Gericht | LArbG Berlin-Brandenburg 26. Beschwerdekammer | Entscheidungsdatum | 20.07.2022 | |
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Aktenzeichen | 26 Ta(Kost) 6015/22 | ECLI | ECLI:DE:LAGBEBB:2022:0720.26TA.KOST6015.22.00 | |
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 63 GKG, § 42 GKG, § 40 GKG |
1. Bei der Berechnung des Streitwerts ist das Interesse der klagenden Partei maßgeblich. Dieses ist ggf. vor einer Entscheidung zu klären. Bei Auslegung des Klägerbegehrens ist auch festzustellen, ob es sich um eine Spitzenbetrags- und damit um eine Teilklage handelt (vgl. dazu BAG 8. März 2017 – 3 AZN 886/16 (A), Rn. 7, mwN).
2. Überschreitet das Gericht den gestellten Antrag in der irrigen Annahme, sich noch in dessen Rahmen zu halten, so ist für den Streitwert nicht die irrtümliche Entscheidung des Gerichts, sondern der Antrag der Partei maßgebend (vgl. LAG Berlin-Brandenburg 21. Juni 2021 – 26 Ta (Kost) 6066/21, Rn. 15, mwN).
3. Nach § 63 Abs. 3 Satz 1 GKG kann die Streitwertfestsetzung auch vom Rechtsmittelgericht von Amts wegen geändert werden, wenn eine Unrichtigkeit festgestellt wird.
Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Berlin vom 6. Januar 2022 – 17 Ca 8743/21 – abgeändert und der Streitwert auf 2.450,48 Euro festgesetzt.
I.
Der Kläger wendet sich mit der Beschwerde gegen die Festsetzung des Streitwerts auf den 36-fachen Betrag der durch ihn geltend gemachten Leistungszulage.
Er hat mit seiner Ende August 2021 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage zunächst beantragt,
„festzustellen, dass die Beklagte mir seit dem Monat Mai 2021 eine Leitungszulage gemäß der Betriebsvereinbarung für die Ermittlung der Leistungszulagen im Zeitentgelt vom 7. Juli 2020 in einer vom Gericht festzusetzenden Höhe, mindestens jedoch 10 % meines monatlichen Bruttogehalts zu gewähren hat.“
Nach einem Hinweis des Gerichts hat der Kläger den Antrag mit Schriftsatz vom 5. Oktober 2021 wie folgt formuliert:
„… dass die Beklagte mir seit dem Monat Mai 2021 eine Leistungszulage gemäß der Betriebsvereinbarung für die Ermittlung der Leistungszulagen im Zeitentgelt vom 7. Juli 2020 in einer Höhe von 16 % meines monatlichen Bruttoentgelts, d.h. entsprechend meiner Teilzeit von 80 % 609,66 Euro brutto monatlich zu gewähren hat.“
Der Kläger hat auf Seite 2 dieses Schriftsatzes erläutert, dass „der Arbeitnehmer die Früchte seiner Leistungsbewertung sozusagen im darauffolgenden Geschäftsjahr erntet, welches wiederum den Beurteilungszeitraum für die auszuzahlende Leistungszulage im darauffolgenden Geschäftsjahr darstellt. Demzufolge ist der Auszahlungszeitraum der Leistungszulage aufgrund der streitgegenständlichen Leistungsbewertung im Geschäftsjahr 2019/2020 das Geschäftsjahr 2020/21, worin der Zeitraum ab Mai 2021 enthalten ist.“
Auf Seite 3 des Schriftsatzes vom 5. Oktober 2021 hat der Kläger vorgetragen, dass der Ergänzungstarifvertrag mit Ablauf des Geschäftsjahres 20/21 auslaufen werde und die Bedingungen zur vollständigen Auszahlung im Januar 2022 erfüllt seien. Weiter heißt es dort: „In welcher Höhe diese Auszahlung bezüglich der zurückbehaltenen Leistungszulage für Mai bis September 2021, sowie nunmehr seit Beginn des neuen Geschäftsjahres am 1. Oktober 2021 nunmehr wieder laufend zum Monatsende fällig, für mich in diesem strittigen Fall ausfällt, ob monatlich 5 % vom Bruttogrundgehalt wie es die Beklagte lediglich gewähren möchte, oder monatlich 16 %, wie ich es beanspruche, ist der eigentlichen Gegenstand dieser Klage.“
Nachdem das Arbeitsgericht den Kläger mit Verfügung vom 13. Oktober 2021 um Klarstellung gebeten hatte, auf welchen Zeitraum sich der Klageantrag aus dem Schriftsatz vom 5. Oktober 2021 beziehe, hat der Kläger seinen Antrag mit Schriftsatz vom 8. November 2021 wie folgt formuliert:
„… die Beklagte zu verurteilen, mir von Oktober 2020 bis September 2021 eine Leistungszulage gemäß der Betriebsvereinbarung für die Ermittlung der Leistungszulagen im Zeitentgelt vom 7. Juli 2020 in einer Höhe von 16 % meines monatlichen Bruttoentgelts, d.h. entsprechend meiner Teilzeit von 80% 612,62 Euro brutto monatlich zum Auszahlungszeitpunkt Ende Januar 2022 gemäß des Ergänzungstarifvertrags …, insgesamt 7.351,45 Euro für vorgenannten Zeitraum sowie ab Oktober 2021 monatlich fortlaufend 612,62 Euro bis zum Wirksamwerden einer erneuten Leistungsbewertung zu zahlen.“
Weiter heißt es auf Seite 3 des Schriftsatzes:
„Mit der Gehaltsabrechnung 2021 hat die Beklagte erstmalig die von ihr zugestandene Leistungszulage von 5 % des Bruttomonatsentgelts ausgezahlt. Es kann daher vermutet werden, dass sie auch für den Zeitraum Oktober 2020 bis September 2021 im Januar 2022 die kumulierten Leistungszulagen in dieser Höhe auszuzahlen bereit ist. Als vorläufiger Streitwert der Klage ergibt sich somit für den Zeitraum Oktober 2020 bis September 2021 insgesamt 5.054,12 Euro, sowie fortlaufend ab Oktober 2021 monatlich 421,18 Euro.“
Mit Schriftsatz vom 9. November 2021 hat der Kläger den Antrag erneut umgestellt und nun beantragt,
„die Beklagte zu verurteilen, mir von Oktober 2020 bis September 2021 eine Leistungszulage gemäß der Betriebsvereinbarung für die Ermittlung der Leistungszulagen im Zeitentgelt vom 7. Juli 2020 in einer Höhe von 16 % meines monatlichen Bruttoentgelts, d.h. entsprechend meiner Teilzeit von 80% 612,62 Euro brutto monatlich zum Auszahlungszeitpunkt Ende Januar 2022 gemäß des Ergänzungstarifvertrags …, insgesamt 7.351,45 Euro für vorgenannten Zeitraum, nebst Zinsen von fünf Prozent über den Basiszinssatz auf 5.054,12 Euro ab dem 31. Januar 2022, sowie ab Oktober 2021 monatlich fortlaufend 612,62 Euro, nebst Zinsen von fünf Prozent über dem Basiszinssatz auf 421,18 Euro ab den jeweiligen Monatsletzten, bis zum Wirksamwerden einer erneuten Leistungsbewertung zu zahlen.“
Eine weitere Antragsänderung erfolgte mit Schriftsatz vom 6. Dezember 2021. Danach lautete der Antrag wie folgt:
„… die Beklagte zu verurteilen, mir von Oktober 2020 bis September 2021 67 % einer Leistungszulage gemäß der Betriebsvereinbarung für die Ermittlung der Leistungszulagen im Zeitentgelt vom 7. Juli 2020 in einer Höhe von 16 % meines monatlichen Bruttoentgelts, d.h. entsprechend meiner Teilzeit von 80% 612,62 Euro brutto monatlich zum Auszahlungszeitpunkt Ende Januar 2022 gemäß des Ergänzungstarifvertrags …, insgesamt 4.925,47 Euro für vorgenannten Zeitraum, nebst Zinsen von fünf Prozent über den Basiszinssatz auf 3.386,26 Euro ab dem 31. Januar 2022, sowie ab Oktober 2021 monatlich fortlaufend 612,62 Euro, nebst Zinsen von fünf Prozent über dem Basiszinssatz auf 421,18 Euro ab den jeweiligen Monatsletzten, bis zum Wirksamwerden einer erneuten Leistungsbewertung zu zahlen.“
Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 14. Dezember 2021 die Beklagte zur Zahlung von 1.539,24 Euro nebst Zinsen verurteilt und die Klage im Übrigen abgewiesen. Den Wert des Streitgegenstands hat es für den Kläger auf 29.116,27 Euro und für die Beklagte auf 1.539,24 Euro festgesetzt.
Der Kläger hat gegen die Entscheidung über den Wert des Streitgegenstands im Urteil sofortige Beschwerde eingelegt, diese aber nach einem Hinweis zurückgenommen und nach Festsetzung des Streitwerts auf 22.054,32 Euro (36-facher Monatsbetrag ohne Berücksichtigung des Rückstands) diese Entscheidung wiederum mit der sofortigen Beschwerde angegriffen. Es seien nur 11 vH der Leistungszulage streitig gewesen, da die Beklagte 5 vH unstrittig bezahlt habe. Das ergebe sich schon aus den Zinsanträgen. 11 vH von 3.828,88 Euro machten aber nur 421,18 Euro aus. Außerdem sei die Klage auf einen Zeitraum von deutlich weniger als drei Jahren begrenzt gewesen, nämlich auf die Zeit bis zur nächsten Leistungsbeurteilung. So habe die Beklagte auch bereits eine neue Leistungsbeurteilung vorgenommen, welche nach der maßgeblichen Betriebsvereinbarung für die Zeit ab dem 1. Dezember eines Kalenderjahres gelte. Die neue Bewertung sei ihm vor dem Termin am 14. Dezember 2021 nicht bekanntgegeben worden. Der Kostenstreitwert betrage daher nur 5.896,52 Euro (14 x 421,18 Euro).
Das Arbeitsgericht hat der Beschwerde mit der Begründung nicht abgeholfen, Das Begehren des Klägers könne nicht so ausgelegt werden, wie er es sich vorstelle. Dass er mit Inkrafttreten einer neuen Leistungsbewertung auf die Zahlung einer Leistungszulage gänzlich verzichten wolle, mache er selbst nicht geltend.
II.
Die zulässige Beschwerde ist begründet. Der Gebührenstreitwert beträgt nicht 22.054,32 Euro, sondern 2.450,48 (4 x 612,62) Euro.
1) Der zutreffende Streitwert liegt deutlich unter dem durch das Arbeitsgericht angesetzten Betrag.
a) Der Kläger hat mit der Klage Leistungszulagen für die Zeit von Oktober 2020 bis November 2021 geltend gemacht.
aa) Bei der Berechnung des Streitwerts ist von dem Interesse der klagenden Partei auszugehen. Da das Interesse des Klägers nach seinen ursprünglichen Anträgen nicht ganz deutlich war, hat das Arbeitsgericht mit zwei Verfügungen um Klarstellung gebeten. Daraufhin hat der Kläger zunächst ausgeführt, dass es ihm um Beträge in Höhe von 609,66 Euro bzw. (so der Schriftsatz vom 8. November 2021) um 612,62 Euro brutto monatlich gehe, eigentlich aber nur um 421,18 Euro, da nur die Differenz zwischen fünf und sechzehn Prozent, also 11 Prozent streitig sei, weshalb er die geltend gemachten Zinsen auch nur auf diesen Betrag bezogen hat. Auf die Verfügung des Gerichts, für welchen Zeitraum er die Leistungszulage geltend mache, hat er klargestellt, dass es um die Zeit bis zu einer Neubewertung gehe. Nach der maßgeblichen Betriebsvereinbarung war das die Zeit bis November 2021, da diese ab Dezember die Zahlung der Zulage nach der neuen Bewertung vorsah.
bb) Bei Auslegung des ursprünglichen Klägerbegehrens ist hier entgegen der Ansicht des Klägers nicht von einer Spitzenbetrags- und damit von einer Teilklage auszugehen (vgl. dazu BAG 8. März 2017 – 3 AZN 886/16 (A), Rn. 7). Für die Zeit bis einschließlich September 2021 hatte die Beklagte nämlich keine Leistungszulage gezahlt, auch nicht in Höhe von 5 vH. Die Zahlung der Beträge erfolgte erst für die Zeit ab Oktober 2021. Dem Kläger ging es danach ursprünglich ersichtlich nicht um Teilbeträge, sondern um die gesamten Leistungszulagen. Für die Wertberechnung ist der Zeitpunkt der den jeweiligen Streitgegenstand betreffenden Antragstellung maßgebend, die den Rechtszug einleitet, § 40 GKG. Ursprünglich hatte der Kläger allerdings die Höhe des begehrten Betrages nicht konkret angegeben, sondern sein Begehren „in einer vom Gericht festzusetzenden Höhe, mindestens jedoch 10 vH“ des Bruttoeinkommens formuliert. Aus dem Inhalt seines Schriftsatzes vom 5. Oktober 2021 wurde dann aber deutlich, dass es ihm betragsmäßig von Anfang an um 16 vH seines Bruttoeinkommens ging.
cc) Eine eventuell mit dem Schriftsatz vom 5. Oktober 2021 oder später vorgenommene Reduzierung der Forderung auf Teilbeträge konnte sich auf den Streitwert nicht mehr auswirken. Soweit der Kläger die Beträge dann noch auf 67 vH reduziert hat, war auch das wegen § 40 GKG für den Streitwert nicht mehr von Bedeutung.
dd) Sollte es allerdings zutreffen, dass es dem Kläger – jedenfalls zuletzt – nur um Teilbeträge gegangen wäre, hätte das Arbeitsgericht dem Kläger etwas zugesprochen, was er gar nicht begehrt hätte. Das Arbeitsgericht hätte vielmehr die Klage in vollem Umfang abweisen müssen und durch den Zuspruch von 1.539,24 Euro gegen § 308 ZPO verstoßen. Dem Kläger hätten – seinen Vortrag im Beschwerdeverfahren als zutreffend unterstellt – dann auch die gesamten Kosten des Rechtsstreits auferlegt werden müssen, weil er in vollem Umfang unterlegen gewesen wäre.
b) Bei den geltend gemachten Beträgen handelt es sich der Sache nach um wiederkehrende Leistungen, auch wenn der Auszahlungszeitpunkt für die Leistungszulagen für das Wirtschaftsjahr 20/21 auf Januar 2022 verschoben war.
aa) Nach § 42 Abs. 1 Satz 1 GKG ist bei Ansprüchen von Arbeitnehmern auf wiederkehrende Leistungen der dreifache Jahresbetrag der wiederkehrenden Leistungen maßgebend, wenn nicht der Gesamtbetrag der geforderten Leistungen geringer ist.
bb) Bei interessengerechter Auslegung des Klageantrags hat der Kläger eine Begrenzung auf den Zeitraum bis Ende November 2021 vorgenommen (dazu oben unter II 1 a). Überschreitet das Gericht den gestellten Antrag in der irrigen Annahme, sich noch in dessen Rahmen zu halten, so ist für den Streitwert nicht die irrtümliche Entscheidung des Gerichts, sondern der Antrag der Partei maßgebend (vgl. LAG Berlin-Brandenburg 21. Juni 2021 – 26 Ta (Kost) 6066/21, Rn. 15, mwN).
c) Die bei Einreichung der Klage fälligen Beträge werden dem Streitwert nicht hinzugerechnet, § 42 Abs. 3 Satz 1 2. Halbs. GKG. Damit waren die für die Zeit bis Juli 2021 geltend gemachten Leistungszulagen nicht zu berücksichtigen. Für die Berechnung des Streitwerts ändert sich daran durch das Herausschieben des Auszahlungszeitpunkts hier nichts.
2) Der Streitwert war danach auf den im Tenor genannten Betrag herabzusetzen. Dem steht es nicht entgegen, dass der Beschwerdeführer selbst von einem höheren Betrag ausgegangen ist. Die Korrektur der Ausgangsentscheidung war von Amts wegen vorzunehmen. Nach § 63 Abs. 3 Satz 1 GKG kann die Streitwertfestsetzung auch vom Rechtsmittelgericht von Amts wegen geändert werden, wenn eine Unrichtigkeit festgestellt wird (vgl. LAG Nürnberg 8. Dezember 2008 – 4 Ta 148/08, Rn. 29).
III.
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, § 68 Abs. 3 Satz 2 GKG. Das Verfahren ist gebührenfrei, § 68 Abs. 3 Satz 1 GKG.
IV.
Die Entscheidung ist unanfechtbar.