Gericht | VG Potsdam 3. Kammer | Entscheidungsdatum | 17.10.2022 | |
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Aktenzeichen | 3 L 627/22 | ECLI | ECLI:DE:VGPOTSD:2022:1017.3L627.22.00 | |
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 36 WaffG, § 41 WaffG, § 45 Abs 2 WaffG, § 5 Abs 1 Nr 2 WaffG |
1. Der Antrag wird abgelehnt.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
2. Der Streitwert wird auf 6.500 Euro festgesetzt.
Zunächst ist das Passivrubrum von Amts wegen dahin zu berichtigen, dass Antragsgegner das Polizeipräsidium ist. Gemäß § 78 Abs. 1 Nr. 2 VwGO i.V.m. § 8 Abs. 2 BbgVwGG ist die (hier in der Hauptsache zu erhebende) Anfechtungsklage gegen das in Potsdam ansässige Polizeipräsidium zu richten.
1. Der sinngemäße Antrag der Antragstellerin,
die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs vom 17. August 2022 gegen Ziffer 1 des Bescheids des Antragsgegners vom 21. Juli 2022 anzuordnen und im Übrigen wiederherzustellen,
hat keinen Erfolg.
Der auf § 80 Abs. 5 Satz 1 gestützte Antrag auf Wiederherstellung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin ist hinsichtlich der Ziffern 1 bis 3 zulässig, insbesondere statthaft. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Widerruf der Waffenbesitzkarten in Ziffer 1 des Bescheids entfällt gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 45 Abs. 5 WaffG kraft Gesetzes, bezüglich der Ziffern 2 und 3 hat der Antragsgegner die sofortige Vollziehung gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4, Abs. 3 VwGO angeordnet. Hinsichtlich Ziffer 4 ist der Antrag indes unstatthaft und unzulässig, weil bereits der Widerspruch den von der Antragstellerin begehrten Suspensiveffekt entfaltet (vgl. § 80 Abs. 1 VwGO).
Der Antrag ist unbegründet.
Die Anordnung der sofortigen Vollziehung hinsichtlich der Regelungen in Ziffer 2 und 3 ist in formeller Hinsicht nicht zu beanstanden. Der Antragsgegner hat das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung der Maßnahmen in einer den Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO genügenden Weise schriftlich begründet. Angesichts des mit dem privaten Waffenbesitz verbundenen erheblichen Sicherheitsrisikos besteht ein überragendes Interesse der Allgemeinheit daran, dieses Risiko möglichst gering zu halten und nur bei Personen hinzunehmen, die nach ihrem Verhalten Vertrauen darin verdienen, dass sie mit Waffen und Munition stets und in jeder Hinsicht ordnungsgemäß umgehen (vgl. BVerwG, Urteil vom 23. März 1996 – 1 C 12/95 –, juris Rn. 25). Diese der Anordnung der sofortigen Vollziehung im Kern zugrunde liegende Erwägung ist trotz einer fehlenden Bezugnahme auf die individuellen Umstände des Falls nicht zu beanstanden. Die Behörde kann sich auf die den Verwaltungsakt selbst tragenden Erwägungen stützen und darauf Bezug nehmen, wenn – wie es im Waffenrecht unter dem Gesichtspunkt der Gefahrenabwehr der Fall sein kann – die den Erlass des Verwaltungsaktes rechtfertigenden Gründe zugleich die Dringlichkeit der Vollziehung ergeben (OVG Lüneburg, Beschluss vom 19. März 2002 – 11 MB 102/02 – juris Rn. 17 f.; Schoch, in: ders./Schneider, VwGO, Stand: Februar 2022, § 80 Rn. 209 f.).
Gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht auf Antrag die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs ganz oder teilweise anordnen. Bei der Entscheidung hat das Gericht eine eigene Ermessensentscheidung zu treffen, bei der das Interesse der Allgemeinheit an der sofortigen Vollziehung gegen das Interesse des Betroffenen an der aufschiebenden Wirkung abzuwägen ist. Dabei sind die überschaubaren Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs zu berücksichtigen.
a) Der Widerspruch der Antragstellerin gegen Ziffer 1 des Bescheids wird aller Voraussicht nach ohne Erfolg bleiben wird, weil sich der Widerruf der Waffenbesitzkarten nach der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes notwendigen aber auch ausreichenden summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage als rechtmäßig darstellt.
Zwar wurde die Antragstellerin entgegen § 1 Abs. 1 Satz 1 VwVfGBbg i.V.m. § 28 Abs. 1 VwVfG – soweit ersichtlich – vor Erlass des Bescheids nicht angehört. Eine unterbliebene Anhörung rechtfertigt die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs aber nicht. Insoweit ist in die Interessenabwägung mit einzustellen, dass im laufenden Widerspruchsverfahren die Möglichkeit zur Nachholung der Anhörung nach § 45 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 VwVfG besteht (vgl. hierzu Kopp/Ramsauer, VwVfG, 23. Aufl. 2022, § 45 Rn. 26) und der Fehler damit unbeachtlich wird, sofern die Funktion der Anhörung für den Entscheidungsprozess der Behörde uneingeschränkt erreicht worden ist (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 6. Januar 2022 – OVG 5 S 19.21 –, S. 3 f. EA; Beschluss vom 11. August 2017 – OVG 11 S 56.17 –, juris Rn. 9; Beschluss vom 24. August 2015 – OVG 12 S 2.15 –, juris Rn. 6).
Rechtsgrundlage für den Widerruf ist § 45 Abs. 2 Satz 1 WaffG. Danach ist eine waffenrechtliche Erlaubnis zu widerrufen, wenn nachträglich Tatsachen eintreten, die zur Versagung hätten führen müssen.
Eine Erlaubnis setzt nach § 4 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 1 WaffG unter anderem voraus, dass der Antragsteller die erforderliche Zuverlässigkeit im Sinne des § 5 WaffG besitzt.
Die Beurteilung der waffenrechtlichen Zuverlässigkeit erfordert von der Behörde regelmäßig eine Prognoseentscheidung, die gerichtlich uneingeschränkt überprüfbar ist. Bei der auf der Grundlage der festgestellten Tatsachen zu erstellenden Prognose ist der allgemeine ordnungsrechtliche Zweck des Gesetzes zu berücksichtigen, beim Umgang mit Waffen und Munition die Belange der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zu wahren (§ 1 Abs. 1 WaffG), nämlich zum Schutz der Allgemeinheit diese vor den schweren Folgen eines nicht ordnungsgemäßen Umgangs mit Waffen zu schützen. Es wird nicht der Nachweis verlangt, dass der Betroffene den waffenrechtlichen Anforderungen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht genügen wird. Es reicht eine hinreichende Wahrscheinlichkeit aus, wobei ein Restrisiko nicht hingenommen werden muss (vgl. BVerwG, Urteil vom 28. Januar 2015 – 6 C 1.14 –, juris Rn. 17; Beschluss vom 2. November 1994 – 1 B 215.93 –, juris Rn. 10).
aa) Unter Zugrundelegung dieser gesetzlichen Anforderungen ist die Einschätzung des Antragsgegners, die Antragstellerin sei waffenrechtlich unzuverlässig, nach summarischer Prüfung gerechtfertigt.
(1) Zwar resultiert eine Unzuverlässigkeit der Antragstellerin nicht aus § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. c WaffG. Nach dieser Vorschrift besitzen Personen die erforderliche Zuverlässigkeit in der Regel nicht, bei denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie in den letzten fünf Jahren eine Vereinigung unterstützt haben, die gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung gerichtet sind. Es liegen keine Tatsachen vor, die den Schluss zulassen, die Antragstellerin habe eine solche Vereinigung im Zeitraum der letzten fünf Jahre unterstützt.
Soweit der Antragstellerin eine Nähe und Verbundenheit zur Heimattreuen Deutschen Jugend und/oder zur NPD vorgeworfen wird, beziehen sich die dem Antragsgegner übermittelten Erkenntnisse des Verfassungsschutzes nicht auf den Bezugszeitraum der letzten fünf Jahre; im Übrigen sind die Tatsachen nicht nachträglich, d.h. nach Erteilung der Waffenbesitzkarten, eingetreten. Hinsichtlich der weiteren, der Antragstellerin zur Last gelegten Unterstützungshandlungen fehlt es an einer „Vereinigung“. Von dem Begriff werden Vereine im Sinne des Vereins- und Parteien im Sinne des Parteiengesetzes (BT-Drs. 19/15875, S. 36), nicht aber andere Gruppierungen erfasst (Gade, WaffG, 3. Aufl. 2022, § 5 Rn. 28b-29a). Die Gruppe der „Rechtsextremen“, die der Antragsgegner möglicherweise vor Augen hatte, stellt keine „Vereinigung“ im Sinne von § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. c WaffG dar. Dies gilt erst recht für Individualpersonen wie dem Ehemann der Antragstellerin.
(2) Auch begründen die verfügbaren Erkenntnisse keine Unzuverlässigkeit der Antragstellerin nach § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. a WaffG. Danach sind Personen unzuverlässig, bei denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie Bestrebungen gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung einzeln verfolgen bzw. in den letzten fünf Jahren verfolgt haben.
Es fehlt an hinreichenden Anknüpfungspunkten im Bezugszeitraum. Die Geburt ihrer Kinder und die Ausübung der ihr nach der völkisch-nationalsozialistischen Ideologie zugeschriebenen Rolle als Ehefrau und Mutter, auf die der Antragsgegner maßgeblich abstellt, lassen keinen Rückschluss auf entsprechende Bestrebungen der Antragstellerin zu. Auch eine Nähe zu Rechtsextremisten bzw. die Unzuverlässigkeit ihres Ehemanns (vgl. hierzu unter (3)) rechtfertigt nicht die Annahme, die Antragstellerin verfolge selbst verfassungsfeindliche Bestrebungen. Denn die verlangte Prognose muss sich stets auf die in Rede stehende Person beziehen (VGH Mannheim, Beschluss vom 4. Juli 2022 – 6 S 988/22 –, juris Rn. 9, Beschluss vom 10. Oktober 2017 – 1 S 1470/17 –, juris Rn. 26).
Soweit der Antragsgegner Erkenntnisse aus dem Zeitraum 2008 bis 2013 heranzieht, ließe der Wortlaut von § 5 Abs. 3 WaffG wohl zu, Tatsachen außerhalb des Bezugszeitraums zu berücksichtigen, sofern diese Rückschlüsse auf den Bezugszeitraum ermöglichen (vgl. VG München – Beschluss vom 9. Januar 2017 – M 7 S 16.3223 –, juris Rn. 20). Es kann aber dahinstehen, ob die verfügbaren Erkenntnisse die Einschätzung des Antragsgegners rechtfertigen, die Antragstellerin erachte die völkisch-nationalsozialistische Ideologie nach wie vor für sich verbindlich. Allein das Innehaben einer rechtsextremen Anschauung genügt zur Annahme verfassungsfeindlicher Bestrebungen nicht (vgl. VG München, Beschluss vom 9. Januar 2017 – M 7 S 16.3223 –, juris Rn. 19 unter Verweis auf BVerwG, Urteil vom 21. Juli 2010 – 6 C 22/09 –, juris Rn. 60: zur Auslegung von „Bestrebungen“ im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 1 Buchst. c BVerfSchG, der zur Definition verfassungsfeindlicher Bestrebungen im Sinne des § 5 Abs. 2 WaffG herangezogen werden kann; vgl. BT-Drs. 14/7758, S. 55; vgl. auch VG Cottbus, Beschluss vom 28. Oktober 2021 – 3 L 306/21 –, juris Rn. 25; Gade, WaffG, 3. Aufl. 2022, § 5 Rn. 29a: „individuell aktive Betätigung“).
(3) Allerdings spricht viel dafür, dass die Antragstellerin als waffenrechtlich unzuverlässig im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c WaffG anzusehen ist, auf den der Bescheid u.a. gestützt ist. Nach dieser Vorschrift besitzen Personen die erforderliche Zuverlässigkeit nicht, bei denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie Waffen oder Munition Personen überlassen werden, die zur Ausübung der tatsächlichen Gewalt über diese Gegenstände nicht berechtigt sind.
Es kann dahinstehen, ob eine gewisse Wahrscheinlichkeit für einen nicht ordnungsgemäßen Umgang mit Waffen (bereits) aufgrund der Tatsache anzunehmen ist, dass die Antragstellerin am 10. August 2022 an Frau Monique ... eine Kurzwaffe überließ, Frau ... zu diesem Zeitpunkt aber (noch) nicht zum Erwerb berechtigt war. Letztere dürfte damit, obwohl sie Inhaberin eines Jagdscheins und einer Waffenbesitzkarte ist, als nicht berechtigt im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 2 Buchst. c WaffG i.V.m. § 34 Abs. 1 WaffG anzusehen sein, weil sich die Berechtigung auf die jeweils in Rede stehende Waffe beziehen (vgl. Gade, a.a.O., § 34 Rn. 4 und 5; Nr. 34.1 Abs. 3 AWaffVwV) und diese zum Zeitpunkt der Übergabe der Waffe an die Empfängerin vorliegen muss (vgl. Nr. 34.2 Abs. 2 AWaffVwV). Der Überlassende trägt persönlich die Verantwortung dafür, dass seine Waffen ordnungsgemäß von anderen erworben werden (vgl. Gade, a.a.O., § 34 Rn. 2), sodass die Antragstellerin verpflichtet war, vor Übergabe der Kurzwaffe zu prüfen, ob Frau ... zum Erwerb dieser berechtigt ist (vgl. VG Saarlouis, Urteil vom 23. April 2019 – 1 K 1211/18 –, juris Rn. 39 f.). Die Antragstellerin hat nicht ausgeführt, eine solche Prüfung vorgenommen zu haben, auch ist hierfür nichts ersichtlich. Allerdings hat sie dargetan und ausreichend belegt, dass Frau ... die Berechtigung zum Erwerb der Kurzwaffe nachträglich erwarb, die Waffe in deren Waffenbesitzkarte am 31. August 2022 eingetragen worden ist und diese damit das Vertrauen in den Umgang mit dieser Waffe besitzt. Ob die Umstände (allein) die Prognose der Unzuverlässigkeit der Antragstellerin begründen, muss – wie eingangs ausgeführt – nicht entschieden werden.
Denn es bestehen belastbare Anhaltspunkte, dass sie Waffen und Munition ihrem unbefugten Ehemann im Sinne von § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c WaffG überlässt.
Der Ehemann der Antragstellerin ist nicht zum Erwerb und Besitz von Waffen berechtigt. Mit Bescheid des Antragsgegners vom 7. Dezember 2016 wurde ihm die Erteilung der von ihm beantragten Waffenbesitzkarten u.a. wegen angenommener Unzuverlässigkeit versagt. Die daraufhin erhobene Verpflichtungsklage (VG 3 K 1673/17) wurde, weil der Ehemann das Verfahren nicht betrieben hat, mit Beschluss der Kammer vom 13. September 2022 eingestellt, sodass der angefochtene Bescheid bestandskräftig geworden ist.
Mit der sich aus den Akten ergebenden praktizierten Art und Weise der Aufbewahrung ihrer Waffen und Munition erfüllt die Antragstellerin im Hinblick auf ihren zum Besitz von Waffen nicht berechtigten Ehemann den Tatbestand des Überlassens gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c WaffG.
Ein Überlassen ist bereits dann gegeben, wenn der Waffenbesitzer einer anderen Person unter Aufrechterhaltung seiner eigenen Sachherrschaft die Möglichkeit gewährt, auf die Waffen ohne Mitwirkung des Waffenbesitzers zuzugreifen und sich ihrer zu bedienen. Ehegatten können deshalb untereinander ein Überlassen im vorgenannten Sinne nur dadurch vermeiden, dass sie dem jeweils anderen Ehepartner keinen alleinigen Zugang zu der Waffe einräumen (BVerwG, Urteil vom 6. Dezember 1978 – I C 7.77 –, juris Rn. 18; OVG Münster, Beschluss vom 15. September 2017 – 20 B 316/17 –, juris Rn. 20, Urteil vom 11. März 1983 – 20 A 1132/82 –, MDR 1983, 960, 961).
Nach Aktenlage bestehen belastbare Anhaltspunkte dafür, dass die Antragstellerin ihre Waffen und Munition in einer Weise untergebracht hat, die ihrem Ehemann den jederzeitigen Zugriff ermöglicht. Ausweislich eines vom Ehemann verfassten und von ihm und der Antragstellerin unterzeichneten Schreibens vom 21. August 2016, mit dem beide die Erteilung einer Waffenbesitzkarte beantragten, befindet sich der gemeinsame Waffenschrank im Schlafzimmer der Eheleute. Die Eheleute äußerten in dem Schreiben den Wunsch einer Zugriffsberechtigung auf die Waffen des jeweils anderen. Obwohl dem Ehemann die Waffenbesitzkarte versagt worden ist, ist mangels gegenteiliger Anhaltspunkte anzunehmen, dass sich die Aufbewahrungssituation auch heute noch so darstellt und der Ehemann Zugriff auf den Waffenschrank hat. Da der Besitzer von Waffen und Munition bereits nach § 36 Abs. 1 Satz 1 WaffG verpflichtet ist, die erforderlichen Vorkehrungen zu treffen, um zu verhindern, dass Dritte diese Gegenstände unbefugt an sich nehmen, ist es Sache der Antragstellerin, von sich aus Maßnahmen zur Verhinderung des Zugriffs ihres Ehemanns auf ihre Waffen zu ergreifen und auch darzutun (vgl. OVG Münster, Beschluss vom 15. September 2017 – 20 B 316/17 –, juris Rn. 23, 25). Dies hat sie hier nicht getan, obwohl der Bescheid des Antragsgegners Anlass gab. Die anwaltlich vertretene Antragstellerin hat nicht vorgetragen, geschweige denn glaubhaft gemacht, dass sie willens und in der Lage wäre, einen Zugriff ihres Ehemannes auf ihre Waffen verlässlich auszuschließen.
Einzustellen ist in diesem Zusammenhang ferner der Vorwurf des Antragsgegners, der Ehemann der Antragstellerin habe am 15. Februar 2019 eine Zahlung an die Firma Waffen-Bonk getätigt, die im zeitlichen Zusammenhang mit dem Erwerb der am 18. April 2019 in die Waffenbesitzkarte der Antragstellerin eingetragenen Waffe stehe. Die Antragstellerin äußerte hierzu lediglich, es sei üblich, dass Eheleute ein gemeinsames Konto führten, bestreitet aber weder die Zahlung (durch den Ehemann), noch klärt sie – wozu sie aber wie oben aufgezeigt veranlasst war – über die Hintergründe auf. Sie hat insbesondere nicht den Versuch unternommen, den impliziten Vorwurf auszuräumen, ihr Ehemann habe die Waffe, die wenig später in ihre Waffenbesitzkarte eingetragen worden sei, erworben.
Abgerundet wird der gewonnene Eindruck, der Ehemann könne auf den Waffenschrank (weiterhin) zugreifen, durch die Tatsache, dass dieser in die waffenbehördlichen Vorgänge seiner Frau involviert zu sein scheint. So wurde am 24. Juli 2022 eine E-Mail, die die Bedürfnisprüfung hinsichtlich der Antragstellerin zum Gegenstand hatte, von dem E-Mail-Konto des Ehemanns versendet.
Der nach Aktenlage gewonnene Gesamteindruck legt nahe, dass die Antragstellerin auch zukünftig ihrem Ehemann den Zugriff auf ihre Waffen und Munition ermöglichen wird. Dies rechtfertigt die Einschätzung ihrer Unzuverlässigkeit nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c WaffG.
bb) Der Antragsgegner hat sein Ermessen fehlerfrei ausgeübt, § 114 Satz 1 VwGO. Angesichts der Gefahren, die mit dem Waffenbesitz unberechtigter Personen verbunden sind, stellt sich der Widerruf der Waffenbesitzkarte als verhältnismäßig, insbesondere als erforderlich dar. Eine Anordnung, die Waffen und Munition „außerhalb [der gemeinsamen Wohnung] zu lagern, etwa beim Verein“ als möglicherweise milderes Mittel scheidet aus. Sie ist nicht gleichermaßen wirksam, um der Gefahr eines Überlassens von Waffen und Munition an den Ehemann zu begegnen.
cc) Selbst wenn eine Aussage über die Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts nicht mit der erforderlichen Sicherheit getroffen werden könnte und von einem offenen Verfahrensausgang auszugehen wäre, führt die vorzunehmende Interessenabwägung dazu, dass das Vollzugsinteresse des Antragsgegners das Aussetzungsinteresse der Antragstellerin überwiegt.
Bei einer gesetzlichen Sofortvollzugsanordnung – wie hier – unterscheidet sich die Interessenabwägung von derjenigen, die im Fall einer behördlichen Anordnung stattfindet. Während im Anwendungsbereich von § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO bei der Interessenabwägung die Grundsatzentscheidung des Gesetzgebers für die aufschiebende Wirkung von Rechtsbehelfen bedeutsam wird, ist in Fällen der Nummern 1 bis 3 zu beachten, dass hier der Gesetzgeber einen grundsätzlichen Vorrang des Vollziehungsinteresses angeordnet hat (hinsichtlich § 45 Abs. 5 WaffG vgl. BT-Drs. 16/7717, S. 33) und es deshalb besonderer Umstände bedarf, um eine hiervon abweichende Entscheidung zu rechtfertigen. Hat sich schon der Gesetzgeber für den Sofortvollzug entschieden, sind die Gerichte – neben der Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache – zu einer Einzelfallbetrachtung grundsätzlich nur im Hinblick auf solche Umstände angehalten, die von den Beteiligten vorgetragen werden und die Annahme rechtfertigen können, dass im konkreten Fall von der gesetzgeberischen Grundentscheidung ausnahmsweise abzuweichen ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 10. Oktober 2003 – 1 BvR 2025/03 – juris Rn. 21 f.). Die Antragstellerin hat keine solche Umstände vorgetragen.
b) Gegen die in Ziffer 2 des Bescheids des Antragsgegners angeordneten und auf § 46 Abs. 2 Satz 2 WaffG beruhenden Pflichten, die erlaubnispflichtigen Waffen und Munition unbrauchbar zu machen oder einem Berechtigten zu überlassen und dies durch Vorlage von Nachweisen zu belegen, bestehen keine durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Insbesondere sind die Maßnahmen verhältnismäßig. Es besteht auch ein überwiegendes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung, weil die an den Widerruf anknüpfenden Folgeentscheidungen sicherstellen, dass der kraft Gesetzes sofort vollziehbare Widerruf der waffenrechtlichen Erlaubnis tatsächlich umgesetzt wird.
c) Das in Ziffer 3 des Bescheids ausgesprochene Verbot des Besitzes und Erwerbs von Waffen ist sowohl in Bezug auf erlaubnisfreie, als auch in Bezug auf erlaubnispflichtige Waffen und Munition rechtmäßig.
aa) Rechtsgrundlage für das Verbot des Besitzes und Erwerbs erlaubnisfreier Waffen und Munition ist § 41 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WaffG. Danach kann der Erwerb und Besitz dann untersagt werden, wenn Tatsachen bekannt werden, welche die Annahme rechtfertigen, dass dem Betroffenen die für den Erwerb oder Besitz dieser Gegenstände erforderliche Zuverlässigkeit fehlt. Insoweit darf, auch soweit erlaubnisfreie Waffen oder Munition betroffen sind, auf die allgemeine Vorschrift des § 5 WaffG zurückgegriffen werden, denn sie konkretisiert den Begriff der waffenrechtlichen Zuverlässigkeit für den gesamten Geltungsbereich des Waffengesetzes (statt vieler: VGH München, Beschluss vom 24. Januar 2019 – 21 CS 18.1579 –, juris Rn. 10; Beschluss vom 8. Januar 2019 – 21 CS 18.657 –, juris Rn. 15). Die Antragstellerin verfügt nicht über die erforderliche waffenrechtliche Zuverlässigkeit nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c WaffG.
bb) Das Verbot des Besitzes und Erwerbs erlaubnispflichtiger Waffen und Munition ist auf § 41 Abs. 2 WaffG gestützt. Danach kann die zuständige Behörde jemandem den Besitz von Waffen oder Munition, deren Erwerb der Erlaubnis bedarf, untersagen, soweit es zur Verhütung von Gefahren für die Sicherheit oder Kontrolle des Umgangs mit diesen Gegenständen geboten ist. Der Erwerb ist zwar nicht ausdrücklich in § 41 Abs. 2 WaffG genannt. Das Waffenbesitzverbot schließt aber das Verbot ein, die dort genannten Waffen und Munition zu erwerben (vgl. VGH Kassel, Urteil vom 12. Oktober 2017 – 4 A 626/17 –, juris Rn. 59).
Die Voraussetzungen von § 41 Abs. 2 WaffG liegen im Fall der Antragstellerin vor. Anknüpfungspunkt für die Regelung in § 41 Abs. 2 WaffG ist eine Gefährlichkeit des Waffenbesitzers, wobei im Rahmen der auf Tatsachen gestützten Gefahrenprognose derselbe Maßstab anzulegen ist, der auch im Zuge eines Erwerbs- und Besitzverbotes nach § 41 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WaffG zur Anwendung kommt. Das Verbot für erlaubnispflichtige Waffen und Munition nach § 41 Abs. 2 WaffG ist daher auch (schon dann) geboten, wenn der Betroffene mangels waffenrechtlicher Zuverlässigkeit im Sinne des § 5 WaffG bereits nicht die Voraussetzungen für die Erteilung einer waffenrechtlichen Erlaubnis erfüllt (vgl. BVerwG, Urteil vom 22. August 2012 – 6 C 30/11 – juris Rn. 33 ff.; VGH München, Beschluss vom 8. Januar 2019 – 21 CS 18.657 –, juris Rn. 15; VGH Kassel, Urteil vom 12. Oktober 2017 – 4 A 626/17 – juris Rn. 60). Das ist hier der Fall.
cc) Ermessensfehler sind nicht ersichtlich, § 114 Satz 1 VwGO. Der Antragsgegner hat erkannt, dass ihm gesetzlich ein Ermessen eingeräumt war. Er hat dieses Ermessen ausgeübt und mit zutreffenden Erwägungen dargelegt, dass das Waffenverbot sowohl für erlaubnisfreie als auch erlaubnispflichtige Waffen und Munition erforderlich und angemessen ist. Insbesondere hat er ausgeführt, dass zur Beseitigung der Gefahr, die von Waffen im (zukünftigen) Besitz der nicht zuverlässigen Antragstellerin ausgehen, kein milderes Mittel zur Verfügung steht. Es ist nicht zu beanstanden, dass das Waffenverbot mit dem sich aus der fehlenden waffenrechtlichen Zuverlässigkeit ergebenden Sicherheitsrisiko begründet worden ist. Der Geeignetheit und Erforderlichkeit eines Waffenverbots für erlaubnispflichtige Waffen und Munition steht nicht entgegen, dass für diese Waffen die Erteilung einer Erlaubnis grundsätzlich notwendig und der Antragstellerin zugleich die Erlaubnis widerrufen worden ist (zur Anwendbarkeit von § 41 Abs. 2 WaffG vgl. BVerwG, Urteil vom 22. August 2012 - 6 C 30.11 -, juris Rn. 20 und 28; OVG Koblenz, Beschluss vom 3. Dezember 2018 – 7 B 11152/18 –, juris Rn. 67 f.; strenger: OVG Bautzen, Beschluss vom 20. März 2015 – 3 A 268/14 –, juris Rn. 7). Denn das Waffenverbot umfasst auch die Ausnahmetatbestände von der Erlaubnispflicht wie die im Bescheid genannte Vorschrift des § 12 Abs. 1 Nr. 5 WaffG (vgl. Gade, a.a.O., § 41 Rn. 9, 9a) und geht damit über den Widerruf der Waffenbesitzkarten hinaus.
dd) Es liegt auch ein besonderes Vollzugsinteresse im Sinne des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO hinsichtlich des auf Grundlage von § 41 WaffG verfügten Waffenverbots vor. Es besteht ein überwiegendes Interesse daran, Inhaber von waffenrechtlichen Erlaubnissen, die sich als unzuverlässig erwiesen haben, mit sofortiger Wirkung vom weiteren Umgang mit Waffen und Munition auszuschließen.
d) Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
2. Die Entscheidung über den Streitwert beruht auf § 52 Abs. 1 GKG. In Anlehnung an die Ziffer 50.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit sind für den Widerruf der Waffenbesitzkarten bei insgesamt fünf in die Waffenbesitzkarten eingetragenen Waffen 8.000 Euro anzusetzen. Das Interesse der Antragstellerin, vom Waffenverbot verschont zu bleiben, bewertet die Kammer in Höhe des gesetzlichen Auffangwerts. Die Regelungen in Ziffer 2 und 4 des Bescheids wirken sich nicht streitwerterhöhend aus. Die Summe (13.000 Euro) ist im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes zu halbieren.