Gericht | LArbG Berlin-Brandenburg 12. Berufungskammer | Entscheidungsdatum | 09.09.2022 | |
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Aktenzeichen | 12 Sa 1220/21 | ECLI | ECLI:DE:LAGBEBB:2022:0909.12SA1220.21.00 | |
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen | Art 7 Abs 4 GG, § 138 Abs 1 BGB, § 3 NachwG |
I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Neuruppin vom 17.06.2021 – 1 Ca 400/20 – dahingehend abgeändert, dass die Beklagte verurteilt wird, an die Klägerin
- weitere 25.937,33 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15.01.2018 zu zahlen;
- weitere 13.989,39 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15.01.2019 zu zahlen;
- weitere 556,53 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15.01.2020 zu zahlen.
II. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
III. Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz haben die Klägerin 33 % und die Beklagte 67 % zu tragen, von den Kosten des Berufungsverfahren die Klägerin 15 % und die Beklagte 85 %.
IV. Die Revision wird weder für die Klägerin noch für die Beklagte zugelassen.
Die Parteien streiten über Vergütung.
Der beklagte Verein betreibt im Land Brandenburg eine staatlich anerkannte Förderschule mit dem sonderpädagogischen Förderschwerpunkt „geistige Entwicklung“. Dort beschäftigt er die Klägerin seit Jahresbeginn 1992, zunächst als sozialpädagogische Mitarbeiterin und später als Lehrkraft.
Im schriftlichen Dienstvertrag vom 30. März 1992 haben die Parteien vereinbart, dass für das Dienstverhältnis die Vergütungsordnung des beklagten Vereins in ihrer jeweiligen Fassung gilt.
Mit Staatsprüfungen am 9. Dezember 1999 erlangte die Klägerin die Lehrbefähigung für zwei Unterrichtsfächer und die Befähigung für das Amt des Lehrers im Unterricht an Förderschulen.
Die Vergütungsordnung des beklagten Vereins, Stand Juli 2005, in der zum 1. Januar 2014 in Kraft getretenen Fassung (Anlage zum Schriftsatz des Beklagten vom 26. Mai 2020, Bl. 74-102 dA), sieht vor, dass gegenseitige Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis innerhalb von neun Monaten nach Fälligkeit schriftlich geltend zu machen sind. Ansonsten verfielen sie. Die Vergütungsordnung, Stand Januar 1992, sah eine dreimonatige Ausschlussfrist vor.
Bis einschließlich Januar 2019 vergütete der beklagte Verein die Klägerin nach seiner Vergütungsordnung. Die geleistete Bruttovergütung blieb in den Jahren 2016 bis einschließlich Januar 2019 unterhalb 75 % einer Vergütung nach dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) für eine vergleichbare Tätigkeit. Wegen der im Einzelnen erhaltenen Zahlungen und der Bezifferung des Tariflohns für eine vergleichbare Tätigkeit wird auf die Aufstellung in der Klageschrift vom 7. Mai 2020 verwiesen (Bl. 36-39 dA.).
Mit schriftlichem Vertrag vom 30. November 2018 vereinbarten die Parteien, dass ab dem 1. Februar 2019 das Tarifwerk für den öffentlichen Dienst der Länder gelten solle. In dem Vertrag heißt es, die Klägerin sei in die Entgeltgruppe 13, Stufe sechs, eingruppiert.
Mit Klage zum Arbeitsgericht hat die Klägerin für die Monate Januar 2016 bis einschließlich Januar 2019 die Zahlung des Differenzbetrages zwischen der ihr gezahlten Vergütung und einer Vergütung nach dem TV-L einschließlich der Jahressonderzahlung nebst Zinsen gerichtlich geltend gemacht. Sie hat die Auffassung vertreten, die getroffene Vergütungsvereinbarung sei sittenwidrig. Die resultierende Vergütung habe nicht mindestens 70 % der Vergütung eines vergleichbaren Lehrers einer staatlichen und öffentlichen Schule entsprochen. Rechtsfolge sei ein Anspruch auf die übliche Vergütung. Diese sei nach dem vergleichbaren Wirtschaftskreis zu bestimmen, vorliegend dem Kreis der in Brandenburg anerkannten Privatschulen. Die Ansprüche seien im Hinblick auf die Sittenwidrigkeit der Vergütungsabrede nicht verfallen. Zumindest stünde ihr ein entsprechender Schadensersatzanspruch zu. Der Beklagte habe sie nicht den Vorgaben des Nachweisgesetzes entsprechend auf die Geltung der Ausschlussfrist hingewiesen.
Die Klägerin hat beantragt,
1. den Beklagten zu verurteilen, ihr für das Jahr 2016 einen Vergütungsdifferenzbetrag in Höhe von 18.688,73 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15.01.2017 zu zahlen;
2. den Beklagten zu verurteilen, ihr für das Jahr 2017 einen Vergütungsdifferenzbetrag in Höhe von 30.513,20 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15.01.2018 zu zahlen;
3. den Beklagten zu verurteilen, ihr für das Jahr 2018 einen Vergütungsdifferenzbetrag in Höhe von 25.126,66 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15.01.2019 zu zahlen;
4. den Beklagten zu verurteilen, ihr für das Jahr 2019 einen Vergütungsdifferenzbetrag in Höhe von 1.944,87 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15.02.2019 zu zahlen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte hat die Auffassung vertreten, die Ansprüche seien aufgrund der Ausschlussklausel in seiner Vergütungsordnung weitestgehend verfallen. Die ermittelten Differenzlohnansprüche bestreite er auf Angemessenheit und Richtigkeit hin. Maßgebend müsse die Vergütung von Lehrern mit Hochschulausbildung an privaten Ersatzschulen im Land Brandenburg sein.
Mit Urteil vom 17. Juni 2021 hat das Arbeitsgericht der Klage teilweise stattgegeben und den beklagten Verein in die Zahlung von Entgeltdifferenzen für 2017 bis Januar 2019 nebst Zinsen verurteilt, wie sie sich aus der Differenz zu einer Entlohnung in Höhe von 75 % der Vergütung nach dem TV-L für eine vergleichbare Lehrkraft ergeben. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es – zusammengefasst – ausgeführt: Für den Zeitraum von Jahresbeginn 2017 bis einschließlich Januar 2019 hätten die Parteien keine wirksame Vergütungsabrede getroffen. Die in diesem Zeitraum gewährte Bezahlung habe 75 % des Gehaltes vergleichbarer Lehrkräfte im öffentlichen Dienst unterschritten. Dies habe nach der einschlägigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts und unter Berücksichtigung des besonderen Schutzes von Lehrkräften an privaten Ersatzschulen durch Artikel 7 Absatz 4 Satz 4 Grundgesetz sowie der Rechtsvorschriften im Land Brandenburg über private Ersatzschulen und deren Genehmigung die Sittenwidrigkeit der Vergütungsabrede und damit deren Unwirksamkeit zur Folge. Rechtsfolge sei, dass die Klägerin einen Anspruch auf die übliche Vergütung gehabt habe. Maßgeblich sei die übliche Vergütung in dem vergleichbaren Wirtschaftskreis. Allerdings sei hierbei nicht die Vergütung an öffentlichen Schulen anzusetzen. Vielmehr komme es auf die Vergütung bei den in Brandenburg anerkannten Ersatzschulen an. Aus den Darlegungen der beweisbelasteten Klägerin habe die Kammer aber einen Anspruch auf 100 % der Vergütung nach dem TV-L als übliche Vergütung nicht feststellen können. Die Vergütungen an Ersatzschulen mit kirchlichem Träger bilde den maßgebenden Wirtschaftskreis nicht hinreichend ab, so dass den Beweisangeboten der Klägerin nicht nachzugehen gewesen sei. Es seien der Klägerin aber 75 % der Vergütung nach dem TV-L als Mindestanspruch zuzusprechen gewesen. Insoweit hätte sie jedenfalls einen Anspruch auf Schadensersatz wegen Verzuges des Beklagten mit dem Nachweis der Ausschlussfrist aus seiner Vergütungsordnung bzw. einer diesbezüglichen Änderungsmitteilung an die Klägerin. Die vertragliche Bezugnahme auf die Vergütungsordnung genüge den gesetzlichen Anforderungen nicht. Die Kausalität zwischen der unterlassenen Aufklärung und dem eingetretenen Schaden sei aus den Umständen des Sachverhalts festzustellen. Die Vergütungsdifferenzen für 2016 hat das Arbeitsgericht wegen Verjährung abgewiesen.
Gegen das ihr am 30. Juli 2021 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 30. August 2021 Berufung eingelegt, die sie am 14. September 2021 begründet hat. Sie verfolgt die erstinstanzlichen abgewiesenen Beträge für den Zeitraum von Jahresbeginn 2017 bis einschließlich Januar 2019 weiter und führt aus: Rechtsfehlerhaft sei die Annahme des Arbeitsgerichts, dass als Rechtsfolge der sittenwidrigen Vergütung nur eine Mindestvergütung von 75 % des Gehalts der vergleichbaren Lehrkräfte im öffentlichen Dienst des Landes Brandenburg zu zahlen sei. Nach den Vorgaben aus der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sei aufzuklären, wie hoch im Land Brandenburg in den Jahren 2017 bis Januar 2019 die Vergütung von Lehrkräften privater Ersatzschulen war. Im Land Brandenburg gebe es neben der Schule des Beklagten, an der die Klägerin tätig sei, sieben von ihr benannte weitere Förderschulen mit einem sonderpädagogischen Förderschwerpunkt „geistige Entwicklung“. Die Schulen seien sämtlich in kirchlicher Trägerschaft und würden nach ihrem Kenntnisstand ihr vergleichbare Lehrkräfte nach den Arbeitsvertragsrichtlinien des diakonischen Werks Berlin-Brandenburg schlesische Oberlausitz (AVR-DWBO) bzw. einem Tarif der Caritas vergüten. In einer vergleichsweisen Gegenüberstellung hat sie die Monatsentgelte nach den AVR-DWBO aufgezeigt und darauf hingewiesen, dass zusätzlich jährliche Sonderzahlungen und vermögenswirksame Leistungen erfolgten. Im Termin zur mündlichen Verhandlung vor der Kammer am 11. März 2022 hat sie behauptet, spezifische Beschäftigungsmöglichkeiten für Lehrkräfte mit der von ihr erlangten Ausbildung bestünden ausschließlich bei den Ersatzschulen, die auch Förderschulen mit den Förderschwerpunkten geistige Entwicklung oder Verhaltensstörung seien.
Die Klägerin hat beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Neuruppin vom 17.06.2021 – 1 Ca 200/20 – teilweise abzuändern und den Beklagten zur verurteilen, ihr
1. weitere 28.555,33 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15.01.2018 als Differenzvergütung für 2017;
2. weitere 17.878,79 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15.01.2019 als Differenzvergütung für 2018;
3. weitere 1.350,53 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15.02.2019 als Differenzvergütung für Januar 2019;
zu zahlen.
Der beklagte Verein beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hat die Berufung beantwortet. Er verteidigt die Entscheidung und macht sich deren Entscheidungsgründe zu eigen. Zutreffend habe das Arbeitsgericht ausgeführt, es komme auf die übliche Vergütung in einem vergleichbaren Wirtschaftskreis an. Es sei nicht die Vergütung an den öffentlichen Schulen heranzuziehen, sondern vielmehr die Vergütung der in Brandenburg anerkannten Ersatzschulen. Die Vergütung an Ersatzschulen mit kirchlichen Trägern bilde diesen Wirtschaftskreis nicht hinreichend ab.
Das Urteil des Arbeitsgerichts war abzuändern und der Klägerin weitere Vergütung zuzusprechen. Die zulässige Berufung ist überwiegend begründet.
I.
Die Berufung ist zulässig.
Ihre Statthaftigkeit folgt aus § 64 Absatz 2 Buchst. b Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG). Der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt 600 EUR. Die Klägerin hat die Berufung innerhalb der Fristen aus § 66 Absatz 1 Satz 1 ArbGG eingelegt und begründet. Berufungseinlegung und -begründung genügen den formalen Anforderungen aus § 64 Absatz 6 ArbGG, §§ 519 – 520 Zivilprozessordnung (ZPO). Insbesondere setzt sich die Klägerin in der Berufungsbegründung hinreichend mit den erstinstanzlichen Entscheidungsgründen auseinander.
II.
Die Berufung ist überwiegend begründet. Nach den der Berufungsentscheidung zu Grunde zu legenden Tatsachen einschließlich des im Berufungsverfahren ergänzten Vorbringens zur Bestimmung der üblicherweise gezahlten Vergütung ist die im Berufungsverfahren weiterverfolgte Klageforderung weitgehend begründet.
1. Zutreffend und mit zutreffender Begründung ist das Arbeitsgericht davon ausgegangen, dass die von den Parteien getroffene Vergütungsvereinbarung in dem streitbefangenen Zeitraum wegen Sittenwidrigkeit gemäß § 138 Absatz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) nichtig war. Hierzu kann auf die Ausführungen in der angefochtenen Entscheidung unter I 1 und I 2 sowie auf die einschlägige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG, 26. April 2006 - 5 AZR 549/05, juris) verwiesen werden. Der beklagte Verein hat im Berufungsverfahren insoweit keine Einwände vorgebracht.
2. Auf der Grundlage des im Berufungsverfahrens von der Klägerin gehaltenen ergänzenden Vorbringens kann die wegen Nichtigkeit der Vergütungsabrede in Anwendung von § 612 BGB geschuldete übliche Vergütung bestimmt werden auf die Vergütung einer vergleichbaren Lehrkraft, wie sie den Arbeitsvertragsrichtlinien des diakonischen Werks Berlin-Brandenburg schlesische Oberlausitz (AVR-DWBO) entspricht.
a) Rechtsfolge des Verstoßes gegen § 138 Absatz 1 BGB ist ein Anspruch auf die übliche Vergütung nach § 612 Absatz 2 BGB (vgl. BAG, 26. April 2006 - 5 AZR 549/05, juris Rn. 26; BAG, 18. November 2015 - 5 AZR 814/14, juris Rn. 44).
b) Zur Bestimmung der üblichen Vergütung ist darauf abzustellen, welches Entgelt in dem in Rede stehenden Wirtschaftsgebiet für vergleichbare Tätigkeiten gezahlt wird (BAG, 23. Mai 2001 - 5 AZR 527/99, juris Rn. 17). Maßgeblich ist die übliche Vergütung in dem vergleichbaren Wirtschaftskreis (BAG, 26. April 2006 - 5 AZR 549/05, juris Rn. 26; BAG, 18. März 2014 - 9 AZR 694/12, juris Rn. 31).
c) Vorliegend bestimmt sich die übliche Vergütung für eine vergleichbare Tätigkeit unter Zugrundelegung des im Berufungsverfahren gehaltenen ergänzenden Vorbringens nach den Vergütungssätzen der AVR-DWBO, wie sie dort für eine der Klägerin nach Qualifikation und Einsatz vergleichbare Lehrkraft vorgesehen sind.
aa) Wie es die Parteien und das Arbeitsgericht angenommen haben, ist vorliegend der vergleichbare Wirtschaftskreis bestimmt durch die in Brandenburg anerkannten privaten Ersatzschulen. Dies entspricht der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu einer insoweit vergleichbaren Sachverhaltsgestaltung. Nicht maßgeblich ist dagegen die Vergütung von Lehrkräften an öffentlichen Schulen. Öffentliche Schulen und private Ersatzschulen gehören unterschiedlichen Wirtschaftskreisen an (BAG, 26. April 2006 - 5 AZR 549/05, juris Rn. 26).
bb) Zur Bestimmung der üblichen Vergütung ist weiter zu ermitteln, welche Vergütung in dem maßgebenden Wirtschaftskreis für vergleichbare Tätigkeiten gezahlt wird. Hier sind die besondere Qualifikation und die besondere Tätigkeit der Klägerin zu berücksichtigen. Von dem beklagten Verein unbestritten bestehen nach dem von der Klägerin im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht am 11. März 2021 gehaltenen ergänzenden Vorbringen spezifische Beschäftigungsmöglichkeiten für Lehrkräfte mit der von ihr erlangten Ausbildung ausschließlich bei den Ersatzschulen, die auch Förderschulen mit den Förderschwerpunkten geistige Entwicklung oder Verhaltensstörung sind. Dies sind aber die von der Klägerin aufgeführten sieben Schulen in Trägerschaft von Organisationen die zur Diakonie oder zur Caritas zugehörig sind. Deshalb kann, anders als es noch das Arbeitsgericht auf der Grundlage des dort gehaltenen Vortrags annehmen musste, die übliche Vergütung aus den an diesen sieben Schulen für vergleichbare Tätigkeiten gewährten Vergütungen ermittelt werden. Zwar ist der zu vergleichende Wirtschaftskreis größer, weil er alle privaten Ersatzschulen in Brandenburg umfasst. Da aber an den übrigen privaten Ersatzschulen in Brandenburg keine der Klägerin nach ihrer Qualifikation vergleichbaren Lehrkräfte benötigt werden und zum Einsatz kommen, bleiben sie für die Bestimmung der üblichen Vergütung für eine vergleichbare Tätigkeit ohne Bedeutung.
cc) Von den sieben Schulen gewähren nach dem insoweit wiederum nicht bestrittenen Vorbringen der Klägerin sechs Schulen eine Vergütung in Anwendung der AVR-DWBO. Demzufolge kann die übliche Vergütung für vergleichbare Tätigkeiten in dem maßgebenden Wirtschaftskreis vorliegend aus diesem Regelungswerk ermittelt werden. Nach dem Eingruppierungskatalog für Lehrkräfte als Ergänzung der Anlage 1 der AVR-DWBO sind von den Lehrkräften an Sonder- und Förderschulen Mitarbeiterinnen, die wie die Klägerin in der Tätigkeit einer Lehrkraft an Förderschulen mit einem abgeschlossenen Lehramtsstudium Sonderpädagogik und zweitem Staatsexamen als Förderschullehrer (Lehramt Sonderpädagogik) beschäftigt werden, mit einer Vergütung nach der Entgeltgruppe 12 zu vergüten. Im Hinblick auf die Dauer ihrer Beschäftigung würde die Klägerin Entgelt nach Erfahrungsstufe 2 beanspruchen können.
3. Hiervon ausgehend hat die Kammer für die streitbefangenen Jahre die übliche Vergütung aus den Tabellenwerten der AVR-DWBO errechnet, wie sie in der Berufungsbegründung vom 13. September 2021, dort Seite 12, wiedergegeben sind. Dabei hat die Kammer für die Errechnung der Jahresvergütung 12,5 Monatsentgelte zu Grunde gelegt. Dies ergibt sich daraus, dass nach der Anlage 14 zu den AVR-DWBO eine jährliche Sonderzahlung in der Höhe eines halben Monatsentgelts zu gewähren ist, während die Gewährung einer zweiten Tranche in Höhe eines weiteren halben Monatsentgelts vom betrieblichen Ergebnis der Einrichtung abhängig ist. Ausgehend von der 12,5-fachen Monatsvergütung nach den AVR-DWBO sind der Klägerin Ansprüche entstanden auf Zahlung der Beträge, die sich aus der Gegenüberstellung der so errechneten üblichen Vergütung für die Jahre 2017 und 2018 und den Januar 2019 mit den für diese Zeiträume von dem beklagten Verein gewährten Entgelten ergeben. Hiervon waren die im Urteil des Arbeitsgerichts bereits zugesprochenen Beträge abzuziehen.
4. Die Ansprüche sind noch zur Zahlung offen. Sie sind nicht in Anwendung der Ausschlussfrist aus der Vergütungsordnung des beklagten Vereins verfallen. Dabei kann zu dessen Gunsten unterstellt werden, dass trotz der Sittenwidrigkeit der Vergütungsvereinbarung die Ausschlussfrist zur Anwendung kommen würde. Wie es das Arbeitsgericht angenommen hat, würden der Klägerin dann jedenfalls Schadensersatzansprüche in Höhe der entstandenen Ansprüche aus §§ 280 Absatz 1, 249 BGB zustehen, weil der beklagte Verein die Ausschlussfrist aus der Vergütungsordnung nicht gemäß den Bestimmungen des Nachweisgesetzes gegenüber der Klägerin nachgewiesen hat.
a) In Anwendung von § 3 Satz 1 Nachweisgesetz in der im Streitfall anwendbaren Fassung (NachwG aF) war vorliegend der beklagte Verein gehalten, der Klägerin die Abänderung bezüglich der Ausschlussfrist durch die Vergütungsordnung Stand Juli 2005 schriftlich mitzuteilen. Ausschlussfristen sind eine wesentliche Vertragsbedingung, die nach § 2 Absatz 1 Satz 1 NachwG aF informationspflichtig waren (BAG 23. Januar 2002 - 4 AZR 56/01, juris Rn 32-38; BAG, 30. Oktober 2019 - 6 AZR 465/18, juris Rn. 48). Mit der Verlängerung der Frist zur Geltendmachung von drei auf neun Monate ab Fälligkeit, wie sie in der Vergütungsordnung Stand Juli 2005 wiedergegeben ist, lag somit eine nach § 3 Satz 1 NachwG aF mitteilungspflichtige Änderung der wesentlichen Vertragsbedingungen vor.
b) Der Mitteilungspflicht wegen der Änderung stehen § 2 Absatz 1 Nr. 10 oder § 3 Satz 2 NachwG aF nicht entgegen.
aa) Nach § 3 Satz 2 NachwG aF gilt die Mitteilungspflicht nicht bei einer Änderung der auf das Arbeitsverhältnis anwendbaren gesetzlichen Vorschriften, Tarifverträge, Betriebs- oder Dienstvereinbarungen oder ähnlichen Regelungen, die für das Arbeitsverhältnis gelten. Es kann zu Gunsten des beklagten Vereins davon ausgegangen werden, dass die Vergütungsordnung hiervon als ähnliche Regelung erfasst sein würde. § 3 Satz 2 NachwG aF fände dennoch keine Anwendung. Die Änderungsinformation ist nämlich nur dann entbehrlich, wenn im erstellten Nachweis die Verweisungsmöglichkeit auf Tarifvorschriften oder Vorschriften aus Betriebs- oder Dienstvereinbarungen in § 2 Absatz 3 NachwG aF genutzt wurde. § 3 Satz 2 NachwG aF ergänzt die Ersetzungsbefugnis nach § 2 Absatz 3 NachwG aF (Kliemt in: Henssler/Willemsen/Kalb, Arbeitsrecht Kommentar, 10. Auflage 2022, § 3 NachwG Rn. 3; ErfK/Preis, 22. Aufl. 2022, NachwG § 3 Rn. 1). Eine Ersetzung des Hinweises auf die Ausschlussfrist durch den Hinweis im schriftlichen Arbeitsvertrag aus 1992 auf die Vergütungsordnung ist vorliegend aber ausgeschlossen, weil der bloße Hinweis auf das Regelungswerk ohne Benennung der betroffenen Vertragsbedingung nicht als Ersetzung nach § 2 Absatz 3 NachwG aF genügt und außerdem die Ausschlussfrist nicht zu den zur Ersetzung zugelassenen Informationsgegenständen zählt (BAG, 30. Oktober 2019 - 6 AZR 465/18, juris Rn. 59-60).
bb) Aus § 2 Absatz 1 Nr. 10 NachwG aF kann die Entbehrlichkeit der Änderungsinformation ebenfalls nicht folgen. Die durch die Vorschrift angeordnete Informationspflicht ist auf die auf das Arbeitsverhältnis anzuwendenden Tarifverträge, Betriebs- oder Dienstvereinbarungen beschränkt. Ähnliche Regelungen im Sinne des NachwG sind nicht erfasst (vgl. BAG, 30. Oktober 2019 - 6 AZR 465/18, juris Rn. 51-57).
c) Mit der Mitteilung der Änderung ist der beklagte Verein einen Monat nach Wirksamwerden der Verlängerung der Geltendmachungsfrist in Verzug geraten, § 3 Satz 1 NachwG aF. Befindet sich ein Arbeitgeber mit der Aushändigung der Mitteilung nach § 3 NachwG in Verzug, hat er gemäß § 280 Absatz 1 Satz 1 BGB den durch den eingetretenen Verzug adäquat verursachten Schaden zu ersetzen. Der Schadensersatzanspruch ist auf Naturalrestitution gerichtet (§ 249 Absatz 1 BGB). Deshalb kann ein Arbeitnehmer von dem Arbeitgeber verlangen, so gestellt zu werden, als wäre sein Zahlungsanspruch nicht untergegangen, wenn ein solcher Anspruch nur wegen Versäumung der Ausschlussfrist erloschen ist und bei gesetzmäßigem Nachweis seitens des Arbeitgebers bestehen würde (BAG, 21. Februar 2012 - 9 AZR 486/10, juris Rn. 34; BAG, 30. Oktober 2019 - 6 AZR 465/18, juris Rn. 47). Die Kausalität zwischen der unterlassenen Aufklärung und dem eingetretenen Schaden hat das Arbeitsgericht in den Entscheidungsgründen festgestellt. Hiergegen hat sich der beklagte Verein nicht gewandt.
d) Demnach ist ein Verzug des beklagten Vereins mit dem Nachweis der in der ursprünglich in Bezug genommenen Fassung der Vergütungsordnung enthaltenen Ausschlussfrist für die Entstehung des Schadensersatzanspruchs nicht erforderlich. Ein solcher Verzug würde nicht zweifelsfrei feststehen, weil die Parteien ihr Arbeitsverhältnis bereits in 1992 begründet haben und damit vor Inkrafttreten des NachwG am 28. Juli 1995. Für sie galt daher im streitgegenständlichen Zeitraum die Übergangsvorschrift in § 4 NachwG aF., wonach der Nachweis nur auf Verlangen des Arbeitnehmers erteilt werden musste (zu letzterem: ErfK/Preis, 22. Aufl. 2022, NachwG § 4). Ein solches Verlangen ist nicht vorgetragen.
5. Die eingeklagten und ausgeurteilten Zinsen kann die Klägerin aus §§ 286 Absatz 2 Ziff. 1, 288 Absatz 1 BGB beanspruchen. Der dafür erforderliche Verzug war für die für 2017 und 2018 aufsummierten Jahresdifferenzbeträge und das Monatsentgelt für Januar 2019 bis zum geltend gemachten Verzinsungsbeginn eingetreten. Nach der gesetzlichen Auffangregelung in § 614 Satz 2 BGB tritt Fälligkeit mit Ablauf des Zeitabschnittes ein, für den die Vergütung versprochen ist. Bei monatsweise gewährter Vergütung ist dies der Monatsletzte (BAG, 26.05.1993 - 5 AZR 405/92, juris Rn. 18) bzw. der erste Tag des Folgemonats (BAG, 15. Mai 2001 - 1 AZR 672/00, juris Rn. 37; BAG, 19. April 2005 - 9 AZR 160/04, juris Rn 17; Krause, in Münchner Handbuch zum Arbeitsrecht, Band 1, 5. Auflage 2021, § 69 Rn. 3). Die jeweiligen Differenzen waren also (spätestens) mit Jahresbeginn bzw. Beginn Februar 2019 fällig.
III.
Im Übrigen war die Berufung zurückzuweisen. Über den Urteilstenor hinausgehende Nachforderungen wegen Vergütung für Januar 2017 bis Januar 2019 ausgehend von der vollen Höhe des Tariflohns nach dem TV-L kann die Klägerin von dem beklagten Verein nicht beanspruchen. Aus den Darlegungen der Klägerin folgt, dass die übliche Vergütung auf das Niveau der AVR-DWBO beschränkt ist. Dies erreicht aber nicht vollständig das Entgeltniveau des TV-L. Die Berufungsbegründung trägt die diesbezüglichen Einzelheiten vor (dort Seite 12). Ausgehend von den von der Klägerin als vergleichbar benannten sieben Schulen, von denen sechs in Anwendung der AVR-DWBO vergüten, kann eine übliche Vergütung in voller Höhe des Tariflohns nach dem TV-L ausgeschlossen werden.
IV.
Von den Nebenentscheidungen beruht die Kostenentscheidung auf § 92 Absatz 2 ZPO. Die Kosten des Rechtsstreits sind von den Parteien jeweils dem Anteil ihres Unterliegens am Gesamtstreitwert entsprechend zu tragen. Dabei waren für das erstinstanzliche Verfahren und für das Berufungsverfahren unterschiedliche Quoten festzusetzen. Vor dem Arbeitsgericht ist die Klägerin zusätzlich wegen der für das Jahr 2016 eingeklagten Beträge unterlegen.
Veranlassung, in Anwendung von § 72 Absatz 2 ArbGG die Revision zuzulassen, bestand für keine der beiden Prozessparteien.
Gegen diese Entscheidung ist kein Rechtsmittel gegeben.
Auf die Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde wird hingewiesen.