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Entscheidung 3 W 60/21


Metadaten

Gericht OLG Brandenburg 3. Zivilsenat Entscheidungsdatum 30.08.2022
Aktenzeichen 3 W 60/21 ECLI ECLI:DE:OLGBB:2022:0830.3W60.21.00
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen

Tenor

Auf die Beschwerde der Beklagten vom 30.04.2021 wird der Beschluss des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 29.3.2021 geändert und der Streitwert für das Berufungsverfahren auf 1.000 € festgesetzt.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet.

Gründe

I.

Das Amtsgericht Strausberg hat die Beklagte als Alleinerbin verurteilt, den Klägerinnen Auskunft gemäß § 2314 Abs. 1 BGB über den Bestand des Nachlasses zu erteilen. Es hat den Streitwert im Hinblick auf das in der Klageschrift angegebene Interesse der Klägerinnen auf 3.000,00 € festgesetzt. Gegen dieses Urteil hat die Beklagte Berufung bei dem Landgericht Frankfurt (Oder) eingelegt und den vorläufigen Streitwert in der Berufungsschrift mit 1.000,00 € beziffert. Nach der außergerichtlichen Einigung der Parteien hat das Landgericht mit dem angefochtenen Beschluss den Streitwert für die Berufungsinstanz auf 3.000,00 € festgesetzt. In der Beschwerdeschrift führt die Beklagte aus, dass nach ständiger Rechtsprechung der Streitwert für die Berufungsinstanz bei ausgeurteiltem Auskunftsanspruch nicht einfach der Klagewert sei, sondern für die Bemessung des Streitwerts das Interesse des Rechtsmittelführers maßgebend sei, die Auskunft nicht erteilen zu müssen. Dabei sei abgesehen von einem besonderen Geheimhaltungsinteresse auf den Aufwand der Zeit und Kosten abzustellen, den eine sorgfältige Erteilung der Auskunft erfordere.

Das Landgericht hat die Beklagte mit Verfügung vom 25.5.2021 darauf hingewiesen, dass nach seiner Auffassung sich der Gebührenstreitwert auch im Berufungsverfahren nach dem Interesse des Klägers richte. Deshalb sei der nach §§ 47, 48 GKG i.V.m. § 3 ZPO festzusetzende Gebührenstreitwert ausgehend von dem maßgeblichen Vortrag der Klägerinnen mit 3.000,00 € anzusetzen. Hieran ändere der Umstand nichts, dass sich die für die Zulässigkeit der Berufung maßgebliche Rechtsmittelbeschwer gegen die Verpflichtung zur Auskunftserteilung sich nach dem Interesse des Rechtsmittelführers bemisst, die Auskunft nicht zu erteilen. Mit Beschluss vom 7.6.2021 hat das Landgericht der Beschwerde nicht abgeholfen und zur Begründung im Wesentlichen auf seinen Hinweis vom 25.5.2021 verwiesen.

II.

1.

Die Beschwerde ist statthaft gemäß § 68, Abs. 1 S. 1 GKG. Sie ist auch im Übrigen zulässig.

Sie ist insbesondere fristgerecht eingelegt und die Beschwer der Beklagten ist höher als 200,00 €. Maßgeblich ist die materielle Beschwer, also ob die Streitwertfestsetzung die Rechtsposition des Beschwerdeführers beeinträchtigt oder sonst für ihn belastend wirkt (BeckOK KostR/Laube, 36. Ed. 1.1.2022, GKG § 68 Rn. 45). Dieser Wert errechnet sich nicht aus der Differenz der Streitwerte, sondern der Gebühren, mit denen der Beschwerdeführer belastet wird; mithin ist das Kosteninteresse des Beschwerdeführers entscheidend (BDZ/Zimmermann, 5. Aufl. 2021, GKG § 68 Rn. 6; OLG Karlsruhe JurBüro 2005, 542). Nach der Kostenentscheidung des Landgerichts hat die Beschwerdeführerin die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Klägerinnen zu tragen. Danach ergibt sich eine Beschwer der Beklagten von 236,41 €.

Zu Lasten der Beklagte fallen folgende Gebühren an:

 Gerichtskosten gemäß GKG KV 1220, 1221:

 1 Gebühr

 Streitwert bis 3.000,00 €:

 119,00 €

 Streitwert bis 1.000,00 €:

 58,00 €

 Differenz:

 61,00 €

 Anwaltskosten gemäß RVG VV 3200, 3201:

 1,1 Verfahrensgebühr

 Streitwert bis 3.000,00 €:

 244,20 €

 zzgl. MwSt:

 290,60 €

 Streitwert bis1.000,00 €:

 96,80 €

 zzgl. MwSt:

 115,19 €

 Differenz

                

 175,41 €

2.

Die Beschwerde ist auch begründet.

Der Senat bemisst den Gebührenstreitwert in der Rechtsmittelinstanz gemäß §§ 47 Abs. 1, 48 GKG i.V.m. § 3 ZPO im Gleichlauf mit der Beschwer des zur Erteilung der Auskunft verurteilten Rechtsmittelführers (vgl. KG NJOZ 2001, 2129; BGH NJW 2002, 3477, BGH, Beschluss vom 15.02.2022 – XI ZR 380/20 - BeckRS 2022, 3553).

a)

Der nach §§ 511 Abs. 2 Nr. 1, 544 Abs. 2 Nr. 1, 567 Abs. 2 ZPO für die Rechtsmittelzulässigkeit maßgebliche Beschwerdewert wird gem. § 2 ZPO nach den §§ 3–9 ZPO bestimmt. Für die Bestimmung der Beschwer gemäß §§ 2, 3 ZPO wird nach wohl nahezu einhelliger Ansicht auf das Angriffsinteresse des zur Auskunftserteilung verurteilten Rechtsmittelführers abgestellt. Das Angriffsinteresse des Beklagten, der sich mit einem Rechtsmittel gegen seine Verurteilung zur Auskunftserteilung wendet, entspricht seinem Interesse, die Auskunft nicht erteilen zu müssen. Sein Interesse, die von dem Kläger letztlich angestrebte Leistung nicht erbringen zu müssen, bleibt unberücksichtigt, weil dieses durch die Verurteilung zur Auskunft, die für den Grund des Hauptanspruchs keine Rechtskraft schafft, nicht berührt wird (BeckOK KostR/Toussaint, 36. Ed. 1.1.2022, GKG § 48 Rn. 21.2; BGH, Urteil vom 2.6.1993 – IV ZR 211/92 – BeckRS 1993, 3238; Beschluss vom 28.10.2010 – III ZB 28/10 – BeckRS 2010, 27752; ZEV 2012, 149, jeweils mwN,). Dieses Interesse ist nach dem Aufwand an Zeit und Kosten zu bewerten, den die sorgfältige Erteilung der geschuldeten Auskunft erfordert, wobei grundsätzlich auf die Stundensätze zurückgegriffen werden kann, die der Auskunftspflichtige als Zeuge in einem Zivilprozess erhalten würde (BeckOK KostR/Toussaint, 36. Ed. 1.1.2022, GKG § 48 Rn. 21.2 m.w.N.). Wenn schützenswerte wirtschaftliche Interessen des zur Auskunft Verpflichteten gefährdet werden können, kommt noch das Geheimhaltungsinteresse hinzu (BeckOK KostR/Toussaint, 36. Ed. 1.1.2022, GKG § 48 Rn. 21.2 m.w.N.).

b)

Ob diese Grundsätze gleichermaßen auch für die Bemessung des Gebührenstreitwerts gemäß §§ 47, 48 GKG i.V.m. § 3 ZPO gelten, ist indessen umstritten.

aa)

Nach gelegentlich vertretener Ansicht soll für den Gebührenstreitwert des Rechtsmittelverfahrens nur das der Anfechtung unterliegende Klägerinteresse maßgeblich sein, so dass im Rechtsmittelverfahren des zur Auskunft verurteilten Beklagten der Gebührenstreitwert nicht seiner Beschwer, sondern dem (regelmäßig deutlich höheren) Angriffsinteresse des Klägers entsprechen soll (vgl. Elzer in Toussaint, Kostenrecht, 52. Auflage 2022, § 47 Rn. 14; Nissen/Elzer, MDR 2021, 1161; OLG Stuttgart, Beschluss vom 21.09.2000 – 3 U 268/99 - BeckRS 2000, 30132921). Wenn das Rechtsmittel nach Erreichen der Beschwerdesumme einmal zulässig eröffnet sei, könne es für die Bemessung des in der Berufungsinstanz ausgetragenen Streites nur einen einheitlichen Streitwert geben. Dieser Streitwert sei jedenfalls dann nach dem Interesse des Klägers an der Auskunft zu bemessen, wenn dieses Interesse höher zu bewerten ist als das Interesse des Beklagten, die Auskunft nicht zu erteilen. Das müsse schon deshalb so sein, weil das Auskunftsverlangen des Klägers voll zur Überprüfung stehe und unter Aufhebung des angefochtenen Urteils auch abgewiesen werden könnte OLG Hamm a.a.O.). Weshalb dieser Streitwert sich nur noch an dem Interesse des Beklagten orientieren soll, wenn die Berufung von der Beklagtenseite eingelegt wird, vermöge nicht einzuleuchten (OLG Stuttgart a.a.O.).

Nissen/Elzer (a.a.O.) meinen, es handele sich, auch wenn die beklagte Partei der Rechtsmittelführer ist, um dasselbe Interesse und notwendig den identischen Streitgegenstand. Für die Ermittlung des Gebührenstreitwerts sei nach § 47 Abs. 1 S. 1 GKG erstens der Antrag des jeweiligen Rechtsmittelführers maßgeblich. Der Gebührenstreitwert des Rechtsmittelverfahrens für die klagende Partei und die beklagte Partei seien danach bei der Auskunftsklage grundsätzlich identisch. Es handele sich nämlich um zwei Seiten einer Medaille, um dasselbe Interesse und den identischen Streitgegenstand (Nissen/Elzer a.a.O.). Aus § 47 Abs. 2 GKG folge, dass nur die klagende Partei den Streitgegenstand bestimme. Es gehe um die Vernichtung des in erster Instanz erfolgreichen Angriffs (Nissen/Elzer a.a.O.).

Zweitens sei für die Ermittlung des Gebührenstreitwerts nach § 47 Abs. 1 S. 1, S. 2 GKG die Beschwer des jeweiligen Rechtsmittelführers grundsätzlich irrelevant. Sie sei nur dann maßgeblich, wenn der Rechtsmittelführer ausnahmsweise keinen Antrag stelle. § 47 Abs. 1 GKG differenziere in seinen Sätzen ausdrücklich zwischen den Anträgen des Rechtsmittelführers (Satz 1) und der – subsidiären – Beschwer (Satz 2). § 47 Abs. 1 Satz 2 GKG wäre teilweise überflüssig und insoweit nicht zu verstehen, sollte für die beklagte Partei immer der Wert ihrer Beschwer streitwertbestimmend sein (Nissen/Elzer a.a.O).

bb)

Dagegen überträgt der BGH die für die Rechtsmittelzulässigkeit maßgeblichen Gesichtspunkte auf den Gebührenstreitwert nach § 47 Abs. 1 Satz 1 GKG und setzt diesen regelmäßig auf den Wert der Beschwer fest, zumeist jedoch ohne dies näher zu begründen (vgl. z.B. BGH VIII. Zivilsenat, Beschluss vom 05.10.2021 – VIII ZB 68/20).

Den Gebührenstreitwert hat der BGH schon zu § 14 GKG in der bis zum 30.6.2004 geltenden Fassung, die in den beiden ersten Absätzen mit dem Wortlaut des § 47 Abs. 1, 2 GKG übereinstimmt, in seinem Beschluss vom 03.07.2002 - IV ZR 191/01- (NJW 2002, 3477) für das Rechtsmittel des zur Auskunft verurteilten Beklagten nach dessen Interesse, die Auskunft nicht erteilen zu müssen, bestimmt. Zur Begründung ist in dem Beschluss ausgeführt, das Interesse des Beklagten, mit Hilfe der Revision (des Rechtsmittels) die Durchsetzung des Hauptanspruchs zu verhindern, gehe über den unmittelbaren Gegenstand der angegriffenen Entscheidung hinaus und müsse daher hier außer Betracht bleiben. Dem Beklagten stehen nach einer Verurteilung zur Zahlung die dann eröffneten Rechtsmittel zu. An dieser Rechtsprechung hat der BGH festgehalten (vgl. BGH, Beschluss vom 15.02.2022 – XI ZR 380/20 - BeckRS 2022, 3553).

cc)

Der Senat folgt der Ansicht des BGH. Nach § 47 Abs. 1 S. 1 GKG bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Maßgeblich ist mithin das Rechtsschutzziel des Rechtsmittelführers. Ausgehend von dem Grundgedanken, dass derjenige, der aktiv ein bestimmtes Rechtsschutzziel erstrebt, den Gegenstand und damit den Wert des jeweiligen Verfahrens bestimmt, ist es folgerichtig, den Wert eines Rechtsmittelverfahrens nicht an das erstinstanzliche Begehren des Klägers oder Antragstellers zu knüpfen, sondern vom konkreten Rechtschutzziel des Rechtsmittelführers abhängig zu machen, gleichgültig, ob er im ersten Rechtszug die Rolle des angreifenden Klägers oder Antragstellers oder die des abwehrenden Beklagten bzw. Antragsgegners innehatte (vgl. BeckOK KostR/Schindler, 38. Ed. 1.7.2022, GKG § 47 Rn. 1). Es handelt sich mithin bei dem Angriffsinteresse der verurteilten beklagten Partei und dem Interesse der klagenden Partei nicht in jedem Fall um zwei Seiten derselben Medaille. Entscheidend für die Bewertung ist vielmehr, welches konkrete Rechtsschutzziel der Rechtsmittelführer mit dem Rechtsmittel im Einzelfall erreichen kann.

Mit dem Rechtsmittel gegen eine Verurteilung zur Auskunft kann der Beklagte ein über seine Beschwer durch die Mühewaltung bei Auskunftserteilung hinausgehendes Rechtsschutzziel nicht erreichen. Soweit bei einer Verurteilung zur Auskunft in der angefochtenen Entscheidung der Grund des Hauptanspruchs bejaht wird, entfaltet die Entscheidung bezüglich dieses Grundes keine Rechtskraft und auch keine Bindungswirkung im Sinne von § 318 ZPO für das erkennende Gericht (vgl. BGH, Beschluss vom 15.02.2022 – XI ZR 380/20 - BeckRS 2022, 3553). Das weitergehende Interesse, die von dem Kläger mit der Auskunftsklage angestrebte und vorbereitete Durchsetzung des Hauptanspruchs zu verhindern oder zu erschweren, bleibt deshalb außer Betracht. Denn dieses Interesse geht über den unmittelbaren Gegenstand der angefochtenen Entscheidung hinaus (BGH a.a.O.).

Auch aus § 47 Abs. 1 S. 2 GKG lässt sich Gegenteiliges nicht entnehmen. Die Bestimmung des Gebührenstreitwerts nach § 47 Abs. 1 S. 1 GKG erfolgt gemäß § 48 Abs. 1 GKG, 3 ZPO anhand des Zeit- und Kostenaufwands des zur Auskunft verurteilten Beklagten, wenn dieser den entsprechenden Antrag auf Änderung des angefochtenen Urteils und Abweisung der Klage stellt. Dass hier die für die Zulässigkeit des Rechtsmittels erforderliche Beschwer und der Gebührenstreitwert übereinstimmen, dürfte dem Regelfall entsprechen, wenn der Beklagte mit der Berufung die Klageabweisung beantragt. Dagegen betrifft § 47 Abs. 1 S. 2 GKG den Sonderfall, dass die Rechtsmittelinstanz endet, ohne dass der Rechtsmittelführer einen Antrag oder eine fristgebundene Rechtsmittelbegründung eingereicht hat. Dann ist mangels eines Bezugspunkts für die Bestimmung des Streitwerts nach § 47 Abs. 1 S. 1 GKG auf die Beschwer abzustellen. Rückschlüsse für eine einschränkende Auslegung des § 47 Abs. 1 S. 1 GKG lassen sich mithin aus § 47 Abs. 1 S. 2 GKG nicht ziehen.

Dasselbe gilt für die Argumentation mit § 47 Abs. 2 GKG. Hier wird bestimmt, dass in der Rechtsmittelinstanz der Streitwert durch den Wert des Streitgegenstands in der ersten Instanz begrenzt wird, wenn der Streitgegenstand nicht erweitert wird. Da der Kläger oder Antragsteller den Streitgegenstand bestimmt und das Gericht nicht berechtigt ist, eine die Grenzen des Streitgegenstandes überschreitende Entscheidung zu erlassen, kann sich die Abwehr des Beklagten oder Antragsgegners auch im Rechtsmittelzug höchstens auf den Streitgegenstand insgesamt beziehen. Folglich kann der Wert des Berufungsverfahrens nicht höher sei, auch wenn der Beklagte bzw. der Antragsgegner der Rechtsmittelführer ist (vgl. BeckOK KostR/Schindler, 38. Ed. 1.7.2022, GKG § 47 Rn.18). Die Norm legt damit lediglich eine Obergrenze für den Streitwert der Rechtsmittelinstanz fest, die der durch den Antrag des Klägers in der Vorinstanz bestimmte Streitgegenstand bildet. Daraus lässt sich nicht der Rückschluss ziehen, dass deshalb der Antrag des Klägers für den Streitwert der Rechtsmittelinstanz bestimmend ist. Dem steht der eindeutige Wortlaut des § 47 Abs. 1 S. 1 GKG entgegen, nach dem es auf den Antrag des Rechtsmittelführers ankommt.

c)

Die Beschwerdeführerin hat ihren Aufwand für die Auskunftserteilung mit 1.000,00 € beziffert. Der Senat sieht keine Anhaltspunkte für eine davon abweichende Bewertung.

3.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 68 Abs. 3 GKG.