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Entscheidung 9 UF 87/22


Metadaten

Gericht OLG Brandenburg 1. Senat für Familiensachen Entscheidungsdatum 27.09.2022
Aktenzeichen 9 UF 87/22 ECLI ECLI:DE:OLGBB:2022:0927.9UF87.22.00
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen

Tenor

1. Auf die Beschwerde der … vom 17.06.2022 wird der Beschluss des Amtsgerichts Eberswalde vom 02.06.2022 (Az. 3 F 325/21) zu Ziffer 2. erster Absatz des Tenors (betreffend die Regelung des Versorgungsausgleichs für die Anrechte der Antragstellerin bei der …) unter Beibehaltung der übrigen Regelungen der angefochtenen Entscheidung teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Zu Lasten des Anrechts der Antragstellerin bei der …, Versicherungsnummer …, wird im Wege der internen Teilung zugunsten des Antragsgegners ein Anrecht i.H.v. 15,3772 Entgeltpunkten/Ost auf dessen Versicherungskonto bei der … Versicherungsnummer …, bezogen auf den 31.10.2021, übertragen.

Bezüglich des weiteren Anrechts der Antragstellerin bei der …Versicherungsnummer … auf einen Zuschlag an Entgeltpunkten/Ost für langjährige Versicherung mit einem Ausgleichswert von 0,7474 Entgeltpunkten Ost findet ein Wertausgleich bei der Scheidung nicht statt.

2. Es bleibt bei der Kostenentscheidung erster Instanz. Gerichtskosten für die Beschwerde fallen nicht an, eine Erstattung außergerichtlicher Kosten findet nicht statt.

3. Der Beschwerdewert beträgt 2.284 €.

4. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Die gemäß §§ 58 ff. FamFG statthafte und in zulässiger Weise eingelegte Beschwerde der …hat Erfolg. Der Ausgleich der bei der Beschwerdeführerin bestehenden Anrechte der Antragstellerin auf eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung ist abweichend von der insoweit angefochtenen Entscheidung zu regeln. Das Amtsgericht hat unzutreffend allgemeine Entgeltpunkte/Ost sowie solche Entgeltpunkte/Ost, die auf der sogenannten Grundrente beruhen, addiert und insoweit einen einheitlichen Ausgleichswert gebildet.

Auf die nachfolgend dargestellten Gründe hat der Berichterstatter des Senats die Beteiligten bereits mit Verfügung vom 05.08.2022 hingewiesen, ohne dass sich diese dazu noch eingelassen haben.

1.

Nach der Auskunft der … vom 01.03.2022 hat die Antragstellerin in der gesetzlichen Ehezeit des § 3 Abs. 1 VersAusglG (01.06.1980 bis 31.10.2021) folgende auszugleichende Anrechte in der gesetzlichen Rentenversicherung erworben (wobei hier der Einfachheit halber allein die Ausgleichswerte – an deren Korrektheit keine Zweifel bestehen – dargestellt werden):

• Allgemeine Rentenversicherung Entgeltpunkte/Ost 15,3772

• Allgemeine Rentenversicherung Zuschlag an Entgeltpunkten/Ost für langjährige Versicherung 0,7474 (im Folgenden: Grundrentenentgeltpunkte/Ost).

Grundrentenentgeltpunkte bzw. Grundrentenentgeltpunkte/Ost werden wie auch sonstige Entgeltpunkte oder Entgeltpunkte/Ost intern geteilt (§ 10 Abs. 1 VersAusglG). Mit anderen Entgeltpunkten bzw. Entgeltpunkten/Ost sind sie insbesondere nicht gleichartig, § 120f Abs. 2 Nr. 3 SGB VI. Für sie findet deshalb ein gesonderter, im Tenor auszuweisender Teilungsvorgang statt (allg. Ansicht: OLG Braunschweig FamRB 2022, 256 m. zust. Anm. Siede; Ruland NZV 2021, 241, 248; Wick FuR 2021, 78, 80; Bachmann/Borth FamRZ 2020, 1609, 1614), wie auch der Senat jüngst entschieden hat (Beschluss v. 28.07.2022 – 9 UF 79/22).

2.

Daher sind zunächst zugunsten des Antragsgegners im Wege interner Teilung (§ 10 Abs. 1 VersAusglG) an Entgeltpunkten/Ost der allgemeinen Rentenversicherung 15,3772 zu übertragen.

3.

Von der an sich gebotenen weiteren Übertragung von Grundrentenentgeltpunkten/Ost ist dagegen im Wertausgleich bei der Scheidung abzusehen, da dieses Anrecht nicht ausgleichsreif im Sinne des § 19 Abs. 2 Nr. 3 VersAusglG ist. Dafür ist zu berücksichtigen, dass der ausgleichsberechtigte Antragsgegner letztendlich keine Rentenzahlung aus den ihm im Falle interner Teilung (§ 10 Abs. 1 VersAusglG) zu übertragenden Grundrentenentgeltpunkten/Ost erhalten würde.

a.

Die sog. Grundrente ist als Zuschlag an Entgeltpunkten konzipiert, wobei der aus dem Zuschlag resultierende Zahlbetrag einer besonderen Einkommensanrechnung unterliegt. Nach § 97a Abs. 1 SGB VI wird auf den Rentenanteil aus dem Zuschlag an Grundrentenentgeltpunkten das Einkommen des Berechtigten (und seines Ehegatten) nach besonderen Einkommensanrechnungsregeln (§ 97a Abs. 4 SGB VI) angerechnet. Die Grundrente wird also nicht stets ausgezahlt, sondern nur, soweit angesichts der anzurechnenden Einkünfte ein Grundrentenbedarf besteht.

Schematisch ist dabei wie folgt vorzugehen:

• Übersteigt das anrechenbare Einkommen monatlich das 36,56fache des aktuellen Rentenwerts, werden 60 % angerechnet (§ 97a Abs. 4 S. 2 SGB VI);

• Anrechenbares Einkommen, das monatlich das 46,78fache des aktuellen Rentenwerts übersteigt, wird in voller Höhe (also zu 100 %) angerechnet (§ 97a Abs. 4 S. 3 SGB VI).

Angeknüpft wird dabei aus Vereinfachungsgründen allein an den aktuellen Rentenwert, nicht auch an den aktuellen Rentenwert/Ost (vgl. Kirsch in: LPK-SGBVI § 97a Rn. 18). Aufgrund des zugrunde zu legenden aktuellen Rentenwerts sind die zu ermittelnden Einkommensgrenzen zudem dynamisch (vgl. auch Kisch a.a.O.); beispielsweise haben sich diese mit der Renten(wert)erhöhung vom 01.07.2022 ebenfalls erhöht. Die zu rundenden aktuellen Werte betragen daher

• für die 60 %-Regel des § 97a Abs. 4 S. 2 SGB VI (36,56 x 36,02) 1.317 €;

• für die 100 %-Regel des § 97a Abs. 4 S. 3 SGB VI (46,78 x 36,02) 1.685 €.

b.

Vorliegend fehlt für den Antragsgegner angesichts dessen, dass er bereits eine Altersrente aus der gesetzlichen Rente bezieht, eine Berechnung sämtlicher von ihm erworbener Entgeltpunkte bzw. Entgeltpunkte/Ost (vgl. Bl. 21 ff. VA Heft). Zudem ist offen, inwieweit der Antragsgegner neben der bezogenen Altersrente über weitere anzurechnende Einkünfte verfügt.

Jedoch ist bekannt, dass der Antragsgegner ab dem 01.07.2021 eine monatliche Bruttorente der gesetzlichen Rentenversicherung von 2.014,84 € bezogen hat (vergleiche die zur Akte gereichte Rechtsauskunft zur Rentenanpassung zum 01.07.2021, Bl. 9 VA Heft). Dem liegen Entgeltpunkte/Ost (welche der Antragsgegner angesichts seiner Vita allein erworben haben wird) von insgesamt 60,1984 zugrunde:

• 2.104,84 € Rente : 33,47 (allgemeiner Rentenwert/Ost ab 01.07.2021) = 60,1984 Entgeltpunkte/Ost.

Infolge des Versorgungsausgleichs verliert der Antragsgegner an Entgeltpunkten/Ost:

• Ausgleichspflicht an Entgeltpunkten/Ost 27,1887

• Ausgleichsberechtigung an Entgeltpunkten/Ost 15,3772

• Differenz = Verlust Antragsgegner 11,8115.

Damit verbleiben dem Antragsgegner noch (60,1984 – 11,8115) 48,3869 Entgeltpunkte/Ost. Bei einem aktuellen Rentenwert/Ost von 35,52 € (seit 01.07.2022) ergibt sich daraus gegenwärtig ein Rentenanspruch in Höhe von rd. 1.719 € (brutto).

Zu erwarten hat der Antragsgegner aus den ihm an sich zu übertragenden Grundrentenentgeltpunkten/Ost von 0,7474 im Grundsatz eine Rente von (35,52 x 0,7474) rd. 27 €, die aber aufgrund der dargestellten Einkommensanrechnungsregelungen erkennbar nicht ausbezahlt würde. Ob der Antragsgegner über seine gesetzliche Rente hinaus noch weitere anzurechnende Einkünfte bezieht, kann daher dahinstehen.

c.

Wird aufgrund der Einkommensanrechnung keine Rentenzahlung aus den übertragenen Grundrentenentgeltpunkten erfolgen, würde sich ein Ausgleich nicht zugunsten des Ausgleichsberechtigten auswirken und somit für ihn unwirtschaftlich im Sinne des § 19 Abs. 2 Nr. 3 VersAusglG sein. Der Senat folgt darin den hierzu bislang ergangenen obergerichtlichen Entscheidungen (erstmals OLG Frankfurt so in 2 in FamRB 2022, 300 veröffentlichten Entscheidungen; ferner OLG Bamberg v. 10.08.2022 – 2 UF 88/22; OLG Oldenburg v. 04.08.2022 – 11 UF 76/22).

Ob dagegen die Antragstellerin ihrerseits eine Grundrente beziehen wird, ist angesichts ihrer zu erwartenden Versorgungsansprüche zweifelhaft:

 • bislang insgesamt erworbene

 Entgeltpunkte/Ost

 30,7544

 • zzgl. Versorgungsausgleich

 Entgeltpunkte/Ost

 11,8115

 • Summe

        

 42,5659

 • Rente (aktueller Rentenwert/Ost 35,52)

        

 1.512 €.

Letztendlich ist diese Beurteilung aber dem Ausgleich nach der Scheidung vorzubehalten (OLG Frankfurt v. 13.06.2022 – 7 UF 183/21, FamRB 2022, 300).

d.

Vorsorglich wird noch darauf hingewiesen, dass angesichts des für die Grundrentenentgeltpunkte/ Ost mitgeteilten korrespondierenden Kapitalwerts von 5.468,64 € (Bl. 24 VA Heft) ein Ausschluss wegen Geringfügigkeit nach § 18 Abs. 2, Abs. 3 VersAusglG wegen Überschreitung der Geringfügigkeitsgrenze von 3.948 € (Ehezeitende in 2021) erkennbar nicht vorliegt (zur grundsätzlichen Verneinung der Anwendung des § 18 Abs. 2 VersAusglG in solchen Konstellationen BGH FamRZ 2012, 192; i.Ü. speziell zu geringfügigen Grundrentenentgeltpunkten OLG Braunschweig FamRB 2022, 256).

II.

Die Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 150 FamFG, 20 Abs. 1 S. 1, 40, 50 Abs. 1 S. 1 FamGKG. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen, weil die Beurteilung des gesonderten Ausgleichs der Grundrentenentgeltpunkte sowie die Frage der Anwendung des § 19 Abs. 2 Nr. 3 VersAusglG in der obergerichtlichen Rechtsprechung - soweit bekannt - bislang einheitlich behandelt wird und der Senat hiervon nicht abweicht.

Die schriftliche Entscheidung beruht auf § 68 Abs. 3 S. 2 FamFG. Von einer erneuten Durchführung der Anhörung sind neue Erkenntnisse voraussichtlich nicht zu erwarten.