Gericht | LArbG Berlin-Brandenburg 26. Kammer | Entscheidungsdatum | 29.08.2022 | |
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Aktenzeichen | 26 Ta 1171/21 | ECLI | ECLI:DE:LAGBEBB:2022:0829.26TA1171.21.00 | |
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 17a GVG, § 2 ArbGG, § 5 ArbGG, § 80 InsO, § 108 InsO, § 35 GmbHG, § 395 FamFG |
1. Die Organstellung des Organs einer juristischen Person bleibt durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens unberührt (vgl. BGH 26. Januar 2006 - IX ZR 282/03, Rn. 6).
Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens macht aus gesetzlichen Vertretern der Schuldnerin keine Arbeitnehmer im Sinne des Arbeitsgerichtsgesetzes (vgl. BAG vom 4. Februar 2013 – 10 AZB 78/12, Rn. 14).
2. Nachträgliche zuständigkeitsbegründende Umstände sind auch dann zu berücksichtigen, wenn ein zum Zeitpunkt der Klageerhebung vor dem Arbeitsgericht noch nicht abberufener Geschäftsführer vor einer rechtskräftigen Entscheidung über die Rechtswegzuständigkeit abberufen wird.
Damit entfällt die Fiktionswirkung des § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG (vgl. BAG 22. Oktober 2014 – 10 AZB 46/14, Rn. 26).
3. Der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten ist regelmäßig ausgeschlossen, wenn der Kläger Mehrheitsgesellschafter ist.
Das gilt insbesondere auch dann, wenn er diese Stellung durch die Einziehung von Geschäftsanteilen erlangt hat.
4. Durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens scheidet ein Mehrheitsgesellschafter nicht aus dem Arbeitgeberlager aus.
Ebenso wie die Eröffnung des Insolvenzverfahrens aus gesetzlichen Vertretern der Schuldnerin keine Arbeitnehmer im Sinne des Arbeitsgerichtsgesetzes macht (vgl. BAG 4. Februar 2013 – 10 AZB 78/12, Rn. 14), verändert die Beschränkung des Einflusses des Mehr-heitsgesellschafters durch § 80 InsO den sich aus der Gesellschafterstellung ergebenden Arbeitgeberbezug nicht.
Für Auseinandersetzungen im Arbeitgeberlager sind die Arbeitsgerichte nicht zuständig (vgl. BAG 4. Februar 2013 – 10 AZB 78/12, Rn. 9).
5. Dem Vorliegen einer "arbeitnehmerähnlichen Person" steht bei einem Geschäftsführer einer Kapitalgesellschaft regelmäßig dessen gesamte soziale Stellung entgegen.
Die als Geschäftsführer geleisteten Dienste sind ihrer sozialen Typik nach hier nicht mit denen eines Arbeitnehmers vergleichbar. Dies ergibt sich bereits aus der mit seinem Amt verbundenen Rechtsstellung. Er nimmt Arbeitgeberfunktionen wahr und ist deshalb keine arbeitnehmerähnliche, sondern eine im Arbeitgeberlager stehende Person (vgl. BAG 8. Februar 2022 – 9 AZB 40/21, Rn. 24, für eine im Zeitpunkt der Entscheidung abberufene Geschäftsführerin).
6. Das gilt erst recht für Mehrheitsgesellschafter einer GmbH, bei denen es sich regelmäßig nicht um arbeitnehmerähnliche Personen handelt (Germelmann/Müller-Glöge § 5 ArbGG Rn. 33), auch wenn sie inzwischen als Geschäftsführer abberufen worden sind. Aus dem Arbeitgeberlager ist er damit nicht ausgeschieden.
1. Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Berlin vom 30. Juni 2021 – 37 Ca 5220/21 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
2. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
I.
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung, Gehälter nebst Zinsen, Erstattung von Reisekosten, die „Zahlung“ von „Urlaubsausgleichsansprüchen“, Freistellung von Mobilfunkkosten, Feststellung der Unwirksamkeit des durch den Beklagten ausgesprochenen Hausverbots, Zugang zu den Geschäftsräumen, und in diesem Zusammenhang über die Zulässigkeit des Rechtsweges zu den Gerichten für Arbeitssachen.
Die Insolvenzschuldnerin führt Schulungen ua auf der Grundlage von Bildungsgutscheinen durch.
Nach einem durch den Beklagten vorgelegten Dienstvertrag vom 1. Dezember 2014 war der Kläger bei der Insolvenzschuldnerin als Geschäftsführer angestellt. Im Rahmen des Beschwerdeverfahrens hat der Kläger einen durch ihn und einen Geschäftsführer S. angeblich am 26. Februar 2015 zum 1. März 2015 geschlossenen weiteren Vertrag vorgelegt. Der letzte Absatz des vorgelegten Dokuments lautet:
„Die in diesem Vertrag getroffenen Vereinbarungen regeln die Vertragsbeziehungen der Parteien abschließend. Nebenabreden wurden nicht getroffen.“
Dem vorgelegten Handelsregisterauszug ist zu entnehmen, dass Geschäftsführerin der F. bis zur Übernahme der Geschäftsführung durch den 1961 geborenen Kläger (Eintragung des Klägers am 5. Januar 2015) die 1963 geborene Frau D. war. Am 16. Juni 2016 ist die Abberufung des Klägers und die Bestellung des 1984 geborenen Herrn S. als Geschäftsführer in das Handelsregister eingetragen worden. Dessen Abberufung und die erneute Eintragung des Klägers im Handelsregister als Geschäftsführer ist am 31. Juli 2018 erfolgt.
Einen Anstellungsvertrag in Bezug auf die 2018 erneut erfolgte Bestellung zum Geschäftsführer haben – ungeachtet der Aufforderung durch das Gericht - weder der Kläger noch der Beklagte vorgelegt.
Über das Vermögen der Gemeinschuldnerin, die am 12. März 2015 als GmbH in das Handelsregister eingetragen wurde, ist durch Beschluss des Amtsgerichts vom 1. September 2020 das Insolvenzverfahren eröffnet worden.
Am 4. Dezember 2021 ist die Eintragung des Klägers als Geschäftsführer „mangels einer wesentlichen Voraussetzung gemäß § 395 FamFG“ im Handelsregister von Amts wegen gelöscht worden.
Der Kläger führte nach seiner eigenen Darstellung sämtliche Schulungen für die PDL-Ausbildung und die QM-Ausbildung in eigener Regie durch. Er hat die Schulungsunterlagen erstellt. Die Zertifizierung ist auf seinen Namen akkreditiert.
Mit E-Mail vom 30. März 2021 sprach der Beklagte dem Kläger ein Hausverbot aus und tauschte die Schlösser aus.
Der Beklagte kündigte dem Kläger mit einem am 3. Mai 2021 zugegangenen Schreiben sodann außerordentlich. In dem Schreiben heißt es ua:
„... hiermit kündigen wir Ihr Arbeitsverhältnis mit der Schuldnerin fristlos, hilfsweise ordentlich zum 31.07.2021, hilfsweise zum nächstmöglichen Termin.
Ihre gesellschaftsrechtliche Stellung als Geschäftsführer und Ihre insolvenzrechtlichen Pflichten bleiben von dieser Kündigung unberührt.“
Das Arbeitsgericht hat den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen mit Beschluss vom 30. Juni 2021 für unzulässig erklärt und das damit begründet, dass der Kläger eingetragener Geschäftsführer der Gemeinschuldnerin sei. Damit gelte er nicht als Arbeitnehmer. Der Kläger hat gegen den ihm am 9. Juli 2021 zugestellten Beschluss mit einem am 22. Juli 2021 am Arbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz sofortige Beschwerde eingelegt. Zur Begründung der Beschwerde trägt er vor, er habe neben seiner Gesellschafterstellung ab dem 1. März 2015 einen Arbeitsvertrag als Direktor gehabt. Als solcher sei er zuständig gewesen für Organisationstätigkeiten zur pädagogischen Leitung des Unternehmens, Personalentwicklung und Weiterbildung, strategische Planung von Unterrichtsseminaren und Vorträgen, Entwicklung von Unterrichtsunterlagen und Vorbereitung der AZAV Zertifizierung, sowie der Stellvertretung der Geschäftsführung. Die durch ihn geltend gemachten Bezüge bezögen sich auch auf die Arbeitnehmerstellung. Auch die Kündigung beziehe sich nicht auf seine „gesellschaftliche Stellung“. Sie sei so auszulegen, dass sie sich ausschließlich auf die Tätigkeit als Direktor beziehe. Daher sei er nach § 5 ArbGG als Arbeitnehmer anzusehen. Der Kläger hat in der Beschwerdeinstanz insoweit zunächst einen undatierten und nicht unterzeichneten Anstellungsvertrag vorgelegt. Dem Kläger wurde aufgegeben, den zur Akte gegebenen Anstellungsvertrag im Original zur Akte zu reichen, dh mit Datum und Unterschriften versehen, sowie die Geschäftsführerdienstverträge aus der Zeit seit dem 1. Januar 2015. Daraufhin hat der Kläger den durch einen „Geschäftsführer S.“ und ihn unterzeichneten und auf den 26. Februar 2015 datierten Anstellungsvertrag übersandt.
Der Beklagte beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen. Er beruft sich darauf, dass der Kläger eingetragener Geschäftsführer sei und daher nicht als Arbeitnehmer gelte, sondern als gesetzlicher Vertreter. Der durch den Kläger vorgelegte Vertrag sei ihm nicht bekannt. Ihm – dem Beklagten – habe der Kläger nur den Geschäftsführervertrag vom 1. Dezember 2014 vorgelegt (zwischen der F. und dem Kläger) mit einer Jahresvergütung über 12.000 Euro. Die Kündigung vom 21. April 2021 habe sich auf den ihm bekannten Geschäftsführervertrag bezogen. Außerdem sei zu berücksichtigen, dass der Kläger 40 vH (von 60 vH) der Geschäftsanteile besitze und daher qualifizierter Mehrheitsgesellschafter sei. Damit sei er nicht Arbeitgeber iSd. § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG, sondern weisungsunabhängiger Geschäftsführer. Daher habe die Bundesagentur für Arbeit ihn auch von der Insolvenzgeldfinanzierung ausgenommen. Ein Gesellschaftsvertrag liege ihm nicht vor. Auf die nochmalige Anfrage bei dem Beklagten hat dieser erklärt, die Kündigung vom 21. April 2021 habe sich auf die Anstellung als Geschäftsführer bezogen. Unberührt „bleibe die gesellschaftliche Stellung des Klägers als Geschäftsführer“. Er sei auch weiterhin Mehrheitsgesellschafter, da ein Teil der Gesellschaftsanteile eingezogen worden sei. Der Kläger sei als Gesellschafter im Besitz des Gesellschaftsvertrages. Er habe den Gesellschaftsvertrag seinem Zugriff (dem Zugriff des Beklagten) entzogen. Die Anstellung des geschäftsführenden Gesellschafters führe nicht dazu, dass dieser Arbeitnehmer nach § 5 Satz 1 ArbGG werden.
Das Arbeitsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen. Ein gesondertes Rechtsverhältnis sei nicht ersichtlich.
II.
Die zulässige Beschwerde des Klägers ist unbegründet. Der Zuständigkeit der Arbeitsgerichte steht zwar § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG nicht entgegen, da der Kläger jedenfalls nicht mehr Geschäftsführer der Beklagten ist. Er beruft sich auch unter Vorlage eines Arbeitsvertrags auf ein Arbeitsverhältnis mit der Insolvenzschuldnerin. Als Mehrheitsgesellschafter gehört er jedoch dem Arbeitgeberlager an. Für Auseinandersetzungen im Arbeitgeberlager ist der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen nicht eröffnet.
1) Nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a und Buchst. b ArbGG sind die Gerichte für Arbeitssachen ausschließlich zuständig für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern aus dem Arbeitsverhältnis und über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Arbeitsverhältnisses. Wer Arbeitnehmer im Sinne des Arbeitsgerichtsgesetzes ist, bestimmt § 5 ArbGG.
a) Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 ArbGG sind Arbeitnehmer Arbeiter und Angestellte sowie die zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten. Nach § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG gelten jedoch in Betrieben einer juristischen Person oder einer Personengesamtheit Personen nicht als Arbeitnehmer, die kraft Gesetzes, Satzung oder Gesellschaftsvertrags allein oder als Mitglieder des Vertretungsorgans zur Vertretung der juristischen Person oder der Personengesamtheit berufen sind. Für einen Rechtsstreit zwischen dem Vertretungsorgan und der juristischen Person sind nach dieser gesetzlichen Fiktion die Gerichte für Arbeitssachen nicht berufen. Die Fiktion der Norm gilt auch für das der Organstellung zugrunde liegende Rechtsverhältnis. Sie greift unabhängig davon ein, ob das der Organstellung zugrunde liegende Rechtsverhältnis materiell-rechtlich als freies Dienstverhältnis oder als Arbeitsverhältnis ausgestaltet ist. Auch wenn ein Anstellungsverhältnis zwischen der juristischen Person und dem Mitglied des Vertretungsorgans wegen dessen starker interner Weisungsabhängigkeit als Arbeitsverhältnis zu qualifizieren ist und deshalb materielles Arbeitsrecht zur Anwendung kommt, sind zur Entscheidung eines Rechtsstreit aus dieser Rechtsbeziehung die ordentlichen Gerichte berufen. An der Unzuständigkeit der Arbeitsgerichte ändert es nichts, wenn zwischen den Prozessparteien streitig ist, wie das Anstellungsverhältnis zu qualifizieren ist und der Geschäftsführer geltend macht, er sei wegen seiner eingeschränkten Kompetenz in Wirklichkeit Arbeitnehmer gewesen. Die Fiktion des § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG soll sicherstellen, dass die Mitglieder der Vertretungsorgane mit der juristischen Person selbst dann keinen Rechtsstreit im „Arbeitgeberlager“ vor dem Arbeitsgericht führen, wenn die der Organstellung zugrundeliegende Beziehung als Arbeitsverhältnis zu qualifizieren ist. Für Ansprüche der Klagepartei aus dem der Geschäftsführertätigkeit zugrundeliegenden Vertrag sind deshalb die ordentlichen Gerichte ohne Weiteres zuständig. Dabei ändert sich der rechtliche Charakter des Anstellungsverhältnisses eines Organvertreters nicht allein dadurch, dass der Organvertreter abberufen wird. Durch den Abberufungsakt wird das Anstellungsverhältnis nicht zum Arbeitsverhältnis. Anders kann es jedoch dann liegen, wenn und soweit der Rechtsstreit nicht das der Organstellung zugrunde liegende Rechtsverhältnis betrifft, sondern eine weitere Rechtsbeziehung besteht. Insoweit greift die Fiktion des § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG nicht. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn der Organvertreter Rechte auch mit der Begründung geltend macht, nach der Abberufung als Geschäftsführer habe sich das nicht gekündigte Anstellungsverhältnis - wieder - in ein Arbeitsverhältnis umgewandelt. Eine Zuständigkeit der Arbeitsgerichte kann zudem dann gegeben sein, wenn die Klagepartei Ansprüche aus einem auch während der Zeit als Geschäftsführer nicht aufgehobenen Arbeitsverhältnis nach Abberufung als Organmitglied geltend macht. Zwar liegt der Berufung eines Arbeitnehmers zum Geschäftsführer einer GmbH eine vertragliche Abrede zugrunde, die regelmäßig als ein Geschäftsführer-Dienstvertrag zu qualifizieren ist und mit der das Arbeitsverhältnis grundsätzlich aufgehoben wird. Zwingend ist dies aber nicht. Zum einen kann die Bestellung zum Geschäftsführer einer GmbH auch auf einem Arbeitsvertrag beruhen. Zum anderen bleibt der Arbeitsvertrag bestehen, wenn der Arbeitnehmer aufgrund einer formlosen Abrede zum Geschäftsführer der GmbH bestellt wird, da eine wirksame Aufhebung des früheren Arbeitsverhältnisses die Einhaltung der Schriftform des § 623 BGB voraussetzt. Ansprüche aus diesem Arbeitsvertrag können dann nach Abberufung aus der Organschaft und damit nach dem Wegfall der Fiktion des § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG vor den Gerichten für Arbeitssachen geltend gemacht werden. Dies gilt auch für die während der Zeit der Geschäftsführerbestellung auf dieser arbeitsvertraglichen Basis entstandenen Ansprüche (vgl. BAG 15. November 2013 – 10 AZB 28/13, Rn. 16 ff.)
b) Der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen ist danach nicht schon nach § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG ausgeschlossen. Denn der Kläger ist nicht mehr Geschäftsführer der Insolvenzschuldnerin.
aa) Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens hatte an der organschaftlichen Stellung des Klägers allerdings zunächst nichts geändert, die Organstellung des Organs einer juristischen Person bleibt durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens unberührt (vgl. BGH 26. Januar 2006 - IX ZR 282/03, Rn. 6). Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens macht aus gesetzlichen Vertretern der Schuldnerin keine Arbeitnehmer im Sinne des Arbeitsgerichtsgesetzes (vgl. BAG vom 4. Februar 2013 – 10 AZB 78/12, Rn. 14).
bb) Die Eintragung des Klägers im Handelsregister ist aber bereits am 4. Dezember 2021 mangels einer wesentlichen Voraussetzung gemäß § 395 FamFG gelöscht worden. Es kann daher nicht mehr von einer Geschäftsführerstellung des Klägers ausgegangen werden.
cc) Nachträgliche zuständigkeitsbegründende Umstände sind auch dann zu berücksichtigen, wenn ein zum Zeitpunkt der Klageerhebung vor dem Arbeitsgericht noch nicht abberufener Geschäftsführer vor einer rechtskräftigen Entscheidung über die Rechtswegzuständigkeit abberufen wird. Damit entfällt die Fiktionswirkung des § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG (vgl. BAG 22. Oktober 2014 – 10 AZB 46/14, Rn. 26).
c) Der Kläger beruft sich auch auf einen zwischen ihm und der Insolvenzschuldnerin abgeschlossenen Arbeitsvertrag, der nach dem Inhalt des vorgelegten angeblichen Vertrages vom 26. Februar 2015 auch als solcher zu qualifizieren wäre. Auch sollen alle mit der Klage geltend gemachten Ansprüche aus diesem Arbeitsverhältnis resultieren.
Bedenken bestehen insoweit allerdings, als es am 26. Februar 2015 einen Geschäftsführer S., der den Vertrag angeblich unterschrieben hat, bei der Insolvenzschuldnerin ausweislich des zur Akte gereichten Handelsregisterauszugs nicht gegeben hat. Geschäftsführer war nach dem Inhalt des Handelsregisterauszugs vielmehr der Kläger. Erst im Jahr 2016 ist der Kläger abberufen und S. zum Geschäftsführer bestellt worden. Dieser Vorgang ist am 16. Juni 2016 in das Handelsregister eingetragen worden. Sollte es einen Vertrag zwischen dem Kläger und der Gesellschaft mit dem zur Akte gereichten Inhalt gegeben haben, könnte dieser auch das Rechtsverhältnis der Parteien nach der Wiederberufung des Klägers zum Geschäftsführer bei zeitgleicher Abberufung des Herrn S. bestimmt haben. Einen Anstellungsvertrag für die Zeit ab der Wiederberufung des Klägers im Jahr 2018 haben die Parteien ungeachtet der Aufforderungen durch das Gericht nicht vorgelegt. Auch zu der Frage, wie es zu dem Vertrag vom 26. Februar 2015 gekommen ist, obwohl Herr S. zu diesem Zeitpunkt nicht Geschäftsführer war, haben die Parteien sich ungeachtet der Anfragen durch das Gericht nicht erklärt. Schwer nachvollziehbar wäre auch die Formulierung im letzten Absatz des vorgelegten Vertrages, nach der durch die in dem Vertrag getroffenen Vereinbarungen die Vertragsbeziehungen der Parteien abschließend geregelt worden sein sollen, wenn daneben noch ein Anstellungsvertrag existiert habe sollte.
Soweit sich der Beklagte auf einen Anstellungsvertrag vom 1. Dezember 2014 beruft, betrifft dieser jedenfalls ersichtlich das Anstellungsverhältnis des Klägers als Geschäftsführer in dem früheren Zeitraum, nicht das im Jahr 2018 begründete. Daher ist auch die Argumentation des Beklagten kaum nachvollziehbar, wenn er sich darauf beruft, dass er den Anstellungsvertrag vom 1. Dezember 2014 habe kündigen wollen. Außerdem hat er in der Kündigung ausdrücklich einen „Arbeitsvertrag“ der Parteien angesprochen. Es kann wohl davon ausgegangen werden, dass ein Insolvenzverwalter in der Lage ist zu beurteilen, ob es sich bei dem zu kündigenden Rechtsverhältnis um ein freies Dienstverhältnis – wie nach dem Anstellungsvertrag vom 1. Dezember 2014 – oder um ein Arbeitsverhältnis handelt.
d) Der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten ist aber deshalb ausgeschlossen, weil der Kläger seit dem Einzug der Geschäftsanteile am 27. Juni 2016 Mehrheitsgesellschafter der Insolvenzschuldnerin geworden ist.
aa) Auch Gesellschafter können allerdings in einem Arbeitsverhältnis zu der Gesellschaft stehen, deren Gesellschafter sie sind. Dies gilt jedoch dann nicht, wenn ein Gesellschafter als Kapitaleigner einen so großen Einfluss auf die Führung der Gesellschaft hat, dass er über seine Gesellschafterstellung letztlich auch die Leitungsmacht hat. In diesem Fall unterliegt er nicht dem Weisungsrecht des Geschäftsführers. Ob ein solcher Einfluss besteht, richtet sich in erster Linie nach den Stimmrechtsverhältnissen. Dementsprechend kann regelmäßig ein Gesellschafter, dem mehr als 50 vH der Stimmrechte zustehen, nicht zugleich Arbeitnehmer dieser Gesellschaft sein. Auch der Minderheitsgesellschafter ist bei Bestehen einer Sperrminorität im Regelfall kein Arbeitnehmer (vgl. BAG 17. September 2014 – 10 AZB 43/14, Rn. 22). Der Kläger, der zunächst nur mit 40 vH am Stammkapital beteiligt war, ist mit der Einziehung der Geschäftsanteile der „beauty complete Gesellschaft für ganzheitliche Schönheit UG“ Mehrheitsgesellschafter geworden. Die Beteiligungsquoten der verbliebenden Gesellschafter an dem konstant gebliebenen Stammkapital hatte sich entsprechend verändert (vgl. BGH 2. Dezember 2014 – II ZR 322/13, Rn. 22 ff.; MüKoGmbHG/Strohn, GmbHG § 34 Rn. 66). Die des Klägers betrug nach der Einziehung 2/3. Die Kammer ist insoweit von den seitens des Beklagten gemachten Angaben ausgegangen. Der Kläger ist der Aufforderung zur Vorlage des Gesellschaftsvertrags – auch nach mehrfacher Aufforderung und längerem Zuwarten – nicht nachgekommen.
bb) Mit dem Übergang des Verwaltungs- und Verfügungsrechts vom Schuldner auf den Insolvenzverwalter nach § 80 Abs. 1 InsO durch Eröffnung des Insolvenzverfahrens sind dann zwar alle Rechte und Pflichten des insolventen Arbeitgebers auf den Insolvenzverwalter übergegangen, der Insolvenzverwalter nimmt also nun grundsätzlich nach § 108 Abs. 1 Satz 1 InsO die Arbeitgeberfunktionen wahr (vgl. LAG Hamburg 3. Februar 2022 – 3 Sa 16/21, Rn. 61).
Dadurch ist der Kläger aber nicht aus dem Arbeitgeberlager ausgeschieden. Ebenso wie die Eröffnung des Insolvenzverfahrens aus gesetzlichen Vertretern der Schuldnerin keine Arbeitnehmer im Sinne des Arbeitsgerichtsgesetzes macht (vgl. BAG 4. Februar 2013 – 10 AZB 78/12, Rn. 14), verändert die Beschränkung des Einflusses des Mehrheitsgesellschafters den sich aus der Gesellschafterstellung ergebenden Arbeitgeberbezug nicht. Für Auseinandersetzungen im Arbeitgeberlager sind die Arbeitsgerichte aber nicht zuständig (vgl. BAG 4. Februar 2013 – 10 AZB 78/12, Rn. 9).
e) Der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen ist auch nicht nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a und Buchst. b iVm. § 5 Abs. 1 Satz 2 ArbGG eröffnet. Der Kläger ist nicht arbeitnehmerähnliche Person iSv. § 5 Abs. 1 Satz 2 ArbGG. Es fehlt jedenfalls an einer einem Arbeitnehmer vergleichbaren sozialen Schutzbedürftigkeit des Klägers.
aa) Soziale Schutzbedürftigkeit ist anzunehmen, wenn unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalls und der Verkehrsanschauung das Maß der Abhängigkeit einen solchen Grad erreicht, wie er im Allgemeinen nur in einem Arbeitsverhältnis vorkommt, und die geleisteten Dienste nach ihrer sozialen Typik mit denen eines Arbeitnehmers vergleichbar sind.
bb) Der Kläger ist seiner gesamten sozialen Stellung nach nicht mit einem Arbeitnehmer vergleichbar. Die von dem Kläger als Geschäftsführer geleisteten Dienste waren nach ihrer sozialen Typik nach nicht mit denen eines Arbeitnehmers vergleichbar. Dies ergibt sich bereits aus der mit seinem Amt verbundenen Rechtsstellung. Der Geschäftsführer einer GmbH verkörpert als gesetzlicher Vertreter der Gesellschaft (§ 35 Abs. 1 GmbHG) den Arbeitgeber. Er nimmt Arbeitgeberfunktionen wahr und ist deshalb keine arbeitnehmerähnliche, sondern eine im Arbeitgeberlager stehende Person (vgl. BAG 8. Februar 2022 – 9 AZB 40/21, Rn. 24). Das gilt erst recht für Mehrheitsgesellschafter einer GmbH, bei denen es sich regelmäßig nicht um arbeitnehmerähnliche Personen handelt (Germelmann/Müller-Glöge § 5 ArbGG Rn. 33), auch wenn er inzwischen als Geschäftsführer abberufen worden ist. Aus dem Arbeitgeberlager ist er damit nicht ausgeschieden. Der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 8. Februar 2022 lag im Übrigen gerade ein Sachverhalt zugrunde, bei dem eine Geschäftsführerin im Zeitpunkt der Entscheidung ebenfalls bereits nicht mehr Geschäftsführerin war.
2) Es handelt sich demnach um eine bürgerliche Rechtsstreitigkeit, für die nach § 13 GVG der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten gegeben ist. Der Rechtsstreit ist daher zutreffend durch das Arbeitsgericht an das zuständige Landgericht (§ 23 Nr. 1, § 71 Abs. 1 GVG) verwiesen worden. Nach § 17 Abs. 1 ZPO ist das Landgericht Berlin örtlich zuständig.
III.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
IV.
Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen nicht vor.