Gericht | OVG Berlin-Brandenburg 62. Senat | Entscheidungsdatum | 22.09.2022 | |
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Aktenzeichen | OVG 62 PV 2/21 | ECLI | ECLI:DE:OVGBEBB:2022:0922.OVG62PV2.21.00 | |
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 25 BPersVG, § 17 Abs 1 BPersVWO, § 18 BPersVWO, § 24 BPersVWO |
Die beim Wahlvorstand eingetroffenen Wahlbriefe sind unter gesonderten Verschluss zu nehmen. Eine offene Verwahrung im Büro eines Mitglieds des Wahlvorstands verstößt gegen eine wesentliche Vorschrift über das Wahlverfahren.
Die Beschwerde des Beteiligten zu 1 wird zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
I.
Im Kommando Heer wurden vom 9. bis 11. November 2020 Wahlen zum Beteiligten zu 1 durchgeführt, die von den Antragstellern angefochten worden sind.
Der Wahlvorstand der Dienststelle wurde am 5. Dezember 2019 bestellt. Dieser beschloss das Wahlausschreiben vom 20. Februar 2020 und gab es am selben Tag durch Aushang bekannt. Darin hieß es noch, die Wahl werde am 27., 28. und 29. April 2020 als Gruppenwahl mit den drei Gruppen Beamte, Angestellte und Soldaten durchgeführt; an diesen Tagen verhinderte Wähler könnten die schriftliche Stimmabgabe beantragen und die Wahlberechtigten, die nicht am Standort S... dienststationiert seien, erhielten generell Briefwahlunterlagen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Wahlausschreiben Bezug genommen (Blatt 4 bis 7 der Gerichtsakte). Der Wahlvorstand beschloss im Hinblick auf den ihm bekannten Entwurf von § 19a BPersVWO als veröffentlichte Ergänzung vom 23. April 2020 zum Wahlausschreiben, die Wahl auf den 9. November 2020 (B...-Kaserne) sowie 10. und 11. November 2020 (v.-H...-Kaserne) zu verschieben und ergänzend zur persönlichen Stimmabgabe die schriftliche Stimmabgabe (Briefwahl) anzuordnen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Ergänzungsschreiben Bezug genommen (Blatt 8 der Gerichtsakte). Der Wahlvorstand gab am 25. September 2020 in der Dienststelle bekannt, dass Briefwahlunterlagen in der 40. Kalenderwoche an die Privatadressen aller Wahlberechtigten versendet würden. Die Versendung in dieser Kalenderwoche wurde vom Wahlvorstand in seiner Sitzung am 16. Oktober 2020 festgestellt. Der Wahlvorstand protokollierte, dass in seiner Sitzung vom 3. November 2020 ein nochmaliger Hinweis auf das Mitbringen der Briefwahlunterlagen zur Präsenzwahl besprochen worden sei. Es heißt im Protokoll weiter, diejenigen, die ihre Briefwahlunterlagen nicht mitbringen würden, seien an den Wahltagen darüber zu belehren, dass keine doppelte Stimmabgabe erfolge. Die vor der Stimmauszählung eingetroffenen schriftlichen Stimmen wurden in einem offenen Karton im Büro eines Mitglieds des Wahlvorstands, das als Bürokraft des Schwerbehindertenbeauftragten arbeitet, verwahrt. Die Wahl wurde vom 9. bis 11. November 2020 durchgeführt. Der Wahlvorstand machte das Ergebnis am 13. November 2020 bekannt. In der Wahlniederschrift heißt es, für die Gruppe der Soldaten seien bei 807 Wahlberechtigten 348 Stimmen abgegeben worden, davon 285 als Briefwahl. Für die Gruppe der Beamten seien bei 47 Wahlberechtigten 27 Stimmen abgegeben worden, davon 26 als Briefwahl. Für die Gruppe der Arbeitnehmer seien bei 35 Wahlberechtigten 27 Stimmen abgegeben worden, davon 26 als Briefwahl. Zu den gemäß Wahlniederschrift gewählten Soldatenvertretern gehören die Antragsteller zu 1 und 3. Der Beteiligte zu 1 hat sich in der Sitzung vom 18. November 2020 konstituiert.
Die drei Antragsteller, zumindest im Jahr 2020 in der Dienststelle beschäftigte Soldaten, haben die Wahl am 27. November 2020 beim Verwaltungsgericht Frankfurt (Oder) angefochten und in ihr von allen dreien unterschriebenes Anfechtungsschreiben eine Begründung aufgenommen. Dieses Gericht hat sich durch Beschluss vom 14. Dezember 2020 für unzuständig erklärt und die Sache an das Verwaltungsgericht Potsdam verwiesen. Die Fachkammer für Bundespersonalvertretungssachen beim Verwaltungsgericht Potsdam hat aufgrund der Anhörung vom 13. Juli 2021 die Wahl zum Personalrat beim Kommando Heer vom 9. bis 11. November 2020 für unwirksam erklärt.
Das Verwaltungsgericht führt in seinem Beschluss aus, die drei Antragsteller seien gemäß § 25 Satz 1 BPersVG wahlanfechtungsberechtigt und hätten mit der insoweit rechtzeitigen Anrufung des unzuständigen Verwaltungsgerichts Frankfurt (Oder) die Wahlanfechtungsfrist gewahrt. Die Wahlanfechtung sei erfolgreich, weil zumindest zwei Verstöße gegen wesentliche Vorschriften über das Wahlrecht, die Wählbarkeit oder das Wahlverfahren vorlägen. Erstens verstoße es gegen § 17 Abs. 1 Nr. 4 BPersVWO, dass die Freiumschläge der Briefwahlunterlagen nicht mit der Angabe der jeweiligen Wahlberechtigten als Absender versehen gewesen seien. Zweitens sei ein wesentlicher Fehler darin zu sehen, dass die Wahlbriefe in der Zeit zwischen dem Eintreffen beim Wahlvorstand und ihrer Verwendung im Wahlvorgang nicht hinreichend unter Verschluss gehalten worden seien. Die Aufbewahrung in einem offenen Karton bei einem Mitglied des Wahlvorstandes, welches zugleich Schreibkraft der Schwerbehindertenvertretung gewesen sei, genüge nicht. Geboten sei die Aufbewahrung in einem verschlossenen Schrank oder einer verschlossenen Schublade. Ein Zugriff durch Personen im Rahmen des Publikumsverkehrs sei nicht auszuschließen. Jedenfalls bei dem zweiten Fehler sei die Ergebnisrelevanz nicht auszuschließen.
Der Beteiligte zu 1 hat gegen den ihm am 20. Juli 2021 zugestellten Beschluss beim Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg am 19. August 2021 Beschwerde samt Antragstellung eingelegt und diese am 17. September 2021 mit einer Begründung versehen. Er räumt ein, dass der Wahlvorstand mangels Absenderangabe auf den Freiumschlägen gegen eine Formvorschrift verstoßen habe, meint jedoch, dass es sich nicht um eine wesentliche Vorschrift gehandelt habe und der Fehler analog § 46 VwVfG keinen Einfluss auf das Ergebnis gehabt haben könne. Mit der Absenderangabe solle lediglich die Identität des Empfängers und des Rücksenders gewährleistet werden. Für den Wahlvorstand sei zweifelsfrei zu erkennen gewesen, dass der Wähler bei der Abgabe oder Übersendung des Stimmzettels den vom Wahlvorstand übersandten Freiumschlag verwendet habe. Außerdem habe wegen der Pandemie allen Wählern ein Freiumschlag vorgelegen. Der Beteiligte zu 1 hält auch die Verwahrung der Wahlbriefe im Büro eines Mitglieds des Wahlvorstands für ausreichend. In dem Raum befänden sich auch vertrauliche Akten der Schwerbehindertenvertretung. Ein unbeobachteter Publikumsverkehr habe nicht stattgefunden, die Besucher hätten auch nicht die Wahlunterlagen in ihrem Zugriffsbereich vorgefunden. Das Gesetz schreibe nicht Vorkehrungen gegen einen allenfalls möglichen Rechtsmissbrauch durch ein Mitglied des Wahlvorstands vor.
Der Beteiligte zu 1 beantragt,
den Beschluss des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 13. Juli 2021 aufzuheben und den Antrag der Antragsteller abzulehnen.
Die Antragsteller beantragen,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Die Antragsteller sind der Auffassung, der Verstoß gegen § 17 Abs. 1 Nr. 4 BPersVWO sei wesentlich, weil sich ohne die Angabe auf dem Freiumschlag die Identität des Empfängers nicht habe sicherstellen lassen. Auch sei mit dem Verwaltungsgericht ein verschlossenes Behältnis als Aufbewahrung der eingetroffenen Wahlunterlagen zu verlangen. Die Antragsteller berufen sich zudem auf ihren weiteren Vorwurf im Wahlanfechtungsschreiben, es hätten zureichende Vorkehrungen gegen doppelte Stimmabgaben gefehlt.
Der Beteiligte zu 2 stellt weder einen Antrag noch trägt er in der Sache vor.
Wegen des weiteren Vorbringens wird auf die Schriftsätze der Antragsteller und der Beteiligten Bezug genommen. Dem Senat haben Wahlunterlagen (11 Aktenteile) in der mündlichen Anhörung und zur Entscheidungsfindung vorgelegen.
II.
Die Beschwerde ist zulässig. Der Beteiligte zu 1 hat sie in der gesetzlichen Form und Frist – unter Beifügung eines Antrags – eingelegt und rechtzeitig mit Gründen versehen, wie es § 89 Abs. 2 ArbGG verlangt.
Die Beschwerde des Beteiligten zu 1 ist unbegründet. Die Wahlanfechtung der Antragsteller hat, wie es schon das Verwaltungsgericht beschlossen hat, Erfolg.
Die Möglichkeit zur Anfechtung der Wahl der Personalvertretung im Jahr 2020 ergibt sich aus dem Bundespersonalvertretungsgesetz. Gemäß § 91 Abs. 1 SG in der bis zum 14. Juni 2021 geltenden Fassung gilt dieses Gesetz für die bei militärischen Dienststellen und Einrichtungen der Bundeswehr beschäftigten Beamten, Angestellten und Arbeiter. Nach § 59 SBG gilt für Soldatinnen und Soldaten das Bundespersonalvertretungsgesetz mit näheren Maßgaben entsprechend, werden die Streitkräfte der Verwaltung gleichgestellt. Wie § 60 Abs. 1 SBG als eine Maßgabe regelt, wählen Soldatinnen und Soldaten nur in einem bestimmten Teil der Dienststellen und Einrichtungen, zu denen ausdrücklich die Kommandos gehören (vgl. im Übrigen BVerwG, Beschluss vom 8. Oktober 2007 – 6 P 2.07 – juris Rn. 18 ff.), Personalvertretungen. Soldatinnen und Soldaten bilden eine weitere Gruppe im Sinne des § 5 BPersVG (so § 60 Abs. 3 Satz 1 SBG).
Die Anfechtung der Wahl im Jahr 2020 bemisst sich an § 25 BPersVG a.F. (entsprechend BVerwG, Beschluss vom 3. Mai 2022 – 5 P 1.22 – juris Rn. 15; siehe im Übrigen auch OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 5. April 2016 – OVG 62 PV 9.15 – juris Rn. 11). Danach können unter anderem mindestens drei Wahlberechtigte binnen einer Frist von zwölf Arbeitstagen, vom Tag der Bekanntgabe des Wahlergebnisses gerechnet, die Wahl beim Verwaltungsgericht anfechten, wenn gegen wesentliche Vorschriften über das Wahlrecht, die Wählbarkeit oder das Wahlverfahren verstoßen worden und eine Berichtigung nicht erfolgt ist, es sei denn, dass durch den Verstoß das Wahlergebnis nicht geändert oder beeinflusst werden konnte. Da nach der Novelle des Bundespersonalvertretungsgesetzes im Jahr 2021 die Möglichkeit zur Wahlanfechtung nicht etwa abgeschafft ist, sondern gemäß § 26 des Gesetzes gleichermaßen besteht, ist die Wahlanfechtung nicht nachträglich unzulässig geworden.
Die drei Antragsteller waren in der Dienststelle wahlberechtigt. Die gesetzliche Frist begann mit dem Aushang der Wahlergebnisse (§ 23 Abs. 2 Satz 1 BPersVG a.F.); sie berechnet sich anhand der Werktage von Montag bis Freitag (BVerwG, Beschluss vom 23. Oktober 2003 – 6 P 10.03 – juris Rn. 23, 27; ferner § 52 Satz 2 BPersVWO). Die Wahlergebnisse wurden am 13. November 2020 bekanntgegeben. Die Antragsteller haben die Wahl am 27. November 2020, dem zehnten nachfolgenden Arbeitstag, angefochten. Die Antragstellung beim unzuständigen Verwaltungsgericht Frankfurt (Oder) hat die Frist gewahrt (wie OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 25. April 2013 – OVG 61 PV 12.12 – juris Rn. 14).
Die Antragsteller genügen mit der von ihnen innerhalb der Frist angebrachten Begründung dem aus dem Gesetz herleitbaren Erfordernis (siehe näher BVerwG, Beschluss vom 13. Mai 1998 – 6 P 9.97 – juris Rn. 26 bis 28), rechtzeitig darzulegen, aus welchen Gründen gegen wesentliche Vorschriften über das Wahlrecht, die Wählbarkeit oder das Wahlverfahren verstoßen worden sein soll. Es reicht die Darlegung eines Sachverhalts, der möglicherweise die Ungültigkeit der durchgeführten Wahl begründen kann, der also nicht schon auf den ersten Blick erkennbar unerheblich ist. Es kommt hingegen nicht darauf an, dass der fristwahrend genannte Grund letztlich die Ungültigerklärung der Wahl trägt. Denn mit dem Erfordernis soll lediglich verhindert werden, dass durch unsubstantiierte Angriffe die Gültigkeit der Wahl und der Bestand des Wahlergebnisses über einen längeren Zeitraum offenbleiben (BVerwG, Beschluss vom 8. Mai 1992 – 6 P 9.91 – juris Rn. 16). Die Antragsteller haben unter anderem die beiden Gesichtspunkte gerügt, welche das Verwaltungsgericht als Gründe für die Ungültigerklärung der Wahl angeführt hat.
Das Gericht orientiert sich (so schon die Senatsbeschlüsse vom 8. Juli 2016 – OVG 62 PV 1.16 – juris Rn. 17 und vom 10. Februar 2022 – OVG 62 PV 1/21 – juris Rn. 25) in der Überprüfung an den innerhalb dieser Frist oder danach vorgebrachten Rügen und ist gehalten, allem nachzugehen, was sich aus dem Vortrag der am Verfahren Beteiligten ergibt (BVerwG, Beschluss vom 13. Mai 1998 – 6 P 9.97 – juris Rn. 28). Die Amtsermittlungspflicht (§ 83 Abs. 1 Satz 1 ArbGG) erlaubt es dem Gericht auch, ungenannte Fehler zu beanstanden (BVerwG, Beschluss vom 13. Mai 1998 – 6 P 9.97 – juris Rn. 27), verpflichtet es wegen der Obliegenheit der am Verfahren Beteiligten, an der Aufklärung des Sachverhalts mitzuwirken (§ 83 Abs. 1 Satz 2 ArbGG), aber nicht zur Suche nach Fehlern, für die es soweit bekannt an konkreten Verdachtsmomenten fehlt. Zur Sichtung aller Wahlunterlagen besteht ohne Weiteres kein Anlass (BVerwG, Beschluss vom 13. Mai 1998 – 6 P 9.97 – juris Rn. 31).
Der Wahlvorstand verstieß gegen wesentliche Vorschriften über das Wahlverfahren. Eine derartige Vorschrift ist wesentlich im Sinn des § 25 BPersVG a.F., wenn es sich um eine zwingende Vorschrift des Bundespersonalvertretungsgesetzes oder der Wahlordnung handelt (BVerwG, Beschlüsse vom 24. Februar 2015 – 5 P 7.14 – juris Rn. 18 und vom 10. Januar 2007 – 6 PB 18.06 – juris Rn. 11; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 5. April 2016 – OVG 62 PV 9.15 – juris Rn. 15).
Das Verwaltungsgericht hat zutreffend den Verstoß gegen § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BPersVWO beanstandet. Diese Wahlordnung wird im hier interessierenden Zusammenhang weder durch das Soldatinnen- und Soldatenbeteiligungsgesetz noch durch die darauf gestützte Wahlverordnung (SBGWV) modifiziert. Nach § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BPersVWO ist zur schriftlichen Stimmabgabe ein Freiumschlag, der die Anschrift des Wahlvorstandes und als Absender den Namen und die Anschrift des Wahlberechtigten sowie den Vermerk "Schriftliche Stimmabgabe" trägt, auszuhändigen oder zu übersenden. Die Beifügung der Absenderangaben ist zwingend geboten (vgl. Schlatmann, in: Lorenzen/Gerhold/Schlatmann, BPersVG, § 17 WO <Stand Juli 2020> Rn. 11; Fischer/Goeres, Personalvertretungsrecht des Bundes und der Länder, GKÖD Band V, H § 17 <Stand 2/20> Rn. 4 und 11g; Ilbertz/Widmaier/Sommer, BPersVG, 14. Aufl. 2018, § 17 WO Rn. 13; entsprechend VGH Mannheim, Beschluss vom 25. Oktober 1994 – PL 15 S 1054/94 – PersR 1995, 136 <137> zum Landesrecht; siehe auch BVerwG, Beschluss vom 21. Juli 2009 – 1 WB 18.08 – juris Rn. 33) im Unterschied beispielsweise zur Übermittlung eines Merkblatts, was nach § 17 Abs. 1 Satz 2 BPersVWO lediglich geschehen „soll“ (vgl. Ilbertz/Widmaier/Sommer, BPersVG, 14. Aufl. 2018, § 17 WO Rn. 5).
Die Absenderangabe dient dazu, dass die Stimmabgabe fehlerfrei nach § 18 BPersVWO verarbeitet werden kann; Doppelwahlen von Wahlberechtigten durch sowohl schriftliche Stimmabgabe als auch Wahl im Wahlraum müssen verhindert werden (vgl. Fischer/Goeres, Personalvertretungsrecht des Bundes und der Länder, GKÖD Band V, H § 17 <Stand 2/20> Rn. 11g). Die Gefahr einer doppelten Stimmabgabe ergibt sich aus dem Umstand, dass die Wahlberechtigten generell befugt sind, trotz Erhalts von Briefwahlunterlagen ihre Stimme im Wahlraum abzugeben (BVerwG, Beschlüsse vom 13. Mai 1998 – 6 P 9.97 – juris Rn. 50 und vom 3. März 2003 – 6 P 14.02 – juris Rn. 12). Von der Möglichkeit, nach § 19a BPersVWO wegen der Pandemie nur die schriftliche Stimmabgabe anzuordnen, hat der Wahlvorstand keinen Gebrauch gemacht. Fehlt dem Freiumschlag die Absenderangabe, kann der Wahlvorstand an den Wahltagen im Wahlraum nicht feststellen, ob die dort zur Wahl erscheinenden Beschäftigten bereits ihre Stimme schriftlich abgegeben haben. Denn nach § 18 Abs. 1 Satz 1 BPersVWO öffnet der Wahlvorstand erst unmittelbar vor Abschluss der Stimmabgabe in öffentlicher Sitzung die bis zu diesem Zeitpunkt eingegangenen Freiumschläge und entnimmt ihnen die Wahlumschläge und die vorgedruckten Erklärungen, um nach Prüfung der Ordnungsgemäßheit und Vermerk der Stimmabgabe im Wählerverzeichnis die Wahlumschläge ungeöffnet in die Wahlurne zu legen. Sollte es den Wahlberechtigten möglich sein, im Wahlraum auch dann noch zu wählen, wenn sie den Freiumschlag bereits abgegeben haben (so Noll, in: Altvater/Baden/Baunack u.a., BPersVG, 10. Aufl. 2019, § 17 WO Rn. 19 und zum Betriebsverfassungsrecht Bachner, NZA 2012, 1266 <1268>; offengelassen von BVerwG, Beschluss vom 3. März 2003 – 6 P 14.02 – juris Rn. 19), müsste der Freiumschlag nach der Stimmabgabe im Wahlraum ungeöffnet aussortiert werden (vgl. Noll, a.a.O.), was wiederum nicht ohne Absenderangabe möglich ist.
Das Verwaltungsgericht hat außerdem zutreffend beanstandet, dass die an den Wahlvorstand zurückgesandten Briefwahlunterlagen nicht in einem verschlossenen Behälter verwahrt wurden (im Anschluss an Noll, in: Altvater/Baden/Baunack u.a., BPersVG, 10. Aufl. 2019, § 17 WO Rn. 18). Der Wahlvorstand verstieß damit gegen eine weitere wesentliche Vorschrift über das Wahlverfahren. Zwar trifft weder das Bundespersonalvertretungsgesetz noch die Wahlordnung eine ausdrückliche Anordnung zur Sicherung der eingetroffenen Briefwahlunterlagen, doch lässt sich der Wahlordnung gleichwohl das zwingende Gebot einer Verwahrung unter besonderem Verschluss in Analogie zu den Bestimmungen über die Sicherung der im Wahlraum abgegebenen Stimmen entnehmen.
Nach § 16 Abs. 1 Satz 2, 3 BPersVWO sind bei einer Wahlhandlung im Wahlraum für die Aufnahme der Wahlumschläge Wahlurnen zu verwenden, die vor Beginn der Stimmabgabe vom Wahlvorstand zu verschließen sind. Sie müssen so eingerichtet sein, dass die eingeworfenen Umschläge nicht vor Öffnung der Urne entnommen werden können (§ 16 Abs. 1 Satz 4 BPersVWO), was zwingend vorgeschrieben ist, obwohl mindestens zwei Mitglieder des Wahlvorstandes oder ein Mitglied und ein Wahlhelfer im Wahlraum anwesend sein müssen, solange der Wahlraum zur Stimmabgabe geöffnet ist (§ 16 Abs. 3 BPersVWO). Nach § 16 Abs. 5 BPersVWO hat der Wahlvorstand, wenn die Wahlhandlung unterbrochen oder das Wahlergebnis nicht unmittelbar nach Abschluss der Stimmabgabe festgestellt wird, für die Zwischenzeit die Wahlurne so zu verschließen und aufzubewahren, dass der Einwurf oder die Entnahme von Stimmzetteln ohne Beschädigung des Verschlusses unmöglich ist; bei Wiedereröffnung der Wahl oder bei Entnahme der Stimmzettel zur Stimmenzählung hat sich der Wahlvorstand davon zu überzeugen, dass der Verschluss unversehrt ist.
Die analoge Anwendung einfachgesetzlicher Vorschriften ist möglich (vgl. BVerfG, Beschluss vom 3. April 1990 – 1 BvR 1186/89 – juris Rn. 20 ff.), wenn eine Lücke in der Rechtsnorm besteht, die vom Normgeber nicht beabsichtigt ist und für deren Schließung durch Heranziehung der ausdrücklichen Regelung auf den ungeregelten Fall die Interessengleichheit spricht.
Die Wahlordnung enthält eine Lücke (siehe auch BVerwG, Beschluss vom 3. März 2003 – 6 P 14.02 – juris Rn. 12; Bachner, NZA 2012, 1266 <1267>). Während § 17 BPersVWO mit der Überschrift „schriftliche Stimmabgabe“ (hier modifiziert durch § 19a BPersVWO) regelt, wann ein Wahlberechtigter zur schriftlichen Stimmabgabe berechtigt ist, welche Unterlagen er vom Wahlvorstand erhält und wie er selbst mit ihnen umgeht, fährt § 18 BPersVWO unter der Überschrift „Behandlung der schriftlich abgegebenen Stimmen“ erst in dem Moment „unmittelbar vor Abschluss der Stimmabgabe“ fort, das Verhalten des Wahlvorstands zu steuern. Die mitunter wochenlange Zwischenzeit der Verwahrung der eingetroffenen Freiumschläge bleibt ungeregelt im Unterschied beispielsweise zur Bundeswahlordnung (siehe § 74 Abs. 1 Satz 1 BWO mit der Pflicht zum Verschluss, ferner die Pflicht zur Sicherstellung vor unbefugtem Zugang selbst bei verspätet eingegangenen Wahlbriefen; § 74 Abs. 5 BWO). Für die Personalratswahl ergibt sich lediglich aus § 18 Abs. 1 Satz 1 BPersVWO, dass die Freiumschläge in der Zwischenzeit nicht geöffnet werden dürfen.
Es spricht nichts dafür, dass der Normgeber mit seinem Schweigen zur Verwahrung der eingetroffenen Freiumschläge diese ohne Sicherung dem Zugriff Unbefugter aussetzen wollte. Ein besonderer Verschluss der eingetroffenen Briefwahlunterlagen ist vielmehr nach der Intention des Normgebers geboten. Der Verschluss ist zum Schutz einer fehlerfreien Wahl sogar wichtiger als bei der Urne im Wahlraum, weil diese stets unter der Aufsicht zweier Personen zu stehen hat. Da die wochenlange ununterbrochene Bewachung der Briefwahlunterlagen durch zwei Aufsichtspersonen unverhältnismäßig wäre und auch das einzelne Mitglied des Wahlvorstands, das die Freiumschläge verwahrt, nicht Tag und Nacht im Dienst bleiben könnte, kommt es auf einen Verschluss an, dem anzusehen ist, dass er unversehrt ist. Das könnte ein verschlossenes Behältnis sein, das für Wahlmanipulationen aufgebrochen werden müsste, oder eine versiegelte Urne, bei der ein Siegelbruch sichtbar wäre. Das Abschließen des Büros zu den Zeiten, an denen das zur Verwahrung bestimmte Mitglied des Wahlvorstands nicht anwesend ist, reicht jedenfalls nicht aus. Denn es gibt in der Dienststelle Personen, die sich mit ihrem Schlüssel Zutritt zum Büro verschaffen können. Befinden sich auf den unverschlossen im Büro aufbewahrten Freiumschlägen die Absenderangaben (die hier nach der Behauptung des Beteiligten zu 1 oftmals von den Wählenden hinzugefügt worden seien), könnten Interessierte diejenigen Freiumschläge entfernen, bei denen zu vermuten ist, dass ein unliebsamer Kandidat gewählt wurde. Angesichts dessen kommt es nicht auf die Klärung der in der mündlichen Anhörung umstrittenen Frage an, ob die Bürokraft des Schwerbehindertenbeauftragten Publikumsverkehr hatte oder nicht.
Es lässt sich schließlich nicht feststellen, dass durch die beiden Verstöße das Wahlergebnis nicht geändert oder beeinflusst werden konnte (§ 25 BPersVG a.F.). Nach dem Wortlaut des Gesetzes („es sei denn, …“) genügt bereits die theoretische Möglichkeit einer Änderung oder Beeinflussung des Wahlergebnisses, bedarf es keiner tatsächlichen Feststellung (BVerwG, Beschluss vom 24. Februar 2015 – 5 P 7.14 – juris Rn. 21). Eine denkbare Möglichkeit genügt allerdings dann nicht, wenn sie nach der Lebenserfahrung vernünftigerweise nicht in Betracht zu ziehen ist (BVerwG, Beschluss vom 26. November 2008 – 6 P 7.08 – juris Rn. 20, siehe auch BVerwG, Beschluss vom 21. Juli 2009 – 1 WB 18.08 – juris Rn. 34). Das lässt sich hier jedoch nicht feststellen, weder bei dem einen noch bei dem anderen Verstoß.
Zum ersten Verstoß: Der Wahlvorstand hat eine Wahl im Wahlraum mit seiner auf § 19a BPersVWO gestützten Ergänzung vom 23. April 2020 zum Wahlausschreiben nicht ausgeschlossen, sondern die schriftliche Stimmabgabe „ergänzend zur persönlichen Stimmabgabe“ angeordnet. Allen Wahlberechtigten stand somit offen, im Wahlraum oder schriftlich zu wählen. Gemäß Wahlniederschrift gab es 889 Wahlberechtigte, von denen 337 durch Briefwahl wählten und 65 ihre Stimme im Wahlraum abgaben. Es liegt nach der Lebenserfahrung nicht fern, dass eine unbestimmte Anzahl der Wahlberechtigten ihre Stimme zweimal abgaben. Sie könnten am Wahltag vergessen haben, dass sie die Briefwahlunterlagen alsbald nach deren Erhalt ausgefüllt und zurückgesandt hatten. Sie könnten in der Vorstellung zur Wahl gegangen sein, ihre Briefwahlunterlagen würden ausgesondert werden (entsprechend Noll, in: Altvater/Baden/Baunack u.a., BPersVG, 10. Aufl. 2019, § 17 WO Rn. 19). Sie könnten schließlich gehofft haben, den Zählwert ihrer Stimme zu verdoppeln. Der Wahlvorstand beließ es, soweit anhand der Wahlunterlagen erkennbar, bei der Belehrung derjenigen Wahlberechtigten im Wahlraum, die ihre Briefwahlunterlagen nicht mitgebracht hatten, sie dürften nicht doppelt wählen. Verfahrensmäßige Absicherungen zur Vermeidung einer Doppelwahl, die möglich wären (vgl. BVerwG, Beschluss vom 3. März 2003 – 6 P 14.02 – juris Rn. 9 ff.), traf er nicht.
Der Wahlvorstand verstieß außerdem durch die Vernichtung der Freiumschläge gegen die Aufbewahrungspflicht aus § 24 BPersVWO. Der vom Verwaltungsgericht für seine gegenteilige Ansicht angeführte § 18 Abs. 2 Satz 2 BPersVWO betrifft nur die verspätet eingegangenen Briefumschläge. Durch diesen dritten Verstoß gegen eine wesentliche Vorschrift über das Wahlverfahren, die der nachträglichen Kontrolle der ordnungsgemäßen Durchführung der Wahl dient, ist es dem Gericht nicht möglich zu überprüfen, wie oft die Freiumschläge mit von den Wahlberechtigten eigenhändig hinzugefügten Absenderangaben versehen wurden und wie häufig die Freiumschläge insoweit blank blieben. Angesichts der Häufung von Verstößen gegen wesentliche Vorschriften fehlt dem Senat das Vertrauen in die Zuverlässigkeit der vom Wahlvorstand geführten Strichliste über die Stimmabgaben, die zumal nicht nach Art der Stimmabgabe differenziert.
Zum zweiten Verstoß: Nach der Lebenserfahrung kann vernünftigerweise nicht außer Betracht gelassen werden, dass interessierte Personen durch die Entfernung von Freiumschlägen bestimmter Wähler das Wahlergebnis manipulieren wollen. Es ist vom Senat nicht aus der Luft gegriffen, derartige Manipulationen für möglich zu halten. Denn der Normgeber selbst möchte mit seinen detaillierten Vorschriften zum Umgang mit den Wahlurnen im Wahlraum nicht etwa dem zufälligen Verlust, sondern der gezielten Manipulation vorbeugen.
Die Rechtsbeschwerde ist mangels eines Grunds (§ 92 Abs. 1 Satz 2 ArbGG) nicht zuzulassen. Der Beschluss beruht auf zwei selbständig tragenden Erwägungen. Jedenfalls die zum ersten Wahlfehler entschiedenen Rechtsfragen haben keine grundsätzliche Bedeutung (vgl. BAG, Beschluss vom 6. Mai 2015 – 2 AZN 984/14 – juris Rn. 12 f.).