Gericht | OLG Brandenburg 4. Senat für Famileinsachen | Entscheidungsdatum | 19.10.2022 | |
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Aktenzeichen | 13 UF 109/22 | ECLI | ECLI:DE:OLGBB:2022:1019.13UF109.22.00 | |
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen |
Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Amtsgerichts Strausberg vom 31.05.2022 unter Aufrechterhaltung im Übrigen in Ziffer 2. abgeändert und wie folgt neu gefasst:
1. Im Wege der internen Teilung wird zu Lasten des Anrechts des Antragstellers bei der Deutschen Rentenversicherung Berlin-Brandenburg (Vers. Nr. (Y)) zugunsten der Antragsgegnerin ein Anrecht in Höhe von 3,2992 Entgeltpunkten auf das vorhandene Konto (X) bei der Deutschen Rentenversicherung Bund, bezogen auf den 31. 05. 2021, übertragen.
2. Im Wege der internen Teilung wird zu Lasten des Anrechts des Antragstellers bei der Deutschen Rentenversicherung Berlin-Brandenburg (Vers. Nr. (Y)) zugunsten der Antragsgegnerin ein Anrecht in Höhe von 9,5262 Entgeltpunkten (Ost) auf das vorhandene Konto (X) bei der Deutschen Rentenversicherung Bund, bezogen auf den 31. 05. 2021, übertragen.
3. Im Wege der internen Teilung wird zu Lasten des Anrechts der Antragsgegnerin bei der Deutschen Rentenversicherung Bund (Vers. Nr. (X)) zugunsten des Antragstellers ein Anrecht in Höhe von 0,6399 Entgeltpunkten auf das vorhandene Konto (Y) bei der Deutschen Rentenversicherung Berlin-Brandenburg, bezogen auf den 31. 05. 2021, übertragen.
4. Im Wege der internen Teilung wird zu Lasten des Anrechts der Antragsgegnerin bei der Deutschen Rentenversicherung Bund (Vers. Nr. (X)) zugunsten des Antragstellers ein Anrecht in Höhe von 17,4502 Entgeltpunkten (Ost) auf das vorhandene Konto (Y) bei der Deutschen Rentenversicherung Berlin-Brandenburg, bezogen auf den 31. 05. 2021, übertragen.
5. Im Wege der internen Teilung wird zu Lasten des Anrechts der Antragsgegnerin bei der VBL (Vers. Nr. (Z)) nach Maßgabe von § 32 a VBL-Satzung (VBLS) in der Fassung der 31. Satzungsänderung zugunsten des Antragstellers ein Anrecht in Höhe von 11,1 Versorgungspunkten, bezogen auf den 31. 05. 2021, übertragen.
6. Ein darüber hinausgehender Versorgungsausgleich findet nicht statt.
Von der Erhebung von Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren wird abgesehen. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Der Beschwerdewert wird festgesetzt auf 6.615 €.
I.
Die beschwerdeführende Antragsgegnerin wendet sich gegen die Entscheidung über den Versorgungsausgleich anläßlich der Scheidung ihrer am 24.05.1974 geschlossenen Ehe mit dem Antragsteller, von dem sie seit Februar 2003 getrennt lebt.
Die Antragsgegnerin hat geltend gemacht, dass die Durchführung des Versorgungsausgleichs bezogen auf die gesamte Ehezeit in Ansehung der bereits mehr als 18 Jahre währenden Trennung und fehlender wirtschaftlicher Verflechtung grob unbillig sei.
Auf den am 05.06.2021 zugestellten Scheidungsantrag hat das Amtsgericht die Ehe mit dem angefochtenen Beschluss (Bl. 34), auf dessen Inhalt der Senat wegen des weiteren Inhalts verweist, geschieden, den Versorgungsausgleich durchgeführt und hierbei die während der gesamten Ehezeit vom 01.05.1974 bis 31.05.2021 erwirtschafteten Anrechte der Antragsbeteiligten bei den weiteren Beteiligten zu 1) bis 3) intern geteilt. Zur Begründung hat das Amtsgericht ausgeführt, es habe allein in der Hand der Antragsgegnerin gelegen, durch frühere Stellung eines Scheidungsantrags die lange Trennungszeit zu verkürzen.
Hiergegen wendet sich die Antragsgegnerin mit ihrer Beschwerde, mit der sie geltend macht, das Amtsgericht habe verkannt, dass der Versorgungsausgleich gemäß § 27 VersAusglG auf den Zeitraum vom Beginn der Ehe bis zum Ablauf des Trennungsjahres am 31.01.2004 zu beschränken sei.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Beschluss des Amtsgerichts Strausberg vom 31.05.2022 in Ziffer 2. abzuändern und den Versorgungsausgleich teilweise auszuschließen, insbesondere auf die Zeit vom 01.05.1974 bis zum 31.01.2004 zu beschränken.
Der Antragsteller beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Er verteidigt den angefochtenen Beschluss.
Der Senat entscheidet, wie angekündigt (Bl. 2 E-Akte), ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung, § 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG, von der ein zusätzlicher Erkenntnisgewinn nicht zu erwarten ist.
II.
Die zulässige Beschwerde hat Erfolg.
Zu Unrecht hat das Amtsgericht den Versorgungsausgleich bezogen auf die gesamte Ehezeit durchgeführt.
Die Voraussetzungen für einen teilweisen Ausschluss des Versorgungsausgleichs liegen vor.
Ein Ausschluss kommt - ganz oder teilweise - nach § 27 VersAusglG dann in Betracht, wenn die Umstände des Einzelfalls es ausnahmsweise rechtfertigen, von dem Grundgedanken der gleichmäßigen Teilhabe der Ehegatten an allen während der Ehezeit geschaffenen Vermögenswerten abzuweichen (BGH FamRZ 2021, 1609; 2009, 205). Der Versorgungsausgleich dient der Aufteilung von gemeinsam erwirtschaftetem Altersvorsorgevermögen der Ehegatten, welches nur wegen der in der Ehe gewählten Aufgabenverteilung einem der beiden Ehegatten rechtlich zugeordnet war (BVerfG FamRZ 2003, 1173; BGH FamRZ 2017, 26) und trägt damit dem Gedanken Rechnung, dass die Ehe infolge der auf Lebenszeit angelegten Lebensgemeinschaft schon während der Erwerbstätigkeit der Ehegatten im Keim auch eine Versorgungsgemeinschaft ist (BGH NJW 2008, 296; OLG Zweibrücken, Beschluss vom 21.04.2021, 2 UF 159/20, juris; OLG Dresden, NJW-RR 2021, 582). Die Härteklausel des § 27 VersAusglG stellt dabei ein Gerechtigkeitskorrektiv dar, indem sie als Ausnahmeregelung eine am Gerechtigkeitsgedanken orientierte Entscheidung in solchen Fällen ermöglicht, in denen die schematische Durchführung des Versorgungsausgleichs zur „Prämierung“ einer groben Verletzung der aus der ehelichen Gemeinschaft folgenden Pflichten führen oder gegen die tragenden Prinzipien des Versorgungsausgleichs verstoßen würde. Da § 27 VersAusglG eine anspruchsbegrenzende Vorschrift ist, trägt derjenige Ehegatte, der sich gegen die uneingeschränkte Durchführung des Versorgungsausgleichs wendet, für die tatsächlichen Voraussetzungen der Vorschrift die Darlegungs- und Feststellungslast. Die so feststellbaren Umstände müssen die sichere Erwartung rechtfertigen, dass sich der uneingeschränkte Versorgungsausgleich grob unbillig zulasten des Ausgleichspflichtigen auswirken würde (Senat, Beschluss vom 22.02.2022, 13 UF 25/21, juris; OLG Brandenburg, 3. Senat für Familiensachen, Beschluss vom 24.03.2020, 15 UF 185/19, juris; OLG Saarbrücken, FamFR 2013, 228).
Hieran gemessen legt die Antragsgegnerin hinreichende Umstände für die grobe Unbilligkeit der Durchführung des Versorgungsausgleichs ab dem Ablauf des Trennungsjahrs bis zum Ende der Ehezeit dar, mithin für die Durchführung des Versorgungsausgleichs im Umfang der angefochtenen Entscheidung. Nach dem vom Antragsteller nicht bestrittenen Vortrag leben er und die Antragsgegnerin seit Februar 2003 getrennt und zwischen ihnen ist eine vollständige wirtschaftliche Entflechtung eingetreten.
Angesichts der 18 Jahre (2003 bis 2021) andauernden Trennung im Verhältnis zur Zeit des ehelichen Zusammenlebens von 29 Jahren (1974 bis 2003) steht die mehr als 2/3 der Zeit des ehelichen Zusammenlebens andauernde Trennungszeit zu dieser nicht mehr in einem angemessenen Verhältnis (vgl. Senat Beschluss vom 22. Februar 2022,13 UF 25/21, juris; OLG Brandenburg, 3. Senat für Familiensachen, Beschluss vom 24.03.2020, 15 UF 185/19, juris; BeckOGK/Maaß, VersAusglG § 27 Rn. 58.1). Eine sogenannte lange Trennungszeit (BGH NJW 2006, 1967) kann zwar nicht allein, jedoch bei Vorliegen einer vollständigen wirtschaftlichen Verselbständigung der Ehegatten ab der Trennung und unter Berücksichtigung ihrer weiteren wirtschaftlichen, sozialen und persönlichen Verhältnisse im Wege einer Gesamtabwägung die Beschränkung des Versorgungsausgleichs auf den Zeitraum des ehelichen Zusammenlebens rechtfertigen (BGH NJW 2006, 1967; Senat, Beschluss vom 22. Februar 2022 – 13 UF 25/21 –, Rn. 49, juris; OLG Dresden, NJW-RR 2021, 582; OLG Brandenburg, Beschluss vom 24.03.2020, 15 UF 185/19, juris; OLG Koblenz, BeckRS 2015, 11715; BeckOGK/Maaß VersAusglG § 27 Rn. 60), sodass es nicht darauf ankommt, ob die Antragsgegnerin durch Stellung eines früheren Scheidungsantrags die Trennungszeit hätte verkürzen können. In Fällen wie diesen ist der Versorgungsausgleich regelmäßig auf den Zeitpunkt zu beschränken, an dem ein Scheidungsantrag nach der Trennung erstmals hätte gestellt werden können, mithin nach Ablauf des Trennungsjahres (Senat, Beschluss vom 22. Februar 2022 – 13 UF 25/21 –, Rn. 49, juris; BeckOGK/Maaß VersAusglG § 27 Rn. 62).
Nach den vom Senat im Beschwerdeverfahren eingeholten Auskünften der Versorgungsträger, die von den Beteiligten nicht beanstandet worden sind, haben die Beteiligten unter Außerachtlassung des Zeitraums vom 01.02.2004 bis zum Ehezeitende am 31.05.2021 folgende Anrechte erworben:
Der Antragsteller hat bei der weiteren Beteiligten zu 3) ein Anrecht mit einem Ehezeitanteil von 6,5984 Entgeltpunkten erlangt. Der Versorgungsträger hat gem. § 5 Abs. 3 VersAusglG vorgeschlagen, den Ausgleichswert mit 3,2992 Entgeltpunkten zu bestimmen. Der korrespondierende Kapitalwert nach § 47 VersAusglG beträgt 25.491,68 Euro. Das neu ausgedrückte Anrecht des Antragstellers ist im Wege der internen Teilung gemäß § 10 VersAusglG auszugleichen, indem zu Lasten des Anrechts des Antragstellers ein Anrecht in Höhe von 3,2992 Entgeltpunkten übertragen wird. Ein Absehen vom Ausgleich gemäß § 18 VersAusglG kommt nicht in Betracht.
Bei der weiteren Beteiligten zu 3) hat der Antragsteller zudem ein Anrecht mit einem Ehezeitanteil von 19,0523 Entgeltpunkten (Ost) erlangt. Der Versorgungsträger hat gem. § 5 Abs. 3 VersAusglG vorgeschlagen, den Ausgleichswert mit 9,5262 Entgeltpunkten (Ost) zu bestimmen. Der korrespondierende Kapitalwert nach § 47 VersAusglG beträgt 69.702,07 Euro. Das neu ausgedrückte Anrecht des Antragstellers ist im Wege der internen Teilung gemäß § 10 VersAusglG auszugleichen, indem zu Lasten des Anrechts des Antragstellers ein Anrecht in Höhe von 9.5262 Entgeltpunkten (Ost) übertragen wird. Ein Absehen vom Ausgleich gemäß § 18 VersAusglG kommt nicht in Betracht.
Die Antragsgegnerin hat bei der weiteren Beteiligten zu 1) ein Anrecht mit einem Ehezeitanteil von 1,2798 Entgeltpunkten erlangt. Der Versorgungsträger hat gem. § 5 Abs. 3 VersAusglG vorgeschlagen, den Ausgleichswert mit 0,6399 Entgeltpunkten zu bestimmen. Der korrespondierende Kapitalwert nach § 47 VersAusglG beträgt 4.944,27 Euro. Das neu ausgedrückte Anrecht der Antragsgegnerin ist im Wege der internen Teilung gemäß § 10 VersAusglG auszugleichen, indem zu Lasten des Anrechts der Antragsgegnerin ein Anrecht in Höhe von 0,6399 Entgeltpunkten übertragen wird. Ein Absehen vom Ausgleich gemäß § 18 VersAusglG kommt nicht in Betracht.
Bei der weiteren Beteiligten zu 1) hat die Antragsgegnerin zudem ein Anrecht mit einem Ehezeitanteil von 34,9004 Entgeltpunkten (Ost) erlangt. Der Versorgungsträger hat gem. § 5 Abs. 3 VersAusglG vorgeschlagen, den Ausgleichswert mit 17,4502 Entgeltpunkten (Ost) zu bestimmen. Der korrespondierende Kapitalwert nach § 47 VersAusglG beträgt 127.681,03 Euro. Das neu ausgedrückte Anrecht der Antragsgegnerin ist im Wege der internen Teilung gemäß § 10 VersAusglG auszugleichen, indem zu Lasten des Anrechts der Antragsgegnerin ein Anrecht in Höhe von 17,4502 Entgeltpunkten (Ost) übertragen wird. Ein Absehen vom Ausgleich gemäß § 18 VersAusglG kommt nicht in Betracht.
Bei der weiteren Beteiligten zu 2) hat die Antragsgegnerin ein Anrecht aus einer Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes mit einem Ehezeitanteil von 22,64 Versorgungspunkten erlangt. Der Versorgungsträger hat gem. § 5 Abs. 3 VersAusglG vorgeschlagen, den Ausgleichswert mit 11,1 Versorgungspunkten zu bestimmen. Der korrespondierende Kapitalwert nach § 47 VersAusglG beträgt 6.181,09 Euro. Das neu ausgedrückte Anrecht der Antragsgegnerin ist im Wege der internen Teilung gemäß § 10 VersAusglG auszugleichen, indem zu Lasten des Anrechts der Antragsgegnerin ein Anrecht in Höhe von 11,1 Versorgungspunkten übertragen wird. Ein Absehen vom Ausgleich gemäß § 18 VersAusglG kommt nicht in Betracht.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 20 Abs. 1 S. 1 FamGKG, 150 FamFG.
Die Festsetzung des Beschwerdewerts folgt aus §§ 55 Abs. 2, 50 Abs. 1 S. 1 FamGKG; beschwerdegegenständlich waren sieben Anrechte.
Anlass die Rechtsbeschwerde zuzulassen, besteht nicht, § 70 Abs. 2 FamFG.