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Entscheidung 85 XVII 127/20


Metadaten

Gericht AG Brandenburg Entscheidungsdatum 10.11.2022
Aktenzeichen 85 XVII 127/20 ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen

Leitsatz

Ein Betreuer darf ohne sachlichen konkreten Grund nicht den Kontakt des Betreuten zu dessen „guter Bekannten“ unterbinden (§ 1908i I S. 1 BGB i. V. mit § 1632 II BGB).

Tenor

1. Das Verfahren wegen Erweiterung der Betreuung auf den Aufgabenkreis der Regelung des persönlichen Umgangs des Betroffenen zu Frau M… R… - wohnhaft: …straße … in … - wird eingestellt.

2. Eine Erweiterung der Betreuung auf den Aufgabenkreis der Regelung des persönlichen Umgangs des Betroffenen zu Frau M… R… - wohnhaft: …straße … in … - wird nicht angeordnet.

Gründe

Die Ermittlungen haben ergeben, dass die Voraussetzungen einer Erweiterung der Betreuung auf den Aufgabenkreis der Regelung des persönlichen Umgangs des Betroffenen zu Frau M… R… - wohnhaft: …straße … in … - nicht vorliegen und der Betroffene zudem auch eine derartige Umgangsregelung ausdrücklich ablehnt.

Dies ergibt sich insbesondere aus

- dem Gutachten der Sachverständigen … vom 30.09.2022,

- dem Bericht der Betreuungsbehörde … vom 22.09.2022,

- dem Antrag der Betreuerin … vom 30.08.2022 und

- der Anhörung des Betroffenen durch das Gericht am 10.11.2022.

Eine Befugnis der Betreuerin zur Umgangsbestimmung mit Wirkung für und gegen Dritte (§ 1908i I S. 1 BGB i. V. mit § 1632 II BGB) kann notwendig werden, wenn der Betreute krankheits- oder behinderungsbedingt nicht in der Lage ist, eigenverantwortlich über seinen Umgang zu befinden bzw. sich einem unerwünschten und schädigenden Umgang zu entziehen. Innerhalb einer Betreuung geht es aber grundsätzlich einzig um die Begrenzung desjenigen Umgangs, der physisch oder psychisch schädlich für den Betreuten ist. Nur diesen kann die Betreuerin ggf. einschränken.

Zum Schutz der Gesundheit des Betreuten kann insofern zwar der Umgang des Betreuten insofern also auch mit dritten Personen - wie der hier oben angeführten weiblichen Person - eingeschränkt und einem Betreuer die Aufgabe übertragen werden, den Umgang des Betroffenen zu dieser weiblichen Person zu bestimmen, insbesondere wenn es gilt, den Betreuten vor Besuchen oder Anrufen abzuschirmen, die seiner Gesundheit abträglich sind (OLG München, Beschluss vom 30.01.2008, Az.: 33 Wx 213/07, u.a. in: BtPrax 2008, Seiten 74 f.; BayObLG, Beschluss vom 26.02.2003, Az.: 3Z BR 243/02, u.a. in: BtPrax 2003, Seiten 178 f.; BayObLG, Beschluss vom 13.10.1999, Az.: 3Z BR 296/99, u.a. in: FamRZ 2000, Seite 1524; Schneider, FamRZ 2022, Seiten 1 ff.).

Wichtig und besonders zu betonen ist aber auch, dass „irgendeine“ Gefährdung als solche noch nicht ausreicht, sondern vielmehr eine konkrete Gefährdung des Betroffenen ihre Ursache in seiner Erkrankung haben muss. Eine konkrete Gefährdung wäre z.B. wohl zu bejahen, wenn die dritte, weibliche Person:

- Gewalt gegen den Betroffenen anwendet;

- Kontakte zu Drogen vermittelt;

- eine Dekompensierung des Betroffenen verursacht;

- den Betroffenen unter psychischen Druck setzt;

- einen erheblichen Leidensdruck bei dem Betroffenen hervorruft;

- dem Betroffenen Geld oder andere Vermögenswerte „abschwatzt“.

Dies alles ist hier aber nicht der Fall. Vielmehr hat der Betroffene hier immer nur bei seiner weiblichen Bekannten übernachtet, dort auch Alkohol konsumiert und ist dann erst am nächsten Tag zum Pflegeheim zurückgekehrt.

Gut gemeintes therapeutisches Vorgehen oder gar „Erziehungsversuche“ gegen den Willen des Betroffenen und ohne konkrete Gefährdungsmomente rechtfertigen aber nicht den Umgang des Betroffenen zu dieser weiblichen Person zu bestimmen, weil dies dem Selbstbestimmungsrecht des Betroffenen fundamental widerspricht.

Grundsätzlich kann nämlich jeder – auch der hier Betreute – selbst bestimmen, mit wem er wie umgehen will, auch wenn dies vielleicht gegen die Wertevorstellungen der Betreuerin verstößt (Engelfried, BtPrax 2022, Seiten 77 ff.; Jaschinski, in: Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, 9. Aufl., Stand: 15.10.2019, § 1908i BGB, Rn. 8).

Ein Betreuer darf somit ohne sachlichen Grund nicht den Kontakt des Betreuten zu dieser „guten Bekannten“ des Betreuten unterbinden. Beschränkungen des Umgangs sind nämlich stets unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit vorzunehmen und müssen zur Wahrung der Gesundheit des Betreuten geeignet und erforderlich sein.

Wenn der Betroffene aber – so wie hier – noch in der Lage ist selbst zu entscheiden, wie viel Kontakt er zu dieser bestimmten weiblichen Personen wünscht, ist dies dann auch durch das Gericht zu beachten. Insofern ist der Wunsch des Betroffenen Kontakt zu einer bestimmten Person zu haben, auch beachtlich (AG Osnabrück, Beschluss vom 20.03.2019, Az.: 80 XVII 6/16 [H]).

Die Entscheidung über die Erforderlichkeit des Tätigwerdens der Betreuerin zur Regelung des Umgangs des Betroffenen zu dieser weiblichen Person ist insofern vor allem am Wohl des Betreuten auszurichten (BayObLG, Beschluss vom 13.10.1999, Az.: 3Z BR 296/99, u.a. in: FamRZ 2000, Seite 1524).

Der hier maßgebende Wunsch des Betroffenen den Kontakt zu dieser weiblichen Person regelmäßig aufzunehmen braucht im Übrigen lediglich mit einem natürlichem Willen geäußert werden, um verbindlich zu sein; ein freier Wille ist nicht erforderlich. Der Betroffene muss auch keine Gründe für diesen Umgang angeben (Engelfried, BtPrax 2022, Seiten 77 ff.).

Eine Regelung des persönlichen Umgangs des Betroffenen zu Frau M… R… - wohnhaft: …straße … in … - ist daher hier nicht erforderlich.