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Entscheidung 3 K 863/17


Metadaten

Gericht VG Potsdam 3. Kammer Entscheidungsdatum 01.09.2022
Aktenzeichen 3 K 863/17 ECLI ECLI:DE:VGPOTSD:2022:0901.3K863.17.00
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen § 13 Abs 1 VwVGKostO BB, § 13 Abs 2 VwVGKostO BB, § 55 Abs 1 PolAufgG BB, § 65 Abs 1 PolAufgG BB, § 77 Abs 1 Nr 1 PolAufgG BB, § 77 Abs 2 S 2 PolAufgG BB, § 77 Abs 3 PolAufgG BB

Tenor

Der Bescheid des Beklagten vom 15. August 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10. Januar 2017 wird aufgehoben.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Dem Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht zuvor die Klägerin Sicherheit in Höhe des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Die Klägerin wendet sich gegen die Heranziehung zu Verwaltungsgebühren für die Durchführung einer Maßnahme der Bundesbereitschaftspolizei.

Am 16. September 2013 demonstrierten Anhänger der Organisation Greenpeace gegen die Verlängerung des Betriebs des Braunkohletagebaus ...in dessen unmittelbaren räumlichen Nähe. Um 7:48 Uhr stellten Einsatzkräfte des Beklagten fest, dass sich neun Demonstranten an den Gleisen der privaten Kohletransportbahn, die zum Betriebsgelände des damals von der ... AG betriebenen Tagebaus gehört, befestigt haben. Auf den Gleiskörpern waren aus Stahl und Beton bestehende sog. Blockadekästen angebracht. Neun Demonstranten – darunter die Klägerin – ketteten jeweils mindestens einen ihrer Arme mittels Karabiners und einer um ihr Handgelenk führenden Stahlschlaufe an einem aus Eisen bestehenden Quersteg an einem Rohr in einem der Blockadekästen fest.

Die Betreiberin des Tagebaus beabsichtigte zunächst, die blockierten Gleisabschnitte wegzuschneiden und herauszuheben. Die Einsatzkräfte des Beklagten lösten um 14:12 Uhr durch Lautsprecherdurchsagen die Versammlung auf und erteilten Aufenthaltsverbote. Auf zweimalige polizeiliche Nachfrage gaben die an den Gleisen festgeketteten Personen an, dass sie sich nicht freiwillig lösen und keine Informationen über den Aufbau der Blockadekästen geben wollen. Der Beklagte forderte die Bundesbereitschaftspolizei zur Unterstützung an, da er selbst nicht über das erforderliche technische Gerät zur Loslösung der Personen von den Gleisen verfügte. Nachdem die betreffenden Personen nochmals befragt wurden, ob sie sich freiwillig lösen wollen und dies verneint wurde, begann die Bundesbereitschaftspolizei um 21:26 Uhr die an den Gleisen festgeketteten Personen zu lösen. Das Lösen der Klägerin erfolgte durch Stegdurchbohrung. Die letzten beiden Personen – darunter die Klägerin im Verfahren VG 3 K 886/17 – lösten sich schließlich selbst, nachdem ein Versuch ihre zusätzlich mit Rasierschaum ausgefüllte Blockadekonstruktion von außen abzubauen ohne Erfolg blieb.

Mit Schreiben vom 20. November 2013 machte die Bundesbereitschaftspolizei für ihren Einsatz beim Ministerium des Innern des Landes Brandenburg Kosten in Höhe von 4.299,98 € geltend.

Am 20. Februar 2014 hörte der Beklagte die Klägerin dazu an, dass er beabsichtige, von ihr für das Loslösen von den Gleisen eine Gebühr in Höhe von 450 € zu erheben. Das Losschneiden mit schwerem Gerät stelle eine gebührenpflichtige Ersatzvornahme dar.

In ihrer Stellungnahme vom 5. Mai 2014 führte die Klägerin aus, dass die Demonstration auf den privaten Flächen der Tagebaubetreiberin nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts im sog. Fraport- Urteil nicht mehr gänzlich unzulässig sei. Ob die Versammlungsauflösung den gesetzlichen Anforderungen genüge, sei zweifelhaft, da mit der Auflösung zugleich erste Platzverweise erteilt worden seien. Unabhängig davon sei zweifelhaft, ob das Eingreifen durch die Polizei notwendig gewesen sei, da die Tagebaubetreiberin die Demonstranten selbst von den Gleisen entfernen wollte und hierzu über die notwendige Technik verfügt habe. All dies könne jedoch offen bleiben, da jedenfalls keine Ersatzvornahme durchgeführt worden sei. Eine solche sei nur für vertretbare Handlungen zulässig. Das Verlassen eines bestimmten Ortes aufgrund eines Platzverweises stelle jedoch eine höchstpersönliche Handlung dar. Die Polizei habe nicht anstelle der Betroffenen gehandelt, da sie diese von den Gleisen losgeschnitten habe. Hilfsweise macht die Klägerin geltend, dass die Gebühr der Höhe nach unverhältnismäßig sei.

Mit Bescheid vom 15. August 2014 setzte der Beklagte eine Verwaltungsgebühr in Höhe von 450 € fest. Die Gebührenfestsetzung finde ihre Rechtsgrundlage in § 13 BbgKostO, da eine Ersatzvornahme durchgeführt worden sei. Das Losschneiden von den Gleisen stelle eine Zwangsmaßnahme zur Durchsetzung des der Klägerin zuvor aufgegebenen Gebots, sich von den Gleisen zu lösen, dar. Allenfalls sekundär sei es um die Durchsetzung eines Platzverweises gegangen. Der Platzverweis hätte nach erfolgter Loslösung von den Gleisen durch Anwendung unmittelbaren Zwangs – in Form des Wegtragens der Klägerin – durch die Brandenburger Polizeikräfte ohne Inanspruchnahme der Bundespolizei durchgesetzt werden können. Das Gebot, sich von den Gleisen zu lösen, sei eine vertretbare Handlung. Der durch die Pflichtige geschuldete Erfolg – das Lösen von den Gleisen – sei unmittelbar durch die Gewaltanwendung herbeigeführt worden. Die Polizei habe auch innerhalb ihrer Befugnisse gehandelt. Das Gebot zur Loslösung von den Gleisen könne auf die polizeirechtliche Generalklausel gestützt werden, da eine konkrete Gefahr der öffentlichen Sicherheit durch eine Verletzung von Strafgesetzen wie § 315 StGB und § 240 StGB vorgelegen habe. Aus der Versammlungsfreiheit folge nichts anderes.

Am 4. September 2014 erhob die Klägerin Widerspruch. Zur Begründung führte sie aus, dass das Subsidiaritätsprinzip bei der Durchsetzung privater Rechte (§ 1 Abs. 2 BbgPolG) missachtet worden sei, da das Lösen durch ... möglich und auch zunächst beabsichtigt gewesen sei. Darüber hinaus sei keine Ersatzvornahme durchgeführt, sondern unmittelbarer Zwang angewendet worden. Im Vordergrund habe das Interesse der Tagebaubetreiberin gestanden, die Gleise wieder nutzen zu können. Zu diesem Zwecke sei die Versammlung aufgelöst und Aufenthaltsverbote bzw. Platzverweise erteilt worden. Das Räumen der Bahngleise sei ein zusammenhängender Vorgang, für dessen Durchsetzung unmittelbarer Zwang angewendet worden sei.

Mit Bescheid vom 10. Januar 2017, der Klägerin zugestellt am 12. Januar 2017, wies der Beklagte den Widerspruch zurück und nahm zur Begründung auf seine Ausführungen im Gebührenbescheid Bezug.

Die Klägerin hat am Montag, dem 13. Februar 2017 Klage erhoben. Sie trägt vor, dass sie sich von den Gleisen selbst hätte lösen können, dies aber nicht getan habe. Die festgesetzte Gebühr sei auch deswegen zu hoch, weil die Bundesbereitschaftspolizei gegenüber dem Land Brandenburg lediglich 138,88 € für technisches Gerät in Rechnung gestellt habe. Es liege zudem keine Ersatzvornahme vor. Gegen eine vertretbare Handlung spreche, dass der Beklagte es der Tagebaubetreiberin nach den Feststellungen des Urteils des LG Cottbus vom 28. August 2015 - Az. 4 O 351/13 - untersagt habe, die Demonstranten mit eigenem Personal und Gerät von den Gleisen zu lösen. Der Beklagte habe selbst nicht über die technische Ausrüstung verfügt und deshalb die Bundesbereitschaftspolizei angefordert. Die Klägerin sei allein nicht in der Lage gewesen, den Blockadekasten von den Gleisen zu entfernen. Eine Ersatzvornahme liege zudem nur dann vor, wenn die Behörde einen Dritten beauftragt habe. Daran fehle es hier. Vorrangiger Maßnahmezweck sei die Räumung und Freimachung der Gleise, also die Durchsetzung eines Platzverweises und eines Aufenthaltsverbots gewesen. Diese seien zuvor wiederholt angeordnet worden. Es sei körperliche Gewalt auf den Blockadekasten und die Klägerin ausgeübt worden, vergleichbar der gewaltsamen Öffnung einer Tür, hinter der sich ein Festzunehmender verberge. Gegen die Klägerin werde außerdem ein Strafbefehlsverfahren geführt. Die geltend gemachten Kosten unterfielen daher § 464a StPO. Von dieser bundesrechtlichen Regelung könne landesrechtlich nicht abgewichen werden.

Die Klägerin beantragt,

den Gebührenbescheid vom 15. August 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10. Januar 2017 aufzuheben,

die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er verweist auf seine Ausführungen in seinen Bescheiden.

Die Beteiligten haben mit Schriftsätzen vom 25. und 27. Juli 2022 ihr Einverständnis erklärt, dass der Berichterstatter ohne mündliche Verhandlung anstelle der Kammer entscheidet.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe

Der Berichterstatter kann über die Klage anstelle der Kammer ohne mündliche Verhandlung entscheiden, nachdem sich die Beteiligten hiermit einverstanden erklärt haben (vgl. § 87a Abs. 2 und Abs. 3, § 101 Abs. 2 VwGO).

Die zulässige Klage hat Erfolg.

Der Gebührenbescheid vom 15. August 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10. Januar 2017 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin dadurch in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

1. Dabei bedarf die von der Klägerin im Verwaltungsverfahren aufgeworfene Frage, ob die Blockade auf dem Betriebsgrundstück der Tagebaubetreiberin am 16. September 2013 von der Versammlungsfreiheit des Art. 8 GG gedeckt gewesen ist und die Anwendbarkeit des VersG im Zeitpunkt des Loslösens von den Gleisen nicht mehr gegeben war, keiner Vertiefung. Der Beklagte hat die Versammlung um 14:12 Uhr mittels Lautsprecherdurchsage aufgelöst. Die Sperrwirkung des VersG (sog. Polizeifestigkeit des Versammlungsrechts) endet grundsätzlich mit deren Auflösung, so dass dann die Regelungen des allgemeinen Polizei- und Ordnungsrechts (wieder) einschlägig sind (vgl. nur OVG Schleswig, Urteil vom 3. September 2015 - 4 LB 13/14 -, juris, Rn. 30). Der Frage der Rechtmäßigkeit dieser Maßnahme muss jedoch nicht weiter nachgegangen werden, da sich die Gebührenfestsetzung bereits aus den nachfolgenden Erwägungen als rechtswidrig erweist.

2. Der Beklagte kann die Gebührenfestsetzung auf keine Rechtsgrundlage stützen. Entgegen seiner Ansicht bietet § 55 Abs. 1 Satz 2 BbgPolG i.V.m. § 13 BbgKostO keine taugliche Rechtsgrundlage für die Geltendmachung. Eine andere Rechtsgrundlage ist ebenfalls nicht ersichtlich.

a) Der Beklagte hat allerdings Gebühren für eine eigene Amtshandlung festgesetzt, obwohl das Loslösen von den Gleisen nicht durch ihn, sondern durch die Bundespolizei durchgeführt wurde. Gemäß § 65 Abs. 1 BPolG dürfen Polizeivollzugsbeamte der Bundespolizei im Zuständigkeitsbereich eines Landes tätig werden, wenn das jeweilige Landesrecht dies vorsieht. Nach § 77 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 BbgPolG können Polizeivollzugsbeamte des Bundes im Land Brandenburg auf Anforderung der zuständigen Behörde Amtshandlungen vornehmen. Eine entsprechende Anforderung durch den Beklagten ist am 16. September 2013 erfolgt. Gemäß § 77 Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 BbgPolG gelten die Amtshandlungen der angeforderten Bundespolizei dann als Maßnahmen des Polizeipräsidiums.

b) Die Gebührenfestsetzung ist jedoch nicht von § 55 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 BbgPolG gedeckt. Danach kann die Polizei auf Kosten des Betroffenen die Handlung selbst ausführen oder einen anderen mit der Ausführung beauftragen – also eine Ersatzvornahme durchführen –, wenn eine Verpflichtung, eine Handlung vorzunehmen, deren Vornahme durch einen anderen möglich ist (vertretbare Handlung), nicht erfüllt wird. Nach Satz 2 der Vorschrift werden für die Durchführung der Ersatzvornahme Gebühren nach der BbgKostO erhoben. Gemäß § 13 Abs. 1 BbgKostO wird für die Maßnahmen der Vollstreckungsbehörde bei Ersatzvornahmen eine Verwaltungsgebühr erhoben.

Mit dem Loslösen der Klägerin von den Bahngleisen hat der Beklagte keine Ersatzvornahme durchgeführt.

aa) Eine Ersatzvornahme scheidet bereits deswegen aus, weil der Beklagte keine Verpflichtung zur Vornahme einer vertretbaren Handlung im Sinne des § 55 Abs. 1 Satz 1 BbgPolG durchgesetzt hat.

Dabei bedarf es keiner abschließenden Klärung, welche polizeiliche Maßnahme der Beklagte durch das Loslösen von den Gleisen konkret durchgesetzt hat. Geht man mit der Klägerin davon aus, dass die Maßnahme zur Durchsetzung der Auflösung der Versammlung nach § 15 Abs. 3 VersG diente, steht ohnehin eine höchstpersönliche Pflicht in Rede. Denn die Auflösung enthält für Versammlungen unter freiem Himmel das Gebot, dass alle Teilnehmer sich sofort zu entfernen haben (vgl. § 13 Abs. 2 i.V.m. § 18 Abs. 1 VersG). Zur Durchsetzung der Auflösung ist als Folgemaßnahme ein auf das Polizeirecht gestützter Platzverweis (§ 16 Abs. 1 BbgPolG) zulässig (vgl. Götz/Geis, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, 17. Aufl. 2022, § 24 Rn. 25). Neben solchen hat der Beklagte vorliegend auch Aufenthaltsverbote (§ 16 Abs. 2 BbgPolG) ausgesprochen. Der Platzverweis bzw. das Gebot sich von einem bestimmten Ort zu entfernen, ist höchstpersönlicher Natur, da nur der Adressat ihm nachkommen kann (vgl. Graulich in Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 7. Aufl. 2021, E. Das Handeln von Polizei- und Ordnungsbehörden zur Gefahrenabwehr, Rn. 445). Nichts Anderes gilt für ein Aufenthaltsverbot, also das Verbot einen bestimmten Ort oder ein Gebiet innerhalb einer Gemeinde zu betreten.

Selbst wenn man aber – wie der Beklagte – in dem Loslösen von den Gleisen die Durchsetzung eines auf Grundlage der Generalklausel des § 10 Abs. 1 BbgPolG ergangenen Gebots an die Klägerin, sich von den Gleisen zu lösen, sieht, handelt es sich bei einem solchen Gebot nicht um eine vertretbare Handlung. Insoweit erscheint es bereits schon fraglich, ob ein solches Gebot vorliegend tatsächlich auf die Generalklausel gestützt werden kann. Denn ein Rückgriff auf diese ist gesperrt, wenn eine der polizeilichen Standardmaßnahmen die zugrundeliegende Situation abschließend regelt. Inwieweit eine Standardbefugnis eine abschließende Regelung bildet, richtet sich nach dem Regelungsrahmen der Standardmaßnahme bzw. ihrer Zielrichtung (vgl. Mühl/Fischer in BeckOK PolR Hessen, Stand. 1. Juli 2022, § 11 HSOG, Rn. 14).

Angesichts dessen spricht schon vieles dafür, dass die Standardbefugnis des Platzverweises nach § 16 Abs. 1 BbgPolG die vorliegende Situation des vorübergehenden Verweises von einem bestimmten Ort bzw. der Durchsetzung der Auflösung einer Versammlung abschließend regelt. Die Zielrichtung beider Gebote dürfte jedenfalls identisch sein. Ein an die Klägerin gerichtetes Gebot, sich von den Gleisen zu lösen, dürfte inzident in der verfügten Versammlungsauflösung bzw. der in der Folge ausgesprochenen Platzverweise als erster Schritt enthalten sein. In Abgrenzung der polizeilichen Standardbefugnisse zur Generalklausel dürfte es hingegen nicht darauf ankommen, ob der Beklagte das aufgegebene Gebot technisch selbst durchsetzen konnte oder ob er dazu auf die technische Hilfe der Bundesbereitschaftspolizei angewiesen war.

Dies kann jedoch offen bleiben. Denn unabhängig von dieser Frage stellt selbst ein solches Gebot, sich von den Gleisen zu lösen, keine vertretbare Handlung dar. Es kann – ähnlich wie ein Platzverweis – nicht von einem anderen vorgenommen werden und ist daher höchstpersönlicher Natur. Allein die Klägerin bzw. die acht weiteren Demonstranten befanden sich im konkreten Zeitpunkt an die Bahngleise gekettet. Für die Frage der Vertretbarkeit der Handlung ist auf die Klägerin als Adressatin des Gebots abzustellen. Es kommt hingegen nicht darauf an – wie der Beklagte scheinbar meint –, dass die sodann durchgeführte Maßnahme (hier: das technische Lösen von den Gleisen) als solche vertretbar ist, weil sie von jedem durchgeführt werden könnte, der über die geeignete technische Ausstattung verfügt.

bb) Des Weiteren stellt sich die Art und Weise der konkreten Durchführung der Maßnahme nicht mehr als eine Ersatzvornahme dar, sondern als Anwendung von unmittelbarem Zwang.

Gemäß § 61 Abs. 1 BbgPolG ist unmittelbarer Zwang die Einwirkung auf Personen oder Sachen durch körperliche Gewalt, ihre Hilfsmittel und durch Waffen. Unmittelbarer Zwang kommt sowohl zur Durchsetzung von vertretbaren als auch von unvertretbaren Handlungen in Betracht (vgl. Deusch/Burr in BeckOK VwVfG, Stand: 1. April 2022, § 12 VwVG, Rn. 4). Die Abgrenzung zwischen Ersatzvornahme und unmittelbarem Zwang orientiert sich daran, ob die Polizei in gleicher Weise wie der Pflichtige vorgeht oder ob sie in einer Art und Weise gewaltsam auf die Sache einwirkt, wie dies der Betroffene nicht tun müsste (vgl. Bayerischer VGH, Urteil vom 17. April 2008 - 10 B 07.219 -, juris, Rn. 14). Nicht nur der Erfolg der Maßnahme muss identisch sein, sondern die Art und Weise der Zwangsanwendung muss mit der dem Pflichtigen obliegenden Handlung identisch sein. Denn § 55 Abs. 1 Satz 1 BbgPolG stellt in seinem Wortlaut auf die Handlung ab.

In Anwendung dessen ist vorliegend von der Anwendung von unmittelbarem Zwang auf eine Sache auszugehen. Die Bundespolizei hat die Klägerin ausweislich des Einsatzberichts mittels einer Stegdurchbohrung aus dem Blockadekasten gelöst. Insofern hat der Beklagte in einer Art und Weise auf den Blockadekasten eingewirkt wie es die Klägerin zu ihrer Loslösung nicht hätte tun müssen. Die Klägerin war – wie die Klägerin im Verfahren VG 3 K 886/17, die sich letztlich selbst aus ihrem Blockadekasten löste – jederzeit in der Lage sich selbst von dem Karabiner und der um ihr Handgelenk gewickelten Stahlschlaufe von dem in der Armröhre befindlichen Quersteg zu lösen. Eine Durchbohrung des Blockadekastens wäre in diesem Falle nicht notwendig gewesen.

c) Andere Rechtsgrundlagen, auf die die Gebührenerhebung gestützt werden könnte, sind nicht ersichtlich. Die Erhebung von Kosten für die Anwendung unmittelbaren Zwangs (hierzu Götz/Geis, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, 17. Aufl. 2022, § 21 Rn. 37) kann landesgesetzlich vorgesehen sein (vgl. etwa Art. 75 Abs. 3 BayPAG). In Brandenburg ist dies aber nicht der Fall. Neben dem Kostenersatzanspruch aus der Ersatzvornahme ist zudem kein Raum für einen Rückgriff für einen Aufwendungsersatzanspruch aus Geschäftsführung ohne Auftrag (vgl. Götz/Geis, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, 17. Aufl. 2022, § 21 Rn. 9). Ausgeschlossen ist ebenfalls ein Rückgriff auf das allgemeine Verwaltungskostenrecht (vgl. Buchberger in Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 7. Aufl. 2021, L. Ausgleichs- und Ersatzansprüche des Bürgers und Haftung für Polizeikosten, Rn. 130).

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO. Ein Grund für die Zulassung der Berufung (vgl. § 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO) liegt nicht vor.

B e s c h l u s s

1. Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren wird für notwendig erklärt.

2. Der Streitwert des Verfahrens wird auf 450 € festgesetzt.

G r ü n d e

1. Die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren war notwendig, vgl. § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO. Die Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren ist unter Würdigung der jeweiligen Verhältnisse vom Standpunkt einer verständigen Partei aus zu beurteilen. Maßgebend ist, ob sich ein vernünftiger Bürger mit gleichem Bildungs- und Erfahrungsstand bei der gegebenen Sachlage eines Rechtsanwalts bedient hätte. Notwendig ist die Zuziehung eines Rechtsanwalts dann, wenn es der Partei nach ihren persönlichen Verhältnissen und wegen der Schwierigkeit der Sache nicht zuzumuten war, das Vorverfahren selbst zu führen. Die Notwendigkeit der Hinzuziehung wird auch durch die Bedeutung der Streitsache für den Beschwerdeführer bestimmt. Maßgeblich ist der Zeitpunkt der Bevollmächtigung (vgl. BVerwG, Beschluss vom 9. Mai 2012 - 2 A 5/11 -, juris, Rn. 2; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 8. Juli 2019 - OVG 3 L 37.18 -, juris, Rn. 2).

In Anwendung dessen war die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren notwendig. Der Schwerpunkt der Auseinandersetzung liegt mit der Abgrenzung der Ersatzvornahme zum unmittelbaren Zwang vorwiegend im rechtlichen Bereich (vgl. zu diesem Aspekt Olbertz in Schoch/Schneider (Hrsg.), VwGO, Stand: Oktober 2005, § 162 Rn. 78). Der Klägerin war es deswegen nicht zuzumuten, das Vorverfahren selbst zu führen.

2. Der festgesetzte Streitwert entspricht dem streitbefangenen Geldbetrag (§ 52 Abs. 3 GKG).