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Handwerkskammer; Mitglied ; Zentralverband des Deutschen Handwerks e.V.; Aufgabenüberschreitung; Rechtsweg


Metadaten

Gericht OVG Berlin-Brandenburg 1. Senat Entscheidungsdatum 01.11.2022
Aktenzeichen OVG 1 L 36/22 ECLI ECLI:DE:OVGBEBB:2022:1101.OVG1L36.22.00
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen Art 2 Abs 1 GG, § 91 Abs 1 HWO, § 1 Abs 1 IHKG, § 17a GVG

Leitsatz

Für die gerichtliche Geltendmachung eines Anspruchs des Mitglieds einer Handwerkskammer gegen den Zentralverband des Deutschen Handwerks e.V. , bestimmte Äußerungen zu unterlassen, ist nicht der Verwaltungsrechtsweg, sondern der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten eröffnet.

Tenor

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 19. September 2022 wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

Die gemäß § 17a Abs. 4 Satz 3 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) i.V.m. § 173 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) zulässige Rechtswegbeschwerde der Antragstellerin ist nicht begründet.

1. Soweit die Beschwerde geltend macht, über den erstinstanzlich gestellten Befangenheitsantrag gegen die Richterin am Verwaltungsgericht B. sei nicht entschieden worden, weist das Verwaltungsgericht in seinem Nichtabhilfebeschluss darauf hin, dass diese an der angefochtenen Entscheidung bereits aufgrund ihrer Ortsabwesenheit nicht mitwirken konnte und mitgewirkt hat, so dass es einer Entscheidung über das Ablehnungsgesuch nicht mehr bedurfte. Der Streitakte lässt sich entnehmen, dass die abgelehnte Richterin nach Eingang des Gesuchs nicht mehr in der Sache tätig geworden ist. Auch an der Nichtabhilfeentscheidung war sie nicht beteiligt, so dass nicht ersichtlich ist, wie sich die unterbliebene Entscheidung über das Ablehnungsgesuch auf das Ergebnis der Entscheidung ausgewirkt haben könnte.

2. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht entschieden, dass für den von der Antragstellerin geltend gemachten Unterlassungsanspruch gegen den Antragsgegner der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten nicht eröffnet ist, weil es sich nicht um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit im Sinne des § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO handelt und eine aufdrängende Sonderzuweisung an das Verwaltungsgericht nicht vorliegt.

a) Ob eine Streitigkeit öffentlich- oder bürgerlich-rechtlicher Art ist, bestimmt sich beim Fehlen einer ausdrücklichen Rechtswegzuweisung nach der Natur des Rechtsverhältnisses, aus dem der Klageanspruch hergeleitet wird (Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes, Beschluss vom 4. Juni 1974
– GmS-OGB 2/73 – NJW 1974, 2087, juris Rn. 4). Danach liegt eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit vor, wenn sie nach Maßgabe des öffentlichen Rechts zu entscheiden ist, wenn also die Rechtsnormen, um deren Anwendbarkeit die Beteiligten streiten oder nach denen die zugrundeliegende Rechtsbeziehung zu beurteilen ist, dem öffentlichen Recht angehören (vgl. Sodan, in: ders./Ziekow, VwGO, 5. Aufl., 2018, § 40 Rn. 56, 266 ff.; Ruthig, in: Kopp/Schenke, VwGO, 28. Aufl. 2022, § 40 Rn. 6, 6b, jeweils m.w.N.; Wysk, in: ders., VwGO, 3. Aufl. 2020, § 40 Rn. 94). Dies ist auf der Grundlage des Rechtsschutzgebegehrens und des zu seiner Begründung vorgetragenen Sachverhalts zu prüfen. Entscheidend ist hierbei die wahre Natur des Anspruchs, wie er sich nach dem Sachvortrag des Rechtsschutzsuchenden darstellt, und nicht, ob dieser sich auf eine zivilrechtliche oder eine öffentlich-rechtliche Anspruchsgrundlage beruft (BVerwG, Beschluss vom 9. April 2019 – 6 B 162.18 – juris Rn. 7 unter Hinweis auf den Gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes, Beschluss vom 10. Juli 1989 – GmS-OGB 1/88 – BGHZ 108, 284 <286>; Beschluss des Senats vom 31. Oktober 2014 – OVG 1 L 72.13 – m.w.N.).

b) Der Antragsteller ist Mitglied der Handwerkskammer Halle. Antragsgegner ist der als privat-rechtlicher Verein organisierte Zentralverband des deutschen Handwerks, dem, anders als dem Deutschen Handwerkskammertag e.V., neben den 53 Handwerkskammern Deutschlands auch (zahlreiche) Private angehören. Die Beteiligten streiten darüber, ob der Antragsteller aufgrund seiner Pflichtmitgliedschaft in der Handwerkskammer vom Antragsgegner verlangen kann, die in der Antragsschrift wiedergegebenen Äußerungen des Antragsgegners zukünftig zu unterlassen.

Wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, wurden dem Antragsgegner weder durch Gesetz noch durch einen sonstigen Rechtsakt hoheitliche Befugnisse eingeräumt noch handelt es sich um eine Vereinigung, der ausschließlich juristische Personen des öffentlichen Rechts angehören. Auch liegt kein Fall vor, in dem sich der Staat zur Erfüllung seiner Aufgaben eines privaten Verwaltungshelfers bedient. Als juristische Person des Privatrechts ist der Antragsgegner auf die Verwendung privatrechtlicher Handlungsformen beschränkt (vgl. Sodan, a. a. O. Rn. 317 und 363; Ehlers/Schneider, in: Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, 42. Erg.-Lfg. Februar 2022, § 40 VwGO Rn. 207; BVerwG, Beschluss vom 17. November 2008 – 6 B 41.08 – juris Rn. 4 m.w.N.). Zwar ist maßgeblicher Bezugspunkt der Prüfung, ob es sich bei einer Streitigkeit um eine öffentlich-rechtliche oder eine bürgerlich-rechtliche handelt, nicht die öffentlich-rechtliche oder zivilrechtliche Verfasstheit der Beteiligten eines Rechtsverhältnisses, sondern der übergeordnete Gesichtspunkt der Natur des Rechtsverhältnisses, aus dem der Klageanspruch hergeleitet wird; dies stellt den Umstand, dass die Tätigkeit von natürlichen Personen oder juristischen Personen des Privatrechts regelmäßig dem Privatrecht – und damit der Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte – unterfällt, jedoch nicht in Frage (BVerwG, Beschluss vom 26. Mai 2020 – 10 B 1.20 – juris Rn. 9).

Dem Verwaltungsgericht ist darin zu folgen, dass es sich bei dem zwischen den Beteiligten des Rechtsstreits bestehenden Rechtsverhältnis nur um ein bürgerlich-rechtliches handeln kann, auch wenn die Antragstellerin sich insoweit auf einen Unterlassungsanspruch aus Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. § 91 Abs. 1 HWO beruft. Der Antragsgegner ist der Antragstellerin gegenüber nicht grundrechtsverpflichtet. Er nimmt nicht anstelle der Handwerkskammern deren öffentlich-rechtliche Aufgaben wahr. (Ob anderes für den Deutschen Handwerkskammertag e.V. gelten könnte, bedarf hier keiner Entscheidung, denn gegen ihn richtet sich der Eilantrag der Antragstellerin nicht.)

Daran ändert entgegen der Beschwerde nichts, dass die Kompetenzen der Handwerkskammern und ihr in § 91 Abs. 1 HWO festgelegter Aufgabenbereich durch ihre Mitgliedschaft bei dem Antragsgegner (und im Übrigen auch bei dem Deutschen Handwerkskammertag e.V.) nicht erweitert werden können. Die Aufgaben und Befugnisse des Antragsgegners werden jedoch durch § 91 Abs. 1 HWO ebenso wenig geregelt, wie die Aufgaben des seinerzeit noch privatrechtlich verfassten Deutschen Industrie- und Handelskammertag e.V. (DIHK) durch § 1 Abs. 1 IHKG geregelt und begrenzt wurden (BVerwG, Urteil vom 23. März 2016 – 10 C 4.15 – BVerwGE 154, 296, juris Rn. 15). Zwar mag das Mitglied der Handwerkskammer unter bestimmten Voraussetzungen einen Anspruch gegenüber der Kammer auf deren Austritt aus dem Zentralverband haben, sofern dessen Tätigkeit zur einer (nicht nur vereinzelten) Überschreitung der Kompetenzen der Kammer führt (vgl. BVerwG, Urteil vom 14. Oktober 2020 – 8 C 23.19 – BVerwGE 169, 375 zum Anspruch eines Kammermitglieds gegen die Kammer auf den Austritt aus dem DIHK). Das führt jedoch nicht auf eine unmittelbare öffentlich-rechtliche Rechts- und Pflichtenbeziehung zwischen dem Kammermitglied und dem Zentralverband. Gerade weil es an einer solchen (öffentlich-rechtlichen) „Durchgriffsmöglichkeit“ des Kammermitglieds gegen den Zentral- bzw. Dachverband fehlte, hat die Rechtsprechung dem Kammermitglied einen – gegebenenfalls bei den Verwaltungsgerichten durchzusetzenden – Anspruch auf den Austritt „seiner“ Kammer aus dem Verband zuerkannt. Von einer Rechtsschutzlücke kann daher entgegen der Beschwerde keine Rede sein.

c) Der Einwand der Beschwerde, das Erstgericht setze sich über die Rechtsprechung des Senats im Beschluss vom 31. Oktober 2014 (OVG 1 L 72.13) hinweg, trifft nicht zu. Gegenstand dieses Verfahrens war die beantragte (vorläufige) Feststellung, dass Äußerungen des seinerzeit noch privat-rechtlich organisierten DIHK rechtswidrig gewesen sind, weil dieser damit den Aufgabenbereich des § 1 Abs. 1 IHKG überschritten habe. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist, wie bereits ausgeführt, inzwischen jedoch geklärt, dass die Aufgaben des DIHK nach der seinerzeitigen, mit derjenigen nach der Handwerksordnung vergleichbaren Rechtslage nicht durch die Regelung des § 1 Abs. 1 IHKG begrenzt waren (Urteil vom 23. März 2016, a. a. O. Rn. 15).

Vor diesem Hintergrund ist nicht zweifelhaft, dass jedenfalls die Aufgaben des Antragsgegners, in dem nicht nur Handwerkskammern, sondern auch Private organisiert sind (und der ggf. insofern vom Deutschen Handwerkskammertag e.V. zu unterscheiden ist), nicht den Beschränkungen des § 91 Abs. 1 HWO unterliegen. Anders als im Verfahren OVG 1 L 72.13 begehrt die Antragstellerin im hiesigen Verfahren nicht die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Äußerungen des Antragsgegners, sondern die einstweilige Untersagung bestimmter Äußerungen. Wollte man für die Bestimmung des Verwaltungsrechtswegs für ausreichend halten, dass der Rechtssuchende den geltend gemachten (Unterlassungs-)Anspruch auf eine öffentlich-rechtliche Anspruchsgrundlage stützt, die – wie hier – sein Begehren offensichtlich nicht zu tragen geeignet ist, stünde die Wahl des zulässigen Rechtswegs (mit der Folge des umfassenden Prüfauftrags gemäß § 17 Abs. 2 Satz 1 GVG) dadurch quasi in seinem Belieben. Zu Recht lässt die höchstrichterliche Rechtsprechung ein solches Vorgehen nicht für die Bestimmung des einschlägigen Rechtswegs genügen (BVerwG, Beschluss vom 9. April 2019, a. a. O. m.w.N.).

d) Zutreffend hat das Verwaltungsgericht daher nach Allem angenommen, dass zwischen der Antragstellerin und dem Antragsgegner tatsächlich allein eine bürgerlich-rechtliche Beziehung besteht und folglich allenfalls ein Unterlassungsanspruch aus § 1004 BGB in Betracht kommt. Hierbei handelt es sich zweifellos um eine bürgerlich-rechtliche Rechtsbeziehung, über die gemäß § 13 GVG die Zivilgerichte zu entscheiden haben.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Einer Streitwertfestsetzung für das Beschwerdeverfahren bedarf es wegen der insoweit gesetzlich bestimmten Festgebühr nicht (Kostenverzeichnis Nr. 5502 der Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 17a Abs. 4 Satz 4 GVG). Die Beschwerde zum Bundesverwaltungsgericht war nicht zuzulassen. Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung der Beschwerde (§ 17a Abs. 4 Satz 5 GVG) sind nicht erfüllt. Die hier inmitten stehende Frage, ob über den Unterlassungsanspruch eines Mitglieds der Handwerkskammer gegen den Zentralverband des Deutschen Handwerks e.V. die Verwaltungsgerichte zu entscheiden haben, lässt sich bereits aufgrund der anerkannten Kriterien zur Rechtswegzuständigkeit beurteilen; eine Abweichung von der höchstrichterlichen Rechtsprechung liegt nicht vor.