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Entscheidung 2 U 27/21


Metadaten

Gericht OLG Brandenburg 2. Zivilsenat Entscheidungsdatum 14.12.2021
Aktenzeichen 2 U 27/21 ECLI ECLI:DE:OLGBB:2021:1214.2U27.21.00
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das am 20. Mai 2021 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Potsdam – Einzelrichter – zum Aktenzeichen 2 O 195/20 bis auf den Kostenpunkt teilweise abgeändert und – unter Klageabweisung im Übrigen – wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 21.874,51 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 2. Oktober 2020 zu zahlen, Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs „X“ mit der FINWV2ZZZ2KZFX00361.

Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger gegenüber seinen im Rubrum genannten Prozessbevollmächtigten von den Kosten für die außergerichtliche Rechtsverfolgung in Höhe von 1.242,84 € freizustellen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Potsdam ist im hier gemäß Nr. 1 tenorierten Umfang ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

4. Die Revision wird zugelassen.

Beschluss

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 22.774,00 € festgesetzt.

Gründe

I.

Der Kläger nimmt die Beklagte als Herstellerin des in einem von ihr produzierten Fahrzeugs eingebauten Fahrzeugmotors der Serie … auf Schadensersatz in Anspruch. Der Kläger erwarb nach Bestellung am 26. März 2014 von einem Dritten einen Neuwagen „“X““ zu 30.600 €. Mit Anwaltsschreiben vom 24. Juli 2020 forderte er die Beklagte zur Zahlung des Kaufpreises nebst Deliktszinsen gegen Herausgabe des Fahrzeugs auf, abzüglich einer angemessenen Nutzungsentschädigung, sowie zur Freistellung hinsichtlich seiner Anwaltskosten. Im Übrigen wird gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen. Der Kilometerstand des Kauffahrzeugs betrug am Tag der mündlichen Verhandlung vor dem Senat 85.544 km.

Der Kläger hat die Beklagte im Jahr 2020 zunächst auf Zahlung des Kaufpreises abzüglich einer angemessenen Nutzungsentschädigung gegen Herausgabe des genannten Fahrzeugs in Anspruch genommen, sowie die Feststellung des Annahmeverzugs und die Freistellung von Rechtsanwaltskosten begehrt. Er hat die Klage im Folgenden umgestellt auf Zahlung des Kaufpreises abzüglich einer angemessenen Nutzungsentschädigung gegen Herausgabe eines Fahrzeugs mit einer abweichenden, einem „Y“ zugeordneten FIN. Er hat ebenfalls die Feststellung des Annahmeverzugs und die Freistellung von Rechtsanwaltskosten begehrt, und erstmals hilfsweise für den Fall der Verjährung des ursprünglichen Anspruchs die Zahlung des Kaufpreises abzüglich einer Händlermarge von 10 %, nebst Zinsen, wiederum gegen Herausgabe des zuletzt genannten Fahrzeugs.

Das Landgericht hat die Beklagte – unter Klageabweisung im Übrigen – zur Zahlung von 22.774 € nebst Zinsen verurteilt, Zug um Zug gegen Herausgabe und Übereignung des zuletzt genannten Fahrzeugs, den Annahmeverzug der Beklagten festgestellt und sie zur Freistellung des Klägers von Anwaltskosten verpflichtet. Zur Begründung heißt es, der auf §§ 826, und 31 BGB gestützte Schadensersatzanspruch des Klägers sei gerichtet auf Zahlung des Kaufpreises abzüglich einer Nutzungsentschädigung gegen Herausgabe des Fahrzeugs. Auszugehen sei von einer Gesamtlaufleistung von 300.000 km. Der Anspruch sei nicht verjährt. Es könne nicht festgestellt werden, dass der Kläger noch vor Ablauf des Jahres 2016 von der Betroffenheit seines Fahrzeugs positive Kenntnis gehabt habe. Die Ad-hoc-Meldung der Beklagten sei unerheblich, da der Kläger kein Aktionär der Beklagten sei. Die umfangreiche Presseberichterstattung bezog sich nicht auf das konkrete Modell des klägerischen Fahrzeugs. Wann der Kläger dessen FIN in der Datenbank abgefragt habe, sei offen geblieben. Die Beklagte habe nicht vorgetragen, wann sie den Kläger individuell informiert habe. Dem Kläger sei auch keine grobe Fahrlässigkeit vorzuhalten. Die Kenntnis einer bloßen Möglichkeit der eigenen Betroffenheit genüge nicht, um Nachforschungsobliegenheiten auszulösen. Es sei nicht vorwerfbar, die Modellreihe des Motors nicht zu kennen, die sich weder aus dem Kaufvertrag noch aus der Zulassungsbescheinigung ergebe.

Das am 20. Mai 2021 verkündete Urteil ist der Beklagten am 26. Mai 2021 zugestellt worden. Sie hat am 24. Juni 2021 Berufung eingelegt und zugleich auf Verlängerung der Begründungsfrist um einen Monat angetragen. Die Berufungsbegründung ist am 23. August 2021 und damit innerhalb der antragsgemäß verlängerten Frist eingegangen.

Die Beklagte ist der Auffassung, alle geltend gemachten Ansprüche seien verjährt. Das Landgericht habe ihren Vortrag zur Kenntnis des Klägers sowie ihre dahingehenden Beweisangebote übergangen und zudem die Angaben des persönlich angehörten Klägers unzulässigerweise als Beweismittel verwertet. Der Kläger müsse angesichts der in der allgemeinen Medienberichterstattung ab Herbst 2015 in der Berichterstattung „omnipräsenten …-Thematik“ von der Betroffenheit seines Fahrzeugs gewusst, oder zumindest grob fahrlässig seine Augen davor verschlossen haben. Bis Ende September seien mehrere 1.000 Medienberichte zu diesem Thema erschienen, bis Ende 2015 fast 20.000; hinzu kämen Fernsehsendungen und Online-Medien. Jedenfalls habe der Kläger im Jahr 2016 hiervon erfahren, spätestens durch das Kundenanschreiben vom Februar 2016, das die Beklagte ebenso wie alle Konzernmarken versandt habe und das auch der Kläger erhalten habe. In den Medien sei noch intensiver berichtet worden, auch über Schadensersatzklagen gegen die Beklagte. Der Kläger habe angesichts dessen wenigstens grob fahrlässig seine Augen vor dem Offensichtlichen verschlossen. Er habe schon im Jahr 2015 zumutbar eine schlüssige Klage auf Schadensersatz erheben können.

Auch ein Anspruch aus § 852 BGB bestehe nicht. Dem Kläger sei wirtschaftlich schon kein Schaden entstanden. Er hätte sich der Musterfeststellungsklage anschließen können und sich so vor ungewissen Prozesskostenrisiken schützen, weshalb er des besonderen Schutzes dieser Norm nicht bedürfe, die teleologisch zu reduzieren sei. Ein Anspruch scheide ohnehin aus, soweit sie nichts erlangt habe. Anzusetzen sei hier allenfalls der erlangte Gewinn. Bereicherungsmindernd seien alle Kosten zur Wiedergutmachung abzuziehen. Sie könne zudem Zug um Zug das Fahrzeug herausverlangen.

Im Übrigen sei kein konkreter Wertverlust an Dieselfahrzeugen der Beklagten zu konstatieren, und kein technischer Nachteil durch das Update. Dessen „Thermofenster“ sei eine zulässige Gestaltung.

Die Beklagte beantragt,

das am 20. Mai 2021 verkündete Urteil des Landgerichts Potsdam zum Aktenzeichen 2 O 195/20 im Umfang der Beschwer der Beklagten abzuändern und die Klage vollumfänglich abzuweisen.

Der Kläger beantragt

die Zurückweisung der Berufung.

Er verteidigt das angegriffene Urteil. Verjährung sei nicht eingetreten. Er habe weder positive Kenntnis von den anspruchsbegründenden Umständen gehabt, noch sei ihm insoweit grobe Fahrlässigkeit vorzuwerfen. Der Vortrag der Beklagten hierzu sei pauschal und nicht einzelfallbezogen. Sie habe seine Unterrichtung mit einem Hinweisschreiben in 2016 nicht konkret nachgewiesen. Die übrigen öffentlichen Mitteilungen der Beklagten begründeten keine grobe Fahrlässigkeit eines Pkw-Käufers. Auch sei der Verjährungseinwand treuwidrig erhoben, da das Softwareupdate seinerseits ein Thermofenster und damit eine unzulässige Abschalteinrichtung beinhalte. Jedenfalls aber stehe ihm als Neuwagenkäufer ein Anspruch aus § 852 BGB zu.

II.

Die zulässige Berufung ist nur zu einem geringen Teil – betreffend den Umfang der Nutzungsentschädigung und den Zinsausspruch, sowie den Annnahmeverzug der Beklagten – begründet und im Übrigen unbegründet.

Der Kläger kann von der Beklagten zwar nicht aus § 826 BGB, wohl aber aus § 852 Satz 1 BGB den tenorierten Betrag nebst Rechtshängigkeitszinsen verlangen.

1.

Dem Kläger stand ursprünglich ein mittlerweile verjährter Schadensersatzanspruch aus §§ 826, 31 BGB zu.

a)

Das Landgericht ist zunächst zutreffend und von der Berufung unbeanstandet davon ausgegangen, dass die Beklagte gegenüber Käufern von Fahrzeugen, die – wie hier – mit dem …motor … ausgestattet und vom sog. „Diesel-Abgasskandal“ betroffen sind, grundsätzlich wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung nach § 826 BGB zum Schadensersatz verpflichtet ist. Das entspricht der Rechtsprechung des Senats, die im Einklang mit den aktuellen höchstrichterlichen Entscheidungen steht (vgl. das Urteil des Senats vom 24. März 2020 – 2 U 37/19 –; BGH, Urteile vom 25. Mai 2020 – VI ZR 252/19 –, BGHZ 225, 316 = NJW 2020, 1962; vom 30. Juli 2020 – VI ZR 354/19 ̶, BGHZ 226, 322 = NJW 2020, 2796; – VI ZR 367/19 ‒, NJW 2020, 2804 = MDR 2020, 1180; ̶ VI ZR 397/19 ‒, NJW 2020, 2806; sowie vom 17. Dezember 2020 – VI ZR 739/20 –, MDR 2021, 230). Auf die Ausführungen des Landgerichts wird zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen.

b)

Der dem Kläger vorsätzlich sittenwidrig zugefügte Schaden liegt in dem Abschluss des ungewollten Kaufvertrages über ein Fahrzeug, das nur formal über eine EG-Typgenehmigung verfügte und deswegen nicht voll brauchbar war (BGH, Urteil vom 25. Mai 2020 – VI ZR 252/19, Rdnr. 46 ff bei juris; OLG Stuttgart, Urteil vom 12. Mai 2021 – 9 U 17/21, Rdnr. 30 bei juris). Wirtschaftlich liegt er in der Hingabe des vertragsgemäß Geleisteten, während sich schadensmindernd das dafür Erhaltene auswirkt, einschließlich der Nutzungen, die der Kläger hieraus gezogen hat. Im Ergebnis ist gegen Übereignung und Übergabe des betreffenden Wagens der um Nutzungsvorteile geminderte Kaufpreis zu erstatten (vgl. BGH, Urteil vom 25. Mai 2020 – VI ZR 252/19, NJW 2020, 1962, Rdnr. 64 ff). Bei der gemäß § 287 ZPO vorzunehmenden Bemessung der anzurechnenden Vorteile ist die übliche lineare Berechnungsformel zugrunde zu legen, nach der der Bruttokaufpreis multipliziert wird mit dem Verhältnis der gefahrenen Strecke seit Erwerb zu der in diesem Moment erwarteten Restlaufleistung (Senat, Urteil vom 13. April 2021 – 2 U 108/20 –, Rdnr. 32 bei juris). Der zu 30.600 € erworbene Neuwagen hatte in diesem Moment nach den prinzipiell gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO zu Grunde zu legenden Feststellungen des Landgerichts (vgl. Senat, Beschluss vom 5. Oktober 2020 ‒ 2 U 24/20 ̶), die von keiner Seite wirksam in Frage gestellt wurden, eine zu erwartende Restlaufleistung von 300.000 km. Am Tag der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hatte der Kläger damit gesamt 85.544 km zurückgelegt und folglich Nutzungen im Wert von 8.725,49 € gezogen. Somit verbleibt ein Zahlbetrag von 21.874,51 €.

c)

Der Anspruch ist jedoch entgegen der Annahme des Landgerichts verjährt.

Gemäß § 195 BGB beträgt die regelmäßige Verjährungsfrist, denen die Ansprüche unterliegen, drei Jahre. Sie beginnt gemäß § 199 Abs. 1 BGB mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist (§ 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB) und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste (§ 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB). Kenntnis in diesem Sinne ist gegeben, wenn dem Geschädigten die Erhebung einer Schadensersatzklage, sei es auch nur in Form der Feststellungsklage, Erfolg versprechend, wenn auch nicht risikolos, möglich ist. Maßgeblich ist allein die Kenntnis der tatsächlichen Umstände, mithin des Lebenssachverhalts, der die Grundlage des Anspruchs bildet. Dabei ist weder notwendig, dass der Geschädigte alle Einzelumstände kennt, die für die Beurteilung möglicherweise Bedeutung haben, noch muss er bereits hinreichend sichere Beweismittel in der Hand haben, um einen Rechtsstreit im Wesentlichen risikolos führen zu können. Die erforderliche Kenntnis ist vielmehr bereits vorhanden, wenn die dem Geschädigten bekannten Tatsachen ausreichen, um den Schluss auf ein schuldhaftes Fehlverhalten des Anspruchsgegners als naheliegend erscheinen zu lassen. Es muss dem Geschädigten lediglich zumutbar sein, aufgrund dessen, was ihm hinsichtlich des tatsächlichen Geschehensablaufs bekannt ist, Klage zu erheben, wenn auch mit dem verbleibenden Prozessrisiko, insbesondere hinsichtlich der Nachweisbarkeit von Schadensersatz auslösenden Umständen. Das erfordert nicht, dass der Gläubiger aus den ihm bekannten Tatsachen auch die zutreffenden rechtlichen Schlüsse zieht. Nur ausnahmsweise kann die Rechtsunkenntnis des Gläubigers den Verjährungsbeginn hinausschieben, wenn eine unsichere und zweifelhafte Rechtslage vorliegt, die selbst ein rechtskundiger Dritter nicht zuverlässig als erfolgversprechend, wenn auch nicht als risikolos einzuschätzen vermag. In diesen Fällen fehlt es an der Zumutbarkeit der Klageerhebung als übergreifender Voraussetzung für den Verjährungsbeginn. In Dieselfällen wie der hier vorliegenden Art war dem jeweiligen Erwerber aber die Erhebung der Klage grundsätzlich ab Kenntnis von dem Dieselskandal im Allgemeinen und von der Betroffenheit des eigenen Fahrzeugs im Besonderen zumutbar (BGH, Urteil vom 17. Dezember 2020 – VI ZR 739/20 –, MDR 2021, 230 Rdnr. 21 f).

Diese Kenntnis hatte der Kläger in 2016 erlangt. Die Beklagte hatte hierzu bereits erstinstanzlich geltend gemacht, sie habe den Kläger – wie alle Halter entsprechender Fahrzeuge – im Februar 2016 angeschrieben und über die Betroffenheit ihres Fahrzeugs individuell hingewiesen. Der Kläger ist diesem Vortrag erstinstanzlich nicht substantiiert entgegengetreten. Er hat ihn vielmehr im Allgemeinen bestätigt. Er hat nicht behauptet, das Schreiben nicht erhalten zu haben, sondern nur angegeben, die – weder in der Sache noch im Prozess beteiligte – A… AG habe ihn erst im Jahr 2017 informiert. Der persönlich angehörte Kläger vermochte hierzu nichts zu sagen. Das aber hätte ihm angesichts dessen oblegen, dass es um Umstände aus seiner Sphäre geht, so dass er an der Sachaufklärung mitzuwirken und erforderlichenfalls darzulegen hat, was er zur Ermittlung der Voraussetzungen seiner Ansprüche und der Person des Schuldners getan hat (vgl. BGH, Urteil vom 3. Juni 2008 – XI ZR 319/06 –, NJW 2008, 2576, Rdnr. 25 bei juris). Das zweitinstanzliche Bestreiten ist hingegen unbeachtlich, § 531 Abs. 2 Satz 1 ZPO.

Die damit spätestens Ende 2019 abgelaufene Verjährung vermochte die erst im April 2020 erhobene Klage nicht mehr rechtzeitig zu hemmen gemäß § 204 Nr. 1 BGB.

Daran ändert nichts, dass das unstreitig zwischenzeitlich – zu einem nicht vorgetragenen Zeitpunkt – aufgespielte „Softwareupdate“ nach dem Vortrag des Klägers seinerseits eine unzulässige Abschalteinrichtung begründen soll. Der ihm entstandene Schaden liegt wie dargelegt in dem Abschluss des ungewollten Vertrages im Jahr 2014. Der Schaden hätte sich nicht vergrößert, wenn das Fahrzeug nachträglich mit weiteren vorschriftswidrigen Funktionen ausgestattet wurde. Der Kläger hätte den Vertrag ohnehin nicht geschlossen und wollte das Fahrzeug nicht. Mehr als eine Rückabwicklung kann und konnte er nie verlangen (so zutreffend OLG Stuttgart, Urteil vom 12. Mai 2021 – 9 U 17/21 –, Rdnr. 59 bei juris). Die Beklagte hat den Kläger mit dem Update auch nicht von der Erhebung der Klage abgehalten, weshalb die Geltendmachung der Verjährungseinrede sich nicht als treuwidrig darstellt (vgl. OLG Celle, Urteil vom 04. November 2021 – 7 U 4/21 –, Rdnr. 26 bei juris).

2.

Dem Kläger verbleibt allerdings ein Anspruch aus § 852 Satz 1 BGB. Danach ist der Ersatzpflichtige, der durch eine unerlaubte Handlung auf Kosten des Verletzten etwas erlangt hat, auch nach Eintritt der Verjährung des Anspruchs auf Ersatz des aus einer unerlaubten Handlung entstandenen Schadens zur Herausgabe nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung verpflichtet. Dieser Anspruch verjährt nach Satz 2 in zehn Jahren von seiner Entstehung an, ohne Rücksicht auf die Entstehung in 30 Jahren von der Begehung der Verletzungshandlung oder dem sonstigen, den Schaden auslösenden Ereignis an.

a)

Dieser „Rest-Schadensersatzanspruch“ (so der Aufsatztitel von Ebert, NJW 2003, 3035, vgl. insbesondere auch 3037; ebenso Eichelberger, in: Beck-Online Großkommentar mit Stand 1. März 2021, § 852 BGB Rdnr. 1; Wagner, in: Münchener Kommentar zum BGB, 8. Auflage 2020, § 852 BGB Rdnr. 2; BGH, Vorlagebeschluss vom 7. März 2019 – 3 StR 192/18, NJW 2019, 1891/1895 Rdnr. 67; Urteil vom 15. Januar 2015 – I ZR 148/13 –, NJW 2015, 3165, Rdnr. 29 bei juris) soll es dem Geschädigten ermöglichen, eine durch die unerlaubte Handlung verursachte Bereicherung des Ersatzpflichtigen auch dann noch abzuschöpfen, wenn der Schadensersatzanspruch bereits verjährt ist. Der Deliktstäter soll nicht schon nach Ablauf der kurzen Verjährungsfrist des Schadensersatzanspruches das zulasten des Geschädigten durch die unerlaubte Handlung Erlangte behalten dürfen (Eichelberger ebd. Rdnr. 3; Wagner ebd. Rdnr. 2). Das geht zurück auf das aus dem römischen Recht herrührende Rechtsinstitut der „condictio ex iniusta causa“, wonach kondiziert werden kann, was sich aus einem rechtswidrigen Grund bei jemandem befindet (BGH ebd.; Spindler, in: Beck’scher Online-Kommentar zum BGB, 57. Edition mit Stand 1. Februar 2021, § 852 BGB Rdnr. 1): Dem Verletzer sollen nicht die Früchte seines rechtswidrigen Handelns verbleiben (BGH, Urteil vom 26. März 2019 – X ZR 109/16 –, BGHZ 221, 342, Rdnr. 23).

Praktische Folge der Norm ist, dass der Geschädigte selbst bei Kenntnis der anspruchsbegründenden Umstände weiterhin abwarten kann und auch nach Eintritt der Verjährung des Schadensersatzanspruches eine beim Schädiger vorhandene Bereicherung herausverlangen kann (Spindler ebd. Rdnr. 3; Eichelberger ebd. Rdnr. 3). Der Gesetzgeber führt in der Gesetzesbegründung zwar als Beispiele den Fall an, dass der Dieb nach seiner Festnahme behauptet, das Diebesgut „versetzt“ und den Erlös verbraucht zu haben, und den Fall, dass ein Lösegelderpresser behauptet, das Lösegeld auf seiner Flucht „verjubelt“ zu haben. Der Gläubiger soll in derartigen Fällen auch nach Eintritt der Verjährung des Schadensersatzanspruchs innerhalb der zehnjährigen Verjährungsfrist für den deliktischen Bereicherungsanspruch entscheiden können, ob er den Bekundungen des Täters Glauben schenken oder ihn auf Herausgabe der Bereicherung verklagen möchte. Zudem werde trotz Kenntnis von einer Patentrechtsverletzung oftmals auf eine Verfolgung der Ansprüche innerhalb der dreijährigen Verjährungsfrist verzichtet, wenn der Patentrechtsinhaber hinsichtlich des Bestands des Klagepatents unsicher sei (BT-Drs. 14/6040 S. 270 und 282). Aus den vom Gesetzgeber angeführten Beispielen kann indes nicht gefolgert werden, dass die Norm einschränkend dahin auszulegen wäre, dass sie ausschließlich anwendbar sei, wenn im Einzelfall vergleichbare Unwägbarkeiten bestehen. Denn die vom Gesetzgeber aufgezeigten Schwierigkeiten, die Rechtslage oder die Erfolgsaussichten der gerichtlichen Inanspruchnahme des Schädigers richtig einzuschätzen, stellen sich letztlich bei jedem Anspruch (so zutreffend Ebert ebd. S. 3036; Eichelberger ebd. Rdnr. 3). Noch weniger allerdings kann der Norm als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal entnommen werden, dass der Verletzte auf die Möglichkeit des weiteren Zuwartens angewiesen sein müsse. Hierfür gibt auch die angeführte Gesetzesbegründung nichts her. Im Gegenteil lassen die von dem Gesetzgeber gewählten Beispiele des Diebes und des Erpressers erkennen, dass der Verletzte gerade keine besonderen Gründe dafür haben muss, den eventuell noch bei dem Verletzer verbliebenen Schadensrest erst nach Eintritt der Verjährung des Schadensersatzanspruchs zu kondizieren.

b)

Die Norm ist auch in den so genannten „Dieselfällen“ anwendbar. Zwar halten einige Stimmen auch in der obergerichtlichen Rechtsprechung sie für eine Ausnahmebestimmung, die von vornherein nicht auf „Dieselfälle“ wie den vorliegenden anzuwenden sei. Sie sei auf besondere Fallgruppen zugeschnitten, in denen dem Geschädigten schon wegen der extremen Eingriffstiefe oder / und des Umfangs oder der Art und Weise der deliktischen Vermögensverschiebung nicht zuzumuten ist, das Fortbestehen der auf der Täterseite eingetretenen Bereicherung nur deshalb hinzunehmen, weil die allgemeine Verjährungsfrist schon abgelaufen ist oder dies unmittelbar bevorstehe. Im Vordergrund stünden einerseits extreme Delikte und andererseits „ergaunerte“ Vermögensvorteile aus Schutzrechtsverletzungen. Beiden Fallgruppen sei die besondere Schwierigkeit der Rechtsverfolgung eigen. Das sei in Dieselfällen nicht so. Hier komme hinzu, dass der Käufer letztlich ein voll funktionstüchtiges Fahrzeug erhalten habe. Sein auch eher als nur „normativ“ zu bezeichnender Schaden werde ohnehin durch den laufenden Gebrauch des Fahrzeugs aufgezehrt (so OLG Bamberg, Urteil vom 4. August 2021 – 3 U 110/21 –, Rdnr. 8 ff bei juris). Es fehle in diesen Fällen an dem für eine Anwendung des § 852 BGB notwendigen Ungleichgewicht in den Vermögenslagen von Schädiger und Geschädigtem, da jedenfalls eine Kompensation durch die vertraglich geschuldete und tatsächlich auch gewährte Gegenleistung erfolgt ist, die der Geschädigte durchgehend vollständig zu nutzen im Stande ist bzw. war (OLG Düsseldorf, Urteil vom 20. Mai 2021 – I-5 U 57/20 –, Rdnr. 56 bei juris).

Dem vermag der Senat nicht beizutreten. Der Gesetzgeber hat den Anwendungsbereich der Norm schon ihrem Wortlaut nach nicht auf „schwere Straftaten wie Lösegelderpressungen“ (so OLG Bamberg ebd.) beschränkt, und hat dies auch nicht beabsichtigt. Dies wird bereits aus der amtlichen Begründung deutlich, die auf den schlichten „Dieb“ abstellt. Das ist auch deshalb stimmig, weil der vorsätzlich unberechtigte Zugriff eines Diebes auf fremdes Eigentum und der in einer Schutzrechtsverletzung liegende Eingriff vergleichbar schwer wiegen können. Weder das eine noch das andere ist auf „Extremfälle“ beschränkt.

Und ebenso wenig bedarf es eines besonderen, herausgehobenen, akuten oder sonst wie zu qualifizierenden Schadens. Das zeigt wiederum der Eingriff in ein fremdes Schutzrecht, der nach allgemeiner Ansicht im Anwendungsbereich dieser Norm liegt, auf die daher im Immaterialgüterrecht jeweils verwiesen wird (vgl. die Nachweise bei Wagner ebd. Rdnr. 4). Auch hier ist der Schaden unter Umständen nur ein „normativer“ in dem Sinne, dass durch den Eingriff allein kein Schaden entsteht. Nicht in jedem Fall entgeht dem Schutzrechtsinhaber etwa ein konkreter Gewinn. Daher kann sein Schaden auch auf der Grundlage des Betrages berechnet werden, den der Verletzer als angemessene Vergütung hätte entrichten müssen, wenn er die Erlaubnis zur Benutzung der Erfindung eingeholt hätte (sog. Lizenzanalogie), § 139 Abs. 2 Satz 3 PatG. Daneben wird auch der unberechtigte Gewinn des Verletzers „normativ“ als Schaden des Berechtigten verstanden. Die Pflicht zu seiner Herausgabe ist gerade nicht auf Ersatz des konkret eingetretenen Schadens gerichtet. Vielmehr zielt die Herausgabe des Verletzergewinns in anderer Weise auf einen billigen Ausgleich des Vermögensnachteils, den der verletzte Rechtsinhaber erlitten hat. Es wäre nämlich unbillig, dem Verletzer einen Gewinn zu belassen, der auf der schuldhaften unbefugten Benutzung des Schutzrechts beruht. Die Abschöpfung des Verletzergewinns dient zudem der Sanktionierung des schädigenden Verhaltens und auf diese Weise der Prävention gegen eine Verletzung der besonders schutzbedürftigen Immaterialgüterrechte (BGH, Urteil vom 26. März 2019 – X ZR 109/16, GRUR 2019, 496, Rdnr. 20).

Der Anwendbarkeit der Norm auf „Dieselfälle“ steht schließlich nicht entgegen, dass sich der Schaden des vorsätzlich sittenwidrig geschädigten Käufers eines Kraftfahrzeuges durch fortwährenden Gebrauch des Fahrzeugs verringert. Das ist mit dem Inhalt der Vorschrift ohne weiteres dadurch zu vereinbaren, dass sie das durch den Schädiger Herauszugebende nicht nur auf das bei ihm noch Vorhandene beschränkt. Zugleich begrenzt der bei dem Verletzten (noch) vorhandene Schaden seinen Ersatzanspruch (vgl. Ebert, NJW 2003, 3035/3037). Das wird in „Dieselfällen“ durch den Abzug der Nutzungsentschädigung vom Kaufpreis berücksichtigt (im Ergebnis ebenso OLG Stuttgart, Urteile vom 9. März 2021 – 10 U 339/20 – und vom 10. Februar 2021 – 9 U 402/20; OLG Koblenz, Urteil vom 31. März 2021 – 7 U 1602/20 –; OLG Oldenburg, Urteil vom 22. April 2021 – 14 U 225/20 –; OLG Karlsruhe, Urteil vom 9. Juli 2021 – 13 U 168/21 –, Rdnr. 75).

c)

Die Beklagte hat durch eine unerlaubte Handlung auf Kosten des Klägers einen Betrag von 27.540 € erlangt.

Die Beklagte hat den Kläger wie erwähnt vorsätzlich sittenwidrig geschädigt.

Sie hat aus dieser unerlaubten Handlung „etwas erlangt“. Für dieses Tatbestandsmerkmal genügt ein Vermögenszuwachs gleich welcher Art; „etwas“ ist denkbar weit zu verstehen als jedweder Zufluss materieller oder immaterieller Art, ohne Rücksicht darauf, ob dieser einen Vermögenswert aufweist und deshalb zu einer Bereicherung führt; „etwas“ ist wie im Bereicherungsrecht zu verstehen. Es kommt nicht auf eine Vermögensmehrung an, nur auf das Erlangen eines Vorteils (Eichelberger ebd. Rdnr. 17; Vieweg ebd. Rdnr. 8). Die Vorschrift dient nicht allein der Gewinnabschöpfung (so aber M., Gutachten zu § 852 BGB, C. I und D. III.1 = jM 2021, 9/12 f). Der Anspruch aus § 852 BGB setzt im Gegenteil gerade nicht voraus, dass der Verletzer einen Gewinn erzielt hat. Vielmehr genügt es, dass er einen Vermögensvorteil in Gestalt eines Gebrauchsvorteils erlangt hat (BGH, Urteil vom 15. Januar 2015 – I ZR 148/13 –, NJW 2015, 3165, Rdnr. 33 f bei juris; OLG Stuttgart, Urteil vom 9. März 2021 – 10 U 339/20 –, Rdnr. 73 bei juris).

Die Beklagte erlangte sowohl aus dem Betrug wie auch aufgrund der vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung des Klägers mit der Möglichkeit des Absatzes eines weiteren Fahrzeugs nicht nur den ihr daraus erwachsenen Gewinn; das wäre die Vermögensmehrung, auf die es nach dem Gesagten gerade nicht ankommt. Sie erlangte vielmehr das ihr von dem Händler für das Fahrzeug Gezahlte. Der Kläger nimmt hier unwidersprochen eine Händlermarge von 10 % an, so dass der hierum geminderte Kaufpreis von 30.600 € als erlangt anzusehen ist, das heißt ein Betrag von 27.540 €.

Dies erfolgte auch „auf Kosten des Verletzten“, des hiesigen Klägers. Erforderlich ist, dass der Schädiger das „Etwas“ dergestalt aus dem Vermögen des Verletzten erlangt hat, dass der Zufluss beim Ersatzpflichtigen mit einem entsprechenden Nachteil – in Form eines Abflusses oder eines entgangenen Zuflusses – beim Geschädigten korrespondieren. Es kommt nicht darauf an, ob der Zufluss unmittelbar und ohne Zwischenschritte erfolgte (Eichelberger ebd. Rdnr. 19; Wagner ebd. Rdnr. 7; M., Gutachten D. IV. 2 = jM 2021, 9/10 f; BGH, Urteil vom 14. Februar 1978 – X ZR 19/76 –, BGHZ 71, 86, Rdnr. 62 bei juris; Urteil vom 26. März 2019 – X ZR 109/16 –, BGHZ 221, 342, Rdnr. 21 bei juris; OLG Stuttgart, Urteil vom 9. März 2021 – 10 U 339/20 –, Rdnr. 41 bei juris).

Das ist hier gegeben. Der Vorteil bei der Beklagten in Form des „Kaufpreises“ für das Fahrzeug korrespondiert mit dem Nachteil im Vermögen des Klägers in Form der Kaufpreiszahlung aus einem ungewollten Vertrag. Dies ist ein Nachteil und damit ein Schaden für den Kläger unabhängig davon, ob der Kaufvertrag insgesamt wirtschaftlich nachteilig für ihn war, und damit unabhängig von einem Vergleich der im Vertrag versprochenen Gegenleistungen. Im Rahmen des § 852 BGB kann der „Restschaden“ nicht anders betrachtet werden als der ursprüngliche, aus § 826 BGB hergeleitete, den er fortsetzt (M., Gutachten C. III. 2). Das gilt unabhängig von der als notwendig postulierten „wirtschaftlichen Betrachtung“ des Vermögenszuwachses im Merkmals „auf Kosten“ (so zutreffend OLG Stuttgart, Urteil vom 9. März 2021 – 10 U 339/20 –, Rdnr. 46 f bei juris; ebenso M., Gutachten E. II. 1 = jM 2021, 9/11).

Weitere Voraussetzungen bestehen nicht. Insbesondere kann der Norm nicht das ungeschriebene Tatbestandsmerkmal einer erhöhten Schutzbedürftigkeit des Verletzten entnommen werden, wie dies die Beklagte unter Berufung auf das von ihr eingeholte Gutachten M. annimmt. Ihm zufolge sei Sinn und Zweck der Norm, dem Verletzten zu erlauben, den Eintritt der kurzen schadensersatzrechtlichen Verjährungsfrist sozusagen sehenden Auges verstreichen zu lassen, um sich danach doch noch wenigstens auf eine Gewinnabschöpfung zu konzentrieren. Diese „zeitliche Begünstigungsfunktion“ oder „Bedenkzeitfunktion“ sei gerechtfertigt allerdings nur dann, wenn der Verletzte der zeitlichen Begünstigung und der weiteren Bedenkzeit bedürfe. Das sei nach den von dem Gesetzgeber gewählten Beispielen der Fall bei zunächst unklarer Rechtslage oder vorübergehend unzureichender Solvenz des Schädigers. Dies berücksichtige der Wortlaut nicht, der damit über das durch den Gesetzgeber Gewollte hinausgehe und folglich zu reduzieren sei. Notwendig sei ein besonderes Risiko in Form des Prozesskostenrisikos. Ein solches Risiko habe in den Dieselfällen allerdings deshalb nicht bestanden, weil sich alle Geschädigte insoweit risikolos der eigens zu diesem Zweck geschaffenen Musterfeststellungsklage haben anschließen können (M., Gutachten C. 5. = jM 2021, 56).

Dem ist nicht zu folgen (vgl. auch OLG Stuttgart, Urteil vom 12. Mai 2021 – 9 U 17/21 –, Rdnr. 65 bei juris; OLG Karlsruhe, Urteil vom 9. Juli 2021 – 13 U 168/21 –, Rdnr. 77; OLG Celle, Urteil vom 4. November 2021 – 7 U 4/21 –, Rdnr. 62 bei juris). Der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 14/6040 S. 270, insofern wörtlich wiedergegeben bei OLG Stuttgart, Urteil vom 9. März 2021 – 10 U 339/20 –, Rdnr. 52 ff bei juris) lässt sich zwar tatsächlich die Aussage entnehmen, der Norm komme besonders dann praktische Bedeutung zu, wenn der Geschädigte sehenden Auges zunächst keine rechtlichen Schritte gegen den Schädiger unternimmt und damit verjährungshemmende Maßnahmen vorerst unterlässt. Daraus ergibt sich aber nicht, dass der Gesetzgeber dem Geschädigten lediglich unzumutbare Prozesskostenrisiken ersparen und den Anwendungsbereich der Norm auf diesen Fall beschränken wollte. Es sollte dem Geschädigten vielmehr ohne besondere Begründung frei stehen zu entscheiden, „ob er den Bekundungen des Täters [über dessen Entreicherung] Glauben schenken oder ihn auf Herausgabe der Bereicherung verklagen möchte.“ Die praktische Bedeutung der Norm mag auf die Fälle beschränkt sein, in denen der Geschädigte die Verjährung bewusst oder grob fahrlässig eintreten hat lassen. Die Vorschrift bezweckt allerdings den Schutz dieses Geschädigten nicht nur in den Fällen, in denen seine Besserstellung gerechtfertigt wäre. Sie schaut vielmehr auf den Schädiger, dem es verwehrt sein soll, eine durch die unerlaubte Handlung verursachte Bereicherung schon nach Ablauf der kurzen Verjährungsfrist des Schadensersatzanspruches zu behalten. Ihm sollen – vorbehaltlich des Ablaufs auch der längeren Verjährungsfrist – nicht die Früchte seines rechtswidrigen Handelns verbleiben (so BGH, Urteil vom 26. März 2019 – X ZR 109/16 –, BGHZ 221, 342, Rdnr. 23).

d)

Rechtsfolge ist die Verpflichtung der Beklagten zur Herausgabe des Erlangten nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung. Herauszugeben ist somit nach §§ 818 f BGB das Erlangte einschließlich gezogener Nutzungen und Surrogate, hilfsweise Wertersatz. Der Anspruch ist freilich („doppelt“, so M. Gutachten D. IV. 1 = jM 2021, 9/10, unter Verweis auf Ebert, NJW 2003, 3035/3037) limitiert durch den dem Verletzten zugefügten Schaden.

Herauszugeben ist das Erlangte und nicht nur, wie die Beklagte annimmt, der durch sie im einzelnen Fall erzielte Gewinn. Sie postuliert hierfür, nach Bereicherungsrecht herauszugeben sei die Bereicherung, und konkret diene die Vorschrift der Abschöpfung des Verletzergewinns. Dieser könne angesichts der hohen Komplexität nicht im Einzelnen bestimmt werden, weshalb eine pauschale Betrachtung erforderlich sei, die sinnvollerweise auf die ersparten Kosten der mit der Manipulation obsolet gewordene Umrüstung in Höhe von 93 € je Fahrzeug abstelle.

Das trägt nicht. Herauszugeben ist nach § 852 Satz 1 BGB – ebenso wie nach § 812 Abs. 1 BGB – nicht die „Bereicherung“, sondern das Erlangte. Schon beim gutgläubigen und unverklagten Bereicherungsschuldner, den zu schützen § 818 Abs. 3 BGB bezweckt, ist die „Bereicherung nicht länger Zentralbegriff des Bereicherungsrechts“ (so anschaulich Schwab, in: Münchener Kommentar zum BGB, 8. Auflage 2020, § 818 BGB Rdnr. 127). Bereicherungsansprüche nach bürgerlichem Recht sind vielmehr primär auf „das Erlangte“ oder dessen Wert gerichtet. In den §§ 812 ff BGB ist, von der Überschrift (des Titels wie auch des § 818 BGB) abgesehen ‒ zunächst stets nur vom „Geleisteten“ oder „Erlangten“ die Rede, und zwar noch in den Absätzen 1 und 2 des § 818 BGB. Erstmals in § 818 Abs. 3 (und dann wieder in den §§ 820 Abs. 2, 822) BGB wird der Begriff der „Bereicherung“ verwendet als Maßstab für die Begrenzung der Haftung nach den vorangehenden Vorschriften, denen diese Begrenzung deshalb schlechthin eigen ist (vgl. BGH, Urteil vom 7. Januar 1971 – VII ZR 9/70 –, BGHZ 55, 128, Rdnr. 18 bei juris). Im Ergebnis ist auch beim Gutgläubigen prinzipiell eine gegenständliche Betrachtungsweise maßgeblich: Herauszugeben ist exakt derjenige Vorteil, welcher dem Empfänger zugeflossen ist (Schwab ebd. Rdnr. 131). Seine mögliche Entreicherung ist in einem zweiten Schritt zu prüfen (ebenso OLG Stuttgart, Urteil vom 9. März 2021 – 10 U 339/20 –, Rdnr. 61 ff. bei juris; OLG Karlsruhe, Urteile vom 9. Juli 2021 – 13 U 168/21 und 13 U 123/21–, Rdnr. 83; OLG Celle, Urteil vom 4. November 2021 – 7 U 4/21 –, Rdnr. 64 ff bei juris; a. A. OLG Stuttgart, Urteil vom 12. Mai 2021 – 9 U 17/21 –, Rdnr. 67 bei juris).

Auf Entreicherung vermag die Beklagte sich allerdings nicht zu berufen. Zwar macht sie geltend, von dem ihr Zugeflossenen seien nicht nur der im objektiven Motorwert verkörperten anteiligen Entwicklungs- sowie die Herstellungskosten abzuziehen, sondern darüber hinaus auch ihre Aufwendungen zur Schadensminderung und –beseitigung im Interesse des Verletzten. Hierzu gehörten namentlich die mit der Umrüstung des Fahrzeugs verbundenen Rückruf-, Kommunikations-, Transaktions- und Umrüstungskosten (in nicht benannter Höhe).

Auch das trägt nicht. Nach § 818 Abs. 3 BGB ist die Verpflichtung zur Herausgabe oder zum Ersatz des Wertes ausgeschlossen, soweit der Empfänger nicht mehr bereichert ist. Nach Absatz 4 der Norm haftet der Empfänger von dem Eintritt der Rechtshängigkeit an indes nach den allgemeinen Vorschriften. Gleiches gilt nach § 819 Abs. 1 BGB von dem Moment an, in dem der Empfänger den Mangel des rechtlichen Grundes kennt oder erfährt.

§ 818 Abs. 3 BGB beschränkt den Umfang der Herausgabepflicht auf das beim Empfänger (noch) Vorhandene. Die Regelung bewirkt eine besondere Privilegierung des gutgläubigen Bereicherungsschuldners gegenüber Schuldnern aus anderem Haftungsgrund und dient unter anderem dem Verkehrs- und Vertrauensschutz. Sie soll den redlichen und unverklagten Schuldner davor schützen, durch die ungeschmälerte Verpflichtung zu Herausgabe oder Wertersatz einen Vermögensnachteil zu erleiden, das heißt schlechter zu stehen als bei regelmäßigem Verlauf der Dinge (BGH, Urteil vom 21. März 1996 – III ZR 245/94 –, NJW 1996, 3409, Rdnr. 44 bei juris; Wendehorst, in: Beck’scher Online-Kommentar zum BGB, 57. Edition mit Stand 1. Februar 2021, § 818 Rdnr. 34 f).

Für den Bösgläubigen gilt dies nicht. Er haftet nach §§ 819 Abs. 1 und 818 Abs. 4 BGB – wie der Verklagte – „nach den allgemeinen Vorschriften“. Er kann sich daher „nicht auf § 818 Abs. 3 BGB berufen“ (so die Formel der Rechtsprechung, vgl. BGH, Urteil vom 21. März 1996 – III ZR 245/94 –, NJW 1996, 3409, Rdnr. 50 bei juris, sowie die weiteren Nachweise bei Staudinger/Lorenz (2007), § 818 BGB Rdnr. 52). Denn diese Vorschrift gehört – wie das Bereicherungsrecht insgesamt – nicht zu den „allgemeinen Vorschriften“ (so ausdrücklich BGH, Urteil vom 14. Oktober 1971 – VII ZR 313/69 –, BGHZ 57, 137 = NJW 1972, 36, Rdnr. 65 bei juris). Aus diesem Grunde ist dem arglistig Handelnden auch verwehrt, das durch ihn Hingegebene und damit seinen eigenen Vermögensabfluss dem Bereicherungsgläubiger dergestalt entgegenzuhalten, dass er diesen in das zur Bestimmung des Herauszugebenden aufzumachenden Saldo einstellt (BGH, Urteil vom 14. Oktober 1971 – VII ZR 313/69 –, BGHZ 57, 137 = NJW 1972, 36, Rdnr. 59 ff bei juris). Bei der Eingriffskondiktion, dem der Anspruch aus § 852 BGB letztlich entspricht (vgl. Wagner ebd. Rdnr. 7), ist dem Bereicherungsschuldner aber ohnehin verwehrt, das an einen Dritten zum Erwerb der Sache Geleistete als seine Bereicherung mindernd anzusetzen (BGH, Urteil vom 30. September 1970 – VIII ZR 221/68, NJW 1970, 2059; Urteil vom 3. Juni 1954 – IV ZR 218/53, NJW 1954, 1194; Schwab ebd. Rdnr. 154; Wendehorst ebd. Rdnr. 61).

Dieses Ziel kann auch nicht im Wege der von der Beklagten befürworteten „teleologischen Auslegung“ in Form der Reduktion des § 818 Abs. 4 BGB erfolgen. Danach soll der Bösgläubige all diejenigen Aufwendungen abziehen dürfen, die er in irgendeiner Weise „im Interesse“ des Bereicherungsgläubigers gemacht hat. Ob die Aufwendung diesem Interesse entsprach, soll nach dem „Maßstab der ordnungsgemäßen Verwaltung fremden Vermögens“ zu entscheiden sein. Das Bezugsobjekt sei dabei das gesamte Vermögen des Verletzten und nicht allein der Bereicherungsgegenstand. Entsprechend könne die Beklagte auch Aufwendungen anrechnen, die sie nachträglich zu Gunsten des in Rede stehenden Kraftfahrzeuges erbracht habe.

Ein dahingehender Wille des Gesetzgebers ist allerdings nicht zu erkennen. Vielmehr ginge eine solche Abzugsmöglichkeit weit über dasjenige hinaus, was auch der gutgläubige Bereicherungsschuldner als Entreicherung ansetzen kann: Dieser kann grundsätzlich nur objektbezogene Dispositionen anrechnen, diese allerdings ohne Rücksicht auf ihre Notwendigkeit (vgl. Wendehorst ebd. Rdnr. 71). Zwar mag es angehen, insoweit auch dem bösgläubigen Schuldner zu gestatten, die Erhaltungskosten bzw. die notwendigen Verwendungen auf den Bereicherungsgegenstand zu berechnen, die im Interesse des Gläubigers lagen. Dies erfordert allerdings keine teleologische Reduktion des § 818 Abs. 4 BGB, sondern lediglich die Anwendung der allgemeinen Vorschrift der §§ 994 Abs. 2, 677 ff BGB. Nicht objektbezogene Dispositionen, um die es hier bei den Kosten des Softwareupdates letztlich geht, sind hingegen auch für den Gutgläubigen nur ganz ausnahmsweise abzugsfähig (vgl. Wendehorst ebd. Rdnr. 74). Es ist nicht erkennbar, warum ausgerechnet der Bösgläubige hier bevorzugt werden sollte (im Ergebnis ebenso LG Hildesheim, Urteil vom 5. März 2021 – 5 O 217/20 –, Rdnr. 79 bei juris; OLG Stuttgart, Urteil vom 9. März 2021 – 10 U 339/20 –, Rdnr. 76 bei juris).

e)

Der Anspruch besteht im Ergebnis in der Herausgabe des durch die Beklagte Erlangten (von 27.540 €) in Höhe des dem Kläger noch verbliebenen Schaden (von 21.874,51 €). Dieser Betrag ist nach §§ 286 Abs. 1 Satz 2 und 288 Abs. 1 BGB ab Rechtshängigkeit zu verzinsen. Eine vorhergehende Mahnung durch den Kläger ist nicht ersichtlich, insbesondere genügt der Ablauf einer durch den Gläubiger selbst gesetzten Frist prinzipiell nicht (vgl. nur BGH, Urteil vom 25. Oktober 2007 – III ZR 91/07 –, BGHZ 174, 77, Rdnr. 7).

Der Anspruch ist – nicht anders als der Anspruch aus § 826 BGB – abhängig von der Zug um Zug zu erbringenden Herausgabe und Übereignung des Fahrzeugs. Das folgt daraus, dass § 852 Satz 1 BGB seinen Rechtsgrund in dem verjährten Deliktsanspruch findet, dieser bestehen bleibt und nur in seinem durchsetzbaren Umfang auf das durch die unerlaubte Handlung Erlangte beschränkt wird (OLG Celle, Urteil vom 04. November 2021 – 7 U 4/21 –, Rdnr. 80 bei juris m. w. N.). Der Senat hat insoweit den auch zweitinstanzlich gestellten Antrag des Klägers berichtigend dahingehend ausgelegt, dass er - wie bereits in der Klageschrift – das in Rede stehende Fahrzeug mit der im Tenor dieses Urteils genannten FIN anbietet. Die im zuletzt gestellten Antrag genannte FIN ist ganz offensichtlich unrichtig. Sie bezieht sich auf einen „Y“ des Modelljahres 2014, der nicht streitgegenständlich ist.

3.

Vom Schaden des Klägers umfasst sind die außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten zur Durchsetzung des im Ergebnis zu bejahenden Zahlungsanspruchs. Mehr als eine 1,3-Mittelgebühr kann allerdings nicht angesetzt werden. Es ist nichts dafür erkennbar, dass die Klägervertreter gerade mit Blick auf das konkret den Kläger betreffende Mandat überdurchschnittlich tätig wurden. Es war allerdings auch nicht erkennbar aussichtslos, zunächst vorgerichtlich tätig zu werden (vgl. Brandenburgisches Oberlandesgericht, Urteil vom 8. Juli 2020 – 4 U 106/19 –, Rdnr. 58 ff., besonders 61 bei juris; Urteil vom 30. September 2020 – 4 U 220/19, BeckRS 2020, 34703). Den Ausspruch zur Freistellung von außergerichtlichen Kosten hat der Senat im Interesse der hinreichenden Bestimmtheit und der Vollstreckungsfähigkeit auf der Grundlage der Klagebegründung präzisiert.

4.

Der Antrag auf Feststellung des Annahmeverzuges ist zulässig. Das gemäß § 256 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse ergibt sich aus § 274 Abs. 2 BGB, § 756 ZPO (vgl. BGH, Urteil vom 28. Oktober 1987 – VIII ZR 206/86, WM 1987, 1496). Er ist aber unbegründet. Die Beklagte befindet sich nicht gemäß §§ 293, 295 BGB im Annahmeverzug. Der Kläger hat ihr das Fahrzeug nicht in einer den Verzug begründenden Weise angeboten. Daran fehlt es, soweit der Kläger zu viel verlangt hat (BGH, Urteil vom 25. Mai 2020 – VI ZR 252/19, NJW 2020, 1962; vom 30. Juli 2020, VI ZR 397/19, Rdnr. 30 bei juris; vom 2. Februar 2021 – VI ZR 449/20, BeckRS 2021, 1708). So liegt der Fall hier. Zwar hat der Kläger stets die Anrechnung einer angemessenen Nutzungsentschädigung angeboten und zuletzt auch seine anfänglichen Vorstellungen einer Gesamtlaufleistung von 750.000 km aufgegeben. Sein zuletzt gestellter Antrag auf Zahlung von 24.730 € geht allerdings von einer nicht mehr nachvollziehbaren Gesamtlaufleistung von 400.000 km aus, und liegt damit fast 3.000 € über dem sich tatsächlich ergebenden Betrag.

5.

Die Kostenentscheidung folgt §§ 97 Abs. 1, 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit § 708 Nr. 10, § 711 ZPO. Die Streitwertfestlegung beruht auf den §§ 43, 47 und 48 GKG.

Die Revision ist zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung hinsichtlich der mit § 852 BGB verbundenen Fragen zuzulassen, § 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.