Gericht | VG Potsdam 9. Kammer | Entscheidungsdatum | 31.08.2022 | |
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Aktenzeichen | 9 K 1772/20 | ECLI | ECLI:DE:VGPOTSD:2022:0831.9K1772.20.00 | |
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 1 Abs 1 S 1 InfFrG BE, § 3 Nr 4 InfFrG BE, § 4 Abs 2 Nr 4 SÜG |
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
Der Kläger begehrt Einsicht in Lagebilder, die die Bundespolizei für einen Stadtteil in S... erstellt hat, sowie in die entsprechenden Daten des GASIM (Gemeinsames Analyse- und Strategiezentrum illegale Migration).
Mit Schreiben vom 28. Januar 2020 beantragte der Kläger bei dem Bundespolizeipräsidium unter Berufung auf § 1 Abs. 1 Satz 1 des Informationsfreiheitsgesetzes (IFG) die Auskunftserteilung über beziehungsweise die Vorlage von „sämtliche(n) (ggf. monatlichen) Lagebilder(n) der Bundespolizeidirektion K... sowie die entsprechenden Daten des GASIM für die Jahre 2015, 2016 und 2017“.
Mit Bescheid vom 3. März 2020 wies das Bundespolizeipräsidium das Auskunftsersuchen zurück und führte zur Begründung aus: Ein Auskunftsanspruch bestehe nicht, wenn das Bekanntwerden von Informationen nachteilige Informationen auf die Durchführung eines laufenden Gerichtsverfahrens haben könne (§ 3 Nr. 1 lit. g IFG). Insofern werde auf das vor dem Oberverwaltungsgericht des Saarlands unter dem Aktenzeichen 2 A 60/20 geführte Verfahren verwiesen. Dem Zugang zu den Unterlagen stünden ferner Ausschlussgründe nach § 3 Nr. 1 lit. a und Nr. 4 IFG entgegen. Die Produkte des GASIM bestünden zu einem weit überwiegenden Teil aus Informationen und Bewertungen zu internationalen Themen. Diese Informationen stammten zumeist aus nicht öffentlichen Quellen, so dass deren Bekanntwerden nachteilige Auswirkungen auf die internationalen Beziehungen haben könne (§ 3 Nr. 1 lit. a IFG). Die GASIM-Produkte seien darüber hinaus als Verschlusssachen „VS-Nur für den Dienstgebrauch (VS-NfD)“ eingestuft und kenntlich gemacht. Eine Einstufung von Dokumenten nach „VS-NfD“ erfolge, wenn die Kenntnisnahme durch Unbefugte für die Interessen der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder nachteilig sein könne. Nach § 3 Nr. 4 IFG bestehe kein Anspruch auf Informationszugang, wenn die Informationen einer durch Rechtsvorschrift oder durch die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum materiellen und organisatorischen Schutz von Verschlusssachen geregelten Geheimhaltungs- oder Vertraulichkeitspflicht oder einem Berufs- oder besonderen Amtsgeheimnis unterlägen. Die Einstufung der Verschlusssache richte sich dabei nach ihrem Inhalt. Die Inhalte, die sich auf Beiträge aus dem internationalen Bereich bezögen, könnten bei Bekanntgabe der Erkenntnisse zu erheblichen Nachteilen für die Bundesrepublik Deutschland führen. Bei den Beiträgen der GASIM-Produkte, die sich nicht mit internationalen Themen befassten, handele es sich um Asylstatistiken des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge. Diese Statistiken seien öffentlich zugänglich und könnten durch den Kläger ohne unzumutbaren Aufwand auf andere Weise beschafft werden (§ 9 Abs. 3 IFG).
Hiergegen erhob der Kläger unter dem 9. März 2020 Widerspruch. Im Hinblick auf § 3 Nr. 1 lit. g IFG verwies er auf Ausführungen des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg in dem Urteil vom 5. Mai 2014 – OVG 12 B 4.12 –. Hinsichtlich etwaiger anderer Ausschlussgründe mangele es von Seiten der Beklagten an entsprechenden Darlegungen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 9. Juni 2020, zugestellt am 12. Juni 2020, wies das Bundespolizeipräsidium den Widerspruch zurück und führte zur Begründung aus: Die Argumentation in dem angeführten Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg sei auf den vorliegenden Sachverhalt nicht übertragbar. Des Weiteren seien Lageerkenntnisse sowie die Produkte des GASIM grundsätzlich als VS-NfD eingestuft. Die Einstufung der Produkte als Verschlusssache erfolge vorrangig, weil sie einsatztaktische Informationen und Empfehlungen zum polizeilichen Handeln enthielten. Bei einer Weitergabe von einsatztaktischen Informationen, Einsatzdaten oder Einsatzplanungen könne sich „das polizeiliche Gegenüber“ auf die Maßnahmen einstellen, womit der Einsatzerfolg vereitelt oder zumindest geschmälert würde. Die Hinweise auf Brennpunkte in den einzelnen Kriminalitätslagefeldern entfalteten in der Regel auch Auswirkungen auf den Einsatz der vielfach beschränkten Personalressourcen. Rückschlüsse hierzu seien ebenfalls nicht für die Öffentlichkeit bestimmt. Die Bekanntgabe von Inhalten aus den Lageprodukten, die sich auf Beiträge aus dem internationalen Bereich bezögen, könnten bei Bekanntgabe der Erkenntnisse zu erheblichen Nachteilen für die Bundesrepublik Deutschland führen, da sie als Vertrauensbruch gegenüber den ausländischen Vertragspartnern gewertet werden könnte. Die Frage, ob die Weitergabe der Informationen an den Kläger nachteilige Auswirkungen für internationale Beziehungen hätte, sei nach der Rechtsprechung von der informationspflichtigen Stelle durch eine prognostische Einschätzung mit wertendem Charakter zu beantworten; eine konkrete Gefährdung oder Beeinträchtigung des Schutzgutes sei demnach nicht erforderlich, es reiche die bloße Möglichkeit nachteiliger Auswirkungen auf internationale Beziehungen.
Der Kläger hat am 11. Juli 2020 Klage erhoben und zur Begründung auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 29. Oktober 2009 – 7 C 21.08 – hingewiesen. Lagebilder seien ebenso wie die statistisch erhobenen Daten des GASIM nichts anderes als die Ermöglichung einer Evaluation polizeilicher Gefahreneinschätzungen und der hieraus resultierenden belastbaren und vor allem gerichtlich überprüfbaren Lageerkenntnisse im Rahmen der Rechtmäßigkeitskontrolle verdachtsunabhängiger polizeilicher Maßnahmen. Die vermeintlichen Auswirkungen und Gefahren durch die Kenntlichmachung gegenüber dem Kläger seien weder nachgewiesen noch auch nur glaubhaft gemacht. Interessiert sei er an den begehrten Unterlagen deshalb, weil er in M... wohne.
Auf Nachfrage des Gerichts hat der Kläger ferner mitgeteilt, dass seinem Prozessbevollmächtigten die hier begehrten Lagebilder bzw. – nach seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung – sämtliche der streitgegenständlichen Unterlagen bzw. Daten zwar in dem vor dem Oberverwaltungsgericht des Saarlands unter dem Aktenzeichen 2 A 60/20 geführten Verfahren mit Schriftsatz des Gerichts vom 15. November 2021 übermittelt worden seien, allerdings mit der Maßgabe, dass die Unterlagen dem Kläger nicht außerhalb der Geschäftsräume seines Prozessbevollmächtigten zur Verfügung gestellt werden dürften. Der hier streitige Anspruch nach dem Informationsfreiheitsgesetz sei weiter beziehungsweise setze eine Ermessensentscheidung der Behörde hinsichtlich der Art der Zurverfügungstellung voraus. Im Übrigen bestreite der Kläger, dass die streitgegenständlichen Lagebilder einsatztaktische Informationen der Bundespolizei enthielten.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 3. März 2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Juni 2020 zu verpflichten, ihm nach § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG sämtliche (gegebenenfalls monatliche) Lagebilder der Bundespolizeidirektion Koblenz für den Bereich des S... sowie die entsprechenden Daten der GASIM für die Jahre 2015, 2016 und 2017 vorzulegen,
hilfsweise festzustellen, dass die Verweigerung der Informationsherausgabe rechtswidrig war.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie verteidigt die angegriffenen Bescheide und trägt vor: Der Vorlage der begehrten Lagebilder sowie der entsprechenden Daten des GASIM stehe weiterhin der Ablehnungsgrund des § 3 Nr. 4 IFG entgegen. Der Hinweis des Klägers auf die von ihm zitierte Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts greife insoweit nicht, als sowohl in dem Ausgangsbescheid als auch dem Widerspruchsbescheid die Einstufung der begehrten Unterlagen als Verschlusssache nicht nur formal angeführt, sondern mit aktuellem Bezug und dahingehender Begründung nochmals materiell-rechtlich bestätigt worden sei. Zudem trägt sie unter Hinweis auf die Gesetzesbegründung zum Informationsfreiheitsgesetz vor, dass nach dem Willen des Gesetzgebers eine derart eingestufte Information den Anspruch auf Informationszugang absolut und nicht relativierbar ausschließe. Ergänzend zu den bisherigen Ausführungen werde die Einstufung der Lagebilder der einzelnen Bundespolizeidirektionen als VS-NfD anhand folgender Aspekte nochmals bestätigt: Die Einstufung der Lagebilder erfolge vorrangig, weil diese einsatztaktische Informationen und Empfehlungen zum polizeilichen Handeln enthielten. Die streitgegenständlichen Lagebilder bezögen sich dabei auf deliktsspezifische und räumliche Brennpunkte wie etwa ausländerrechtliche Verstöße gegen das Aufenthaltsgesetz, allgemeine und grenzüberschreitende Straftaten sowie Verstöße gegen das Asylgesetz. Es werde zunächst die allgemeine Lage dargestellt, in der nach Straftaten und Ordnungswidrigkeiten unter Berücksichtigung der Vorgänge aus den Vormonaten differenziert werde. Zudem sei aus einer Übersicht erkennbar, in welchen Lagefeldern im Vergleich zum Vorjahr ein Anstieg oder Rückgang zu verzeichnen sei. Abschließend würden, im Rahmen einer Prognose und Handlungsempfehlung, die Schwerpunkte von Kontrollen unter Berücksichtigung der Personalressourcen dargestellt. Die Lagebilder unterschieden sich in Aufbau und Inhalt nicht unmittelbar zu den aktuell gehaltenen Lagebildern, so dass Rückschlüsse auf Strategien und Aktivitäten der Beklagten gezogen werden könnten. Das Bekanntwerden des Lagebildes, selbst aus vergangenen Jahren, könne nachteilige Auswirkungen auf Belange der inneren Sicherheit haben. Denn in ihrer Gesamtheit ließen sich aus Lageerkenntnissen taktische Ansätze der polizeilichen Arbeit (z.B. Art und Umfang, Intensität und Häufigkeit der Kontrollen) ableiten. Sie enthielten demnach in gestraffter Form die aktuellen Erkenntnisse zur Lage und Entwicklung im jeweiligen Bereich. Anhand der Lagebilder werde eine polizeifachliche Bewertung der Lage vorgenommen, weshalb sie langfristig erkennbare oder kurzfristig zu erwartende Entwicklungen mit besonderer polizeilicher oder politischer Handlungsrelevanz in strategischer Hinsicht darstellten. Insofern sollten die Lagebilder die polizeilichen und politischen Entscheidungsträger in die Lage versetzen, das Gefahren- und Schadenspotenzial in dem jeweiligen Bereich einzuschätzen. Insbesondere im Hinblick auf spezielle Tatbegehungsweisen, zu erwartende Entwicklungen und polizeilichen Handlungsbedarf könne eine Kenntnisnahme durch Dritte für die Interessen der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder nachteilig sein. Die Offenlegung der Lagebilder würde Dritten die Möglichkeit eröffnen, Einsicht in die Arbeitsweise und das Vorgehen der Polizei zu nehmen. Durch den Zugriff könnten Rückschlüsse auf die Funktions- und Arbeitsweise gezogen werden. Die erfolgreiche Durchführung der polizeilichen Aufgaben und somit die Belange der inneren Sicherheit würden dadurch eingeschränkt und gefährdet werden. Dem Anspruch auf Übermittlung der Daten des GASIM stehe zudem der Ausnahmegrund des § 3 Nr. 1 lit. a IFG entgegen. Durch eine Veröffentlichung aller hier vorliegenden Unterlagen könne insbesondere das diplomatische Vertrauensverhältnis der Bundesrepublik Deutschland gegenüber anderen Staaten geschädigt werden. Eine Bereitschaft, Einsicht in entsprechende Informationen zu gewähren, würde bei ausländischen Stellen zwangsläufig zu einem deutlichen Reputations- und Vertrauensverlust führen mit der Folge, dass die Verhandlungsposition der Bundesregierung geschwächt wäre. Diese Auswirkungen stünden dem in der Gesetzesbegründung geäußerten Willen des Gesetzgebers entgegen.
Bezüglich des weiteren Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf die Gerichtsakte sowie auf den beigezogenen Verwaltungsvorgang der Beklagten zum Akteneinsichtsantrag verwiesen.
Die Klage ist im Hauptantrag als Verpflichtungsklage statthaft und zulässig. Insbesondere liegt trotz der Übermittlung der streitgegenständlichen Unterlagen an den Prozessbevollmächtigten des Klägers durch das Oberverwaltungsgericht des Saarlandes in dem dortigen Verfahren 2 A 60/20 auch ein Rechtsschutzbedürfnis für die durch den Kläger begehrte Verpflichtung vor, ihm die Lagebilder für den Bereich S... sowie die entsprechenden Daten des GASIM für die Jahre 2015, 2016 und 2017 vorzulegen. Schon aufgrund des Hinweises in dem Übersendungsschreiben des Oberverwaltungsgerichts vom 15. November 2021, wonach mit der Übersendung nach § 100 Abs. 2 Satz 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) die Pflicht korrespondiere, eine Weitergabe der Akten an Dritte, auch an Mandanten, außerhalb der Geschäftsräume/Wohnung des Prozessbevollmächtigten nicht zu gestatten, konnte der Prozessbevollmächtigte des Klägers jedenfalls nicht rechtssicher davon ausgehen, dass er dem Kläger die streitgegenständlichen Unterlagen in gleichem Umfang zur Verfügung stellen kann wie dies bei einer erfolgreich auf das Informationsfreiheitsgesetz gestützten Akteneinsicht der Fall wäre. Da der hier geltend gemachte Anspruch nach dem Informationsfreiheitsgesetz mithin bezüglich der Art und Weise des Informationszugangs insoweit weiter reicht als der bereits im Rahmen des Verfahrens 2 A 60/20 vor dem Oberverwaltungsgericht des Saarlandes gewährte Informationszugang, vermag die dortige Aktenübersendung das Rechtsschutzbedürfnis des Klägers für das hiesige Verfahren nicht entfallen zu lassen.
Die Klage ist jedoch unbegründet. Die Weigerung der Beklagten, dem Kläger Einsicht in sämtliche Lagebilder der Bundespolizeidirektion Koblenz für den Bereich des Saarbrücker Stadtteils M... sowie in die entsprechenden Daten der GASIM für die Jahre 2015, 2016 und 2017 zu gewähren, ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO); der Kläger hat keinen Anspruch auf Einsicht in die genannten Unterlagen.
§ 1 Abs. 1 Satz 1 IFG sieht zwar grundsätzlich einen Jedermannsanspruch gegenüber den Behörden des Bundes auf Zugang zu amtlichen Informationen vor; dieser besteht jedoch nur nach Maßgabe dieses Gesetzes.
Dahinstehen kann, ob oder inwieweit die Voraussetzungen der von der Beklagten ebenfalls herangezogenen Ausschlussgründe gemäß § 3 Nr. 1 lit. a und lit. g IFG vorliegen.
Jedenfalls steht dem geltend gemachten Anspruch der Ausschlussgrund des § 3 Nr. 4 IFG entgegen. Danach besteht der Anspruch auf Informationszugang nicht, wenn die Information einer durch Rechtsvorschrift oder durch die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum materiellen und organisatorischen Schutz von Verschlusssachen geregelten Geheimhaltungs- oder Vertraulichkeitspflicht oder einem Berufs- oder besonderen Amtsgeheimnis unterliegt.
Dies ist sowohl hinsichtlich der Lagebilder als auch der Daten des GASIM der Fall, da beide Dokumente als „Verschlusssache, nur für den Dienstgebrauch (VS-NfD)“ im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 4 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum materiellen Geheimschutz (Verschlusssachenanweisung - VSA) in Verbindung mit § 4 Abs. 2 Nr. 4 des Gesetzes über die Voraussetzungen und das Verfahren von Sicherheitsüberprüfungen des Bundes und den Schutz von Verschlusssachen (Sicherheitsüberprüfungsgesetz – SÜG) eingestuft sind. Zwar vermag allein die formale Einstufung einer Information als Verschlusssache den Anspruch auf Informationszugang für sich genommen noch nicht auszuschließen; erforderlich ist vielmehr, dass die materiellen Gründe für eine solche Einstufung auch vorliegen (BVerwG, Urteil vom 29. Oktober 2009 – 7 C 21.08 -, juris Rn. 19, 26). Dies hat – bezogen auf den maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung – die um Informationszugang ersuchte Behörde darzulegen und ist gerichtlich voll überprüfbar (BVerwG, Urteil vom 28. Februar 2019 – 7 C 20.17 -, juris Rn. 33).
Nach § 4 Abs. 2 Nr. 4 SÜG ist eine Information als Verschlusssache mit dem Geheimhaltungsgrad „VS-NfD“ einzustufen, wenn die Kenntnisnahme durch Unbefugte für die Interessen der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder nachteilig sein kann. Der sichere Nachweis muss dabei nicht erbracht werden. Dies liegt in der Natur der vorbeugenden Regelung, die nicht erst rückblickend die tatsächlichen Wirkungen eines Handelns bewerten, sondern aufgrund einer prognostischen Entscheidung den Eintritt der nachteiligen Veränderung verhindern will. Es genügt insofern die Möglichkeit einer Beeinträchtigung. Diese Möglichkeit darf nicht nur eine theoretische sein. Eher fernliegende Befürchtungen scheiden daher aus (OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 18. Mai 2017 – OVG 12 B 17.15 -, juris Rn. 21 m.w.N.).
Hieran gemessen reichen die Darlegungen der Beklagten insbesondere in ihrem Schriftsatz vom 19. März 2020 sowie in dem an das Oberverwaltungsgericht des Saarlandes im Verfahren 2 A 60/20 gerichteten Schriftsatz vom 8. November 2021, der durch die Klägerseite in das hiesige Verfahren eingeführt wurde, aus, um die weitere Einstufung der streitgegenständlichen Lagebilder und GASIM-Daten als Verschlusssache mit dem Grad „VS-NfD“ zu rechtfertigen.
Für die Annahme, die Kenntnisnahme durch Unbefugte könne für die Interessen der Bundesrepublik Deutschland nachteilig sein, genügt es, wenn die Aufgabenerfüllung der Bundespolizei beeinträchtigt werden kann (vgl. mit Blick auf die Aufgabenerfüllung des damaligen Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie OVG Berlin-Brandenburg, a.a.O., Rn. 22, sowie mit Blick auf die Aufgabenerfüllung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge VGH München, Urteil vom 22. Oktober 2015 - 5 BV 14.1804 -, juris Rn. 57). Nach § 2 Abs. 1 des Gesetzes über die Bundespolizei (Bundespolizeigesetz - BPolG) obliegt der Bundespolizei der grenzpolizeiliche Schutz des Grenzgebiets. Dabei umfasst der Grenzschutz gemäß § 2 Abs. 2 BPolG die polizeiliche Überwachung der Grenzen (Nr. 1), die polizeiliche Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs (Nr. 2) und im Grenzgebiet bis zu einer Tiefe von 30 Kilometern und von der seewärtigen Begrenzung an bis zu einer Tiefe von 50 Kilometern die Abwehr von Gefahren, die die Sicherheit der Grenze beeinträchtigen (Nr. 3).
Diese Aufgabenerfüllung kann bei einer auf das Informationsfreiheitsgesetz gestützten Herausgabe der begehrten Lagebilder nachteilig beeinträchtigt werden. Nach Auskunft der Beklagten wird in den Lagebildern zunächst die allgemeine Lage dargestellt, in der nach Straftaten und Ordnungswidrigkeiten unter Berücksichtigung der Vorgänge aus den Vormonaten differenziert wird. Zudem lässt sich einer Übersicht entnehmen, in welchen Lagefeldern im Vergleich zum Vorjahr ein Anstieg oder Rückgang zu verzeichnen ist. Daneben ist auch eine Zuordnung der einzelnen Delikte zu den Grenzabschnitten Luxemburg, Frankreich oder Inland sowie eine Aufschlüsselung der Straftatzahlen in den Aufgabenbereichen Grenze, Bahn und sonstiger Straßenverkehr enthalten. In Teilbereichen – etwa bei ausländerrechtlichen Verstößen oder Kapitaldelikten – erfolgt im Lagebild unmittelbar eine Teilauswertung, die sich auf das weitere Vorgehen auswirkt. Selbst wenn das Bekanntwerden einiger dieser Informationen für sich genommen unproblematisch sein sollte, so lassen sich durch die Kenntnis der Lagebilder in der Gesamtschau gleichwohl umfassende Rückschlüsse auf Handlungsfelder der Bundespolizeiinspektion Bexbach ziehen (zu „unbedenklichen Einzelinformationen“ vgl. VG Potsdam, Urteil vom 22. Februar 2019 – 9 K 1214/16 –, juris Rn. 22). Dies gilt auch dann, wenn die Lagebilder – wie durch den Kläger vorgetragen – einsatztaktische Informationen, die mit einer konkreten Handlungsanweisung für Polizeibedienstete verbunden sind, nicht enthalten. Denn bereits die bloße Kenntnis der Zahlen von Kontrollen und Verstößen in bestimmten Bereichen des Zuständigkeitsbereichs der Bundespolizeiinspektion B... sowie die Veränderung dieser Zahlen im Vergleich zu vorangegangenen Berichtsperioden ermöglicht es, zu erkennen, in welchen Bereichen die Bundespolizei in welcher Intensität und mit welchem Erfolg Einsätze durchführt. Die Kenntnis solcher Informationen lässt die Arbeit der Bundespolizei jedenfalls in Teilen berechenbar werden und eröffnet die Möglichkeit, das eigene Handeln hiernach auszurichten. Dies gilt ungeachtet des Umstands, dass sich die hier streitgegenständlichen Lagebilder auf die zurückliegenden Jahre 2015, 2016 und 2017 beziehen. Denn die Kenntnis über grundsätzliche Herangehensweisen und den Umgang der Bundespolizei mit bestimmten in einem klar umgrenzten Gebiet auftretenden Phänomenen kann trotz der zwischenzeitlich verstrichenen Zeit nach wie vor dazu führen, dass Einsatzstrategien und polizeiliche Taktiken vorhersehbar werden. Dies beeinträchtigt jedenfalls potentiell die Aufgabenerfüllung der Bundespolizei im oben beschriebenen Sinne und kann daher zugleich nachteilig sein für die Interessen der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder, hier insbesondere des Saarlands, auf das sich die streitgegenständlichen Lagebilder beziehen.
Nachteile für die Interessen der Bundesrepublik Deutschland können auch bei einer auf das IFG gestützten Herausgabe der GASIM-Daten eintreten. Die regelmäßig erscheinenden GASIM-Reporte behandeln nach Auskunft der Beklagten aktuelle Themen der Kooperationsbehörden im Bereich der illegalen Migration sowie die Ergebnisse aus der gemeinsamen Auswertung und Analyse internationaler und nationaler Erkenntnisse und Informationen, wobei die Auswertungsergebnisse und Handlungsempfehlungen der GASIM-Reporte im Einzelfall heruntergebrochen in die Bewertungsgrundlage der regionalen und örtlichen Kriminalitätslagebilder und Führungsentscheidungen einfließen. Vor diesem Hintergrund können sich Nachteile zum einen in gleicher Weise wie oben bezüglich der Lagebilder dargestellt ergeben, weil durch ein Bekanntwerden der Inhalte der GASIM-Reporte Rückschlüsse auf die Arbeit der Bundespolizei gezogen werden könnten und Polizeieinsätze und –strategien dadurch vorhersehbar werden könnten. Zum anderen besteht aufgrund des Umstands, dass sich die GASIM-Reporte mit internationalen Themen befassen und die darin wiedergegebenen Informationen zum Teil von ausländischen Stellen stammen, die nicht fernliegende Möglichkeit, dass es bei ausländischen Stellen im Falle einer Veröffentlichung der Informationen zu einem Vertrauensverlust gegenüber der Bundespolizei beziehungsweise der Bundesrepublik Deutschland generell kommen könnte. Die Annahme der Beklagten, dass bei einer Veröffentlichung dieser Unterlagen insbesondere das diplomatische Vertrauensverhältnis der Bundesrepublik Deutschland gegenüber anderen Staaten geschädigt werden und eine Bereitschaft, Einsicht in entsprechende Informationen zu geben, zwangsläufig zu einem deutlichen Reputations- und Vertrauensverlust sowie einer Schwächung der Verhandlungsposition der Bundesregierung führen würde, erscheint ebenfalls nachvollziehbar. Für die Geheimhaltungsbedürftigkeit spielt es auch insoweit keine Rolle, dass sich die begehrten Daten auf die zurückliegenden Jahre 2015, 2016 und 2017 beziehen, da diese Nachteile im Verhältnis zu ausländischen Staaten unabhängig vom Alter der GASIM-Daten zu befürchten sind (vgl. zu GASIM-Unterlagen auch die Einschätzung der Bundesbeauftragen für den Datenschutz und die Informationsfreiheit in dem in dem beigezogenen Verwaltungsvorgang der Beklagten befindlichen Schreiben vom 25. Oktober 2016).
Die Beklagte zeigt nach alledem sowohl mit Blick auf die Lagebilder als auch auf die GASIM-Daten ausreichend die nicht nur fernliegende Möglichkeit auf, dass bei einer Herausgabe der Unterlagen Nachteile für die Interessen der Bundesrepublik Deutschland beziehungsweise eines ihrer Länder – hier des Saarlands – eintreten könnten, so dass die Voraussetzungen des Ausschlussgrundes nach § 3 Nr. 4 IFG erfüllt sind. Die streitgegenständlichen Unterlagen brauchten daher nicht angefordert werden (vgl. insoweit BVerwG, Urteil vom 28. Februar 2019 – 7 C 20/17 -, juris Rn. 38).
Der von dem Kläger schließlich noch angeführte Umstand, dass er in M... wohne und deshalb an den begehrten Unterlagen interessiert sei, führt zu keiner anderen rechtlichen Bewertung.
Über den Feststellungsantrag ist nicht zu entscheiden, da dieser nur hilfsweise für den Fall gestellt wurde, dass der im Hauptantrag gestellte Verpflichtungsantrag wegen eines Wegfalls des Rechtsschutzbedürfnisses bereits unzulässig sein sollte. Im Übrigen hätte auch der Hilfsantrag jedenfalls in der Sache keinen Erfolg, da die Beklagte aus den oben dargelegten Gründen die durch den Kläger begehrte Informationsherausgabe zu Recht verweigert hat.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung (ZPO).
Ein Grund, gemäß §§ 124 Abs. 2 Nr. 3 oder 4, 124a Abs. 1 VwGO die Berufung zuzulassen, liegt nicht vor.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf 5.000,00 Euro festgesetzt.
Gründe:
Die Streitwertfestsetzung entspricht dem gesetzlichen Auffangstreitwert (§ 52 Abs. 2 des Gerichtskostengesetzes).