin der angeführten Bedeutung des privaten Eigentums, namentlich des durch die Verfassung betonten abwägungserheblichen Gewichts eines Entzugs baulicher Nutzungsrechte bewusst war und auch nur ansatzweise die Möglichkeit erwogen hat, die öffentlichen Belange im Bereich der Grundstücke der Antragstellerin und ihres Bruders zu deren Gunsten partiell zurückstehen zu lassen. Angesichts der überproportionalen Betroffenheit dieser Personen und einer vergleichbaren Privilegierung der Eigentümer der geteilten Flurstücke 2... wäre eine solches Vorgehen unter Gleichbehandlungs- und Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten jedenfalls zulässig, wenn nicht sogar geboten gewesen. Auch hätte die Ausklammerung von weiteren zwei Teilparzellen angesichts der Fortgeltung für elf ungeteilte der ehemals dreizehn Parzellen des Baublocks die Konsistenz der verbleibenden Regelung nicht berührt.
Nichts anderes folgt daraus, dass die Antragstellerin bzw. ihr Stiefvater oder ihre Eltern als Rechtsvorgänger bislang nicht von ihrer Baufreiheit Gebrauch gemacht hatten und vorliegend ein Entschädigungsanspruch gemäß § 42 Abs. 3 bzw. 5 BauGB möglicherweise deshalb nicht besteht, weil die aus § 34 BauGB abzuleitenden Baurechte bereits mehr als sieben Jahre vor Inkraftsetzung des strittigen Bebauungsplans entstanden sein dürften. Die Bedeutung des verfassungsrechtlich geschützten Erhalts von bestehenden Baurechten ist in der Abwägung auch dann zu berücksichtigen, wenn diese Rechte entzogen werden können, ohne dass eine Entschädigungspflicht nach den §§ 39 ff. BauGB besteht (OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 6. Dezember 2007 – 7 D 160/06.NE –, juris Rn. 49). Das ist hier nicht geschehen, so dass die der Planung entgegenstehenden abwägungsbeachtlichen privaten Belange der Antragstellerin und ihres Bruders nicht sachgerecht bewertet worden sind.
c. Diese Mängel im Abwägungsvorgang sind auch beachtlich, weil sie offensichtlich und auf das Abwägungsergebnis von Einfluss gewesen sind (§ 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 3 Satz 2, 2. Halbs. BauGB). Für die Kausalität für das Abwägungsergebnis genügt es, wenn die konkrete Möglichkeit besteht, dass die Planung von Einfluss auf das Abwägungsergebnis gewesen sein kann (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urteil des Senats vom 12. Januar 2021 – OVG 10 A 10.13 -, juris Rn. 141). Diese konkrete Möglichkeit ist nach den Umständen des Falles anzunehmen, denn hätte die Antragsgegnerin die Abwägung unter Vermeidung der vorstehend dargestellten Abwägungsfehler vollzogen, so hätte die Planung anders ausfallen können, wenn nicht sogar müssen, und liegt es daher nahe, dass auf den Grundstücken der Antragstellerin (Flurstücke 6...) und ihres Bruders (2...) ebenfalls zwei gesonderte Baufelder ausgewiesen worden wären.
Die Abwägungsfehler sind auch innerhalb der Jahresfrist des § 215 Abs. 1 BauGB gerügt worden. Zwar sind nach Aktenlage im Nachgang der Verkündung der Satzung keine förmlichen Rügen erhoben worden. Es genügt insoweit aber die Übermittlung der Antragsbegründung an den Antragsgegner durch das Normenkontrollgericht (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urteil des Senats vom 12. Januar 2021 – OVG 10 A 10.13 -, juris Rn. 143). Diese Begründung ist am 7. Februar 2022 bei Gericht eingegangen und einem von der Antragsgegnerin (unter-)bevollmächtigten Prozessvertreter am 23. Februar 2022, mithin weniger als ein Jahr nach der erstmaligen Amtsblattbekanntmachung am 15. Oktober 2021, zugegangen.
d. Infolge dieses Fehlers wird der angegriffene Bebauungsplan im Hauptsacheverfahren voraussichtlich nicht zur Gänze, sondern nur hinsichtlich der Festsetzungen auf den Baugrundstücken der Antragstellerin und ihres Bruders (Flurstücke Gemarkung S..., Flur 7..., Flurstücke 6...) für unwirksam zu erklären sein.
Mängel, die einzelnen Festsetzungen eines Bebauungsplans anhaften, führen dann nicht zur Gesamtunwirksamkeit des Plans, wenn die übrigen Regelungen, Maßnahmen oder Festsetzungen für sich betrachtet noch eine sinnvolle städtebauliche Ordnung im Sinne des § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB bewirken können und wenn zusätzlich die planende Stelle nach ihrem im Planungsverfahren zum Ausdruck gekommenen Willen im Zweifel auch einen Plan mit diesem eingeschränkten Inhalt beschlossen hätte (vgl. BVerwG, Beschluss vom 25. Februar 1997 -BVerwG 4 NB 30.96-, juris Rn. 13 und 20 m.w.N.; Beschluss vom 25. Februar 2015 - BVerwG 4 VR 5.14-, juris Rn. 20 m.w.N.; OVG Berlin-Brandenburg, Urteil des Senats vom 13. April 2016 - OVG 10 A 9.13 -, juris Rn. 65). Ob einzelne fehlerhafte Festsetzungen zur Gesamt- oder Teilnichtigkeit des Bebauungsplans führen, ist letztlich eine Frage des Einzelfalls. Dabei darf das Gericht in die kommunale Planungshoheit nicht mehr als nötig eingreifen, insbesondere darf es nicht selbst gestaltend tätig sein, sondern hat den planerischen Willen des Ortsgesetzgebers zu respektieren. Diesen Willen kann es etwa dadurch missachten, dass es durch die Erklärung einer Teilnichtigkeit zu einer Verfälschung des kommunalen Planungskonzepts beiträgt. Beschränkt sich die geltend gemachte Rechtsverletzung auf einen räumlichen Teil des Plangebiets oder auf bestimmte Festsetzungen im Bebauungsplan, ist mithin zu prüfen, ob eine Feststellung der Nichtigkeit gerade dieses Teils dem (hypothetischen) Willen der Gemeinde am besten entspricht (vgl. BVerwG, Beschluss vom 6. November 2007 - BVerwG 4 BN 44.07 -, juris Rn. 3; OVG Berlin-Brandenburg, Urteil des Senats vom 13. April 2016, - OVG 10 A 9.13 -, juris Rn. 65). Dabei ist zu beachten, dass selbst ein einheitliches planerisches Konzept der Teilbarkeit eines Bebauungsplans nicht zwingend entgegensteht, wenn die Festsetzungen in den einzelnen Baugebieten jeweils für sich genommen zu einer sinnvollen städtebaulichen Ordnung beitragen (vgl. BVerwG, Urteil vom 3. April 2008 - BVerwG 4 CN 3.07-, juris Rn. 33 f.).
Danach ist vorliegend voraussichtlich von einer Teilunwirksamkeit auszugehen. Die Baukörperfestsetzung auf den beiden Baugrundstücken U... kann ohne Weiteres isoliert betrachtet werden. Die von dieser Festsetzung unabhängigen Regelungen und Festsetzungen des Bebauungsplans bewirken dementsprechend für sich betrachtet weiterhin eine sinnvolle städtebauliche Ordnung im Sinne des § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB. Sie machen für die übrigen zwölf Baugrundstücke des Baublocks weiterhin Sinn. Es ist auch davon auszugehen, dass die planende Stelle nach ihrem im Planungsverfahren zum Ausdruck gekommenen Willen im Zweifel auch einen Plan mit diesem eingeschränkten Inhalt beschlossen hätte. Auch wenn der erst im Nachgang der Grundstücksteilung beschlossene Bebauungsplan im vorliegenden Fall „zu spät kommt“, ist es nach dem Willen der Antragsgegnerin geboten, bezüglich der noch ungeteilten Parzellen eine vergleichbare Entwicklung – die aufgrund des im Integrierten Ortsentwicklungskonzept prognostizierten Bevölkerungswachstums (S. 22) auch absehbar ist – durch rechtzeitige Planung zu verhindern.
Anderes würde hier nur dann gelten, wenn sich anlässlich der Beurteilung der Baukörperfestsetzung auf dem Grundstück U... herausgestellt hätte, dass der Bebauungsplan eine den gesamten Plan betreffende, gleichsam systemische Ungereimtheit aufwiese, an der der Plangeber bei einer Neuplanung nicht mehr würde festhalten wollen. Derartiges drängt hier aber mit Blick auf die übrigen Regelungen des Bebauungsplanes nicht auf. Insbesondere erweist sich die Planung aus den zu a. genannten Gründen als erforderlich für die Umsetzung legitimer Planungsziele der Antragsgegnerin. Auch erweist sich die Abstandsregelung in Ziff. 3.1 der textlichen Festsetzung als hinreichend bestimmt. Der dort verwendete Begriff der „seitlichen Abstandsflächen“ nimmt auf die Terminologie des seitlichen Grenzabstandes in § 22 Abs. 2 Satz 1 BauNVO Bezug. Ob es sich danach um eine seitliche, vordere oder rückwärtige Grenze handelt, bestimmt sich nach dem Standpunkt eines Betrachters auf der Erschließungsanlage (Hornmann in: Spannowsky/Hornmann/Kämper, BauNVO, Stand 15.1.2022, § 22 Rn. 26 m.w.N.) und hängt entgegen der Annahme der Antragstellerin nicht davon ab, in welche Richtung der Plan gehalten wird.
e) Hat der Normenkontrollantrag damit in der Hauptsache voraussichtlich bezogen auf die Flurstücke 6... Erfolg, so ist dies ein wesentliches Indiz dafür, dass der Vollzug des Bebauungsplans in diesem Umfang bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache suspendiert werden muss. Ebenso drohen der Antragstellerin Nachteile, die eine vorläufige Regelung unaufschiebbar machen.
Die Eilbedürftigkeit resultiert vorliegend daraus, dass die von der Antragstellerin plausibel dargelegte und von der Antragsgegnerin nicht in Zweifel gezogene Pflegebedürftigkeit ihres Stiefvaters, der in dem Bestandsgebäude auf dem Flurstück 2... lebt, eine zeitnahe Realisierung ihres Bauwunsches geboten erscheinen lässt. Dass der hier drohende Nachteil ungeachtet der dinglichen Sicherung des Wohnrechts persönlicher bzw. familiärer und nicht grundstücksbezogener oder städtebaulicher Natur ist, steht entgegen der Annahme der Antragsgegnerin einer Berücksichtigungsfähigkeit nicht entgegen. Erforderlich ist lediglich, dass der weitere Vollzug des Bebauungsplanes bereits vor der Entscheidung im Hauptsacheverfahren Nachteile – gleich welcher Art – befürchten lässt, die unter Berücksichtigung der Belange des Antragstellers, betroffener Dritter und/oder der Allgemeinheit so gewichtig sind, dass eine vorläufige Regelung mit Blick auf die Wirksamkeit und Umsetzbarkeit einer für den Antragsteller günstigen Hauptsacheentscheidung unaufschiebbar ist (BVerwG, Beschluss vom 5. Februar 2015 - BVerwG 4 VR 5.14 –, juris Rn. 12). Nicht die bodenrechtliche Natur, sondern das überwiegende Gewicht der dem Antragsteller drohenden Nachteile entscheidet mithin über das Vorliegen eines Anordnungsgrundes.
Ein solches überwiegendes Gewicht kommt dem – ungeachtet der zwischenzeitlichen Rücknahme des ursprünglichen Bauantrages fortbestehenden – Bauwunsch der Antragstellerin zu. Dabei steht es ihr frei, mit der erneuten Bauantragstellung bis zum erfolgreichen Abschluss des vorliegenden Verfahrens zuzuwarten, denn andernfalls muss sie befürchten, dass der gebührenpflichtige Bauantrag im Hinblick auf die planerischen Festsetzungen abgelehnt wird, ohne dass die Zulässigkeit des Vorhabens nach § 34 BauGB beurteilt wird. Dadurch würde sie nicht nur auf ein Widerspruchsverfahren, sondern auch auf ein gegebenenfalls langwieriges verwaltungsgerichtliches Verfahren verwiesen werden, das mit weiterem Zeitverlust und wirtschaftlichen Nachteilen verbunden wäre. Ohne die vorläufige Außervollzugsetzung des Bebauungsplanes muss die Antragstellerin folglich damit rechnen, an der von ihr beabsichtigten Nutzung ihres Grundstücks zum Zwecke eigenen Wohnens und der ortsnahen Pflege ihres Stiefvaters auf längere Zeit gehindert zu sein, was ihr auf der Grundlage von voraussichtlich unwirksamen Festsetzungen des Bebauungsplans nicht zuzumuten ist, zumal eine Änderung ein erneutes Bebauungsplanverfahren unter erneuter Beteiligung der Öffentlichkeit erfordern würde.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Der Umstand, dass der Bebauungsplan nur teilweise außer Vollzug zu setzen ist, führt nicht dazu, dass der Antrag deshalb – mit nachteiliger Kostenfolge für die Antragstellerin – als teilweise unbegründet zurückgewiesen werden müsste. Denn einem Antragsteller ist es grundsätzlich nicht zuzumuten, sicher einzuschätzen, ob der gerügte Abwägungsmangel zur Gesamt- oder nur zur Teilunwirksamkeit führt (BVerwG, Beschluss vom 4. Juni 1991 - BVerwG 4 NB 35.89-, juris Rn. 27; Urteil vom 3. April 2008 - BVerwG 4 CN 3.07-, juris Rn. 36; OVG Berlin-Brandenburg, Urteil des Senats vom 18. Mai 2021 – OVG 10 A 19.17 -, juris 118).
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. den Empfehlungen in Nr. 1.5 und 9.8.1 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit vom 18. Juli 2013 (https://www.bverwg.de/rechtsprechung/streitwertkatalog) und entspricht der Hälfte des im Hauptsacheverfahren vorläufig festgesetzten Wertes (Beschluss vom 24. November 2021 - OVG 10 A 13/21 -).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).